Seit Langem habe ich einen Gedanken im Vorlauf, der sich mit ‘Aufklärung’ befasst. Es wird jetzt etwas komplizierter, aber ich möchte auch diejenigen einladen, weiter zu lesen, die meinen, sie verstünden es vielleicht nicht. Ich versuche, mich möglichst verständlich auszudrücken. Angesichts grassierender Propaganda und Gegenpropaganda, die aktuell gern als Vorwurf der Propaganda aka “Fake News” auftritt, wird einem schwindlig. Wahrheit sei verhandelbar (siehe Habermas); inzwischen ist sie nicht nur käuflich, sondern Ramschware. Die Händler und Marktschreier verlegen sich vollends auf den Angriff; der Gegner sei ein Lügner. Man habe deshalb gefälligst die anderen Lügen zu glauben. Wer denkt da noch an “Aufklärung”?
“Aufklärung ist totalitär” dürfte der berühmteste Satz aus der “Dialektik der Aufklärung” sein, was im krassen Gegensatz zum allgemeinen Verständnis steht. Man lacht sich ja tot, wenn man das heute liest. Aufklärung mache vor nichts halt, bis sie alles auf die Formel oder Zahl gebracht hat: wahr oder falsch, Null oder Eins. Hier muss zum Verständnis bereits die Reichweite des Satzes eingeschränkt werden: Er bedeutet nicht, “Aufklärung muss immer totalitär sein”. Adorno und Horkheimer zeigten das Versagen einer Wissenschaft und Bildung auf, die hochkomplexe Mordmaschinen entwerfen hilft und nicht einmal die entsetzlichste Barbarei abwenden konnte. Im Gegenteil konnten die Barbaren auf jene Wissenschaft bauen, sowohl auf deren Erkenntnisse als auch auf ihre Einrichtungen. Diese Kritik ging noch sehr viel weiter und tiefer, das würde hier aber zu weit führen.
Die Lüge über die Lüge ist wahr
Ich möchte einen Satz zitieren (aus “Negative Dialektik”), der in diesem Zusammenhang gern überlesen wird, obwohl er direkt damit zu tun hat, und zwar im Rahmen von Adornos Kritik an Hegel und dessen “Positivierung”:”Selbstreflexion der Aufklärung ist nicht deren Widerruf.” Das heißt, dass keine gewonnene ‘Erkenntnis’ uneingeschränkt gültig ist. Es kann immer eine Zeit, einen Raum oder einen Zusammenhang geben, in denen ein ‘wahrer’ Satz noch einmal geprüft werden muss und womöglich falsch wird. Plakativ gesagt: Wahrheit bleibt immer die Suche nach Wahrheit, und wer sie einfangen will, verliert sie. ‘Aufklärung’, die verkündet, wäre eine, die Wahrheit eingefangen hätte. Das ist nicht bloß totalitär, sondern schon Propaganda.
Damit sind wir wieder mitten in der Diskussion um die Lügen über die Lügen. Die Propaganda sagt: “Siehe, der da lügt; das ist der Beweis dafür, dass wir die Wahrheit sagen!” Wer Spaß am Hintergrund hat: Adorno hat Hegel vorgeworfen, Die Negation der Negation sei keine Positivierung. Das Niveau, auf dem der Streit um Wahrheit, um “Fakten”, um das, was ist, angelangt ist, spricht Bände. Noch einen Satz zur “Selbstreflexion”: Die bedeutet einerseits eben, sich zu überprüfen, einen Rest an Zweifel mit sich zu tragen, um nicht in Dogmatismus zu erstarren. Er bedeutet aber auch, sich deutlich zu machen, unter welchen Bedingungen man zu Werke geht.
Das, was man für ‘wahr’ hält, ist nämlich nicht bloß eine Frage des Wissens, sondern des wissen-Wollens. Wenn oben steht, dass Wahrheit die Suche nach Wahrheit ist, ist damit eine Menge Arbeit verbunden. Keine Wahrheit ist einfach, und je einfacher man es sich macht, desto geringer ist die Aussicht, sich der Wahrheit zu nähern. Diejenigen, die uns einbläuen wollen, was wahr ist, lügen. Man kann zwar gar nicht kommunizieren ohne zu vereinfachen, aber man kann zeigen, wo man vereinfacht und wie es dahinter weiter geht. Propaganda will das nicht. Die will möglichst dumme Gefolgsleute und läuft immer auf einen Befehl hinaus. Das beste Mittel dagegen ist Aufklärung – einschließlich ihrer Selbstreflexion.
Februar 10th, 2017 at 15:02
Oh ja, das war jetzt etwas anspruchsvoll. Macht aber nichts – und wenn nur eines hängen bleibt, nämlich, die Dinge sind nicht so schwarzweißklarwahr, wie man uns einbläuen will, ist schon etwas erreicht. Ich weiß, dass ich nichts weiß. Was aber gerade nicht heißen soll: Lehn dich zurück, mach dir’n Bier auf und spiel was. Das Denken überlass den Pferden, die haben den größeren Kopf. Sondern das soll heißen: Höre nicht auf, zu fragen und wissen zu wollen. Und: Wenn dir jemand sagt, so ist es, frage ihn, woher weißt du. Die meisten bringst du damit ausreichend in Verlegenheit, denn sie wissen nicht, wieso weshalb warum sie wissen, was sie wissen. (Man hat es ihnen nämlich bloß gesagt, und das hatte ihnen genügt. Vor allem, weil “man” eine Autorität war. Der Chef, der Lehrer, der Arbeitgeber, der die Macht über mein Geld hat… Den meisten reicht sogar immer noch, “es stand in der Zeitung”, unglaublich.)
Februar 10th, 2017 at 15:12
Wieviele Finger/lichter?…
Die eigene “Wahr”nehmung kann freiwillig oder durch Zwang gestaltet,anerzogen,modifiziert,umerzogen usw werden.
