Was der Markt regelt, ist regelmäßig Gegenstand lustiger Aussagen. Meist sind sie ernst gemeint und damit umso lustiger – wenn man nicht in der neoliberalen Filterblase wohnt, wo sie darüber nicht lachen dürfen. So manches ‘regelt’ er aber tatsächlich, ohne dass er es sollte und selbstverständlich völlig anders als das gemeinhin dargestellt wird. Kurzer Schlenker; wie war das noch? November; “wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben“. Ein Finne aus meiner Heimatstadt hat das gekontert mit dem großen Wort: “Weicher matschiger Boden. Wer jetzt nicht baggert, ist selber schuld“. Reden wir einmal mehr von Sex.
Ich hatte neulich den Eindruck, dass in einer Veranstaltung des Flimmermediums eine gewisse krampfige Zurückhaltung zwischen recht ansehnlichen Exemplaren unserer Gattung herrschte, wo es eigentlich hätte knistern sollen. Weinstein was here. Überhaupt wird Sex derzeit kanalübergreifend als Belästigung mit Extras behandelt, weil es sich gerade so verkauft. Dabei steht am Anfang der Malaise gleich doppelt das Kapital mitten im Raum wie ein alter Sack, der seine Griffel überall hat.
Sagen Sie jetzt nichts
Die sexuelle Revolution® der naivsten Generation seit 1914 war bei Lichte betrachtet doch eher die Eröffnung eines Marktsegmentes. Selbst in der Hölle der Piefigkeit aka deutsches Werbefernsehen konnte sich zwischen Herrn Kaiser, Clementine und dem Lenorgewissen die hier schon Kult gewordene sexy-mini-top-op-Cola plazieren. Minirock and Roll, Plattenlabel, Bikini (auch ohne Plutonium), Bravo und Playboy, um nur einige Sterne im neuen Universum zu nennen, wiesen den Weg in unendliche neue Weiten. ‘Aufklärung’ war damit ebenso eine Ware geworden wie alles andere, das noch den Limbo unter der “Porno”-Kante schaffte. Immerhin war das Nähere noch eine Frage persönlichen Kontaktes.
Wie bereits geschildert, ist dieses Ende der Landkarte inzwischen durchs Internet (“is for porn”, indeed) gezeichnet. Es herrscht allenthalben ein Überangebot an sprichwörtlichen Arschlöchern und anderen Körperbereichen, die mit Sekreten aller Art zur Erbauung des Publikums verziert werden. Ein Bewusstsein findet nicht statt; dessen Surrogat (lateinisch für “Bewusstseinsersatzstoff”) verharrt seit irgendwann zwischen Weltkrieg eins und zwo in einem Grabenkrieg zwischen Kirche und Desinteresse. Ja wirklich, die Kirchen. Haben sich immer noch nicht daran gewöhnt, dass weder Keuschheit noch Askese etwas anderes erzeugen als Heuchelei und Gewalt.
Nun ist da also etwas aufgebrochen, das einen allzu lockeren Umgang mit Sex und dessen Objekten für die Zeitspanne vergällt, die eine etwas fettere Sau für den Weg durchs Dorf braucht. Keine Anzüglichkeiten bitte, höchstens gucken und keinesfalls anfassen! Was gäbe ich für die aktuellen Serverstatistiken von Pornhub! Kann man eigentlich darauf wetten? Wie dem auch sei, es muss jetzt überall konsequent durchgegriffen und darüber ausgiebigst berichtet werden. Wer weiß, wann die Welle abebbt? Jede Empörung hat schließlich eine begrenzte Haltbarkeit. Als nächstes dann ein paar Beiträge über die neue Prüderie, ehe wir wieder zur Bikinifigur und ganz neuen Sexspielen mit dem cloudvernetzten VR-Dildo kommen. Erfahren sie jetzt bei Spiegelbild, was wirklich angesagt ist!
Dezember 4th, 2017 at 17:47
Oh, da hatte ich ja wieder Visionen:
“Spannend ist dabei unter anderem, wie aktuelle Ereignisse die Suche auf dem Portal beeinflussen und so auch einen Einblick gewähren, wie die Pornokonsumenten ticken.”
Dezember 4th, 2017 at 19:17
Ich nehme Menschen nicht als mögliche Sexualpartner wahr, was wohl auf diese Störung zurück zu führen ist, die gerade in diesem Spektrum ihre ‘Besonderheiten’ auf mich und potenziell Andere einwirken lässt.
