Die Geschichte hat Gesellschaften entstehen lassen; sie wurden nicht konstruiert. In der Regel lief etwas schief im Staate (Dänemark oder anderswo), dann kam es anders. Zum Beispiel dass der Klerus nicht bloß Jahrhunderte lang einen bereits überalterten Tinnef mit Gewalt als ‘Wissen’ verteidigte, erledigte sich spätestens, als man damit keine Kanonen bauen konnte. Mit der Erfindung der Eisenbahn ungefähr akzeptierte dann sogar der Vatikan, dass die Erde sich um die Sonne dreht.
Nachdem Europa im 17. Jahrhundert weitgehend entvölkert war, weil sich zwei Konfessionen nicht hatten einigen können, welche Gebete den Ratten die Flöhe aus dem Pelz treiben würden und der Rest durch Hunger und Krieg umgebracht wurde, formierte sich zunächst ein neues Wissen. Bis das allerdings in die Politik durchschlug … meine Güte, ich sehe das heute noch nicht so recht.
Gute Idee
Dennoch spielt die Weisheit über Bande auch schon mal ganz gute Bälle. Sofern man mit neuem Wissen eben besser große Sachen kaputt machen und viele Menschen umbringen kann, setzt sie sich durch. Auch recht wirksam waren technische Fortschritte, die für Reichtum sorgten. Der gute alte Hunger konnte sogar für die Völker etwas rausschlagen. Wenn der Pöbel zu mager wurde, holte er sich etwas von dem, was ihm zustand. So sorgten Wissen und Revolution auch für soziale Veränderung.
Unter anderem konnte die bürgerliche Revolution für einen Staat sorgen, in dem ein gewisser Ausgleich der Kräfte für stabile Verhältnisse sorgte. “Gewaltenteilung” nennt sich das und bildet die Basis des “Rechtsstaats”. Der ist allerdings mit dem Makel gesegnet, dem Eigentum einen zu hohen Sockel gegossen zu haben. Dies führte zur nächsten Welle von Revolutionen, den kommunistischen. Hier gingen Erkenntnisfortschritt (eine moderne Theorie) und politische Umwälzung Hand in Hand.
Das klingt schön, ist es aber nicht. Im Gegenteil war diese Revolution, die begonnen hatte wie jede andere, nämlich als Aufstand aus schierer Not, am Ende auf dem Reißbrett konstruiert worden. Es wurde in Stein gemeißelt, was künftig als gottgefällig oder ketzerisch (“konterrevolutionär) zu gelten hätte und man bediente sich der ältest möglichen Herrschaftstechniken: Zwang, Zentralismus, Hierarchie, Dogmatismus. Das konnte nicht gutgehen.
Probelauf gescheitert
Eines der Probleme des “real Existierenden” war, dass es keine Übergangsphasen gegeben hat, keine schrittweise Entwicklung aus den bürgerlichen Staaten hin zu einer wirklich egalitären Gesellschaft. Die besten Errungenschaften der ‘westlichen Demokratien’ wurden nicht in eine neue Formation übernommen, sondern erfolgreicher bekämpft als die schlechtesten. Der ganze Ballast aus Militarismus und autoritärer Führung, den die Bürgerlichen wenigstens teilweise überwunden hatten, wurde restauriert. Schade eigentlich.
Man kann daraus einiges lernen. Erstens, dass mit scheinbaren Fortschritten gern Rückschritte verbunden sind. Wenn man dergleichen bemerkt, könnte das ein Zeichen dafür sein, dass man falsch abgebogen ist. Zweitens, dass der Logik folgend eine ungeheure Gravitation von allem ausgehen kann, was Stabilität verspricht. Deshalb bilden sich auch immer wieder faschistische und andere autoritäre Regime aus. Solche Tendenzen sind derzeit wieder weltweit zu beobachten.
Wirklich voran zu kommen, kann also davon abhängen, dass es nicht nur gute Ideen gibt und einen Zeitpunkt, an dem diese umgesetzt werden. Es wird darauf ankommen, Stabilität zu schaffen ohne Zwang, Gewalt und Führerkult. Diese politische Baustelle erscheint mir eher verwaist. Wenn die Menschen dieses Problem aber nicht lösen, können sie auch wieder auf die Bäume klettern – solange es noch welche gibt.