“Everything is a question of perception/or deception”
“And of the guy who is in charge”
Jeder nimmt die Welt anders wahr.der Umgang mit “Fakten” ist eine Frage des Konsens
-die Fakten selbst sind und bleiben unveränderlich.
Ein altgelernter Schreiner wird eine Wohnung anders betrachten als jemand,der EODs sucht ;-)
aber das verändert die Wohnung nicht!
Februar 10th, 2017 at 15:14
Die Wahrheit ist irgendwo dort draußen.
Kennt zufällig jemand die URL?
Februar 10th, 2017 at 15:35
Der Tüp hat auch en “tödlichsten Witz der Welt” gebunkert!
Gibt es überhaupt “DIE WAHRHEIT”?!
Nein,aber jede Menge Tüpen die dran glauben (müssen/wollen)
Also ich finde dieses “dran glauben” in seiner Doppeldeutigkeit immerwieder faszinierend…
Februar 10th, 2017 at 17:54
@2
“Die Fakten selbst sind und bleiben unveränderlich”
“aber das verändert die Wohnung nicht”
@4
“Gibt es überhaupt ‘die Wahrheit’.
Na, dann entscheide dich mal, was du sagen willst, und ob überhaupt. ;-)
Aber ein bisschen hingeworfenes Englisch ist schon mal seehr beeindruckend, jedenfalls beeindruckender als wenn man dieselben Brocken Nichts in Deutsch hinwirft …
Februar 10th, 2017 at 18:17
Um mal ein paar Schubladen aufzuziehen (Schubladen helfen beim ordnen und strukturieren des Denkens):
Aufklärung war seit der Antike in Europa erst wieder ein Anliegen und eine Leistung des aufkommenden Bürgertums, solange es sich noch nicht selbst durchgesetzt hatte, die Machteliten noch nicht stellte (oder, wer bis dorthin vordrang, nichts wichtigeres zu tun hatte als sich in den Adelsstand erheben zu lassen, wenn er es konnte, also das Geld dazu reichte).
Spät und kurz drang Aufklärung sogar nach Deutschland vor, im zeitlichen Umfeld der frz. Revolution, trotz Hegel, des Philosophen des wahlweise französischen oder dann halt preußischen Weltgeists zu Pferde, und war nach kurzer Zeit im Biedermeier schon wieder zu Ende.
Und hat sich davon auch seither nicht mehr erholt. Bürgertum drängt scheints immer ins Biedermeier, heute wieder mehr denn je, oder? Martialische, obrigkeits/ordnungsstaatliche Grüne, die in der Welt wieder mehr Verantwortung einfordern, mit dem SUV vorm Bioladen – wenn das nicht Biedermeier ist! Man weiß, politisch, wieder ganz genau, was wahr ist- nämlich man selber!
Februar 10th, 2017 at 19:59
Ich häng an der Stelle mit dem ‘wissen-Wollen’, weil sich dieses Wollen dem eigenen Zugriff doch ziemlich gründlich entzieht. Das hier so schnöde als Propaganda verniedlichte mediale Dauerfeuer existiert doch nur deshalb, weil es bei einem hinreichend großen Bevölkerungsanteil wirksam ist. Nun tut man sich keinen Gefallen die Wirksamkeit dieser Methoden ihren Opfern vorzuwerfen. (Das Thema gab es hier schon unter einem etwas anderen Einstieg am 02.01..) Einem Großteil der Bevölkerung ist es durch extern(?) generierte Ängste nicht möglich, von Narrativ abweichende Inhalte anzunehmen oder selbstreflektiv tätig zu werden. Eine Korrektur hat sich bei eigenen Bemühungen als schwierig bis unmöglich gezeigt. Hat jemand einen ‘glücklichen’ Ansatz zur Überwindung der scheinbar nicht unerheblichen Kluft zwischen “Propagandahörigkeit” und (selbst)kritischer Weltsicht?
Februar 10th, 2017 at 19:59
“Wahrheit bleibt immer die Suche nach Wahrheit”
Jep und das ist verdammt anstrengend, weil das eigene Weltbild ständiger Hinterfragung ausgesetzt ist und das ist nunmal alles andere als bequem. Die Quote der Menschen, die das versuchen zu leben, dürfte daher sehr gering sein und demnach werden sie leider auch nie wirkliche Bedeutung erlangen.
Februar 10th, 2017 at 20:10
Wenn man sich heute Adorno oder auch Herbert Marcuse reinzieht (zugegeben, keine leichte Kost), dann liest sich das wie eine aktuelle Gegenstandsbeschreibung. Es ist unglaublich, wie diese Herren schon vor Jahrzehnten den Kapitalismus analysiert und in allen Details “verstanden” haben.
Die neoliberalen Propagandisten und auch die marktgläubigen Fundamentalisten, erzählen einem oft und gerne, dass die Wahrheit und die Gerechtigkeit relativ seien. So wollen sie sich selbst einen Blankoscheck für ihre Lügen ausstellen. Hierbei fand ich Adorno immer sehr hilfreich: „Es gibt nur einen Ausdruck für die Wahrheit: den Gedanken, der das Unrecht verneint.“
Februar 10th, 2017 at 20:26
@Yossarian #8 – …und demnach werden sie leider auch nie wirkliche Bedeutung erlangen.
Nicht zuletzt, weil sie eben nicht im Brustton der Überzeugung unumstößliche Wahrheiten verkünden können. Das macht es insbesondere auf politischem Parkett doch immer etwas schwerer. Dass es inzwischen nahezu unmöglich zu sein scheint, sagt immerhin einiges zur ‘demokratischen Kultur’ unserer Tage aus.
In der Wissenschaft hingegen ist eine solche Haltung immer noch(?) eher Voraussetzung als hinderlich – es ist also nicht prinzipiell ‘unmöglich’.