Heute ist das alles aber kein Problem mehr, früher hingegen schon. Ich gehe damit je nach Bedarf um. Klar haben sich dabei einige Vor-Lieben heraus gehoben. Im Sinne des Angebotes komme ich dabei aber nur einer ganz normalen Nachfrage nach.
Dezember 4th, 2017 at 20:16
Diese Besonderheit kann ein USP sein und deine Marktchancen mit der richtigen Strategie erheblich steigern.
Dezember 4th, 2017 at 20:37
Nein.
Dezember 4th, 2017 at 20:50
Menno.
Dezember 5th, 2017 at 07:35
Wie würdest Du denn auf die Klickzahlen der Porno-Seiten wetten?
Ich kann mir nämlich nicht vorstellen, dass die sich nennenswert durch das beeinflussen lassen, was gerade in den Mainstream-Medien durchgehechelt wird – es gibt schließlich Triebe, die sich allenfalls kurzzeitig unterdrücken lassen… :o)
Dezember 5th, 2017 at 10:39
Da sagt der Artikel aus #1 etwas anderes.
Dezember 7th, 2017 at 14:13
“Die sexuelle Revolution® der naivsten Generation seit 1914 war bei Lichte betrachtet doch eher die Eröffnung eines Marktsegmentes.”
Kann ich nicht zustimmen. Zumindest nicht wenn du meinst der Markt hätte die sexuelle Revolution quasi erfunden (die Schweizer auch nicht). Das Bewegungen, Revolutionen, … immer auch kommerzialisiert werden ist so alt wie die Zivilisationen selbst. Das es auch häufig zu einer Trivialisierung, Bagatellisierung oder gar Umdeutung in eine ganz andere Richtung nimmt (um es kommerziell noch besser zu vermarkten), ist wieder ein anderes Thema. Che Guevara Merchandise (oh welch Ironie) ist da ein schönes Beispiel.
Zur eigentlichen sexuellen Aufklärung wird das Pendel vermutlich noch ein paar Mal in beide Richtungen kräftig ausschlagen, bis es sich irgendwann einschwingt. Prüderie der 40/50er, danach die übertriebene sexuelle Offenheit der 60/70er (mit dem krassen Extrem welches bei uns im Kreise der Grünen der 80er Jahre zu beobachten war).
Das Kapitel Sex und Macht (oft auch einfach in der Form von Geld) wäre dann noch ein eigenes Thema für sich, mit dem man vermutliche mehrere Bände füllen könnte. Dazu ist aber mein Wissen viel zu rudimentär.
Dezember 7th, 2017 at 16:20
“Zumindest nicht wenn du meinst der Markt hätte die sexuelle Revolution quasi erfunden”
Nein, das meine ich nicht. Der Markt aka das Kapital erfindet gar nichts, es macht sich nur alles Untertan.
Dezember 16th, 2017 at 15:35
Im letzte Buch des Unsichtbaren Komitees “JETZT” gab es eine bemerkenswerte Aussage zum Stellenwert von Pornhub : ” Im Jahr 2015 wurde allein Pornhub [...] 4392 486 580 Stunden lang besucht, das ist zweimal länger als die Zeit, die der Homo sapiens bislang auf der Erde verbracht hat.”
Das ist natürlich nur ein Detail am Rande eines insgesamt sehr lesenswertes Buches.
Grüße
iDog
Dezember 16th, 2017 at 17:33
Comment moved.
Dezember 16th, 2017 at 19:34
kommt mir zwar so vor als sei das ne Reaktion auf meinen Kommentar, kann aber den Humor in diesem Fall nicht verstehen, müsste ich das ? …
die Artikel hier, die ich bis jetzt gelesen hab, find ich allerdings ganz lustig geschrieben. Kenn ich, den Humor der letzten Instanz. Ja klar, ich kann Realität von Humor unterscheiden. Sonst ? …. bleibt nur noch die Philosophie. Daher u.A auch das Unsichtbare Komitee. Das Komitee – kennst Du das? – schreibt klar, ohne Schnörkel… das letzt Buch ist das beste bis jetzt. … nee, ist keine Werbung, nur ne Meinung.
off-topic, ok, … russische Fake news beim CCC ? Du wirft es ja wissen …
ich bin hier in FR, schon sehr lange, und kenne den CCC nur vom Hörensagen aus der Ferne. Man liest ja so viel.
Dezember 16th, 2017 at 20:44
Hm, tatsächlich ist er im falschen Thread, ansonsten empfehle ich ja immer den Duden – hier I wie “Ironie”.