Angesichts der wuchernden Barbarei, die ein Kapitalismus, der einmal mehr und diesmal absolut global zum letzten Gefecht bläst, entfacht, drängt sich die Frage auf, was man dem entgegen hält oder was danach kommen soll. Damit meine ich einmal nicht die praktische Gestaltung einer Gesellschaft, ihre politische und ökonomische Verfassung, sondern das, was einmal Zivilisation sein wollte.
Der Begriff trägt seinen Ursprung als Bürgerliches im Namen. Ich stoße hier wieder an die Schnittstelle, die Marxisten als “Überbau” bezeichnen und die doch mehr ist, zumindest nämlich die geschichtliche Voraussetzung für Marxens Schriften und jede fortschrittliche Entwicklung. Man kann über die bürgerliche Ideologie und ihre Philosophen sagen, was man will, aber die Kultur der Menschenrechte ist ihnen ebenso wenig streitig zu machen wie jene Aufklärung, auf der die Philosophien des 19. und 20. Jahrhunderts fußen. Ebenso ist keine sozialistische Revolution denkbar ohne ihre bürgerlichen Vorläufer, vor allem intellektuell.
Ein linker Montesquieu?
Wenn Marx Hegel “vom Kopf auf die Füße gestellt” hat, dann erweist er dem die Ehre, das meiste richtig erkannt zu haben. Okay, der Irrtum, Moral könne vor dem Fressen kommen, musste ebenso korrigiert werden wie der, man könne den Alltag der Menschen, sprich: die Produktionsbedingungen erst mal außen vor lassen bei hochgeistigen Entwürfen des Menschlichen Wesens und seiner Gesellschaft. Es scheint mir aber ein fataler Fehler gemacht worden zu sein, dass nämlich gelebte Ideen, meinetwegen Ideologie, bloß Nebenprodukt seien. Zivilisation stellt sich nicht einfach so ein. Sie muss gelebt und mit Sinn gefüllt werden.
In den Grundlagen des Bürgerlichen Rechts finde ich die Säulen dieser Zivilisation: Gleichheit, Unschuldsvermutung, Gewaltenteilung, Befristung von Macht – um einige zu nennen. Die besseren linken Entwürfe fußen darauf und nehmen diese Errungenschaften einfach für selbstverständlich. Linke Kritik an den Fehlern im bürgerlichen System fordern richtiger Weise Korrekturen: Was nützt eine Gleichheit auf dem Papier, die von der ökonomischen Wirklichkeit ad absurdum geführt wird? Wo aber sind die Quellen, die Referenzen der Linken für einen allgemeinen Umgang miteinander, der gegen Barbarei schützt?
Wie weit queerfeministischer Antirassismus von diesem Problem entfernt ist, muss ich hier nicht darlegen. Es fehlt aber eine ganze linke, meinetwegen sozialistische oder kommunistische Kultur des Gesellschaftsvertrags. Was da ist, ist von den bürgerlichen Vorläufern übrig geblieben bzw. übernommen worden. Wir stehen aber in einer Situation, in der die Basis bürgerlichen Rechts, die Menschenrechte; (Meinungs)-Freiheit, Recht auf Leben, Unversehrtheit des Körpers, kurz: das Minimum an Anstand und Recht wieder einmal vor die Hunde gehen. Was haben wir dagegen? Gibt es einen linken Montesquieu – oder wenigstens einen Bezug auf die Grundlagen menschlichen Umgangs in einer verfassten Gesellschaft? Ohne werden wir nämlich nicht auskommen.
Januar 8th, 2017 at 21:02
Die elegische Klage des Philosophen. Boethius reloaded.
Nur noch Bourgeois, keine Citoyens mehr. Schon klar.
Januar 8th, 2017 at 21:24
Was dabei aber die Linken betrifft – nun ja. Ihre besten Köpfe waren von Hause aus Bürgerliche. Und eigentlich laufen all ihre Sozialutopien darauf hinaus, das Versprechen der bürgerlichen Revolutionen Wirklichkeit werden zu lassen, nämlich für Jedermann. Obwohl das Versprechen eigentlich den “Jedermann” nie gmeint und mit eingeschlossen hat, das zu glauben war schon immer ein Missverständnis. Trotzdem ist es natürlich richtig, die Herrschaften beim Wort zu nehmen und daran zu erinnern, dass die Sache mit der Liberté, Egalité und Fraternité tatsächlich nur in diesem Dreigespann funktioniert. Das wäre dann, nach meinem Verständnis,links. Nicht diese “proletarischen” Revolutionen, bei denen immer ganz schnell aus den Revolutionären Nomenklatura wurde.
Also. Dann ist denn nun wohl die bürgerliche Revolution 2.0 an der Reihe. Der erste Anlauf hat ja erstmal nur eine neue Aristokratie, die der Plutokraten, entstehen lassen. Schon besser, aber jetzt irgendwie auch an die Wand gefahren. Und da wollen die natürlich jetzt genau so mit dem Kopf durch wie ihre Vorgängeraristokraten damals. Hab ich den nächsen Ballhausschwur verpasst, ist der womöglich schon im Gange?
Januar 8th, 2017 at 21:24
Hab mich mal vor Jahrzehnten mit einem von der Mlpd darüber unterhalten….hat sich mir eingeprägt
Er sagte:” Nach der Revolution bräuchte man solchen bürgerlichen Schnickschnack nicht mehr.
Die ständige Erneuerung der Revolution würde sowas unnötig machen-würde alles automatisch gehen!”
Warum etwas vorrevolutionäres durchkauen,Interesse zeigen-wenns sowieso abeschafft wird äh unnötig wird…
Januar 8th, 2017 at 21:45
Gibt es heute noch einfache Arbeiter, die Marx oder Lenin zitieren können? Es gibt nur noch Salon-Bolschewisten, da der Sozialismus ausschließlich im Bildungsbürgertum existiert. Und mit den paar Prozent in der Bevölkerung, die so denken, wird selbst aus den besten Ideen keine neue Gesellschaft.
Januar 8th, 2017 at 22:02
Gut gebrüllt, aber es wird gravierende Veränderungen geben und es werden ‘Ideen’ umgesetzt. Ich würde gern welche anbieten können, die ankommen können. Der Bezug auf die bürgerlichen hat den Vorteil, dass es sie gibt, dass sie bekannt sind und dass sie sogar eine geiwsse Geltung haben. Alles Vorteile gegenüber einem Sozialismus, der ökonomisch zumindest langfristig kann nicht zu vermeiden ist.
Januar 8th, 2017 at 22:37
Es ist auf jeden Fall gut, einen Plan für den Neubau zu haben, wenn wir das alte Haus verlassen müssen. Unsere marxistischen Profs am OSI haben immer von der frühen Kibbuzbewegung geschwärmt (also bevor alles in Israel den Bach runtergegangen ist).
Verzicht wird ein wesentliches Element des Neubaus sein. Der ganze Tinnef und Talmi, die 700 Sorten Brotaufstrich oder der IV mit Autos. Wir könnten mit der Definition dessen anfangen, was wir wirklich brauchen.
Du siehst, die Hunsrücker Bauern denken da ganz pragmatisch und vom Bauch her.
Januar 8th, 2017 at 22:40
Die Hunsrücker Bauern kenne ich besser als du ahnst, aber die helfen uns genauso wenig wie Verzicht. Ich will vielmehr fordern, und zwar dass wir den unschätzbaren Kollateralnutzen der Bürgerlichen Gesellschaft nicht vor die Hunde gehen lassen, weil der daran schmarotzende Kapitalismus ihn entsorgt. Wirklich blöd nur, dass die ganzen schlauen linken Theoretiker vielleicht nie daran gedacht haben, wie man ihn verteidigt.
Januar 8th, 2017 at 22:48
Doch. Genau dieser Blick hilft uns. Denn nur mit Verzicht entziehst du dem schmarotzenden Kapitalismus den Boden. Solange sich jeder in seiner erbärmlichen Gier nach Konsumgütern zum Wirtstier macht, solange hat die Kapitalfraktion etwas zum Aussaugen. Der Verzicht ist der Anfang, der Verzicht schwächt den Kapitalismus.
Parallel gilt es natürlich auch die von dir intendierte Debatte über die Erhaltung der bürgerlichen Freiheiten zu führen. Aber ich sehe da keinen Widerspruch.
Januar 8th, 2017 at 23:00
Verzicht ist ökonomisch im laufenden System nicht einmal mithilfe eines höheren Wesens zu organisieren, aber er wird sich, falls diese Spezies das noch erlebt, von selbst einstellen. Umso wichtiger wird es sein, nicht in der Barbarei zu versinken und bürgerliche Werte abzüglich des idiotischen Eigentumsanspruchs zu retten.