Februar 10th, 2017 at 20:43
@Peinhart: Unumstößliche Wahrheiten liefern Sicherheit. Ich halte das für ein sehr zentrales Element der Motivation. Viele Menschen haben kein Interesse an politischen Themen und wenn sie sich doch damit beschäftigen müssen, dann soll das bitte alles monokausal bleiben. Ein Problem, eine Ursache und die steht dann auch unverrückbar fest.
Und selbst die politisch Interessierten sind da oft nicht viel besser aufgestellt. Ich kann das nicht empirisch belegen, aber so wie ich das erlebe ist vielleicht einer von 99 mal wirklich an den Themen einer Diskussion interessiert und zeigt ernsthaftes Interesse daran Dinge zu verstehen oder zu wissen, also sozusagen das Ideal der Wahrheitsfindung zu betreiben. Mit einer solchen Quote macht man aber keinen demokratischen Staat, der auch nur irgendwie was mit der Idee von “Aufklärung” zu tun hat.
Das Ding ist so massiv gescheitert, dass man tatsächlich die Demokratie komplett in Frage stellen könnte, selbst wenn man kein neues Konzept anzubieten hätte, was nicht in der Vergangenheit schon mal versucht wurde.
Februar 10th, 2017 at 20:50
@Lycalopex: Du kannst es meinetwegen auf das wissen wollen Können verschieben, aber ohne zu wollen, ohne eine aktiven Antrieb wird’s nix werden mit der Aufklärung. Darum muss die auch dem Wollen Vorschub leisten, während die Propaganda das eben verhindern muss. Adorno et al. hatten auch das erkannt, siehe “Erziehung zur Mündigkeit”.
Februar 10th, 2017 at 20:52
@Yossarian; Wenn man sich Hoffnung machen will, kann man sie daraus schöpfen, dass es keine Instanz mehr gibt, die verbindlich den jeweils einen Grund liefert und Orientierung schafft. Den Ausweg aus dieser Psychose schafft nur etwas, das eine innere Ordnung hat.
Februar 10th, 2017 at 21:19
@flatter: Ja, es gibt nicht mehr die eine Instanz. Ich würde sogar sagen, dass das die Utopie ist so wie wir uns das Anfang und Mitte der 90er als Nerds mal ausgemalt haben. Das ist aber halt nur die eine Seite. Die andere Seite davon ist, dass jeder von uns sich Filterblasen aufbaut und da es für alles irgendwo Leute mit den gleichen Ideen gibt, kannst du dich darin halt auch sehr schnell komplett verlieren und es macht dann deine ganze Welt aus. Echsenmenschen? Wenn du in deinem Dörfchen mit der Idee alleine darstehst, vielleicht hinterfragst du es dann doch irgend wann mal ein wenig, aber wenn du im Netz Hunderte von Leute findest, die ähnliche Ideen haben, dann könnte das mit dem Hinterfragen schon ein wenig schwieriger werden.
Und ich sage damit noch nicht einmal, dass das schlecht ist, aber es bricht halt unser Gesellschaftsbild auf. Das wird zu Umbrüchen führen.
Edit: OK, sorry, das verlässt etwas den Themenschwerpunkt. Es liegt für mich halt alles sehr nah beieinander.
Februar 10th, 2017 at 21:42
Aufklärung kann dem Wollen gerade keinen Vorschub leisten, während Propaganda Zugriff darauf hat. Da existiert eine schwer zu überbrückende Lücke bis zur ‘Aufklärungsbereitschaft’. Aber es mangelt meines Erachtens hier nicht an Antrieb sondern es existieren zu viele Blockaden gegen die von dir präferierten Inhalte. (Wollen ist nämlich genug da – in diesem Fall für den Status Quo.) Es wird nicht gelingem, jemanden der höllische Angst vor als “gesellschaftsfremd” erlebten Gedanken hat, zu einer Auseinandersetzung mit diesen zu bewegen. Das Zweifeln am Narrativ ist aber in diesem Sinne gesellschaftsfremd. Drohender Ausschluß aus der Gesellschaft – so phantasiert dieser schlußendlich auch sein mag, erzeugt (und das ist erst mal bei jedem so – nur die Intensitäten und der Umgang damit unterscheiden sich) eine beträchliche Angst. Und Angst ist mit Aufklärung nicht beizukommen. Angst ist ein Gefühl und nur auf dieser Ebene erreichbar (was Propaganda für ihre Zwecke entsprechend nutzt) während Aufklärung primär über die Ratio geht und durch Angst zuverlässig blockiert wird. Deshalb ist Aufklärung halt nicht die Lösung sondern das Ziel und wie da auf großer Breite hinzugelangen wäre sehe ich als ungeklärt.
Februar 10th, 2017 at 21:55
Du übersiehst, dass es die Propaganda ist, die gerade dissoziiert. Sie ist nicht nur in sich gebrochen – das kriegt man noch gekittet, wenn sich die Propgagandisten einig sind – sondern sie zerfällt in unterschiedliche Fraktionen, die jeweils mit Inbrunst ihr eigenes Lied singen. Das kann niemand mehr ‘glauben’, weil es eben Desorientireung hinterlässt. Orientierung ist da nur möglich als Blick hinter die Kulissen. Was die Desorientierten bis dahin anfangen, ist freilich auch nicht schön.
Das Kapital zerfällt und mit ihm die Propagandafront. In USA versucht gerade die alte Großindustrie bzw, ein Teil davon mit Buddies aus der Finanzwirtschaft das Ruder herum zu reißen, um dem neuen Kapital (Google, Facebook, Microsoft) Anteile abzujagen. Deren Propaganda via Trump ist eine völlig andere als die der Gegner. Wenn die Global Player anfangen sich gegenseitig zu fressen, brauchen sie politische Macht und die wiederum Propaganda. Sie haben aufgehört, alle dieselbe Geschichte zu erzählen, weil ihnen das nichts mehr nützt. Das Spiel heißt “Last Man Standing”, da ändern sich die Bedingungen.
