Geplante Resets und die Dummheit der Marxisten
Posted by flatter under kapital , theorie[30] Comments
17. Jun 2017 15:08
Beginnen will ich mit einem etwas seltsamen Artikel von Michael Wendl. Er hebt an mit einem Blick auf die ökonomischen Hintergründe des AfD-Programms und liefert in diesem Rahmen eine schöne Zusammenfassung neoliberaler Theorien. Insbesondere die quasireligiöse Macht des Marktes (Hayek) wird dort schön dargelegt. Ärgerlich allerdings, dass Wendl, der bis zum Schlussabsatz mit Recht von “Vulgärmarxismus (bzw. -Leninismus)“ spricht, dann dieses Fazit zieht:
“Letzteres liegt darin begründet, dass Marx geldtheoretisch auf der Höhe seiner Zeit war; aber diese Zeit war vom Goldstandard und vom Gold als Weltgeld geprägt. Erkenntnisfortschritte über Marx hinaus können sich Marxisten offensichtlich nicht vorstellen.”
Plötzlich sind es alle Marxisten, und Marx ist wieder 19. Jahrhundert und Goldstandard. Während Marktökonomen von Hayek bis Keynes inhaltlich dargestellt werden, gibt es auf der anderen Seite nur vorgestrige Deppen. Marx hat trotz Goldstandards bereits alle(!) Wirkungen des Kapitalismus beschrieben, die heute dank endloser Kreditschöpfung eine entsprechende Beschleunigung erfahren. Für Marxianer gibt es kein “raffendes Kapital”.
Raffendes Kapital
Die Kritik geht völlig ins Leere. Um wie immer am Kreidestrich stramm zu stehen, wird wieder und wieder das Argument gebracht, Newton habe Unsinn erzählt, weil er keine Ahnung von Raumkrümmung hatte. Pff, Theorien des 17. Jahrhunderts, der Mann war Alchemist! Wer sich auf Newton beruft, muss ein Idiot sein. Wer heute noch Marx zitiert, erst recht. Marxisten können nur Marx und keinen Markt.
Machen wir einen Sprung nach vorn (obwohl das nicht geht, ich bin ja Marxist, ich kann das gar nicht): Ich habe hier in den Diskussionen schon häufig die Vorstellung angesprochen, der Todeskampf des Kapitalismus könne auf eine Reihe von Resets hinauslaufen. Im Grunde ist das nichts Neues; das macht er immer schon. Währungsreformen, Kriege, ‘Staatspleiten’ sind solche, und im Grunde kann man auch den ‘Brexit’ als einen betrachten. Ein ‘Grexit’ wäre ganz sicher einer. Alles auf Null stellen und von vorn anfangen.
Das hat oft gut funktioniert. Ich gehe hier nicht näher darauf ein, dass m.E. diese Resets heute nicht allzu lange wirken können, weil die Konzentration von Kapital und der Mangel an lebendiger Arbeit (‘Arbeitsplätze’) immer schneller in neue ‘Krisen’ führt. Ich möchte hier nur darauf aufmerksam machen, dass die Wirkung von Resets in den ökonomischen Theorien und politischen Konzepten zu kurz kommen.
Hat doch toll funktioniert
Wie immer sind meine Freunde, die Sozialdemokraten und Keynsisten da ganz weit vorn. Wenn diese von den tollen Konzepten der Nachkriegszeit schwärmen, ignorieren sie mit furioser Sturheit die Tatsache, dass der ganze Glanz durch Wiederaufbau und andere günstige Faktoren bestimmt war. Sie raffen es nicht. Von der anderen Fraktion, den neoliberalen Voodoo-Experten mal ganz zu schweigen, die von Anfang an nichts anderes gemacht haben als virtuose Konkursverschleppung. Immer, wenn sie genug Erde verbrannt haben, räumen andere auf, bis der nächste mit denselben großartigen Ideen die nächste Diktatur errichtet.
