Ich fahre ein 20 Jahre altes Auto, das noch sehr gut in Schuss ist. Was macht man als Zeitgenosse – ahnend, dass der Besitzer dieses Schmuckstücks kein Reicher ist, wenn man jenem ob grobem Ungeschicks die Motorhaube zerbeult? Richtig: Gas geben, abhauen, ich scheiß‘ auf dich! Schließlich ist man nicht versichert, um einen Fall mit solchem Plebs abzuwickeln und sich dafür die Prämien erhöhen zu lassen. Doch, ich habe mich geärgert und wusste erst gar nicht, worüber am meisten. Dann aber befahl ich mir zu atmen und soufflierte mir, das sei kein Beinbruch und es könne schlimmer kommen.
Okay, meine Waschmaschine hatte schon eine ganze Weile Geräusche gemacht, als führen mit Stahlhelmen und Eisernen Kreuzen drapierte Termiten auf Motorrädern, deren Bereifung aus Kreissägeblättern besteht, Achten in das Metallgehäuse. Was das Gerät durch den Abwasserschlauch in die Badewanne entließ, sah denn auch so aus, als schaufelte wer fröhlich einen repräsentativen Abrieb aus allen Bestandteilen der Maschine in die Pumpe hinein. Gestern blieb die Trommel endgültig stehen.
Wir müssen reden
Frühling, wir müssen über Timing reden! Ehe du mir als Wiederschlechtmachung für das Wetter noch die Bude abfackelst oder mein Fahrrad zerhäckselst, schlage ich vor, wir vertagen die nächsten derartigen Ereignisse, ja? Danke! Ich will mich auch gar nicht beschweren; das Eine oder andere haben wir ja immerhin schon überstanden.
Neulich etwa, als meine Tochter nach einer Zeitspanne, die unter der Rubrik „Scheißtag“ firmiert, mich abends anrief, während sie durch die Landeshauptstadt irrte. Es war ein beinahe normaler Tag, das heißt, dass sämtliche Bahnen nach einem ‚Fahrplan‘ umher zockelten, der durch äußerste Spontanität zu erfreuen wusste. Zudem waren allerdings alle Autobahnen gesperrt und die halbe Stadt wegen einer Bombenentschärfung evakuiert.
So nicht!
Sie berichtete telefonisch von einem großen Polizeiaufgebot und kommentierte entnervt: „Jetzt ist hier auch noch eine Riesenschlägerei“. Ich hörte, wie sie mit einem Tonfall der Art : „ … oder soll ich dich an den Eiern aufhängen?” einen Beamten fragte, ob der sie wohl durchließe, und er ließ sie selbstverständlich gewähren. Nicht zuletzt aus Gründen publizistischer Qualität rief sie eine halbe Stunde später abermals an, um sich zu korrigieren: „Das war keine Schlägerei, das war ein Axtmörder“.
Wir kamen schnell überein, dass der Mann Glück gehabt hatte, ihr nicht in dieser Stimmung im dunklen Bahnhof zu begegnen. Es war gleichermaßen unser Glück, denn Notwehr hin oder her, unsere Reaktion auf solche Mitmenschen verursacht immer wieder erhebliche Scherereien. Da ist es doch besser, man geht sich gleich aus dem Weg.
Das Jahr fängt also alles in allem ein wenig besser an als das letzte endete, Verluste an Leib und Leben sind keine weiteren zu vermelden. Ich möchte bei dieser Gelegenheit daher ausdrücklich darauf aufmerksam machen, dass ich hier nicht nur Pessimismus verbreite. Bei entsprechenden Vorwürfen werde ich künftig auf diese Sternstunde der ZEN-Kunst hinweisen.
April 9th, 2017 at 23:14
Der weise Mann empfiehlt:
“Handle bevor Ameise zu Godzilla wird und du Tokio bist!”
Ach wenn ich selbst darauf hören würd…
April 10th, 2017 at 03:18
So unterschiedlich können “Jahresbeginne” sein. Meiner war durch diverse Hiobsbotschaften bestimmt, die bis heute anhalten – eine Delle in der Motorhaube oder eine kaputte Waschmaschine fallen da eher in die Kategorie “Ferner liefen”. ;-)
Vielleicht hast Du ja ein paar Strahlen Deines analen Sonnenscheins für mich übrig? Ein solcher, sehr hübscher kleiner Text ist jedenfalls ein sehr guter Anfang. Danke.
Und wo bleibt das Positive, Herr Kästner?
Und immer wieder schickt ihr mir Briefe,
in denen ihr, dick unterstrichen, schreibt:
“Herr Kästner, wo bleibt das Positive?”
Ja, weiß der Teufel, wo das bleibt.
Noch immer räumt ihr dem Guten und Schönen
den leeren Platz überm Sofa ein.