Aufklärung bietet eine Insel, auf der man nicht irre wird, weil man heute nicht mehr weiß, welcher Gott oder Führer gestern Heil versprach.
Februar 10th, 2017 at 22:29
Das hab ich doch nicht übersehen und Aufklärung ginge mir in dem was sie kann über den Aspekt einer “Erholungsinsel” etwas hinaus. Aufklärung ist unbestreitbar anzustreben – mir ging es aber um die Schwierigkeiten auf dem Weg bis Aufklärung möglich ist. Ich wollte – ohne es so explizid gesagt zu haben, deutlich machen, dass es einem überwiegenden Anteil der Bevölkerung nicht möglich ist, der Propaganda zu entfliehen, so dass diese Dissoziation auf der Propagandafront zwangsläufig in den “Meinungen” dieser Gesellschaftsmehrheiten ankommt. Desorientierung sehe ich da allenfalls als ungutes Bauchgefühl aber nicht als Inhaltsdissonanz. Ehe da etwas hinterfragt wir, wird sich einfach nur entschieden – und wenn das aus unserer Sicht noch so sehr zwischen ‘dumm’ und ‘dämlich’ ist. (Und dann wird sich an die Gurgel gegangen und dann haben die Fliegen wieder was zu fressen und dann ist die Angst ein bissl größer und die Aufklärung noch ein Stück weiter weg.) Dieser Zerfall der Propagandainhalte förder Aufklärung in keiner Weise. Das berührt sich nicht mal (was ich auch mit ‘Lücke’ meinte).
Februar 10th, 2017 at 22:37
Genau das sehe ich anders, allerdings sehr indirekt. Meine These ist, dass so etwas wie die AfD ein Symptom dafür ist, dass Aufklärung endlich attraktiver wird. Die Anhänger der AfD wollen sich nicht mehr verarschen lassen und lassen sich deshalb (noch blöder) verarschen. Die Tatktrate der Enttäuschungen(!) erhöht sich zwangsläufig, womit als Ausweg tendenziell nur der bleibt, sich eben nicht mehr täuschen zu lassen. Ich sagte ja durchaus auch: “Wenn man sich Hoffnung machen will” (#13). Es ist eine Frage der Zeit und der Ereignisse.
p.s.: Ich wiederhole das mal, auch für mich selbst: “Taktrate der Enttäuschungen” – wenn man keine Zeit mehr hat zu verdrängen, gibt es die Entscheidung zwischen Psychose und Aufarbeitung. Letztere ist eine Form der Aufklärung.
Februar 10th, 2017 at 22:40
@16
Ja!!! Es ist wirklich atemberaubend, dem Schauspiel zuzuschauen. (Dumm nur, wir sind ncht bloß Zuschauer, sondern betroffen.) Es gibt zaghafte Absetzbewegungen auf der Hauptstraße. Erste Edelfedern schlagen sich in die Büsche. Man möchte ja nachher gern der gewesen sein, der es immer schon gesagt hat. Kritik am deutschen Wirtschaftsmodell wird schon mal erwähnt, die Erwähnung ist einstweilen noch als Kritik am bösen Trump getarnt. Die Ausbeutung Europas, der Welt, durch die deutsche Wirtschaft, versteckt betrieben mittels des Euro, ist jedenfalls plötzlich ein Thema, nicht mehr nur bei Wagenknecht. Man reibt sich verwundert die Augen. Sollte es allerdings ernst werden und Barrieren gegen die deutsche Exportdampfwalze aufgebaut werden, ist es mit dem (Mini)jobwunder in Deutschland vorbei. Dann müssenwieder ordentliche Löhne für Binnenkonjunktur sorgen, furchtbar. Was für Gewinneinbrüche werden da auf “uns” zukommen?
Februar 10th, 2017 at 22:42
@Balken: Gute Idee, das Deutsche Volk® in der Masse reicher zu machen, damit es nicht wieder Amok läuft.
Februar 10th, 2017 at 22:55
Vielleicht etwas o t , aber zum Thema Aufklärung, sapere aude: Hat, bei den einen direkt (Bayern?) bei den anderen indirekt (“Preußen”?) die Kirchlichkeit noch etwas mit dem Mangel an Bemühung um Aufgeklärtheit, und mit der Bereitschaft zu glauben, zu tun? Die einen haben noch ihre kirchliche Glaubensautorität, die anderen haben sie dort nicht mehr, sondern bei der Obrigkeit gesucht? Wurden als Protestanten von ihrem Luther geradezu auf die weltliche Obrigkeit verwiesen?
Vom Grundsatz her schmückt sich Religion gern mit dem Attribut der Freiheit. Religion behauptet gern, weil für einen Gläubigen über allem der da “überm Sternenzelt” steht, kann keine diesseitige Macht letztendlich für den Gläubigen maßgeblich sein, Wahrheit beanspruchen. Die Freiheit eines Christenmenschen. Klingt gut. Aber die Wirklichkeit, die Wirklichkeit der Kirchen, die Wirklichkeit des Verhältnisses von Krone und Altar, immer wieder, ist eine so ganz andere … Jedenfalls solange die irdische Macht nicht ins Weihwasser spuckt, weiß jede Kirche immer, was sie an ihr hat. Aufklärung, Herr Militärbischof?
Februar 10th, 2017 at 22:59
Dass die AfD (wie jede Partei) eine Verarsche ist – soweit sind wir uns ja einig. Aber wie eine erhöhte Enttäuschungsrate zur Aufklärung führen soll, bist du mir jetzt noch schuldig geblieben (während ich hoffte erklärt zu haben, weshalb ich das für nicht möglich halte).