August 8th, 2017 at 14:37
“Zweitens, dass der Logik folgend eine ungeheure Gravitation von allem ausgehen kann, was Stabilität verpricht.” Jup, “kann” aber leider nich muss -> der Witz: Was heute Stabilität versprcht – und dem gefolgt/das gewählt wird – iss morgen das nächste Furunkel am A****.
August 8th, 2017 at 20:03
Die Krux ist mE wieder, das wir Stabilität, ausgehend von diesem bereits mehrfach erwähnten misanthropischen Menschenbild einer ‘selbstsüchtigen, rücksichtslosen Bestie’, immer nur als Herrschaft bzw in Formen der Herrschaft sehen können. Dabei ist es weitgehend egal, ob wir ‘der Natur’ einfach ihren Lauf lassen wollen und also eh beim ‘Naturrecht des Stärkeren’ herauskommen, oder ob wir einer ‘Beherrschung’ dieser angeblichen Natur im Namen von ‘Moral und Zivilisation’ den Vorzug geben. ‘Herrschaft’ kommt allemal dabei heraus, und in der Praxis meist eine wenig erfreuliche Mischung beider Ansätze.
Von daher wird mE auch die nächste Revolution notwendig scheitern, wenn wir uns nicht grundsätzlich mit den vorwiegend westlich verankerten falschen Vorstellungen von Natur und Kultur, von Individuum und Gesellschaft auseinandersetzen. Der notwendige Gedanke einer ‘Menschheit’ scheitert unweigerlich an diesen offenbar tief verwurzelten Paradigmen.
Sonst hamwa halt wirklich wieder nur das nächste Furunkel am A****…
August 8th, 2017 at 20:05
“Der Sieger schreibt die Geschichte.”
Da kann man sich ins Kissen beissend in den Schlaf weinen
-es ändert sich nicht…
Und man(das Volk) liebt Gewinner,ob sie auf Glück oder Können oder harte Arbeit oder Geld oder Strippenzieher hinter Kulissen verlassen hatten/haben!
August 8th, 2017 at 20:06
Achja und das Timing muss stimmen!
August 8th, 2017 at 21:20
@Peinhart (2)
*seufz*
August 8th, 2017 at 23:03
@Peinhart: Ich bin auf die alten Tage jemand, der gern positivistisch denkt (im Sinne Foucaults; nein, sonst bin ich keiner). Man kann mit den schönen Utopien nur untergehen, wenn man sie nicht umhegt. Faschisten sind das effizienteste Pack, wenn es darum geht, kurz- bis mittelfristig Verhältnisse abzusichern. Da sie allerdings die Schraube dabei struktubedingt überdrehen, fliegt das dann auch wieder auseinander. Ich denke an so etwas wie ein Minimum an ‘Herrschaft’, das sich nicht übertölpeln lässt. An der Ecke fehlt m.E. ein ganzer Zweig von Wissenschaft.
August 9th, 2017 at 10:49
Das ist lustig hier in diesem Land. Ich las nur die Überschrift: “Höhere Verteidigungsausgaben – Absurde Argumentation der SPD” und fragte mich, bei welcher Atlantikbrücke der Autor wohl Mitglied sei. Christoph von Marschall heißt der Mann. Das Sprichwort stimmt. Wieso sprechen Verschwörungstheoretiker eigentlich immer von “Bilderbergern”?
August 9th, 2017 at 12:05
Noch so’ne Schrecksekunde (nach Peinharts Link zu Herrn O. M.): Christoph von M… Ich frach mich immer, was passieren muss (passiert iss) dass solche Typen immer und immer wieder ins Mikrophon und auf’s Papier strullen dürfen? Oder iss der vllt. Ächzperte? :-(
August 9th, 2017 at 12:10
Ha, Maasens Löschgesetz schafft Arbeitsplätze! Gerade meldet das Radio: Fatzebuck stellt Mitarbeiter zum Löschen ein! So geht “New Jobs Creation!”