Ihr wollt euch noch immer nicht dran gewöhnen,
gescheit und trotzdem tapfer zu sein.
Ihr braucht schon wieder mal Vaseline,
mit der ihr das trockene Brot beschmiert.
Ihr sagt schon wieder, mit gläubiger Miene:
“Der siebente Himmel wird frisch tapeziert!”
Ihr streut euch Zucker über die Schmerzen
und denkt, unter Zucker verschwänden sie.
Ihr baut schon wieder Balkons vor die Herzen
und nehmt die strampelnde Seele aufs Knie.
Die Spezies Mensch ging aus dem Leime
und mit ihr Haus und Staat und Welt.
Ihr wünscht, dass ich’s hübsch zusammenreime,
und denkt, dass es dann zusammenhält?
Ich will nicht schwindeln. Ich werde nicht schwindeln.
Die Zeit ist schwarz, ich mach euch nichts weis.
Es gibt genug Lieferanten von Windeln.
Und manche liefern zum Selbstkostenpreis.
Habt Sonne in sämtlichen Körperteilen
und wickelt die Sorgen in Seidenpapier!
Doch tut es rasch. Ihr müsst euch beeilen.
Sonst werden die Sorgen größer als ihr.
Die Zeit liegt im Sterben. Bald wird sie begraben.
Im Osten zimmern sie schon den Sarg.
Ihr möchtet gern euren Spaß daran haben …?
Ein Friedhof ist kein Lunapark.
(Erich Kästner, in: “Das letzte Kapitel”, 1930)
April 10th, 2017 at 20:47
@Charlie,
gelungener Text von Erich Kästner, der mir sehr gut auch auf die heutige Zeit zutrifft.
Zumindest für Pessimisten wie mich, die dem Positivismus von links argumentativ nichts entgegenzusetzen haben, als die eigene einfältige Einsicht, dass die Emanzipation der Gesellschaft sich wieder mal verweigert dem zu folgen, was von links wie eine Naturgesetzlichkeit verhandelt wird, dass auf Kapitalismus notwendigerweise Kommunismus folgen wird oder Sozialismus als erforderliche Übergangsphase zum Kommunismus.
Was dabei nicht eingeblendet wird, dass von Beiden nichts mehr zu haben sein wird. Dass der Kapitalismus bereits an dem Punkt angelangt ist, wo sich die Alternativen zu seinem System nur noch innerhalb seines Systems verhandeln lassen.
Als Angebote und Versprechen an seine gläubige Gemeinde, wo er mit seinen Pfründen auf dem Markt immer wieder hausieren gehen kann, wie ein Versicherungsvertreter, der die Angst seiner Klienten für Abschlüsse nutzt.
Und so lässt sich eigentlich Tag für Tag diese bürgerliche Schizophrenie verfolgen, die den Bürgern immer wieder das verspricht, was sie bereits vor 15 Jahren nicht einhalten konnte.
Und so springt auch das linke bürgerliche Bewusstsein immer wieder auf diesen Zug auf, weil es sich einfach nicht vorstellen kann und will, dass der Zug bereits abgefahren ist.
Auf die Idee, dass gesellschaftliche Entwicklungen anders verlaufen als linear progressiv, dass sie sich gegen jede Logik widersetzen, dass das gesellsschaftliche Potential auch alles in sich zur eigenen Vernichtung in sich trägt wird das eigentlich noch mit bedacht?
April 11th, 2017 at 00:05
Hat jetzt jeder seine ganz eigene Filterblase? Von so einer ‘Linken’ (“dass auf Kapitalismus notwendigerweise Kommunismus folgen wird oder Sozialismus als erforderliche Übergangsphase zum Kommunismus.”) habe ich seit 1978 nicht mehr gehört.
Wir diskutieren hier seit Jahren auf einem anderen Niveau, aber das kann man je nach Wetter ja ignorieren.
April 11th, 2017 at 09:39
OT. Vielleicht interessiert sich jemand_in dafür: Geschäftsführer_in gesucht!
April 11th, 2017 at 15:42
OT. Aus der Reihe “Tweets from hell”: Kanzlerin #Merkel telefoniert mit @POTUS Trump, unter anderem zur Situation in #Syrien.
Sehr schön. Jeder Anschlag in D-land geht ab jetzt auf Merkels Kappe. Okay, ich übertreibe ein wenig, aber fefe hat schon irgendwie Recht.
Die Idee eines Syriens ohne Familie Assad ist nicht ganz neu: Full CIA doc: Scenarios for ousting Assad — found in recently uploaded CREST database (1986)
April 11th, 2017 at 16:40
OT. Via fefe: Eric Trump: Donald Trump bombed Syria because Ivanka told him to
Ach so, na dann isses ja gut.