Januar 8th, 2017 at 23:24
Wenn die Leute noch nicht einmal die Kraft aufbringen, auf Nutella oder Teneriffa zu verzichten (geschweige denn auf ihr Eigentum), werden sie auch nicht die Kraft haben, ihre Freiheit zu verteidigen.
Januar 8th, 2017 at 23:32
Wenn es Nutella nicht mehr gibt und Teneriffa nicht mehr angeflogen wird, ist das irrelevant.
(edith): Hier ist es marxianischer Kult, in puncto Eigentum, was die bürgerliche Ideologie auch damit meint, Privateigentum i.e. Eigentum an Produktionsmitteln zu meinen, also weder das Haus noch die Zahnbürste.
Januar 8th, 2017 at 23:57
Dann bin ich ja beruhigt. Also wegen der Zahnbürste und nicht wegen des Hauses.
Ab wann gibt es denn kein Nutella mehr? Habe ich da was verpasst? Ich dachte, wir sprechen über Veränderungen zu unseren Lebzeiten. Werden die Haselnüsse knapp?
Januar 9th, 2017 at 00:07
Erstens habe ich nie nicht von Veränderungen zu unseren Lebzeiten gesprochen, im Gegenteil, aber zweitens wage ich eine Prognose: Wir werden es erleben.
Für meine Aussicht ist das aber weiterhin irrelevant. Dieses System kollabiert, und ich mache mir Gedanken um das Danach.
Januar 9th, 2017 at 00:26
Ich hoffe, du hast recht. Es wäre schön, wenn ich es noch erleben würde. Aber die Herrschenden haben naturgemäß kein Interesse am Kollaps und ich sehe keine gesellschaftlichen Kräfte, die den Weg ans Systemende beschleunigen könnten.
Januar 9th, 2017 at 00:30
P.S.: Kannst du dich noch an dieses alte Cover von der Supertramp-LP erinnern? “Crisis? What crisis?” Daran muss ich immer wieder mal denken. Ich dachte schon mit vierzehn, der Laden macht es nicht mehr lange.
Januar 9th, 2017 at 00:36
@14: Nicht die Beherrschung Verlierenden, das System kollabiert, weil es nicht mehr zu retten ist. Für jeden Dollar, der weltweit jährlich umgesetzt wird, sind drei Dollar unterwegs, die vermehrt werden müssen(!), bei gleichzeitig rapide sinkender Wertbasis (guxma Feynsin.net (vor allem den Vortrag von Bontrup), ich weiß aber nicht, ob das da schon so deutlich gesammelt ist).
@15: Ich habe das quasi täglich vor Augen.
Es war bis hierher eine sehr angenehme Konversation. Gute Nacht!
Januar 9th, 2017 at 01:12
Um die guten bürgerlichen Rechte vor den Hunden zu bewahren, brauchen wir, so denke ich, keinen linken Agitator. Es reichte ein bürgerlicher. Die Bürger selbst verlieren ihre Freiheit. Jeder Handwerkermeister zahlt für seinen kleinen Laden mehr Steuern als VW oder Porsche oder BMW oder Mercedes Benz und all die anderen Großen. Wo ist denn da die Gleichheit? Aldi, Rewe usw. diktieren den Herstellern die Preise! Wo ist den da die unternehmerische Freiheit? Klagt man die Großen an, ist – siehe Mollath – sogar mit der persönlichen Freiheit Schluß. Die Zivilisation, von der du sprichst, war die der bürgerlichen Gesellschaft, die des Kapitalismus. Sie wird im Monopolkapitalismus nicht mehr gebraucht. Das spricht für ihre Eigenschaft als Überbauphänomen.
Die Zivilisation als ”Verfeinerung der Sitten“ (Elias) ist ja nicht von der Bourgeoisie erfunden worden. Die höchste Stufe der Zivilisation (in Europa) hatte wohl der Adel des 19. Jahrhunderts erklommen. Selbst Goethe wurde bei seinen ersten Besuchen am Hofe von den anwesenden Damen als plumper Tölpel verlacht, weil es ihm an Zivilisiertheit d. h. am feinen Benehmen mangelte. Auch die Art und Weise, in welcher man zu jener Zeit seine gewalttätigen Auseinandersetzungen zu führen pflegte – im Duell – sind bürgerlichen Wirtshausschlägereien zivilisatorisch gesehen etwas voraus. Allerdings, das ist richtig, ”Gleichheit, Unschuldsvermutung, Gewaltenteilung“ sind Errungenschaften des Bürgertums. Sie gehören aber dennoch zum Überbau, da ohne sie die bürgerliche Gesellschaft nicht möglich wäre. Wie will man Geschäfte machen mit den Fürsten, wenn die sich jederzeit weigern können, die Rechnung zu bezahlen (und einen, wenn man zu sehr drängelt, in den Kerker werfen lassen.)? Geschäfte funktionieren nur unter Gleichen. Unter Ungleichen ists Mafia.
Wir müssen, denke ich, keine neuen Zivilisationsregeln erdenken, sondern neue Formen des Produzierens und des Aneignens. Solange wir nicht auf eine andere Weise unsere Notwendigkeiten produzieren wollen(!), als es jetzt geschieht, solange wird der Kapitalismus auch noch Bestand haben. ”Keine Gesellschaftsform geht unter, solange sie nicht alle ihre Möglichkeiten erschöpft hat. Das Neue wird noch in der alten Gesellschaft ausgebrütet.“ sagt Marx sinngemäß. Das scheint mir plausibel: Auch der Feudalismus ging erst unter, als die Bürger etwas wollten, (Geschäfte machen, produzieren, handeln) was im Feudalismus nicht ging. Überall Grenzen, an denen Zoll gezahlt werden mußte. Wie sollte man da von Bremerhaven oder Hamburg nach München Handel treiben? Auch konnte der Feudalherr (und nicht wenige haben es getan!) einfach den Betrieb einer Dampfmaschine verbieten. Wie sollte da Industrie entstehen?
Erst wenn wir so weit sind (wie die Bürger im 19.Jahrhundert), haben wir eine Chance das System zu ändern. Das würde dann aber auch neue Normen hervorrufen. Das Gute beibehalten, das Hinderliche durch Neues ersetzen. (Aufhebung)
Aber ich fürchte, ein bloßes ”Nicht-mehr-Wollen“, wie wir es im Moment alle fühlen, wird nicht ausreichen. Das bringt bestenfalls eine andere Mafiagang an die Macht.
Vielleicht sind ja diese ”Open Source“-Geschichten und die vielen kostenlosen Programme (Tools) im Internet ein Anfang. Die Kibbuzim in Israel waren auch ein Versuch. Auch las ich mal, daß man in Südamerika verschiedentlich versuche, auf nichtkapitalistische Weise zu produzieren – auf kommunaler Ebene. Vielleicht wird ja mal etwas daraus. Aber wir sind bestenfalls noch ganz am Anfang, ganz, ganz am Anfang.
Januar 9th, 2017 at 02:19
Danke Hardy, da tickt wohl jemand mächtig entlang meiner Wellenlänge ;)
Januar 9th, 2017 at 07:54
@ 16. Fand ich auch. Guten Morgen.
Ein neuer Tag im Paradies.
Januar 9th, 2017 at 09:05
SPON heute:
Mercedes-Benz steigert seine Autoverkäufe um 11 Prozent – und verkauft zum ersten Mal in der Geschichte mehr als zwei Millionen Autos.
Endzeittheorie? Es fehlen mal wieder die Beispiele.
Dagegen spricht:
“Drei Milliarden Menschen warten auf ihr erstes Auto, Russland auf die Erschließung der Tundra und Eismeere, die Sahara soll industrialisiert werden, um Europa mit Energie zu versorgen, dafür muß der halbe Erdball nach Rohstoffen umgegraben werden, die Wohnungen werden in High-Tech-Fabriken umgewandelt, Kids warten auf die nächst Smart- und Mac-Dingsbums-Generation, die Küstengewässer auf Windparks, Äcker und Wiesen auf Industriepflanzen, Energiespeicher und Strom-Autobahnen, daneben müssen allein in Deutschland immerfort über fünfzig Millionen Pkw ersetzt werden.”
Das Verbot der Produktion von Verbrennungsmotoren (Schlüsselindustrie)käme z. B. dem kap. System angesichts der bisher fehlenden Akzeptanz von E-Mobilen trotz der Fördergelder sehr entgegegen.
Januar 9th, 2017 at 09:56
@Andy Bonetti (6)
“Unsere marxistischen Profs am OSI”
Hajo Funke, Elmar Altvater oder Peter Grottian? Mehr marxistische Profs. gabs da nicht. ;-) Ich habe auch am OSI studiert, da war gerade die Bachelor-Umstellung. Mir kam es eher so vor, als wenn die neuen neoliberalen Dozenten das Institut “gestürmt” haben und heute weiterhin “besetzt” halten. Ich hatte schon damals (2009) hitzige Diskussionen mit Dozenten, welche den Neoliberalismus als Hegemonial-Ideologie vehement bestritten haben.