PS: Für eine Psychose entscheidet man sich nicht. Die geschieht bei Überforderung der Konfliktlösungsinstanzen. Eine Stärkung dieser erfolgt durch eine erhöhte Enttäuschungsrate nicht.
Februar 10th, 2017 at 23:06
22
Hm, jetzt läuft hier grad’ ein Rechthaberstreit?
Februar 10th, 2017 at 23:14
..wir wollen hier keine Echokammer ;-)
Februar 10th, 2017 at 23:15
21
Und einen Schritt zurückgetreten, und nochmal den opener durchgelesen:
Ja, vor der totalitären Aufklärung ist auch Angst geboten. Dat wusste auch schon Nietzsche, ja der!
Wir bleiben (Gott sei Dank!) in einem Grundbestand immer unaufgeklärt. Wir sollen nicht wissen wollen, warum wir Kants kategorischem Imperativ zustimmen.
Wahrscheinlich sind wir im Grunde Simpel. Wir wollen leben. Also überwiegend, die meisten meistens. Sehr unaufgeklärt. Einfach da. Wurden nicht gefragt. Wir haben’s in den Genen. Und ahnen, dass das am besten gemeinsam geht.
Nur, was das im Einzelnen bedeutet, im Moment, das ist, in Grenzen, aufklärbar. Mühsame Sache, das.
Februar 10th, 2017 at 23:18
@ 24
… aber Pingpong ;-)
Februar 11th, 2017 at 00:10
@Lycalopex: Um an Autortiäten zu zweifeln, musst du erkennen, dass sie keine sind. Das begann nach meiner Kenntnis (frühere Episoden nicht ausgeschlossen) bei Schamanen und Göttern, die kein Glück brachten. Dann wird eine Alternative (für Deutschland) ersehnt und ergriffen. Glaubhafte Versprechen sind da erst mal besser als eigene Verstandesleistungen, aber wenn Versprechen in einer so schnellen Abfolge gebrochen werden, dass man sie nicht mehr hören will, ist Aufklärung die einzige Alternative. Es gäbe überhaupt keine Idee von ihr, wenn die Menschen nicht irgendwann Autorität als unumstößliche verneint hätten. Du willst einen Nachweis? Alter Falter, warum wiederhole ich meinen Hinweis auf die “Hoffnung”, wenn du immer noch eine Versicherungspolice sehen willst?
Februar 11th, 2017 at 01:17
Mich erreichen Informationen (auch die Aufklärerischen) auf allen Sinnen stets ungefiltert. Wahrnehmungsstörung, kann man leider nichts machen. Ich habe da also ganz andere Probleme zu bewältigen, als im Trüben nach Wahrheiten zu fischen. Aber das würde man eh nicht begreifen können.
Februar 11th, 2017 at 01:25
..jetz hat ich schon soooviel Text – in die falsche Richtung.
Ich wollte keine Versicherungspolice, wir haben aber unterschiedliche Betrachtungsschwerpunkte. Mir kommen bei dem Schritt ‘Enttäuschung – Verhaltensänderung’ meine Erklärungsmodelle in die quere.
Autoritäten, zweifeln, verstoßen – alles klar. Die von dir vielleicht unterschätzte (weil nicht eigene) Grundhaltung der Mehrheit ist aber “Schuld sind immer die anderen.” Diese Haltung entspringt nur gering ausgeprägten Bewältigungsstrategien für interne Konflikte. Nennen wir es von mir aus ‘Ich-Schwäche’. Interne Konflikte – ganz viel schlimme Angst, wollen wir nicht und erträgt sich auch wirlich scheiße. Das ist behebbar aber keine leichte Sache und bissl TV oder mal ‘n Buch lesen lässt das gar nicht weggehen. Soweit die von mir sicherlich sehr verschlichtet dargestellten Grundlagen für die Empfänglichkeit von Propaganda bzw. für Aufklärungsresistenz.
Mit dieser Grundhaltung ist bei wiederkehrender Verarsche oder Enttäuschung Aufklärung aber gerade gar keine Alternative – das Austauschen der Sündenböcke geht allenfalls schneller. Es darf ja auch nicht unterschlagen werden, dass auch der Umgang mit Konflikten hier nicht selbst entwickelt sondern von der Propagande vorgegeben wird. Es bedarf einer selten anzutreffenden Reife, bei wiederkehrenden Problemen die eigene Strategie infrage zu stellen. Andernfalls (und das ist mehrheitlich in schauerlichster Konsequenz zu beobachten) gibt es nur “mehr desselben” aber um gotteswillen kein qualitatives Abweichen vom bisherigen Lebensprinzip. Aufklärung ist hier noch nicht einmal denkbar.
Aufklärung fand immer nur in gesellschaftlichen Schichten statt, die die dazu notwendigen Sicherheiten hatten – die äußeren materiellen und die internen (durch breit aufgestellte Bildung und moralisch nicht ganz so enge Vorgaben).
Wollte doch nur “meinen” Grund, warum sich das partout nicht ändern will, vorstellen. Ich hoffe ich hab das irgendwie verständlich rübergebracht.
Februar 11th, 2017 at 10:01
Nur ein Vorort-Bericht:
In meinem Umfeld ist die Rate der Enttäuschten nahe bei 100%.
Konsequenz:
“Da muss endlich mal Einer aufräumen!
Aufklärung hatten wir in der Schule, ging um Sex oder so was mit Fortpflanzung, weiß nicht mehr genau…Zu lange her.”