Nehmen wir das einmal ernsthaft positiv: Die Märkte sind halt so und brauchen ab und zu einen Reset. Wenn der ganze Pfusch an den Rahmenbedingungen mit Finanzprodukten, ESM, Kriegen um Rohstoffe und Einflusszonen et cetera, dann doch nicht mehr hilft, kommt es ohnehin dazu. Weltkrieg oder New New Deal oder Währungsreformen oder oder. Denkt man das zu Ende, kommt man sogar wieder beim fairen Wettbewerb® aus: Wenn beim 100-Meter-Lauf der Vorsprung des Siegers jeweils beim nächsten Mal angerechnet wird, ist das nach neoliberalen Grundsätzen heute “fairer Wettbewerb”. Annähernd fair wäre aber nur einer, der immer wieder bei Null beginnt.
Konsequenz aus dieser Idee wäre ein System, das von vornherein den Reset einplant. Sagen wir: Ihr habt jetzt zehn Jahre Zeit, rauszuholen, was drin ist, dann fangen wir von vorn an. Das wäre eine Form von Kapitalismus, die alle Erkenntnisse über ihn berücksichtigt. Einzig die endlose Akkumulation wäre durchbrochen. Ich frage mich: Könnte so etwas funktionieren? Entspräche es nicht sogar eher der Beschreibung der ‘Marktwirtschaft’ in den einschlägigen Theorien? Wäre das die einzig konsequente Form, mit unvermeidlichen Krisen bewusst umzugehen?
p.s.: Das ist kein Vorschlag, es ist ein Denkmodell.
Juni 17th, 2017 at 17:56
Also das Denkmodell kann ich mir wirklich nur in der Theorie vorstellen. Dafür bräuchte man ja sowas wie die totale Kontrolle, damit der Reset auch wirklich der angedachte Reset für alle wäre.
Juni 17th, 2017 at 18:03
Witzig, das ist mir beim Lesen des Artikels auch aufgefallen. Gut gestartet und dann doch über die eigenen Füße gestolpert.
Bei deinem Denkmodell ist mir noch spontan ein SciFi-Buch eingefallen: “Der Splitter im Auge Gottes” von L. Niven/J. Pournelle.
Die Geschichte dreht sich um den Erstkontakt mit einer außerirdischen Zivilisation. Und neben der auch soziologisch interessanten Darstellung der “Andersartigkeit”, funktioniert diese fremde Zivilisation auch über eine Art Reset.
Spannend zu lesen, bis die Menschheit dahinterkommt was so anders ist und für mich eines der besten SciFi-Bücher überhaupt.
Juni 17th, 2017 at 19:04
Der Newton/Marx-Vergleich weist auf den zentralen hegelianischen Fehler des Marxismus hin: Gesellschaft funktioniert nicht nach ewigen physikalischen Gesetzmäßigkeiten wie der Schwerkraft, Gesellschaft ist ein lernender Organismus.
Warum wird sich die Finanzkrise 2008 nicht mehr wiederholen? Weil die Herrschenden gelernt haben, im Zweifelsfall sofort mit Umschuldungen und der Belastung aller Steuerzahler zu reagieren. Warum wird sich Griechenland nicht wiederholen? Weil die Feinde des Marxismus sich von den Marxisten unterscheiden: Sie können lernen – und sie haben keinerlei Interesse am Machtverlust.
Notfalls wirft man dem Volk ein paar saftige Brocken zu, das lief mit dem US-finanzierten Wirtschaftswunder nach 1949 in der BRD, das funktioniert nach Belieben auch heute überall auf der Welt. Was bringt uns der Weihnachtsmann? Neues Eigentum, egal wie erbärmlich es auch sein mag …
Juni 17th, 2017 at 19:45
Für mich eine gelungene Satire!
Das Unvermeidliche so zu steuern, dass das Fehlverhalten seiner Akteure, die das herkömmliche Gleichgewichtsmodell des Marktes in der VWL immer wieder zum kollabieren gebracht haben nicht mehr als Störfaktoren begriffen werden, sondern umgekehrt, und in Zukunft, als berechenbare Grössen für seine Stabilität sorgen.