Wenn man bedenkt welche Geschichte das OSI bei der 68er-Bewegung hatte und man betrachtet, wer dort heute, was genau unterrichtet, ist das ein echtes Trauerspiel.
Januar 9th, 2017 at 10:44
@ Epikur
Johannes Agnoli hatte großen Unterhaltungswert: “Im Kapitalismus ist der Kunde König, aber an der Kasse wartet die Guillotine.” Der Hörsaal hat getobt.
Dann mein Doktorvater Eckehart Krippendorff, der Zweitgutachter Wolf-Dieter Narr (Altvater hatte keine Lust). Grottian kenne ich auch noch, das war mein letztes Seminar am Osi. In den frühen 90ern ist in der OSI-Bibliothek noch Marx gelesen worden!
Januar 9th, 2017 at 11:36
@altautonomer: Ich zitiere mal wieder den ollen Steinbeck:
“Ist’n schönes Land, aber sie haben’s gestohlen, schon vor langer Zeit. Wenn ihr die Wüste hinter euch habt, kommt ihr in das Land, was um Bakersfield ‘rum liegt. Und ihr habt noch nie so’n schönes Land gesehn. Lauter Weingärten und überall Obst – wirklich das schönste Land, was ihr euch denken könnt. Und ihr fahrt an guten, fetten Feldern vorbei, und die Felder liegen brach. Aber ihr könnt nichts haben von den Feldern. Die gehören der Land-und Vieh-Gesellschaft. Und wenn sie die Felder nicht bearbeiten wollen, dann lassen sie’s eben bleiben. Aber wenn ihr auf die Felder geht und euch da ‘n bißchen was anbaut, stecken sie euch ins Gefängnis.”
Januar 9th, 2017 at 12:16
@Hardy(17): Die höfische Attitüde ist eben jene, die glaubt, Moral käme vor dem Fressen, weil letzteres ganz selbstverständlich durch Sklaven angereicht wird. Das ist nicht zivilisiert. Dass Gleichheit dem Geschäft diente, hat hier nie wer bestritten, aber das wurde bereits durch die Kommunisten korrigiert – in der Theorie. Was sagt mir das also?
Dass aber ein Verdächtiger bis zum Beweis unschuldig ist, war etwa ein Kulturgut, dass sich erst allmählich etablierte und schon wieder kassiert wurde. Ich sagte es doch: Wir brauchen “keine neuen Zivilisationsregeln“, wir müssen die vorhandenen retten.
Dann sagst du, wir müssten “… produzieren wollen(!)“, was Unsinn ist, weiterhin meinst du aber “ein bloßes ”Nicht-mehr-Wollen“, [...] wird nicht ausreichen“, was richtig ist, weil Wollen irrelevant ist. Wollen ist etwas für Sozialdemokraten, die nicht verstehen, dass Systeme nicht durch Willen lenkbar sind, schon gar nicht der Kapitaismus. Wenn der einmal mehr krachend vor die Wand fährt, kommt es auf eine Alternative an, die funktioniert und die Macht, sie durchzusetzen.
Januar 9th, 2017 at 12:18
@Wat.: Ich finde es bedauerlich, wie du indifferent in die Hände klatschst, sobald jemand deine Lieblingsthese vertritt. Das bringt niemanden weiter.
Januar 9th, 2017 at 13:40
@flatter – weißt Du, was ich bedauerlich finde? Daß ich hier seit Jahren gegen einen Kreidestrich argumentiere und er sich als wohl unüberwindliche Mauer erweist. Einfacher gesagt: Bei manchen, die hier seit Jahren schreiben, frage ich mich, ob sie jemals auch nur einen Satz von anderen gelesen haben. Muß ja, sonst würde ich ihnen ja nicht auf den Wecker fallen, nur daß ihr Grundansatz, alles über das Bewußtsein oder ein Primat der Politik regeln zu können, unverändert ist.
Januar 9th, 2017 at 13:47
Wir brauchen “keine neuen Zivilisationsregeln”, wir müssen die vorhandenen retten.
Dazu werden wir sie aber zumindest teilweise auf eine neue Grundlage stellen müssen, denn mit den alten Begründungen hätten wir auch die alte Scheise wieder bzw immer noch am Hacken. Das trifft auf die Unschuldsvermutung wahrscheinlich noch am wenigsten zu, aber insbesondere der Freiheitsbegriff wäre auch mal auf die Füße zu stellen.
Wo aber sind die Quellen, die Referenzen der Linken für einen allgemeinen Umgang miteinander, der gegen Barbarei schützt?
Die Linke hat sich für Ethik und Moral leider nie sonderlich interessiert, bzw sie auch ‘einfach für selbstverständlich’ gehalten. Hier hat mal einer versucht, ein ‘Basispaket Rechts’ zu schnüren, dem könnte man ja mal ein entsprechendes für Links gegenüberzustellen und darauf Verhaltensregeln zu gründen. Dabei zeigen auch verschiedenste Kulturen durchaus ähnliche oder gleiche ‘Werte an sich’ – worüber es nur immer wieder teils heftigen Streit gegeben hat und gibt ist die ‘Letztbegründung’ derselben.
Daher wäre es jetzt vielleicht tatsächlich mal an der Zeit, sowas wie einen möglichst globalen ‘Gesellschaftsvertrag’ zu versuchen, dh auf diese Letztbegründungen zu verzichten und das ganze als Vereinbarung aufzuziehen. Auch nicht uninteressant in diesem Zusammenhang sind Projekte wie ‘Weltethos‘. So etwas auf einer soliden anthropologischen Grundlage etwa.
Und mach hier meine Wat. nich an. Es war ja auch sehr spät. ;)
Januar 9th, 2017 at 13:56
@Andy Bonetti #10 – „nicht einmal die Kraft aufbringen (…) zu verzichten“ – du sitzt dem falschen Narrativ auf: es geht nicht gegen das Privateigentum generell! Sondern nur um das Privateigentum an den Produktionsmitteln!
In der viel geschmähten DDR gab trotz gesellschaftseigenen Fabriken es sehr wohl äußerst private Trabants und Wartburgs, später Golfs! Nur halt spärlich gesät.
Wir müssen über lang oder kurz weg von der kreditgetriebenen Produktionsweise (Kreislauf G→W→Gʼ). Ich bin ernstlich der Meinung, die sozialistische Planwirtschaft ist nicht aus Prinzip untergegangen, sondern aufgrund schädlicher Randbedingungen, namentlich Aufrüstung bis in die Pleite. (Erinnert sich noch jemand an Verhandlungen zwischen Gorbatschow und Reagan?)
@Flatter – wenn dies Narrativ korrigiert ist, ergibt sich die neue Gesellschaftsidee möglicherweise von selbst.
Januar 9th, 2017 at 14:12
@Wat.: Gerade deshalb kann ich deine uneingeschränkte Zutimmung zu #17 nicht verstehen.
@Peinhart: “Dazu werden wir sie aber zumindest teilweise auf eine neue Grundlage stellen müssen, denn mit den alten Begründungen hätten wir auch die alte Scheise wieder bzw immer noch am Hacken.” Völlig richtig, und wenn man dann noch das Rechtsverständnis des Stalinismus’ bedenkt, ist da dringend was fällig. Vielleicht kann man damit Kommunismus auch wieder gesellschaftsfähig machen. Regionalisiertes Wirtschaften ist ja schon weitgehend zustimmungsfähig.
@Wolf-Dieter Busch: Möglicherweise, aber es wäre töricht, sich darauf zu verlassen.
Januar 9th, 2017 at 14:45
@ Busch
Als Autor ist mein Notebook mein Produktionsmittel. Würdest du das dann auch verstaatlichen?
Im weitesten Sinne ist auch der Wein in meinem Kühlschrank ein Produktionsmittel. Darf ich den auch nicht behalten?
Nur Spaß.
Januar 9th, 2017 at 16:36
Harald Lesch Gastrede: Hunger auf Veränderung | keynote speech (yt, 21 Min.; via Nachdenkseiten)
Januar 9th, 2017 at 16:57
@flatter #29 – „möglicherweise“ – ziehst du vor, es unversucht zu lassen?
@Andy Bonetti #30 – „Produtionsmittel“ meint nicht Arbeitswerkzeug, etwa meine Apfelsinensaftpresse, sondern Einrichtung zur Herstellung von Waren zum Verkauf. Dazu gehört alles – die Gebäude bis runter zur hydraulischen Ameise für Euro-Paletten, vor allem aber auch die Arbeitsplätze in Einheit mit Arbeitsverträgen. Die menschliche Arbeitskraft (und nur sie allein) ist das Mehrwert produzierende Element in der Kette.
