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Ich habe den folgenden Artikel in zwei Teile zersägt. Er nimmt lange Anlauf und geht weit über die Dörfer, daher lasse ich ein bisschen Zeit für Reflexion und ggf. erstes Gemecker.

Das ganze Leben ist die Kunst des rechten Maßes. Egal ob ‘privat’, öffentlich, politisch, sozial, beim Essen, Trinken und den Drogen, Spocht, Unterhaltung und selbst in der Vernunft braucht es Grenzen, innerhalb derer getan und gelebt wird, sonst wird es unerträglich. Ich meine hier selbstverständlich Gesellschaft – die wiederum da anfängt, wo wir es mit mindestens zwei Menschen zu tun haben. Da muss es Grenzen ebenso geben wie Toleranz; wird die Schraube überdreht, fliegt das Ganze auseinander. Dummerweise befinden wir uns in diesem Albtraum mit dem Titel von Maggie Thatcher: “There is no such thing as society” – es gibt keine Gesellschaft.

Das ist nicht bloß die Formel des Wahnsinns, den der Neoliberalismus über die Menschen gebracht hat, es ist durchaus auch eine Diagnose. Extremismus ist der Normalzustand; das Extrem des Individualismus. Das Problem: Der losgelassene Einzelne ist immer extrem, weil durch niemanden eingeschränkt. Welch grandiose Idiotie, die “Freiheit des Einzelnen” zum Ideal zu verklären! Der Einzelne, der sich mit niemandem arrangiert, keine Rücksicht nimmt, nur sein eigenes Ziel vor Augen hat, ist ein Idiot. Er kann gar nichts anderes sein, weil er nicht erkennt, was er denkt und tut, weil er sich nicht erlebt als das, was er immer ist: ein Teil von Gruppen, auf die er Einfluss hat.

Ich und die Anderen

Sozialkompetenz, die Fähigkeit, Wechselwirkungen zwischen Gruppen und Personen zu verstehen, ist mehr als plumpe Berechnung. Wer nur die Wahrscheinlichkeit erhöhen will, sein Ziel zu erreichen, wird nicht einmal das schaffen. Er erkennt schon den eigenen Einfluss auf andere nicht, wo er ihn nicht mit Leben erfüllt und weiß noch weniger davon, dass seine vermeintlichen Ziele gar nicht seine sind. Er weiß nichts darüber, wie er selbst beeinflusst wird. Über diese Erkenntnisse geht das produzierte Menschenbild der Gegenwart aber hinweg.

So viel zu diesen Voraussetzungen für das, was dann an ‘Gesellschaft’ übrigbleibt, die ein bloßes Funktionieren des Apparates ist, für den sie keinen Namen mehr hat. Das mag u.a. ein Grund dafür sein, warum das Völkische wieder Konjunktur hat: Wer keine “Gesellschaft” mehr kennt, findet sich vielleicht im ‘Volkskörper’ wieder. Um die vielen kleinen Extremisten unter Kontrolle zu halten, gibt es reichlich Ideen, vom Strafrecht über Gehirnwäsche bis hin zu autoritären Moralkorsetten. Je nach Geschmack wird damit das Schlimmste verhindert oder für Gerechtigkeit gesorgt.

Das Böse

Dabei sind sich die Meisten einig, dass Gewalt gebannt, geächtet, verboten und möglichst ausgemerzt gehört. Entlang der Empfindlichkeit gegenüber Gewalt kann man wiederum ungefähr ablesen, wie weit ‚links’ oder ‘rechts’ jemand steht. Die Rechten sind für Gewalt noch der brutalsten Art: Todesstrafe, Lynchjustiz, und wo wir die Gefilde des schäumenden Mobs verlassen, wenigstens immer “härtere Strafen”, der Kassenschlager der ‘Konservativen’. Selbstverständlich ist hier die Rede von Gewalt gegenüber anderen, vor allem gern Schwächeren. Die haben das irgendwie verdient, weil sie minderwertig sind.

Auf der linken Seite müssen wir einen kleinen Schnitt machen rechts von der winzigen Minderheit, die militant auftritt. Dann kommen die neu-Autoritären, die unerbittlich mit null Toleranz gegen Gewalt sind. Zur Not wird Gewalt auch schon mal umdefiniert, aber ganz wichtig ist, dass es keine Gewalt mehr gibt. Das bedeutet ja eben auch, dass Angehörige jeder Gruppe, die auf irgendeine denkbare Art Opfer irgendeiner Gewalt wurden, davor geschützt werden müssen, indem man alles unterdrückt, was dazu imstande wäre, also weiße Hetero-Männer. Die fallen leider dann auch nicht mehr unter Opferschutz, egal wie furchtbar sie gequält oder ausgebeutet werden.

to be continued