“Veranstaltungen wie das Luther-Pop-Oratorium mit 30.000 Chorsängern oder die vielen Gottesdienste auf den Marktplätzen überall im Land waren besonders erfolgreich.
Natürlich erleben wir Phänomene wie Nationalismus, wie Rassismus und Hetze und Hasskommentare im Netz …
Aber wir müssen uns gerade da mit unserem positiven Menschenbild in die Gesellschaft einbringen.
EKD-Ratsvorsitzender Heinrich Bedford-Strohm
Oder auch:
“Denn der aus dem Rechtfertigungsglauben konsequent folgende Glaube an die göttliche Alleinwirksamkeit ist derart brutal und menschenunwürdig, dass die Leute massenweise aus der evangelischen Kirche austräten, wenn er ihnen von ihren Pfarrern bekanntgemacht würde.”
Hubertus Mynarek
November 16th, 2017 at 15:34
man könnte es auch verdrängung nennen, dieses schönsehen des obersten kirchenvertreters der protestanten.
ich hatte vor jahren eine debatte mit einem frisch berufenen prof. für kunst in der kirche. ich erklärte ihm meine diss. über ästhetik als säkularisierte christologie. er fragte mich, warum ich dann nicht gleich bei christus gelandet wäre. was kunst vermochte, wie kafka, beckett usw., dazu war die durch pfarrer vermittelte christologie nicht in der lage.
die schwierigste gruppe, die ich 1992 durch die documenta geführt habe, war eine aus pfarrerinnen und pfarrern. im gegensatz zur religionswissenschaft klaus-heinrichscher prägung sind viele evangelikale nicht in der lage, ihre religion auch aus der distanz zu sehen.
November 16th, 2017 at 15:53
Hallo Klaus. Schön, vor dir zu hören.
November 16th, 2017 at 16:02
danke …
November 16th, 2017 at 17:30
Man kann an der Auswahl der Zitate schön sehen, wie weit der Fassungsrahmen der Auslegungen zu Glaubensinhalten reichen kann … oder sollte man eher berechtigt formulieren: wie beliebig Glaube schon immer ausgelegt werden konnte, um alle möglichen Herrschaftsformen darzustellen oder aber zu legitimieren.
Was des einen Kritik, kann schon des anderen Leitbild sein. Man soll sie eben an ihren Taten erkennen und da sieht es doch eher trübe aus.
November 16th, 2017 at 18:55
Auch hpd: “Jedermann sei untertan”
Der studierte Historiker Karsten Krampitz legt mit dem Buch “‘Jedermann sei untertan’ – Deutscher Protestantismus im 20. Jahrhundert” eine kritische Betrachtung zum Thema bezogen insbesondere auf den praktizierten Untertanengeist vor. Der Autor kann anhand von vielen historischen Quellen den einschlägigen Opportunismus nachweisen und regt ohne platte Polemik zu einem kritischen Umgang mit dieser Geschichte an. [..]
November 17th, 2017 at 10:21
Zu diesem verheerenden Menschenbild hat auch der Psychoanalytiker Andreas Peglau ein Büchlein geschrieben, in dem er Wilhelm Reichs ‘Massenpsychologie des Faschismus’ wieder aufgreift. Dankenswerterweise hat er es auch kostenlos im Netz veröffentlicht. Selbstverständlich werden dabei auch die Kirchen angemessen gewürdigt, besonders jedoch das auf die Spitze getriebene neoliberale Menschenbild, geht es dem Autor doch zunächst einmal um eine Erklärung für das (Wieder-) Erstarken faschistoider Tendenzen in unseren Gesellschaften des ‘entwickelten Kapitalismus’. Er beschreibt mE sehr gut, wie diese soziokulturellen Traditionen im entsprechend konditionierten Menschen konsequent verhindern, dass er auch nur seine ‘objektiven Interessen’ erkennen, geschweige denn vertreten wird und überhaupt kann.
Der Ethnologe Marshal Sahlins wiederum führt dieses Menschenbild bis auf die griechische Kosmogonie, bis mindestens Hesiod, zurück. Das ist eine sehr lange, auch vom Mittelalter nicht wirklich unterbrochene Tradition, die da auf uns lastet. Eine ‘Massenpsychologie des Kapitalismus’ wäre sicher eine lohnende Aufgabe. Sie müsste und könnte mE zeigen, dass und warum der Kapitalismus ausgerechnet ein Produkt des sich aufgeklärt wähnenden Europa ist, und warum dieser mit einer solchen wahrhaft menschenverachtenden Gewalttätigkeit auch ‘global’ verbreitet werden konnte.
Hugh!:p
November 17th, 2017 at 10:31
OT: Wisst ihr, was uns die ganze Zeit in D-land dringend gefehlt hat? Ein anti-russischer neoliberaler Thinktank: Transatlantischer Ruhestand
Mit dem Zentrum Liberale Moderne wollen Marieluise Beck und Ralf Fücks die Demokratie verteidigen. Im Fokus: die Aggressionen des Kreml.
Andere Rentner gehen Flaschen sammeln. Warum die beiden nicht?
Wenn dann noch Joachim Gauck seine Grüße persönlich beisteuert, dann wird das schon ein ordentlicher Laden sein.