Januar 9th, 2017 at 17:25
@ Busch
Als Autor stelle ich auf meinem Notebook E-Books und andere Texte zum Verkauf her. Obwohl ich mit dem Teil auch Apfelsinen auspressen könnte.
Das Proseminar “Arbeitswerttheorie von Karl Marx” hatte ich bereits in den 80er Jahren. Danke für die Auffrischung ;o)
Januar 9th, 2017 at 17:34
@Wolf-Dieter Busch,
Andy Bonetti zitiert auf seinem Blog “Kiezschreiber” Engels: “Arbeit ist die Quelle alles Reichtums (…)
und für mich nicht mehr zum Thema passend, Engels Einlassungen zur Menschwerdung des Menschen durch den Verzehr von Tiernahrung. Das alles liest sich für mich wie aus einer Textstelle der Bibel.
Man muss nicht all das, was die linken Urgrossväter mal von sich gegeben haben, auch für unumstösslich richtig halten.
Den Unterschied zwischen gesellschaftlichem Reichtum und abstrakten Reichtum, Gebrauchswerten und Tauschwerten, konkreter und abstrakter Arbeit, dass sollte in der Diskussion doch die gemeinsame Disskussionsgrundlage sein.
Ansonsten ist das eine Diskussion, die immer wieder bei Adam und Eva beginnt.
Januar 9th, 2017 at 17:34
@ flatter 24
Eine kleine Ergänzung aus sozial- (und medizin-)historischer Sicht: In der “höfischen” Zeit vor der französischen Revolution haben die vornehmen Damen und Herren bei Hofe und in ihren Schlössern in die Gänge geschissen, und in ihren Perücken waren mehr Läuse, Flöhe und Milben als auf dem ordinären Dorfköter, der immer mal ein Bad im Weiher genommen hat, wenn es juckte.
Die Hauptfunktion des Parfüms war das Überdecken von Gestank. Hygiene ist eine bürgerliche, und zuvörderst eine calvinistisch-bürgerliche Erfindung. Die Umgangsformen, ok., in Grenzen. Ich könnte jetzt Beispiele bringen, aber gewiss, so etwas wie höfische Etiquette gab es.
Mit der Aufklärung geht es weiter. Die Dialektik der Aufklärung sollte man kennen, vor allem, wenn heute “unterentwickelten”, besonders nahöstlichen Ländern, entgegengehalten wird, sie hätten “unsere Aufklärung” nicht mitgemacht, müssten sozusagen nachsitzen.
“Unsere Aufklärung” besteht aber nicht nur im Kantschen sapere aude, sondern auch im “wissenschaftlichen” Rassismus als Leitideologie von Kolonialismus und europäischer Expansion seit dem 15.Jahrhundert, nicht zufällig den Ursprüngen der bürgerlichen Gesellschaften.
Die Frage ist mithin: Hat es “Zivilisationsregeln” für alle Menschen vor der sozialen und antikolonialen Bewegung, also der Arbeiterbewegung und den Befreiungsbewegungen in der Folge der Oktoberrevolution, jemals zuvor gegeben, ausser in Schriften, in denen man auch fand “Die Negers von Afrika haben von der Natur kein Gefühl, welches über das Läppische steigt” (Kant)? Und übrigens, auch Marx und Engels waren da keine Heiligen.
Es geht doch erst einmal darum, diesen Zivilisationsregeln halbwegs Anerkennung zu verschaffen, und zwar für die “bildungsfernen Unterschichten” und die HartzIV-Opfer und 1€-Zwangsarbeiter ebenso wie für Migranten.
Den Ansatz, diese Regeln als unhintergehbar im Kantschen Sinne zu betrachten und als Ausgangspunkt politischer Praxis, halte ich für richtig.
Januar 9th, 2017 at 17:38
“Es geht doch erst einmal darum, diesen Zivilisationsregeln halbwegs Anerkennung zu verschaffen, und zwar für die “bildungsfernen Unterschichten” und die HartzIV-Opfer und 1€-Zwangsarbeiter ebenso wie für Migranten.”
Hä? (Mehr kommt da nicht von mir, sonst müsste ich anführen, dass die “bildungsfernen Unterschichten” sich besser verhalten als so mancher Bankenvorstand, Rechtsanwalt, Politiker, … [lange Liste]. Will sagen: Ich finde es recht arrogant, so etwas zu behaupten. Was Heitmeyer wohl dazu sagen würde?)
Januar 9th, 2017 at 17:41
@Wolf-Dieter Busch #32: Nur kurz, weil’s ja auch das eigentliche Thema erstmal höchstens streift – daraus kann, wie schon die bruchlose Weiterverwendung der einschlägigen Kategorien zeigt, aber nichts wirklich ‘Neues’ erwachsen, sondern höchstens eine noch dazu recht frühe Übergangsform. Von der ich allerdings zu hoffen wage, das sie größtenteils oder sogar ganz ‘überspringbar’ sein könnte.
Ich würde auf längere Sicht schon eine Abschaffung des Eigentums insgesamt anstreben, jedenfalls der Form, in der der Eigentümer mit ‘seinen Sachen’ machen kann, was er will, inklusive Zerstörung oder Verkauf und ihn durch ‘persönlichen Besitz’ ersetzen. Das bedeutet praktisch immer noch keinen Angriff auf Haus, Wohnung oder Zahnbürste, solange man sie wirklich ‘be-sitzt’, also in Gebrauch hält. Alles außerhalb des persönlichen Besitzes würde ich als Allgemeingut betrachten wollen, nicht als gemneinschaftlichen Besitz, von Eigentum oder gar ‘Staatseigentum’ ganz zu schweigen. Persönlicher Besitz, der ja immer aus dem Gebrauch von Allgemeingütern – als Ressourcen und Werkzeug – hervorgegangen sein muss, könnte man damit nach heutigen Maßstäben als eine Art ‘Dauerleihgabe’ bezeichnen.
Das hätte dann freilich schon Auswirkungen sowohl auf den Umgang von uns Menschen untereinander als auch auf den mit der ‘Natur’, dem ‘Ökosystem’, dessen Teil wir sind.
Januar 9th, 2017 at 17:57
Der Ausspruch “Erst kommt das Fressen, dann die Moral” stammt nicht von Marx, auch nicht von Hegel, sondern von Bertolt Brecht.
(Neumondschein im Besserwisser-Modus)
Januar 9th, 2017 at 18:03
@georgi: Dein Besserwisser-Modus scheint kaputt zu sein.
Januar 9th, 2017 at 18:07
@Troptard #34 – ich beziehe mich ursprünglich auf Beitrag #10 von Andy Bonetti, nicht auf sein Blog.
Zu Engelsʼ Äußerung „Arbeit ist Quelle des Reichtums“ – das ist dediziert erläutert in K. Marxʼ Kapital, Band 1, und müsste vollständigerweise lauten: „die Arbeit meiner vertraglichen Arbeitskräfte ist Quelle meines Reichtums.“ (Aus Sicht des Kapitals).
Die Wertanalyse ist kein Glaubenssatz, sondern eine der Widerlegung zugängliche Aussage. (Nur zu!) Engelsʼ Texte zu Kapital und Arbeit sind bereits Sekundärliteratur.
Nachtrag. Ich bin mir selbst linker Opa genug.
Januar 9th, 2017 at 18:12
@georgi: Mag die Erkenntnis erstens vor dem Ausspruch gekommen sein, vor allem aber die Kritik an der fälschlichen Annahme des Gegenteils? Wurde irgendwo eine Autorenschaft des “Ausspruchs” behauptet? Etwas zu korrigieren, das gar nicht formuliert wurde, mag freilich die wahre Meisterschaft der Besserwisserei sein. Chapeau!
Januar 9th, 2017 at 18:17
@Andy Bonetti #33 – dein Verkauf selbst verfasster Texte macht dich um „Kleinen Meister“ im Marxʼschen Sinn. Das reicht eventuell, dich selbst zu ernähren, macht dich aber nicht reich.
(Ok, ok, und dann gäbe es noch Joanne K. Rowling …)
Januar 9th, 2017 at 18:17
@aquadraht: Ich hadere seit einiger Zeit mit Adorno und dessen berechtigter Verzweiflung über den Stand der Aufklärung. Ich habe die ‘D.d.A.’ so oft gelesen, dass ich sie eigentlich auswendig können müsste, und diese “Philosophischen Fragmente” sind so genial wie notwendig; sie erschöpfen aber vor allem das Potential eines Projekts ‘Aufklärung’ nicht. Es heißt dort schließlich: “Aufklärung ist totalitär”, nicht “Aufklärung muss totalitär sein”. Der Text selbst ist ja das Paradoxon, wenn man ihn als aufklärerisch versteht.