Februar 11th, 2017 at 11:17
“Selbstreflexion der Aufklärung ist nicht deren Widerruf.” Das heißt, dass keine gewonnene ‘Erkenntnis’ uneingeschränkt gültig ist. ——————-
Negative Dialektik, Seite 45: Zerbrechlichkeit des Wahren:
>>… Wahrheit. Schwebend ist sie, zerbrechlich vermöge ihres zeitlichen Gehalts; Benjamin kritisierte eindringlich Gottfried Kellers urbürgerlichen Spruch, die Wahrheit könne uns nicht davonlaufen. Auf die Tröstung, Wahrheit sei unverlierbar, hat Philosophie zu verzichten. Eine, die nicht abstürzen kann in den Abgrund, von dem die Fundamentalisten der Metaphysik salbadern – es ist nicht der behender Sophistik sondern des Wahnsinns -, wird, unterm Gebot ihres Sekuritätsprinzips, analytisch, potentiell zur Tautologie. Nur solche Gedanken bieten der allmächtigen Ohnmacht des sicheren Einverständnisses die Stirn, die bis zum Äußersten gehen; nur Gehirnakrobatik hat noch Beziehung zu der Sache, die sie nach der fahle convenu ihrer Selbstbefriedigung zuliebe verachtet. Kein unreflektiert Banales kann, als Abdruck des falschen Lebens, noch wahr sein. Reaktionär ist heute jeder Versuch, den Gedanken, zumal seiner Verwendbarkeit zuliebe, mit der Phrase von seiner selbstgefälligen Überspitztheit und Unverbindlichkeit aufzuhalten. Das Argument ließe auf die vulgäre Form sich bringen: wenn du willst, kann ich ungezählte solche Analysen machen. Dadurch wird eine jede entwertet. Die Antwort erteilte Peter Altenberg einem, der nach demselben Muster seine Kurzformen verdächtigte: ich will es aber nicht. Gegens Risiko des Abgleitens ins Beliebige ist der offene Gedanke ungeschützt; nichts verbrieft ihm, ob er hinlänglich mit der Sache sich gesättigt hat, um jenes Risiko zu überstehen. Die Konsequenz seiner Durchführung aber, die Dichte des Gewebes trägt dazu bei, daß er trifft, was er soll. Die Funktion des Begriffs von Sicherheit in der Philosophie schlug um. Was einmal Dogma und Bevormundung durch Selbstgewißheit überholen wollte, wurde zur Sozialversicherung einer Erkenntnis, der nichts soll passieren können. Dem Einwandfreien passiert tatsächlich nichts.<<
Februar 11th, 2017 at 11:36
@Lycalopex: “Aufklärung fand immer nur in gesellschaftlichen Schichten statt, die die dazu notwendigen Sicherheiten hatten”.
Dem widerspreche ich. Es waren nicht einmal Friedrichs Hofschranzen ‘sicher’, und den größten Effekt hat sie in den Revolutionen gehabt, als die Unsicherheit am größten war.
Ich sehe auch keinen psychischen Mechanismus, der beliebig den Glauben an Autoritäten zu wechseln ermöglicht. Sicher gibt es das Bedürfnis nach Autorität, aber es verlangt, dass diese sich irgendwie ausweist. Wo alles zerfällt, wird sich kaum mehr eine formieren, denn es kannn nur eine geben. Zudem kann man nicht ignorieren, dass die Bedingungen sich obendrein verändert haben. Viel mehr Unsicherheit , viel mehr Alternativen, viel mehr Kommunikation. Das bringt kein geborener Sklave in seiner Psyche so zusammen, dass er jedes Jahr einem neuen Führer nacheifert.
Wir müssen uns diesbezüglich nicht einigen.
Februar 11th, 2017 at 11:42
@32: Siehe auch die russische Revo von 1905.
Februar 11th, 2017 at 12:07
Soll das eine Art Trollversuch sein oder missverstehe ich diesen dahingeklatschten Beitrag?
Tatsächlich hat die eine Menge zur Aufklärung beigetragen, und zwar exakt so wie ich es hier skizziert habe. Selbstverständlich gab es reaktionäre Auswirkungen. Die aber haben sehr dazu beigetragen, dass sich ein neues Denken ausgebreitet hat.
Februar 11th, 2017 at 12:09
Nee, das war bestätigend gemeint. Die Revo ging nicht von den Intellektuellen aus und auch wenn sie niedergeschlagen wurde, blieb die Akzeptanz der Macht bei der Bevölkerung dauerhaft angeschlagen.
War etwas knapp, weil ich gerade den Podemos-Leuten zuhöre. Iglesias quatscht gerade wie Lenin. … “Wir sind in der Lage, ein neues Land zu konstruieren.”
Februar 11th, 2017 at 12:29
Ah, ich hatte Zweifel, weil zu den Folgen auch Pogrome, pfäffische Mitwirkung und ein konservativer Rollback gehörten.
Februar 11th, 2017 at 13:27
OT: You’re old enough to kill, but not for votin
Februar 11th, 2017 at 13:58
korrektur: in der erstausgabe der negativen dialektik findet sich die von mir zitierte stelle (post 31) aus seite 42 unten bis seite 43.
Februar 11th, 2017 at 14:57
Tolle Diskussion da oben.
a: Dreimal drei ist neun.
b: Nix da, viermal vier ist sechzehn!
Wenn b einräumen würde, dass er einen Geischtspunkt beisteuert, der zur Wahrheit (in dem diskutierten Gegenstand) dazugehört, wichtig sein kann, unter Umständen überwiegen kann, jedenfalls zeitweise… , frei nach dem Dictum, das Abraham Lincoln zugeschrieben wird. Aber nein, er besteht darauf, dass nur sein viermal vier richtig ist.
Besonders witzig ist das ausgerechnet im Zusammenhang des Themas unter diesem opener.
Tatsächlich, solche im falschen Sinne verstandene Aufgeklärtheit (das Thema sei bis zum Ende geklärt) ist im falschen Sinne totalitär: Sie weiß.Genau.Wie ES.ist. Das ist fataler als die angebliche Unaufgeklärtheit – und seiner Meinung nach denn wohl auch Unaufklärbarkeit – der gewöhnlichen Massen, auf die er herabschaut.