Vor dem Zeitpunkt X, wo die Systemüberwachung die Gefahr einer bedrohlichen Systemkrise erkennt, wird für die kapitalistische Wirtschaft die Stunde Null ausgerufen und jegliche wirtschaftliche Aktivität muss unterbleiben und zwar solange, bis alle Ungleichgewichte in den Bilanzen der Witschaftssubjekte wieder ins Gleichgewicht gebracht sind.
Und dann eben wieder auf ein Neues! Das wäre dann wirklich die Wiederkehr des immer Gleichen.
Beruhigende Vorstellung. Der Mensch gewinnt Sicherheit nicht aus Veränderung, sondern in der Wiederkehr von dem, was ihm so vertraut ist.
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Juni 18th, 2017 at 09:28
@ Andy Bonetti: Ich denke es ging flatter eher um das (nicht) Argument, dass wenn eine These oder Theorie ca.150 Jahre alt oder noch älter ist, dass dies “soetwas von gestern” ist, sprich “dumm” ist, weil die heutige Erkenntnis gefehlt hat.
Dies ist falsch und arrogant.
Sämtliche Analysen fußen auf solche “ollen Karmellen”. Ich geh davon aus das dir das auch bewusst ist.
Die Veränderung des Marktes und vor allem der internationale Wahrenaustausch war ja Marx durchaus bewusst. Persönlich muss ich sagen, dass Marx aktueller denn je ist. Da fällt mir gerade seine Analyse zur Monopolisierung ein, die ja heute fleissig durchexaziert wird.
Marxisten stellen sich durchaus den gesellschaftlichen Wandel des 21. Jhr. Ok, es gibt immer ein paar folkloristische Dogmatiker.
Das Kapitalisten sich evtl. ändern oder gar lernen, will ich nicht unbedingt in Abrede stellen, aber das Wesen des Kapitalismus tut es eben nicht.
Deshalb ist dein Vergleich mit der Finanzkrise 2008 ein Axiom. Natürlich wird die sich nicht 1:1 wiederholen, dann kommt eben in Zukunft eine andere kapitalistische Krise auf uns zu.
Das Kapitalisten sich “wandeln” bzw. “lernfähiger” als unbedingt gerade Marxisten sind, wage ich dennoch zu bezweifeln, denn sonst hätten die ja auch von der WWK 1929 ihre Lehren daraus gezogen.
Juni 18th, 2017 at 10:37
@ Fred
Mir geht es durchaus um den Unterschied von Geistes- und Naturwissenschaft. Es ist eine Ironie der Geschichte, dass sich Marxisten und neoliberale Ökonomen gleichermaßen (ich kenne beide Gruppen aus zahllosen Gesprächen) mit ihren “Gesetzmäßigkeiten” auf der Seite der Naturwissenschaft wähnen. Es gibt aber keine eisernen Regeln, nach denen die Menschenwelt funktioniert, als wären wir Planeten, deren Bahn man berechnen kann.
Der Marxismus ist nur eine Idee – man kann nicht einfach zu Hause sitzen und auf die Revolution des Proletariats warten, weil sie zwangsläufig kommen muss. Wir sollten die Weitsicht eines Geistes- oder Sozialwissenschaftlers aus dem 19. Jahrhundert auch nicht überschätzen. Marx konnte z.B. nicht wissen, dass im 21. Jahrhundert Computerprogramme Derivate im Wert von Billionen Euro oder Dollar erschaffen, hinter denen keine menschliche Arbeit steckt.
Ich hatte das Bild vom lernenden Organismus verwendet, also die Gesellschaft nicht als starren Apparat verstanden, der sich über Jahrtausende nicht verändert. Da ist die WWK 1929-1932 ein gutes Beispiel. Eine solche Katastrophe gab es nicht noch einmal. Als die Marktkräfte versagten, reagierte man mit “mehr Staat” (Keynes, Stamokap, Kartelle wie IG Farben oder Auto Union).
Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Als Anarchist bin ich dem Kapitalismus genauso “herzlich verbunden” wie ein Marxist. Aber dieser Bastard erledigt sich nicht von selbst, weil er angeblich an den eigenen Widersprüchen zugrunde geht. Wir müssen was machen!
Juni 18th, 2017 at 12:34
@Andy Bonetti: Marxens Hauptwerk heißt nicht “die Menschheit”, sondern “das Kapital”. Ich nehme zur Kenntnis, dass du nicht einmal die Bedingungen, nenne es meinetwegen “Axiome” des Denkmodells annehmen willst. Musst du ja auch nicht. Allerdings sind die funktionalen Vorgänge im Kapitalverhältnis duchaus wissenschaftlich zu erfassen. “Politische Ökononie” heißt die und ist sicher nicht zufällig entstanden, indem Hegel “vom Kopf auf die Füße” gestellt wurde. Wem die Transfereistung nicht gelingt, Marx über Marx hinaus zu denken, ist ein Depp, wenn er das Marx vorwirft.
p.s.: Noch ein Nachschlag, böse: Dieses ewige Bekritteln einer “Revolution des Proletariats” ist ein fast untrügliches Zeichen davon, dass einer nicht weiß, wovon er redet, will heißen: Marx nicht gelesen haben und so tun als ob. Das Proletariat und sein mögichen Handeln spielen überhaupt keine Rolle in Marxens Analyse des Kapitalismus. Es geht um dessen Eigendynamik.
Juni 18th, 2017 at 15:37
@ flatter
„Zwischen der kapitalistischen und der kommunistischen Gesellschaft liegt die Periode der revolutionären Umwandlung der einen in die andere. Der entspricht auch eine politische Übergangsperiode, deren Staat nichts anderes sein kann als die revolutionäre Diktatur des Proletariats.“ (Karl Marx: Kritik des Gothaer Programms, MEW 19, S. 28)
Jetzt musste ich wegen dir tatsächlich aufstehen und zum Bücherregal gehen :o)
Marx geht es also nicht um die Arbeiter? Für diese steile These hätte man dich in der DDR in die Produktion geschickt.
Juni 18th, 2017 at 15:42
Der olle Rauschebart hat es immerhin geschafft, Geld und Wert nicht nur funktional zu begreifen, sondern auch als gesellschaftliches und irrationales Verhältnis, “dass den Ausschluss Aller und zugleich den Einschluss Aller beinhaltet” und sich damit in einem permanenten, unlösbaren Widerspruch befindet.
Was die Geistenwissenschaften betrifft, und hier die “Lehre von der Volkswirtschaft”, so hat sie zum Thema Geld überhaupt nichts Neues beizutragen ausser dem Altbekannten (Geld ist Vertrauen, Wertaufbewahrungs mittel, Tauschmittel, …) und dass sie sich mathematischer Modelle bedient, um sich den Anschein einer exakten Wissenschaft zu geben.
Und in der Praxis der Krisenbewältigung , so erkenne ich da wenig Fortschritte, was dem nahe kommen würde, was man als Lerneffekt bezeichnen könnte. Im Prinzip die alten Lösungsversuche mit staatlichen Mitteln und den Mitteln der Geldpolitik.
Was soll denn da bitteschön auch anderes kommen als das immer Gleiche, nur in immer neuen theoretischen Varianten aufgetischt.
Wie dieses irrationale System, das sich selbst nicht so wahrnehmen will oder kann, auch in einen pseudowissenschaftlichen Wahnsinn getrieben werden kann, sind z.B. Untersuchungen darüber, ob der Grössenunterschied zwischen Mittel- und Zeigefinger bei Börsenmanagern darüber Aufschluss geben kann, wie erfolgreich sie an der Börse handeln werden, oder wie die Ausschüttung von Hormonen rationales wirtschaftliches Verhalten beeinflusst.
Und was die sog. Marxisten betrifft, so sind diese in der Regel Keynsianer, die auf den Staat als letzten Garanten von Stabilität und Geldwert setzen, auf sein Gewaltmonopol. Damit sind sie an der gesellschaftlichen Realität immer noch dichter dran.