Darum frage ich auch explizit nach einer ‘linken’ Aufklärung. Wie sieht die aus, wenn man sowohl Adorno als auch die historischen Erfahrungen mit Faschismen berücksichtigt? Muss ich das alles selber schreiben? ;-)
Januar 9th, 2017 at 18:18
@Rainer 36: Vermutlich missverständlich, mein Fehler. Es geht nicht darum, wie die Betroffenen sich verhalten (das mag höfischen Sitten mitunter nicht sehr nahe kommen, aber das tut das Verhalten von Personalern, Bankstern oder “Fallmanagern” auch nicht, wie Du richtig bemerkst), sondern wie sie behandelt werden. Und das ist unterhalb von Zivilisationsregeln. Erst kürzlich wurden Gesetze verabschiedet, die den “Jobcentern” Gestapo-Vollmachten gewähren.
Januar 9th, 2017 at 18:21
@flatter 43: Ich gebe Deinem Hader recht, mein Einwand war eher gegen die Emphase “unserer Aufklärung” gerichtet. Ich fürchte aber, die Arbeit, die Du erwähnst, liegt in der Tat vor uns.
Januar 9th, 2017 at 18:26
@aquadraht: Okay, ich danke für die Erläuterung.
Januar 9th, 2017 at 18:32
@Peinhart #37 – du plädierst für die „Abschaffung des Eigentums insgesamt“ – das müsstest du aber stichhaltig begründen.
Das private Eigentum ist nicht schädlich an sich, sondern durchaus produktiv und nützlich: die Qualität der Gegenstände ist gesichert (mein Läppi ist z. B. frei von Microsoft; meine Bleistifte sind alle gespitzt, und da geht mir keiner ran!) (Ganz zu schweigen von meiner Pornosammlung.)
Schädlich ist erst die Perversion der Produktionsmittel in Privatbesitz.
Deine Abschaffung des Privateigentums erinnert mich an den Satz über den Anarchisten, der seine Ziele so absurd setzt, dass keine Gefahr besteht, sie zu erreichen.
Das nimmst du mir jetzt aber nicht übel, gelle.
Januar 9th, 2017 at 18:41
Ach, die Qualität der Gegenstände ist gesichert, weil sie ein anderer macht? Noch dazu zumeist für Geld?
Komische Logik, ich würde meinen, sie ist dann gut, wenn die die sie herstellen sie auch selbst (ge-)brauchen wollen (müssen)
Januar 9th, 2017 at 18:49
@Wat. #48 – willst du wissen, wie Gemeineigentum im urbanen Raum aussieht? Fahr nach Amsterdam, schau die Fahrräder im Bahnhofsbereich an.
(Falls du nicht alles verstehst, frag einen Niederländer deines Vertrauens.)
Januar 9th, 2017 at 18:58
@Wolf-Dieter Busch: Am besten, Du erzählst deine Anarchistenwitze den 2,5 Millionen Menschen in der “Föderation Nordsyrien – Rojava”.
OT. Was machen eigentlich die “Kommunisten” in Spanien so? Unbequeme Fragen gegen das Vergessen
Januar 9th, 2017 at 19:05
@flatter – Adorno, Philosophische Fragmente, Aufklärung und totalitär:
Der Begriff „Aufklärung“ bedeutet meteorologisch die Wandlung Wolkig→Klar und menschlich unwissend→wissend, also in beiden Fällen den Weg von „Vorher“ zu „Nachher“. Danach ist zu Ende. Aufklärung abgeschlossen und vorbei.
Im gesellschaftshistorischen Sinn bezeichnet Aufklärung das Zeitalter, in dem dieser Weg beschritten wurde. Unser Zeitalter ist nicht (mehr) die Aufklärung, denn sie hat diese hinter sich. Wer heute noch an die Erschaffung der Welt glaubt, der will es.
Feinschliff. Auch nach Abschluss der Aufklärung geht das Lernen von der Welt weiter, z. B. Ablösung der Äther- durch Relativitätstheorie. Dieser Schritt war nicht Aufklärung. Denn die Theorie vom Äther war nicht Glaubenssatz, sondern explizit Vermutung.
Totalitär. Das Verrückte an dem, was „aufgeklärt“ heißt, ist die Überzeugung, der Wahrheit teilhaftig zu sein. Der seelische Mechanismus ist recht genau derselbe wie der des Gläubigen (ohne Bös und Arg). Kannst du beispielsweise im Heise-Forum beobachten, wenn es um Homöopathie geht: da ergießt sich der Informatiker über Biochemie, anstelle sich um eine wissenschaftstheoretische Taxonomierung zu bemühen.
Disclaimer. Ich habe mich der Philosophie verschlossen, darf das alles aber trotzdem äußern. Du darfst mich dafür zurecht weisen, wo ich daneben liege.
Januar 9th, 2017 at 19:09
Gern. Definitorisch kommtst du weder dem Begriff “Aufklärung” weder bei noch und schon gar nicht dem, was ich hier versuche und schon überhaupt gar nicht der “Dialektik der Aufklärung”, deren Lektüre ich empfehle, wenn man sich auf sie bezieht. Der Begriff ist dort völlig anders angelegt.
p.s.: Überdeis stelle ich fest, dass ich neuerdings dauernd über Dinge belehrt werde, die mir mehr als ausreichend bekannt sind.
Januar 9th, 2017 at 19:10
@R@ainer #50 – es nicht witzig, sondern ernst gemeint.
Januar 9th, 2017 at 19:12
@flatter #52 – sorry, nicht bös gemeint – dein erster Satz (nach „Gern.“) ist mir völlig unverständlich.
Januar 9th, 2017 at 19:12
@Wolf-Dieter Busch: Ich kann das, was Du schreibst, nicht einschätzen. Du scheinst dir deiner Aussagen sicher zu sein, während ich mit ihnen eher nichts anfangen kann.
Sicher jedoch ist, dass es erfolgreichen Anarchismus gab und gibt, während Leninisten/Stalinisten mit dem fraglichen Ziel der Gleichschaltung zum Massenmord griffen. Ich glaube sagen zu können, dass das niemand mehr erleben will.
Ich meine das auch ernst. Smiley!
Januar 9th, 2017 at 19:16
@54:
Der bezieht sich auf deinen letzten Satz in #51.Äh, stop, no, wait …edith:
Alsoo … du definierst da verschiedene Begriffe von “Aufklärung”; das ist aber hier nicht hilfreich. Keine dieser Definitionen trifft das, was ich meine oder den Begriff, den Horkheimer/Adorno entwickelt haben. Um den zu kennen, muss man deren Text lesen, und spätestens danach verbieten sich solche Definitionen.
Januar 9th, 2017 at 19:17
@R@iner #55 – bitte sagen, was genau du nicht einschätzen kannst.
Geh bitte davon aus, dass ich es ernst meine; dass ich nicht trolle (gelegentliche Polemik ist was anderes); dass ich nicht persönlich werde (außer mit Ansage und Begründung, aber dann weiß es jeder, der lesen kann).
Januar 9th, 2017 at 19:22
@Wolf-Dieter Busch: Ganz einfach: Wie hältst Du es mit dem “demokratischen Zentralismus”?
Januar 9th, 2017 at 19:24
@R@iner #58 – kann ich nix mit anfangen. Weder im hiesigen Zusammenhang noch überhaupt.
Januar 9th, 2017 at 19:33
Das private Eigentum ist nicht schädlich an sich, sondern durchaus produktiv und nützlich: die Qualität der Gegenstände ist gesichert (mein Läppi ist z. B. frei von Microsoft; meine Bleistifte sind alle gespitzt, und da geht mir keiner ran!)
Wäre das in irgendeiner Form anders, wenn es ‘nur’ dein Besitz wäre? Wie sieht deine Wohnung aus, vorausgesetzt du wohnst zur Miete? Aufgeräumt und angespitzt oder völlig verwahrlost, weil ja nicht dein Eigentum? Und darin dann dein poliertes und angespitztes Eigentum?
willst du wissen, wie Gemeineigentum im urbanen Raum aussieht?
Es gibt erstens auch Gegenbeispiele, Außerdem, und das betrifft zB auch die berüchtigte ‘Tragik der Allmende’, kollidieren hier bestimmte Eigentumsbegriffe bzw -auffassungen. In einer Welt, die sich in erster Linie auf das Privateigentum (Patrimonium) kapriziert, ist sowas wie ‘Gemeineigentum’ ein Widerspruch in sich. In einer Gesellschaft, die sich nur noch auf Besitz (Dominium) bezieht, wäre dies aller Wahrscheinlichkeit nach anders.
‘Allgemeingut’ verstehe ich übrigens als niemandem ‘gehörig’, auch keiner wie auch immer gearteten Gemeinschaft, sondern ‘herrenlos’. Es wäre aber die Voraussetzung der Existenz aller (jedes einzelnen), was auf die Fahrräder am Amsterdamer Bahnhof so nicht zutrifft, bzw nicht bewußt wird. Auf jeden Fall dürftest du dich diesen Fahhrrädern gegenüber anders verhalten, wenn du auf sie angewiesen wärst.
