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Na, schon verwirrt? Wird noch schlimmer, denn bislang sind wir nur indirekt beim Thema. Das nämlich ist, wie gleich eingangs verraten, “Gewalt”, ein Unterkapitel “Ohnmacht”. Der alte weiße Mann hier ist als sehr kleiner weißer Junge auf die Welt gekommen (Nein! Doch! Oh!) und hat quasi vom ersten Tag an Gewalt erlebt. Das hat einen komischen Effekt: Selbst wenn man (und das sind meine frühesten Erinnerungen) eine Idee hat davon, was ungerecht ist und mit dem Gesamtpaket “Leben” irgendwie unzufrieden ist, erscheint Gewalt zunächst als etwas völlig Normales. Man erleidet sie und man wendet sie an. Ganz selbstverständlich.

Wenn man erwachsen wird und das Glück hat, diese Erfahrungen reflektieren zu können, gibt es Wege, nicht zum Gewaltzombie zu werden und sie (was psychologisch quasi der Normfall ist) in Endlosschleife zu wiederholen. Hier gibt es eine entscheidende Schnittstelle, an der Gewalterfahrung, vor der niemand je sicher ist, beherrschbar wird. Richtig; jetzt sind wir bei der Ohnmacht. Nicht Gewalt ist das Problem (sofern sie keine bleibenden körperlichen Schäden hinterlässt), sondern Ohnmacht.

Endlosschleife

Es ist Ohnmacht, die zur Wiederholung drängt, zur berüchtigten “Identifikation mit dem Aggressor”. Das Gewaltopfer versucht, die traumatische Erfahrung zu bewältigen, indem es die Situation wiederholt, allerdings mit vertauschten Rollen. Es tritt selbst als Täter auf, als der handlungsfähige Part der Situation, was doppelt blöd ist, denn das funktioniert nicht. Es gibt auch noch andere Strategien, etwa Autoaggression, die das Trauma wiederholen und ähnlich ‘erfolgreich’ sind. Das alles ist bis hierher höhere Küchenpsychologie. Kommen wir also zum Schluss zum Anfang, zu einer fatalen Strategie, die ich vehement ablehne:

Der Weg aus der Ohnmacht ist die Konfrontation mit ihr, der erlebten Gewalt und der Angst. Dümmste Strategie: Sich für alle Zeiten ohnmächtig zu machen, indem man Angst vor Gewalt kultiviert. Und damit bin ich mitten in meinem Problem mit dem ‘Opferschutz’. Wer Gewaltopfer vor Gewalt schützen will, indem er eine ganze Gesellschaft auf Samthandschuh dressieren will, hat den Knall nicht gehört. Obendrein beschlagnahmen die in ihre Opfer verliebten ‘Schützer’ noch jeden symbolischen Opferstatus, der nicht bei drei unterm Teppich ist: schwarz, weiblich, homosexuell, behindert, bescheuert oder religiös. Ausnahme wie gehabt alles, was mit Klassenbewusstsein zu tun hat, denn da verschmelzen die ganzen schönen Rassen und Vorlieben zu einer einzigen Menschheit, wie eklig!

Wer schützt wen vor was

Was lässt euch eigentlich glauben, dass Gewaltopfer von euch geschützt werden wollen? Die Alibispaten in eurer Peergroup? Will der Homie aus der Bronx wirklich von Veganern aus Kreuzberg vor alten weißen Männern geschützt werden? Das ist genau so geil wie diese antideutschen Israel-Fans. Glauben die wirklich, Israel und seine Bürger wollen “uneingeschränkte Solidarität” von Typen, deren Leistung darin besteht, Nazienkel zu sein? Wenn das der Sigmund wüsste!

Es ist mühsamer, sich realen Gewaltopfern zu widmen anstatt sich Sex-und Rassenlehren anzueignen, mit denen das Böse bekämpft wird. Gewaltopfer haben den Anderen derweil eines voraus: Sie wissen, wie das ist, wenn es passiert. Sie wissen, dass es passieren kann, dass es möglich ist. Es ist kein Unfall und kein magisches Schicksal. Gewalt – na und? Es gibt keine Sicherheit. Es kann keine geben. Na und? Will man sie unbedingt verhindern, wird man sie heraufbeschwören, egal ob aus ‘Opferschutz’ oder totalitärer Gesinnung. Man muss den Menschen die Angst vor der Gewalt nehmen und sie nicht für die an ihren Vorfahren rächen.

Gewalt ist eine Option für jedermann. Nur wer sich völlig hat kastrieren lassen und glaubt, es sei ein Naturgesetz, dass ein Staat seine Bürger vor jeder Gewalt schützt, kann das verdrängen und glauben, es sei eine Katastrophe, wenn jemand gegen das Gewaltmonopol verstößt. Im Gegenteil ist es für das Bewusstsein und seinen Schutz vor Ohnmacht besser, sich der Gewaltoption zu versichern. Es kommt im Zweifelsfall sogar darauf an, sie ausüben zu können. Auch und gerade gegenüber dem Staat, der zwangsläufig irgendwann auf seltsame Ideen kommt, wo er seine Bürger zu Schäfchen degradiert hat. Die Wahl ist immer die zwischen Ohnmacht und der Fähigkeit zu handeln.