Juni 18th, 2017 at 15:52
@Troptard: Wir werden uns doch wohl nicht völlig einig sein? Mensch, tu doch was! ;-)
Juni 18th, 2017 at 16:27
@ Troptard
Das sehe ich genauso. Die Geisteswissenschaften tragen nichts zu Lösung der aktuellen Probleme bei. Am wenigsten die VWL, am allerwenigsten die deutsche VWL.
Aber auch andere Stimmen sind verstummt: die Soziologie, die Sozialphilosophie oder die mächtigen kommunistischen Parteien, die es in meiner Jugend mal in West- und Südeuropa gab (die französische und die italienische KP hatten in den 80ern jeweils über eine Million Mitglieder und waren eine Macht).
Juni 18th, 2017 at 17:42
Also ich habe die total crazy Vorstellung das ein,nein das Hauptproblem die Vermittlung der Theorie und Praxis ist…
Etwas was der Kapitalismus (anscheinend) kinderleicht hinkriegt!”Hadte was biste was.”
Und nicht:
“Der marxtische Zentralkongress hat für den Sieg des Proletatiats gestimmt…”(kommt etwas sperrig und umgangsspachlich unverständlich rüber)
Da wäre der sogenannte MaxMarx-Slam eine feyne Idee
nach dem Vorbild von Poetry/Science-Slams in marximal 10 Minuten einen wichtigen Punkt des Marxismus darlegen…
Allgemein verständlich und alltagstauglich,
denn wie will man das Proletariat gewinnen wenn sowas in Kneipen o.ä betreibt und dann nicht ins I-net bringt?!
Denen die sowas ablehnen wollen auch nicht das was passiert,sie tragen schwarze Rolkragenpullover und braune Cordhosen inwendig und deren Paradies ist ein 50er Jahre Pariser In-troll-lektuellencafe.
Juni 18th, 2017 at 18:01
@Andy Bonetti:
Ich rede vom “Kapital”. Ich rede von Analyse (des Kapitalismus). Du googelst dir was zusammen, das auf dein Lieblingsthema zu Marx (ruft Proleten zur Revolution auf) passt. Der Zusammenhang zum Thema: keiner. Zu meinem Kommentar: keiner. Zum Posting: keiner. Warum führst du deine Selbstgespräche hier?
Juni 18th, 2017 at 19:24
@ flatter
Wenn ich es richtig verstanden habe, geht es bei deiner Analyse des Kapitalismus um seine Überwindung. Und wenn wir von der Überwindung sprechen, können wir das nicht, ohne das Subjekt zu benennen, das diese Überwindung des Systems schaffen kann. Ansonsten drehst du dich doch mit deiner endlosen Marx-Exegese im Kreis, ohne etwas zu erreichen.
Und da reicht es als Argument auch nicht zu behaupten, jemand habe Marx nicht ausführlich genug gelesen oder begriffen (Posting 7: “Depp”, “Marx nicht gelesen”). Vielleicht bin ich deswegen kein Marxist, weil ich mich ausführlich mit Marx befasst und nicht “was zusammen gegoogelt” habe?
Juni 18th, 2017 at 19:35
Wo steht da “Überwindung”? Nope. Ist nicht Thema, war hier auch noch nie. Schon gar nicht “Revolution”. Ich versuche, Kapitalismus zu verstehen. Ich habe absolut kein Verständnis dafür, dass Marx immer und nur auf eine angebliche Revolution, besser noch “Diktatur” reduziert wird, wenn sein Hauptwerk (wiederhole ich mich?) eine bis heute aktuelle und nie übertroffene Analyse ist. Der rhetorische Kniff, ihn zuerst auf “Revolution” zu reduzieren, um ihn dann für überkommen zu erklären ist doch albern. Das ist exakt so, als würde ich Newton zum debilen Alchemisten erklären.