Januar 9th, 2017 at 19:35
@flatter #56 – Ich verstehe dich so, dass im Werk von Horkheimer/Adorno die „Aufklärung“ als Fachterminus entwickelt wird, und man müsse den Text lesen, um damit umzugehen. Ok.
Damit scheide ich aus. Ich verstehe, dass du den Begriff im Kommentarbereich nicht hinreichend ausrollen kannst; und du verstehst (vielleicht ja, vielleicht nein), dass ich es nicht lesen werde.
Das Gute ist daran, dass das Missverständnis aufgeklärt ist.
Januar 9th, 2017 at 19:38
Eigentum ist ein wichtiges Herrschaftsinstrument, auf das diese ehrenwerte Gesellschaft nicht verzichten kann. Alles bräche wie ein Kartenhaus zusammen. Wer sollte noch Kredite für den Erwerb von Eigentum aufnehmen, für den andere, zum Besitz, ein Leben lang zu arbeiten haben?
Januar 9th, 2017 at 19:43
@Wolf-Dieter Busch (61): Yo; ich hatte den Adorno ja auch in einer Bemerkung an a² erwähnt, in der Erwartung, dass er ihn kennt. Leider kann man nicht alles für alle referieren; aber deshalb versuche ich auch in den Openern und Kommentaren zu klären, was ich jeweils aktuell meine. Hier geht es eben um einen Prozess, der nicht die Ideen der bürgerlichen Aufklärung, insbesondere die bürgerlichen Rechte, wieder zu einem Vehikel macht, das zuerst dem Privateigentum dient oder, wissenschaftlich, quasi alles Seiende dem bestehenden System unterordnet.
Januar 9th, 2017 at 19:46
@Peinhard #60 – bitte keine Missverständnisse. Ich habe nicht das hohe Lied des Privateigentums gesungen. Sondern ich habe – pars pro toto – einige Argumente pro aufgezählt. Contra gibts auch.
Es ging mir darum: jede Änderung muss stichhaltig begründet werden! Das gleiche verlangst du ja auch von mir!
Also. Wenn Peinhart in #37 das Privateigentum tutto vollständig abschaffen will (kann ja begründet sein), möge er die Gründe konkret und präzise darlegen. (Mein Grund dagegen lautet grob, never change a running system außer wo es nicht anders geht.)
Januar 9th, 2017 at 19:56
@Busch: Ich drehe den Spiess zunächst einfach mal um – begründe du mir, warum nur Privateigentum, nicht aber Besitz ‘die Dinge wahren’ kann. Die Frage nach der Wohnung bleibt ja erstmal unbeantwortet…
Januar 9th, 2017 at 20:13
@Peinhard #65 – du unterscheidest Besitz von Privateigentum.
Ok. Der Mieter „besitzt“ die Wohnung im Wortsinn, aber richtig gehören tut die Wohnung dem Vermieter. Zu erkennen daran, dass letzterer ersteren nach drei Monaten Rückstand rausklagt.
Ich brauche es nicht logisch herzuleiten, sondern verweise auf den Umstand, dass der Mieter eine Kaution hinterlegen muss (geht auf Sparbuch, wird verzinst mit derzeit 0,001‰ per millenium). Wird benötigt für Reparaturen, etwa selbstgebastelte Katzentüren in der Terrassentür.
Januar 9th, 2017 at 21:51
OT: Fefe entdeckt, dass nicht alles “links” ist, was mobbt. Jetzt muss er nur noch rausfinden, dass man das mal durchdenken könnte.
Januar 9th, 2017 at 22:43
So, und jetzt noch der Ärzte-Tweet des Tages: zwitscher
Januar 10th, 2017 at 00:00
@R@iner68: grundgütiger. passt ja zur zivillisationsdecke…
Januar 10th, 2017 at 09:04
@Busch: Dass eine Mietwohnung neben Mieter/Besitzer für gewöhnlich auch einen Vermieter/Eigentümer hat, brauchst du mir nicht ‘herzuleiten’, soweit bin ich mit den Verhältnissen durchaus vertraut. Meine Frage war eine andere.
Januar 10th, 2017 at 10:35
@Peinhart #70 — Ich habe mich um die Begründung gedrückt und statt dessen ein Beispiel aus dem Leben gebracht.
Habe dein Posting so aufgefasst. Falls falsch verstanden, korrigiere.
Januar 10th, 2017 at 11:20
OT. Neues von der Cyberclowntruppe: Verfassungsschutzpräsident: Brauchen Möglichkeit für Cyber-Gegenangriffe
Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen möchte aktiv gegen Hacker vorgehen können – derzeit läge der Fokus lediglich auf Abwehrmaßnahmen. Der Verfassungsschutz sollte etwa Angriffs-Infrastrukturen “ausschalten” können.
Soso.
“Wenn wir identifiziert haben, woher ein Cyber-Angriff kommt, müssen wir ihn auch aktiv bekämpfen können.”
Ja, dann macht mal. Have Phun!
Derzeit sei es dem BfV beispielsweise nicht möglich, ausgespähte Daten zu löschen, die von einem Täter auf einem Server abgelegt werden. “Damit besteht die hohe Gefahr, dass sich der Schaden vervielfacht, da nun neben dem Täter auch Dritte in die Daten Einsicht nehmen könnten.”
Ach so, darum geht es also.
Das BfV hatte in den vergangenen Monaten etwa einen “eklatanten Anstieg” von Spear-Phishing-Attacken gegen Parteien und Bundestagsfraktionen registriert. Dabei werden von den Hackern gezielt Mails mit einem für den Adressaten vertrauenswürdig erscheinenden, aber gefälschten Absender verwendet.
Das passiert dem Durchschnittsnutzer der Kostenlos-Provider täglich 100 Mal. Ist halt dumm, wenn man jede Penisverlängerung mitmachen will.
Mmh, vielleicht hört auch die Targo-Bank endlich auf meinen Briefkasten vollzumüllen, wenn ich einen Konsumentenkredit von 20 Mios beantrage.
Diese Attacken werden demnach der Hackergruppe APT28 zugeschrieben. APT28 werden Verbindungen zu russischen Regierungsstellen nachgesagt.
Mir hat man mal nachgesagt, ich sei aufgrund meiner Einstellungen eher ein Franzose als ein Deutscher. Mutmaßungen über meine Verbindungen zur französischen Regierung weise ich allerdings aufs Schärfste zurück.
Januar 10th, 2017 at 11:26
Mache ich vielleicht nachher noch einen Opener dazu.
“Auf die Beteiligung der russischen Regierung an der Attacke im Dezember wiesen mehrere Indizien hin, sagte er [Maaßen].”
Das ist mal eine geile gelebte Rechtsauffassung! Da gibt es ein paar mögliche Hinweise, also trete ich eine diplomatische Aggression epischen Ausmaßes los. Ist ja nur Russland, das Arschlöcher.
Januar 10th, 2017 at 12:00
Ich hatte mal das hier verlinkt: A DIY Guide for those without the patience to wait for whistleblowers
Da steht eigentlich alles drin, warum eine Rückverfolgung eben nicht so einfach ist. Wenn ich also an der Stelle rumnörgle, dann bedeutet das nicht ich wüsste alles übers “Hacken”, sondern nur, dass ich lesen und einigermaßen nachvollziehen kann, was der Typ erklärt.
Januar 10th, 2017 at 13:01
Zum OT. Gelungen: Die ARD präsentiert das Darknet
Interessant auch hier, dass der Ermittler der Soko Frankfurt sagt, dass sie die Leute nicht über ip-Verfolgung, sondern über verdeckte Ermittler erwischen. Die bescheuerte Hintergrundmusik nervt.
p.s.: Doch, erstaunlich gute Doku.
Januar 10th, 2017 at 13:43
OT. Die sz kann man jetzt wieder “normal” betreten: Merkel: Deutschland droht, digitales Entwicklungsland zu werden
Januar 10th, 2017 at 13:58
Zitat flatter:
Zivilisation stellt sich nicht einfach so ein. Sie muss gelebt und mit Sinn gefüllt werden.
In den Grundlagen des Bürgerlichen Rechts finde ich die Säulen dieser Zivilisation: Gleichheit, Unschuldsvermutung, Gewaltenteilung, Befristung von Macht
Die Sache ist historisch weit komplizierter, mit Basis/Überbau ist sie nicht zu erfassen:
Wesentlich Grundsätze sind weitaus älter als unsere bürgerliche Gesellschaft, sie stammen aus dem Imperium Romanum und aus dem antiken Athen:
Audiatur et altera pars (Man höre auch die andere Seite an = Unschuldsvermutung) ist ein Grundsatz des römischen Rechtes, die periodische Wahl und zeitliche Begrenzung öffentlicher Ämter war in der römischen Republik üblich, ebenso die Aufteilung der staatlichen Aufgaben auf unterschiedliche Ämter und eine organisierte Konkurrenz zwischen ihnen. (Gewaltenteilung)
Demokratie ist eine antike athenische Erfindung.
