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Der Rechtsstaat bröselt weltweit, vor allem im ‘Westen’. Die Demokratie heißt noch so, weil sie als herrschende Religion in Ritualen immer wieder so genannt und als das ‘Gute’ zu Geltung gebracht wird. Tatsächlich ist ihr Kern verrottet. Wir sind hinter die Errungenschaften des 18. Jahrhunderts zurückgefallen. Es herrscht de facto das Feindrecht, und genau das wurde einst durch die Bürgerliche Demokratie und ihren Rechtsstaat abgeschafft.

Das Gewaltmonopol des demokratischen Staates ist eines Errungenschaft, die sich die Bürger und Arbeiter gegen den Staat erkämpft haben. Es ist nur verliehen, was in jeder maßgeblichen Verfassung steht, im GG Artikel 20: “Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus”. Das bedeutet erstens das Ende eines Jahrhunderte währenden Verhältnisses, nämlich das vom Untertan zur Herrschaft. Staat und Bürger sind gleichberechtigt. Im Zweifel ist es der Staat, der sich rechtfertigen muss und der verändert werden muss, wenn die Bürger es so wollen. Dieses Verhältnis wurde wieder umgekehrt.

Zurück zum Feindrecht

Maßgeblich dafür ist das US-Regime unter George W. Bush, das – quasi verbindlich für alle NATO-Staaten und in der Folge für die EU und weitere – das Feindrecht über die Prinzipien des Rechtsstaats gestellt hat, und zwar im Inneren wie im Äußeren. Zunächst wurden Folterlager und Mordkommandos ausschließlich jenseits des Territoriums der USA betrieben, gleichzeitig aber bereits Bürgerrechte eingeschränkt und demokratiefeindliche Strukturen mit einer umfassenden Macht ausgestattet. Spätestens damit hat der Staat keine Legitimation mehr für sein Gewaltmonopol.

Geheimdienste, die in den USA von Faschisten der McCArthy-Fraktion mithilfe von Nazis aufgebaut wurden und vor allem umgekehrt, waren von Anfang an ein Schandfleck für Demokratie und Rechtsstaat. Im Kalten Krieg mag man diese noch als Sicherheitsmaßnahme betrachtet haben, aber solche undemokratischen und konspirativen Einrichtungen bedürfen dann strengster Kontrolle. Diese findet effektiv gar nicht mehr statt. Die Dienste weigern sich sogar, ihren Kontrolleuren die nötigen Informationen zu geben. Dafür bekommen sie dann mehr Geld und noch mehr Befugnisse, das Recht zu missachten.

Damit ist wie gesagt das Gewaltmonopol hinfällig, denn vor diesen Einrichtungen haben die Bürger keine Rechte mehr. Von der Privatsphäre bis hin zum Recht auf Unversehrtheit von Leib und Leben wurde es ihnen genommen; sie sind wieder Untertanen. Obendrein werden die maßgeblichen Organe dieser Unterwerfung nicht gewählt, nicht kontrolliert und haben keine zeitliche Begrenzung. Man nennt sie daher auch “tiefen Staat”. Gleichzeitig werden auf Staatsebene immer mehr Verabredungen getroffen (sogenannte Freihandelsverträge, Kriege, Finanzpolitik), die keinem rechtlichen Standard standhalten. All dies hat das Recht der Staaten, über ihre Bürger zu herrschen, untergraben.

Erosion

Die Entwicklung der Weltwirtschaft, d.h. des Kapitalismus, sorgt derweil dafür, dass immer mehr Menschen verarmen und die Arbeitsbedingungen immer schlechter werden. Der Neoliberalismus hat u.a. für Arbeitszwang und Lohndumping gesorgt. Viele Bürger haben also gar nichts mehr vom ursprünglichen Vertrag zwischen Bürger und Staat. Sie sind vielmehr in jeder Hinsicht dessen Gegner. Noch können viele durch die eingangs geschilderte Religiosität der Restdemokratie mental unter Kontrolle gehalten werden, aber auch das wird immer schwerer, weil die nötigen Manipulationen eine weitere Säule der Demokratie gesprengt haben: den Bezug auf Vernunft.

Schon moralisch nicht mehr haltbar, macht sich die staatliche Herrschaft durch ihre Techniken zunehmend lächerlich. Aussagen von Politik und Medien werden immer öfter widerlegt; in den USA regiert gar ein böser Clown. Dies führt wiederum dazu, dass sich ausgerechnet die Vernünftigen abwenden, weil sie nicht mehr durchdringen. Was bleibt, ist irrationale Parteilichkeit. Du bist für etwas oder dagegen, Gründe sind hinfällig – das gelebte Feindrecht als Politik. Es war aber Vernunft, die überhaupt erst den Glauben an Gleichberechtigung ermöglichte – und sei es nur die von Handelspartnern.

Verträge beruhten auf nachvollziehbaren Prinzipien, Eindeutigkeit, Schlüssigkeit, Prüfbarkeit. Abweichungen wurden unter dem Primat dieser Prinzipien verhandelt. Das Recht des Stärkeren und des Fürsten wurde durch freiwillige Vereinbarungen ersetzt. Dies ist das Prinzip des demokratischen Rechtsstaats. Dass dieses Prinzip immer durch faktische Macht eingeschränkt war, ist nicht zu leugnen, inzwischen aber dient es nur mehr als Feigenblatt. Die Stärkeren haben die Macht und lassen sich nicht mehr einschränken. Das Gewaltmonopol ist ein reines Machtmittel geworden. Seine moralische und juristische Autorität ist zerbrochen.