Juni 18th, 2017 at 20:09
Sorry, ich habe immer gedacht, es ginge als Konsequenz der Analyse auch um Aktion, um Praxis. Aber reicht das auf Dauer? Wenn ich beispielsweise den Faschismus analysiere, aber nicht bekämpfe? Wenn ich als Arzt eine tödliche Krankheit diagnostiziere, aber keine Therapie vorschlage?
Wenn die nächste Generation für den Kampf gegen die schreienden Ungerechtigkeiten des global entfesselten Kapitalismus mobilisiert werden soll, reicht eine Seminarveranstaltung zum “Kapital” nicht aus.
Marx ist übrigens, zumindest imho, nicht überkommen, weil er zur Veränderung aufruft (und nicht nur zur Interpretation der Verhältnisse) – gerade das macht in attraktiv und aktuell. Wenn man Marx ohne Revolte denkt, hat man die Jugend verloren. Die Jungs und Mädels lesen die dicken Schinken nicht mehr, die wir in unseren Studienjahren gewälzt haben, die brauchen ein klares Ziel. “Wir sind die 99 Prozent”, das ist heute der Shortcut.
Juni 18th, 2017 at 20:40
Ich bin der Ansicht, dass der Kap. seine letzte Schlacht schlägt. Wie hier schon oft benannt, wird nur mehr an Rahmenbedingungen geschraubt, um den Konkurs weiter zu verschleppen. Selbst internationale Verträge, die als “völkerrechtlich verbindlich” verbrämt werden, sind reine Machtspiele, die nur die stärksten überleben können. Die kollabieren aber dann zwangsläufig auch. Was bleibt, ist Diktatur, Faschismus, Revolte, Failed State, vielleicht hier und da auch Kommunismus. Das blüht ja bereits allenthalben. Ich muss da zu nix aufrufen.
Das da oben ist ein Seiltanz zwischen Satire und Konsequenz. Wenn man schon immer dreister die Rahmenbedingungen manipuliert und das “Wettbewerb” nennt, kann man das ja auch tun, indem man wirklich das ganze System manipuliert, vollumfänglich. Es wäre die Rettung des Systems und der Erhalt seines religiösen Kerns. Tatsächlich gäbe es Schlimmeres.
Juni 18th, 2017 at 21:19
Deinen Text bzw. das “Denkmodell” habe ich auch eher als Ironie verstanden. Aber es steckt ein wahrer Kern in der Idee vom geplanten Reset: Manipulation ist das System. Wie sollte es auch sonst funktionieren?
Der Markt folgt ebenso wenig Naturgesetzen, die man einfach nur wirken lassen muss, wie der Staat. Seit den Zeiten des Kalten Kriegs konnte sich der Kapitalismus keine schwere Krise mehr erlauben. Die Konkurrenz im In- und Ausland saß der Kapitalfraktion im Nacken. Das System wird seither immer weiter verfeinert.
Juni 18th, 2017 at 22:41
Oje, Michael Wendl, der Naziversteher:
https://www.sozialismus.info/2011/07/14352/
War mal in der Linken, konnte aber inzwischen wieder der SPD in Pflege gegeben werden.
Juni 18th, 2017 at 23:24
Da werden wir uns nicht einig. “Verfeinert” wie in den Nahostkriegen, dem Kontrollverlust der Parlamente, immer schneller wachsenden Blasen und Monopolen, einem Missverhältnis von Kapital und Arbeit, von dem Marx nicht einmal albträumte? Kann man “verfeinert” nennen, ich nenne es heißgelaufen und out of control.
Juni 19th, 2017 at 03:21
Krieg war schon immer ein Wesenszug kapitalistischer Gesellschaften, da die Produktion von Kriegswaffen ohne ihren Verbrauch nicht profitabel funktioniert. Gerade haben die USA Waffen für 110 Milliarden ins größte Krisengebiet des Planeten verhökert. Das läuft alles so glatt wie zur Zeiten des alten Krupp 1870.
Out oft control? Kontrollverlust der Parlamente? Gegenfrage: Gab es jemals eine Phase, in der Parlamente die Konzerne kontrolliert haben? Kapitalismus funktioniert auch ohne Demokratie. Das Ende der “Volksherrschaft” (was für ein Witz) im Überwachungsstaat kratzt die Bosse und Milliardäre überhaupt nicht.