Wenn das mal stimmt!
Februar 11th, 2017 at 20:52
Der Westen hat fertig. Aber warum?
(“The West Is Finished, But Why?”)
fragt Andre Vltchek, der Weltenwandernde, dieser Tage auf http://www.informationclearinghouse.info (Verständnisfrage an der Stelle: Ist das eine “kommerzielle Seite”?).
Das Trauerspiel, dass der Denkhorizont dann doch wieder nur die Welt kaputtmacht, bringt der Autor auf einen anderen Punkt. Es ist nicht die Ordnung zwischen dem korrekten Hin- und Herdenken. Es ist die Dressur, nur über das Denken den lapidaren Vorgang aus den Augen zu verlieren, dass der Mensch auf dem Planeten überhaupt ein Leben lebt. Verliert man das aus den Augen, wird alles zu einem Was-auch-immer, es ist eh gleich. Bestenfalls. Schlimmerenfalls zerlegt man den Planeten, Prestigefrage, sich das beweisen zu können, ach, man kann es, ein vorletztes Mal hin-denken und hernach ein letztes Mal herdenken. Oder weswegen auch immer. Bedienung! Bitte noch ein Getränk!
Aber eigentlich wollte ich nur einhaken, weil der Habermas da oben gewiss nich hingehört. Über die Bedingungen zu einer Möglichkeit zu raisonnieren heißt nicht, die Möglichkeiten aufzuzählen. Dem konstruktiven Diskurs einen Stellenwert zuordnen, stellt einen Link zur Stabilität des Erkenntnishorizonts her. Was sich in diesem Horizont dann konkret abspielt, ist schon nicht mehr Teil der Beobachtung. Und leider hat JH dann den wichtigeren Teil unterschlagen, was geschieht, wenn der konstruktive Diskurs zu einem zynischen solchen wird. Bei ersterem ist bei den Teilnehmern prinzipiell der Ausgang offen. Der Zyniker hingegen konstruiert einen Zwang, wonach der Diskurs selbst zur Belanglosigkeit wird, als da das Ergebnis schon feststeht.
Von Wahrheit wiederum zu schwadronieren, ohne die Existenz des Menschen in seinem Horizont, eben dem gedanklichen Diskurs zur Erkenntnis, aufzubauen, hat von Beginn an den Dogmatismus mit im Boot. Wo überall hingegen wache Menschen Gedanken kritisch austauschen, ist man über solche Figuren leicht hinweg. Das römisch(!)-christliche Abendland tut sich da gern etwas schwerer. Dafür ist dann der Glaube an absolut unumstößliche Unendlichkeiten umso radikaler verwurzelt. Hier muss man dann die Raufbolde des Planeten suchen.
Dass sie dabei den Weg aus ihrem Kaffeehaus nicht mehr hinaus finden, da beginnt AV in seinem obigen Stück.
Und ganz woanders wiederum beginnen die neuerzeitlichen Oberidioten am Begriff von Diskurs oder Offene Gesellschaft, den Menschen hinaustreiben zu wollen aus der Rückverkettung jedes Einzelnen in je einen nachvollziehbaren Horizont, in der Hoffnung der Kriegstreiber, heimatlos Umherirrende in staatenlosen Gegenden nach Belieben als hilflose Gestalten vor sich hertreiben zu können.
Wer aber solch destruktive Art von Diskurs verwechselt damit, dass Menschen in der Lage sind, die Erkenntnisse nach dem gedanklichen Austausch untereinander einfach nur abzusichern, ist da den Kriegstreibern bereits auf den Leim gegangen. Soros (Popper ausbeutend) lässt grüßen, ebenso die Hoffnung der Neocons auf ganz neue Kriegstechniken, Eroberungen ohne Schlachten.
Wie man aber nun den Diskurs absichert, ohne dass davon prinzipiell nur ein Spielball hegemonialer Absichten wird, wüsste ich auch nicht so leicht. Der Mensch bedarf wohl der Rückverkettungen, in die alten Erzählungen seiner Altvorderen, er bedarf des Wissensschatzes, alles Dinge, auf die Vltchek verweist. Dass damit stets auch das Rückgrat zu verkrümmen sei, ist dann hierbei der grandiose Irrtum.
Anders herum, um nach hierher zu erden: Aufklärung steht doch wohl nie für sich allein, es ist Aufklärung von etwas, und im klassischen westlichen Sinn ist es eben das Abstreifen der unvorstellbar abgründigen Anmaßungen aus der römisch-christlichen Tradition. Und sobald diese lapidare Rückverkettung vergessen wird, dreht das Spiel leer und läuft heiß. Das ist einfach nur menschlich. Und etwas anderes haben wir nicht, wenn von Menschen die Rede ist.
Da können freischwebende gedankliche Architekturen noch so sehr zu bestaunen sein. Wenn das Wesentliche unter den Tisch fällt, wenn vergessen wird, dass darüber ein Leben zu führen sei, mündet es zwangsläufig in die Frage, ach, ist schon wieder eine Kulturepoche zu Ende? Oder eben, wie AV es oben als Frage setzt: Der Westen hat fertig.
Februar 12th, 2017 at 02:32
@Balken
Ein Anspruch auf alleinig 4×4=16 war so nie gemeint. Unter dem opener hatte ich das vorausgesetzt und bin deshalb nicht drauf eingegangen.
Februar 12th, 2017 at 15:20
Wenn man überhaupt von Aufklärung heute sprechen will und kann, dann ist diese heute durchaus als toatalitär zu verstehen. Auch ohne Philosophen bemühen zu müssen, die Manie für wirklich jeden Bereich Experten zu berufen, die andere für dümmer halten als sich selber und die perfekte Verhaltensweise für alle propagieren, ist Beleg genug dafür.