“Die fangen was Neues an und nennen sich Zentrum. Die waren früher schon frech. Ich finde das gut”. Joachim Gauck, 11. Bundespräsident, bei der Eröffnung des Thinktanks Zentrum @LiberaleModerne von Marieluise Beck und Ralf @fuecks. (tweet)
Nur 11 Lichtjahre bis zum nächsten bewohnbaren Planeten? Das muss doch zu schaffen sein …
November 17th, 2017 at 10:58
Auch OT: “Die Union würde die Vorratsdatenspeicherung nicht nur bei der Terrorbekämpfung, sondern auch bei der Bekämpfung der Einbruchskriminalität einsetzen wollen“; yo, und Wasserwerfer gegen Raucher, Folter zur Warheitsfindung sowie die Todesstrafe für Linksextreme. Sind schließlich Koalitionsverhandlungen.
November 17th, 2017 at 11:07
Was bin ich froh, dass wir keine Linksextremen bei der Bullerei haben. Du weißt, dass etwas nicht stimmt, wenn die ‘B*ld’ Alarm wegen Rechtsextremismus schlägt.
November 17th, 2017 at 12:57
OT: Wie kommt es eigentlich, dass Buden wie die Friedrich August von Hayek-Gesellschaft e.V. oder diese “liberal Modernen” als “gemeinnützig” anerkannt werden?
Anders: Was muss ich tun, damit ich billiger einkaufen gehen kann?
(Okay, die Idee ist angelehnt an das hier: Ein ganzes Dorf auf Steuerflucht)
November 17th, 2017 at 13:58
OT: Die Presse im Vergleich. Spon: Kubickis Frau bringt ihm kein Hemd. (Link geschenkt)
The Guardian: Questions over German politician’s ‘links to Russian pipeline’
Email links Wolfgang Kubicki – a candidate to be finance minister – to statement advocating potential of pipeline that critics say is opposed to EU interests
Manchmal könnte man meinen, den Liberalen ginge es gar nicht um die Freiheit.
November 17th, 2017 at 18:43
flatter 9: Nicht in der Bullerei, aber kürzlich im Berliner Senat – er heißt A. Holm.
November 18th, 2017 at 02:05
@ Peinhart
Das geht womöglich doch etwas weiter zurück. Vielleicht so bis um 2000 vor. Ich vermute es begann in Ägypten, das sich nach der Vereinigung von Ober- und Unterägypten zur wohl ersten staatsähnlichen Form entwickelte. Eine Form, die irgendwann von Griechen aber auch Römern in veränderter Weise durch den Rest der damals bekannten Welt geschleift wurde. Zu dieser Zeit lief das in Ägypten aber auch schon nicht mehr so, wie man es sich einst erdacht hatte. Überblick verloren, kennt man ja.
November 18th, 2017 at 12:09
@Peinhart 6
Danke für den Link.
Rein zufällig lese ich besagtes Buch Reich’s gerade und finde es- wenige Seiten vor Schluss – fur mich absolut bereichernd….
November 18th, 2017 at 12:48
@11 r@iner: Ich kann mit dem Guardian-Artikel ausser der Wahrnehmung pathologischen Russenhasses und krasser Desinformation (Nordstream 2 ist ein gemeinsames Projekt von Gazprom und einer Reihe deutscher und österreichischer Industrieunternehmen und “controversial” vor allem bei Kriegshetzern und Russophoben) nicht viel entnehmen.
Da gibt es also den politisch unbekannten FDP-Exbotschafter Elbe, und dessen Anwaltsbüro hat mal jemand vertreten, der was mit Gazprom zu tun hatte? So ganz die “Kontaktschuld”-Propaganda, die wir schon aus Querfrontdebatten kennen. Erschreckend ist doch eher die faschistisch-militaristische NATO-Militanz der Grünen.
November 23rd, 2017 at 14:34
So wenig ich auch von Luther, der Kirche oder institutionellem Glauben (also Religion) an sich halte, so fand ich zumindest die Doku “Der große Anfang – Der Funke” mit Lesch doch ziemlich aufschlussreich, da man einigermassen differenzierte und ausgewogene Informationen erhält.
Finde da die Artikel, welche sich quasi nur auf den Aspekt des Judenhasses und seiner allgemein zunehmenden Menschenverachtung mit fortschreitendem Verlauf seiner Krankheit und somit auch immer schlechterem physischen wie psychischen Zustand, fixieren, dann doch ein wenig schwach. Im Kontext der Zeit/Kultur und mal abseits seiner letzten geistig umnachteten Lebensjahre war Luther in vielen Aspekten um einiges aufgeschlossener als viele seiner Mitmenschen, besonders aus dem kirchlichen Umfeld.
November 23rd, 2017 at 17:29
Die Fernsehsendung kenne ich nicht, das ist hier daher wenig hilfreich.
“welche sich quasi nur auf den Aspekt des Judenhasses und seiner allgemein zunehmenden Menschenverachtung mit fortschreitendem Verlauf seiner Krankheit und somit auch immer schlechterem physischen wie psychischen Zustand, fixieren”
- wo passiert das? Wer macht das?
Schließlich: Die Evangelen haben über die Jahrhunderte keine Dokus geguckt, sondern Luthers Schriften gelesen, verbreitet und verinnerlicht. Das könnte man sogar diagnostizieren, wenn man Luther nie gelesen hätte.