Und die Blasen – derzeit Aktien und Immobilien – wachsen und platzen auch nicht schneller als im vergangenen Jahrhundert. Jede Generation denkt, das Ende der Geschichte stünde unmittelbar bevor. Die einen warten auf den Messias, die andere auf den völligen Zusammenbruch. Aber dann kommt jemand in den Saloon gelaufen und schreit: “Am Klondike hat man Gold gefunden!” und die ganze Scheiße geht wieder von vorne los …
Juni 19th, 2017 at 07:49
Die Erbschaftsteuer sollte genau dieses Problem mildern. Dass die Akkumulation ein Problem darstellt, war noch vor wenigen Jahrzehnten Allgemeinwissen. Heute heißt es: Immer diese utopischen Spinner, die ständig neue Steuern erfinden wollen…
Juni 19th, 2017 at 09:34
Alle paar Jahre oder Jahrzehnte Schulden zu erlassen oder Schuldverhältnisse aufzulösen, gibt es schon so lange wie auf Schulden basierte Wirtschaftssysteme existieren. Man nannte das wohl nicht “reset”, sondern beispielsweise Jubel- oder Erlassjahre.
Die Tatsache, dass das seit ein paar tausend Jahren so funktioniert, belegt deine These, dass solche “resets” eben nicht dafür sorgen, dass schuldenbasierte Wirtschaftssysteme abgeschafft werden, sondern dass sie ein unverzichtbarer Teil dieser Systeme sind.
Andererseits lässt mich die selbe Tatsache daran zweifeln, dass wir gerade einen Endkampf des Kapitalismus erleben.
Juni 19th, 2017 at 10:12
@Andy Bonetti:
“Gab es jemals eine Phase, in der Parlamente die Konzerne kontrolliert haben?”
Doch nicht die Konzerne – das Volk! Die Leute gehen von der Fahne.
Juni 19th, 2017 at 11:33
@ flatter
In Frankreich werden wir es erleben, wenn eine der letzten Bastionen der Arbeitnehmerrechte von Macron geschleift wird. Ich hoffe auf einen heißen Herbst des Protests gegen seine Agenda 2010-Variante. Anführer von Bewegungen machen mich immer misstrauisch – und er darf sogar unter Kriegsrecht regieren, dessen Bestimmungen er sicher gegen das rebellierende Volk einsetzen wird.
Juni 19th, 2017 at 16:12
[OT - @Andre Benotti]
Wenn Du Marx mit Diktatur des Proletariats in Verbindung bringst, was völlig richtig ist, dann schaue bitte unbedingt auch in ‘seinen’ “Bürgerkrieg in Frankreich”. Da kriegst Du eine Ahnung, was er unter DdP versteht: Die Pariser Kommune!
Sämtlicher historischer Missionskram ist Lenin und hat mit Marx nullkommaüberhauptnix zu tun ;-)
Juni 20th, 2017 at 09:58
Stilllegung ist kein Thema hier?
http://marx-forum.de/Forum/index.php?thread/680-alle-r%C3%A4der-stehen-still/&postID=4056
Gruß Wal
Juni 21st, 2017 at 21:35
Merkel räumte ein, dass es in der Euro-Zone große Unterschiede in der Wirtschaftskraft der 19 Mitgliedsländer gebe. Deshalb könne man sich „sehr gut eine Wirtschaftsregierung vorstellen“. Voraussetzung sei aber, dass diese dann darüber nachdenke, was die besten Vorbilder aus anderen Ländern etwa für die Schaffung von Arbeitsplätzen seien, sagte die Kanzlerin.
Sieh an, eine Nachtigall mit Hufen…
Juni 23rd, 2017 at 08:36
@Wal – Bezüglich dieser ominösen ‘Stilllegung’ würde ich mich diesem Kommentar anschließen wollen.
Juni 23rd, 2017 at 10:29
dito.