Im Bildungsbereich reicht ein Crashkurs aus, um die Qualität von Schulen bewerten zu können oder als sog. “Beratungslehrer” Experte für den Umgang mit psychischen Problemen über Katastrophenmanagement bis hin zur Schulentwicklung an Schulen spielen zu dürfen – selbstverständlich ohne entsprechende zusätzliche Bezahlung -,
der Lehrer soll sich als Coach (also auch Experte) verstehen, der die Schüler befähigen soll, die Herausforderungen unserer Zeit zu bewältigen, was nichts anderes heißt als Kompetenzen zu erwerben, um als nützliches Mitglied der Gesellschaft der Wirtschaft dienen zu können (Der mündige Bürger taucht in keinem Lehrplan mehr als Ziel auf).
Zusammenhänge werden aufgebrochen in Einzelkompetenzen und für alles gibt es “wissenschaftlich fundierte” Konzepte, an denen sich die Schüler entlanghangeln, um “erfolgreich” sein zu können.
Was Erfolg heißt, wird von außen vorgegeben, genauso wie der Weg dorthin.
Reflexion sucht man vergeblich, weder “oben” bei den Experten noch “unten” bei den “Lernenden”.
Wissenschaftlich fundiert heißt in dem Zusammenhang auf einen Allgorithmus runtergebrochen, vom Computer errechnet, um das Mängelwesen Mensch zu optimieren.
Was nicht zählt, ist das Individuum.
Experten wissen, was “uns allen” guttut, Experten wissen, was richtig oder falsch, gut oder böse ist.
Dabei wird davon ausgegangen, dass wissenschaftliche Erkenntnisse wertfrei seien.
Zum Thema Kompetenzen hat einmal ein kluger Mensch (Name fällt mir nicht ein, sorry)festgestellt, dass man selbst Sozialkompetenz durchaus auch in einer Verbrecherbande erlernen könne, die Kompetenz also ohne entsprechenden Kontext und Inhalte ein soziales Miteinander zerstörenn könne.
Aufklärung “von oben” könnte nur funktionieren, wenn, wie es sicher einmal angedacht war, die Aufklärer auch die Besten im Sinne der Aufklärung wären, d.h. ihr Tun reflektieren würden und statt sich als Beste nur zu gerieren, erkennen würden, dass Fehler dazu gehören auf dem Weg zur Erkenntnis, dass jeder Fehler machen darf, diese sogar notwendig sind, um zu lernen.
Stattdessen werden die dumm genannt, die den von den Experten eingeschlagenen und als einzig richtig propagierten Weg als fehlerhaft erkennen.
Beim besten Willen: Unter Aufklärung stell ich mir was anderes vor. Das ist Stillstand statt Entwicklung. Es gibt Stimmen, die von Abklärung sprechen. Ich finde das passend.
Ob Aufklärung “von unten” Erfolg haben kann?
Die Bedingungen dafür sind ja gar nicht so schlecht angesichts der Informations- und kommunikativen Möglichkeiten, andererseits mach ich aber zunehmend die Erfahrung, dass gerade junge Menschen so stark geprägt sind von den gängigen Narrativen, dass ihnen gar nicht bewusst ist, dass ihre Motivationen (hier v.a. zu lernen)nicht ihren eigenen Bedürfnissen entspringen, sondern von außen (“Expertenrat” sozusagen)wirken. Ein Unwohlsein ist zwar zu spüren, aber befragt man sie nach ihren Bedürfnissen und Zukunftsvorstellungen, sind die individuellen immer überlagert von den “klassischen” Erfogsversprechungen unserer sog. Wohlstands- und Leistungsgesellschaft. Ihre Studienwünsche z.B. orientieren sich größtenteils an dem prognostizierten größtmöglichen materiellen Aufstieg und der Karriere.
An dieser Stelle ein ganz großes Lob an dieses Blog, weil er sich in der Regel nicht an Einzelsymptomen des Systems abarbeitet, sondern immer Zusammenhänge herstellt und zur Diskussion stellt. Danke dafür.
Februar 12th, 2017 at 17:08
OT: Habt ihr mal 46 Sekunden Zeit? Rede Dr. Frank-Walter Steinmeier MdB auf dem Deutschen Arbeitgebertag 2013 (via Heise-Kommentar: Für Genießer!)
Kommentar bei youtube: ich wuensche mir die RAF zurueck.
Woher kommt nur immer dieser Hass.
Februar 12th, 2017 at 19:45
@ R@iner
Wie will man denn sonst eine Champagner-Pyramide voll kriegen, wenn man nicht von oben einschenkt?
Februar 12th, 2017 at 19:49
Ich empfehle eher so mindestens 5,6,7 Minuten dranzubleiben.
Eimerchen wie immer nicht vergessen.
Februar 12th, 2017 at 19:56
Hab schon gekotzt. “Feiertag der Demokratie” las ich eben. Wie diese Schleimer sich gegenseitig einkremen, das ist einfach widerlich.
Februar 12th, 2017 at 20:04
@46: Leak: Interne Filmaufnahme aus der Spiegel-Redaktion vom Nachmittag
OT. Raul Zelik kommentiert mal kurz, was in Spanien bei Podemos so läuft: 1, 2, 3.
Al Jarreau ist tot. Take Five
Februar 13th, 2017 at 09:18
OT. Ich weiß ja nicht, ob es der arabische Postillon ist, aber diese Meldung hat schon einen gewissen Unterhaltungswert: CIA honors Saudi Crown Prince for efforts against terrorism
Das fbi sieht auch nur noch Terroristen: Revealed: FBI terrorism taskforce investigating Standing Rock activists
FBI representatives have contacted several ‘water protectors’, raising alarm that an indigenous-led movement is being construed as domestic terrorism
Februar 13th, 2017 at 19:29
Trump vs. Truth: Last Week Tonight with John Oliver (HBO)
No comment necessary.