Einzig der Grundsatz der Gleichheit ist neu.
Ein linker Montesquieu?
Wie wäre es mit Ernst Bloch?
Januar 10th, 2017 at 14:45
Wenn wir weiter zurück gehen, finden wir mehr – übrigens wie immer auch in christlichen Ethiken, die dazwischen liegen. Mir geht es vor allem darum zu zeigen, dass der historisch direkte Vorläufer, mit dem die Linke als antibürgerliche nichts zu tun haben will, sehr wohl erhaltenswerte Anteile hat und sogar hier und da weiter dachte als der Staatssozialismus oder Marxismus.
Bei Bloch sehe ich keinen konkreten Ansatz für eine politische Ethik oder eine sozialistische Rechtskultur. Korrigiere mich bitte, wenn ich da was verpasst habe, denn mit Bloch habe ich mich nur sehr am Rande befasst.
Januar 10th, 2017 at 16:15
@ R@iner 55: Das mit dem “erfolgreichen Anarchismus” erlaube ich mir sehr stark in Frage zu stellen. Ich weiss, jetzt kommen wieder ein paar Anekdoten aus Spanien 1936 oder dem Donbass 1919. Für “erfolgreichen Anarchismus” finde ich das etwas dünne. Ich weiss aber nicht, ob eine solche Debatte hier zu weit führt. Falls ja, bitte ich um das Unterlassen der antikommunistischen Spitzen.
Januar 10th, 2017 at 16:18
@aquadraht: Nö danke, ich will das nicht diskutieren. Ich lese derzeitig “Revolution und Krieg in Spanien” (Pierre Broué, Emile Témime). Da geht’s nicht um “Anekdoten”, was bereits eine Spitze deinerseits war.
Was den “real existierenden Kommunismus” angeht, verweise ich dann doch lieber aufs “Marx-Forum”. Der Macher dort hat da mehr Ahnung als ich.
Oder Du fragst einfach @Wat..
Januar 10th, 2017 at 16:22
@ flatter
Ernst Bloch
Naturrecht und menschliche Würde
Aus dem Klappentext:
Der Zielpunkt der Sozialutopien ist Herstellung des größtmöglichen menschlichen Glücks und einer Freiheit, die das Glücksstreben nicht verhindert. Der Zielinhalt, das Zielbild im Naturrecht ist nicht das menschliche Glück, sondern aufrechter Gang, menschliche Würde, Orthopädie des aufrechten Gangs, also kein gekrümmter Rücken vor Königsthronen usw., sondern Entdeckung der menschlichen Würde, die eben gleichwohl zum großen Teil nicht aus den Verhältnissen abgeleitet wird, denen man sich anpaßt, sondern (um so schlimmer für die Tatsachen!) von dem neuen, stolzen Begriff des Menschen als einem nicht kriecherischen, reptilhaften, vielmehr einem mit hocherhobenem Kopf, was uns verpflichtet und uns vor den Tieren auszeichnet und unterscheidet. (Ernst Bloch)
Januar 10th, 2017 at 16:32
Das ist ja alles ganz nett, aber die bürgerliche Ideologie hat da ganz handfeste Regeln formuliert und nicht herumgeschwurbelt (was mir bei Bloch btw. schwerst auf die Murmeln geht).
edith: Hier ist ein ganz brauchbarer Aufsatz dazu. Montesqiueu zeichnet ja gerade aus, dass er sehr konkret Regeln der Gesellschaft formulierte. Er hatte es leicht, da ihm der Staat als Organisationsform ja schon das Bett gemacht hatte. Vielleicht muss das wirklich mal konkret entwickelt werden: Wie sieht denn eine (Massen-)Gesellschaft aus, die nicht mehr bürgerlich ist und wie schützt sie die Menschen vor dem “Stiefel im Gesicht”?
Januar 10th, 2017 at 17:07
@R@iner – habe ich was übersehen? Wo/ warum ‘sollte’ ich mit @aquadraht über den Realexistierenden diskutieren? Hilf mir mal bitte auf die Sprünge.
Januar 10th, 2017 at 17:32
@Wat.: Ich wollte nur von meinem inferiorem Sachverstand ablenken. ◟(◔ั₀◔ั )◞
Januar 10th, 2017 at 18:25
@ R@iner 80: Magst Du als Spitze verstehen, den Broué/Témime habe ich vor langer Zeit gelesen, aber an Belege für “erfolgreichen Anarchismus” jenseits von Episoden in einem dreijährigen Bürgerkrieg mit unterschiedlichen Frontstellungen kann ich mich da nicht entsinnen. Jedenfalls empfand und empfinde ich Deine Formulierung aus 55 steil. Wo gibt es denn derzeit “erfolgreichen Anarchismus”?
Und das hat mit dem Thema zu tun: So wie Blochs rechtsphilosophische Überlegungen am offensichtlichen Scheitern des Absterbens des Staates im Sozialismus anknüpften, wo gibt es Ansätze für einen linken contrat social in Deinem angeblich auch heute – wo auch immer – erfolgreichen Anarchismus. Es würde mich in der Tat interessieren, mehr als Debatten über den angeblich gescheiterten Sozialismus.
Edit: Das ist auch nicht als Anpinkelei gemeint, wenn ich von Anekdoten schreibe. Aus der Geschichte der sozialen Bewegungen, vor allem der “utopisch sozialistischen”, kenne ich eine Reihe Beispiele kommunistischer Mini-Gemeinwesen, die zum Teil länger stabil existiert haben als mir bekannte anarchistische Gesellschaftsexperimente. Es ist dann immer Ansichtssache, was ihr letztendliches Vergehen belegt und was nicht.
Januar 10th, 2017 at 18:51
[OT - Ich debattiere, wenn ich es tue, auch nicht den gescheiterten Staatssozialismus sondern Sozialismus. Was ist das, und was braucht es mindestens dazu, und was 'sorgt' dafür, daß es keiner ist oder werden würde. Nun habe ich auf dem Gebiet nicht den Stein der Weisen, stecke aber sowohl praktisch als auch theoretisch soweit in der Materie, daß ich da doch denke, klare und eindeutige Aussagen treffen zu können]
Januar 10th, 2017 at 21:29
@ Wat 86 (nebenbei, flatter, wenn das zu sehr OT wird, bitte ich als Newcomer um den Ordnungsruf oder die Sperrung/Löschung des Beitrags): Woran macht sich der “gescheiterte Staatssozialismus” fest (ausser daran, dass UdSSR und WP-Staaten zusammengebrochen sind)? Schon vorab bewundere ich Deine Fähigkeit “klare und eindeutige Aussagen treffen zu können”. Mir geht es nicht so. Also, an Dich als Expertin (? oder Experte) klarer und eindeutiger Aussagen: Ist “Sozialismus mit chinesischer Charakteristik” 150% Lüge und Etikettenschwindel? Oder Sozialismus in Cuba? Ecuador? Venezuela? Vietnam? Nordkorea?
Das ist keine billige Provokation, sondern eine Frage. Ich bin da nicht sicher, und sehe mich nicht in der Position, Sozialismusnoten zu verteilen.
Das hat auch mit dem Thema zu tun. Wie sollten Perspektiven und Minimalkonsens linken Gesellschaftsverständnisses aussehen?
Januar 10th, 2017 at 22:41
Ok @aquadraht, ich verteile auch keine Sozialismus-Noten. Ich ‘erlaube’ mir aber zu wissen, was einer ist bzw. so einigermaßen abschätzen zu können, woraus mal einer werden könnte.
Und da kann ich eindeutige Aussagen treffen.
Ich hantiere da allerdings mit dem ‘Werkzeug’, das auf den ollen Marx zugreift, also was nach ihm Sozialismus/Kommunismus ist, und nicht, was andere sagen, daß es nach Marx oder in Weiterführung von Marx Sozialismus/Kommunismus ist.
Es macht einen Unterschied, ob ich sage, daß dieses oder jenes für Sozialismus vorhanden sein sollte – oder – ob ich sagen würde, wie Perspektiven und Minimalkonsens aussehen sollten.
Konsens gibt es nur immer in einer Einigung mehrerer/ vieler/ aller über oder auf etwas. ;)
Jeder Lohnarbeiter im Kapitalismus ist freier als es der für Geld arbeitende Mensch in den Staatssozialistischen Ländern (egal wo und unter welcher Farbe) je war oder jemals als solcher hätte werden können.
Das sage ich als Kommunist, ‘muß’ es sagen, wenn ich einer bin/ sein möchte.
Ob wir das Gespräch weiter ausbauen können sollten oder Du vielleicht mal guckst (sorry), was wir hier die letzten Jahre bei flatter schon so zusammen debattiert haben, ich weiß nicht so recht – vielleicht macht ja flatter auch mal wieder einen Opener zu so etwas und holt dazu alte Sache wieder vor.
Ist halt immer so eine Sache, für Neue ist es eben neu und andere rollen vielleicht die Augen.
Btw. Ich bin eine Frau, aber mach bitte keine schriftlichen Verrenkungen deshalb ;)
Januar 10th, 2017 at 23:01
@ Wat: Da wäre ich aber neugierig auf die eindeutigen Aussagen. Ich kann sagen, dass ich bis zum Ende des reS geglaubt oder mindestens gehofft habe, daraus könne mal einer werden, zumal es dafür Indizien gab (Massenbildung, Kultur, flache Einkommensverteilung. gesellschaftliches Eigentum an den Produktionsmitteln), natürlich auch viele (muss ich das ausführen?) Indizien dagegen.
Ich sehe nach wie vor nicht so recht die Kriterien für den Nichtsozialismus. Offen gestanden, hätte ich die schwedische Gesellschaft der 70er Jahre als sozialistischer eingestuft als die der DDR. Aber deren Sozialismus ist fast noch schneller zusammengebrochen.
Januar 10th, 2017 at 23:18
Ich habe das auch geglaubt. Aber die DDR war kein Sozialismus und hätte auch nicht mit der damaligen Wende-Bewegung einer werden können, obwohl da sehr wohl schon emanzipatorische Ansätze da waren.
Sozialismus ist, wenn die, die da arbeiten, diejenigen sind, die selbst und gemeinsam bestimmen, was / womit/ wofür / für wen sie arbeiten.
Ja, so simple ist das zusammenfaßbar.
Allerdings ist dieser Satz wohl in den meisten Fällen erläuterungsbedürftig.:
Niemand arbeitet für ein Äquivalent, die Arbeit ist weder Ware noch Tauschobjekt. Niemand außerhalb dieser ‘Gruppe’ sagt dieser, was sie zu tun und zu lassen hat. Es müssen darum noch lange nicht alle gleichzeitig arbeiten.
Sozialismus ist die niedere Stufe des Kommunismus. Sozialismus ist NICHT die Vorstufe zum Kommunismus. usw. usf.
Januar 10th, 2017 at 23:28
@Wat.: Gerade mit dir würde ich gern einmal deklinieren, ob es eine Vorstellung von einem verfassten Staat geben kann, der einem Sozialismus den Weg ebnen kann. Nach meiner Einschätzung wäre es realistisch, sogar von einem kapitalistischen auszugehen, der gescheitert ist und seine Ressourcen (quasi zwangsläufig) dazu verwendet. Ich kann die Utopie nicht ohne Übergang denken, und da habe ich das Problem, dass jemand mit der [oft ;-)] begrüßenswerten Sturheit wie deiner doch irgendwie das Dazwischen unkorrumpiert denken können müsste.
@aquadraht (87): Ich lösche hier doch nix, dass in einem so fortgeschrittenen Thread fruchtbare Gedanken entwickeln kann. Nur zu!
Januar 10th, 2017 at 23:36
Erstmal danke für die Antworten. Mit den in den Raum gestellten Definitionen stimme ich nicht ganz überein, aber so what. Ich möchte nicht mit dem Aufrühren lange mehr oder weniger ausdiskutierter Fragen (in diesem Diskussionskontext) belästigen. Ich sehe allerdings einen Zusammenhang mit der eingangs von flatter in den Raum gestellen Fragestellung.
Januar 10th, 2017 at 23:37
Hätte mich auch gewundert, wenn Du gegen dieses Mäandern eingeschritten wärst ;)
Danke, flatter.
Flatter, Du weißt sicherlich noch, daß ich immer wieder schreibe und sage, der Staat verschwindet nicht einfach und schon gar nicht, weil wir das wollen. Er muß überflüssig sein, vorher kannste da machen, was immer willst Du – er wird da sein müssen, daß Leben in halbwegs ordentlichen Bahnen funktioniert. So wie er in dem Maße verschwinden wird, wie er für ein ordentliches gemeinsames Leben nicht mehr nötig ist.
Ja, die olle Dialektik.
Ich denke, ich habe schon so manches mal die Friedensfahne gewedelt und Dir mögliche Übergangsvarianten ‘vorgeschlagen’, nur müssen die immer schon auf was fußen – mit nem Knall nach einem Zusammenbruch passiert da nix, jedenfalls nix, was wir uns so erhoffen.
Der ‘unvorbereitete’ Knall katapultiert uns in all das, was wir zwei beide eigentlich nicht wollen ;)
@aquadraht – diese Definitionen habe ich auch nicht aus der DDR und meinem dortigen Studium an der Parteihochschule beim ZK der SED mitgebracht, da galt Lenin und der hat mit Marx weder was zu tun, noch hätte er mit seinen Ansichten jemals was mit Marx zu tun haben können – Lenin steht im Prinzip für eine Perversion von Marx – auch und obwohl er ihn seitenlang in seinen Werken zitierte, er war da ein Meister im Biegen und in seine Zusammenhänge pressen.
Januar 10th, 2017 at 23:53
@Wat.: “Der ‘unvorbereitete’ Knall katapultiert uns in all das, was wir zwei beide eigentlich nicht wollen ;)”
Der wird aber weitgehend kommen. Ich hätte gern Ideen, wie man auf diesen Knall nicht völlig unvorbereitet reagieren kann. Die DDR ist in einem solchem verpufft; was in ihren letzten Zuckungen kam, war unvorbereitet und wäre auch daran gescheitert, hätte die DM-BRD sie nicht ohnehin überrollt.
Es wird weltweit, nach meiner Einschätzung noch zu unseren statistisch erwartbaren Lebzeiten wieder Knalle geben, in denen Lebensmittelkarten ausgefertigt werden. Das wäre so eine Situation.
Januar 11th, 2017 at 00:08
Interesse an regionaler Produktion, soweit möglich – die Decke trägt – mit der GrünenBewegung hält die sogar der Kapitalismus aus – mit den Lebensmittelkarten müßte ja was zu kriegen sein, was auch da ist.
(War es nämlich soweit ich weiß, egal wo, nicht immer)
Das DM-BRD-Problem lasse ich nicht gelten, gucke Dir die anderen RGW-Staaten an.
Kommunale Strukturen, wo immer möglich mit Entscheidungen dort oder den unbedingten Willen, dort zu entscheiden – das muß wachsen, wächst auch schon, aber das können wir sicherlich unterstützen, allein schon damit, daß wir es nicht als Kleinkram oder unmöglich verschmähen.
Alles unterstützen, was auch nur irgendwie und wenn es noch so entfernt scheint, Transparenz und Kontrolle von jedem einzelnen, so er das möchte, über Entscheidungen anderer über etwas, was ihn betrifft, herstellen könnte.
Es gibt keine Ausländer, wer hier wohnt, ist Nachbar (Punkt) ;)
Wissen aneignen: nee, die Kuh ist eben nicht lila und gebratene Tauben werden niemals fliegen lernen (können).
Tante Edit meint noch:
Wir haben es schließlich mit Generationen zu tun, bei denen alles im Supermarkt, an der Tankstelle und am Bankautomaten wächst und entsteht.
Es wird der und das ‘siegen’, wer oder was Versorgungssicherheit stiftet für Strom, Wasser, Nahrung, Gesundheit. Ja, ist Bauernlatein, aber stimmt.
Januar 11th, 2017 at 00:52
Machen wir morgen weiter, ich muß ins Bett, habe morgen Vormittag einen Termin, bei dem ich einigermaßen aufgeräumt antreten möchte.
Öhm, ich meine heute – nach einem besseren Blick auf die Uhr.
Sleep well @flatter
Januar 11th, 2017 at 11:21
@aquadraht #85: Wie wir sehen, müssten wir zunächst die Begriffe klären. Momentan habe ich keine große Muse dazu.
Bitte sieh’ es mir nach. Wir werden sicher an anderer Stelle darauf zurückkommen.
Januar 11th, 2017 at 19:13
Hallo, huhu @flatter ;)
Habe ich Dich versehentlich erschlagen oder Schach matt gesetzt? Das wäre seeeehr ungünstig, ich brauche Dich nämlich auch zum Denken.
Ich habe Dir aufgeschrieben, was ich meine, daß es ‘irgendwie’ so ‘vorbereitet’ werden müßte, Du meinst, daß ‘man’ das/ etwas/ einen Übergang mit einem dafür genutzten/ geschaffenen Staat hinkriegen können müßte – und genau da brauche ich Dich – daß mir das entgegen aller Erfahrung plausible gemacht wird, was der oder wir mit ihm tuen könnten.
Gib Dir mal bitte was Mühe, irgendwie müssen wir doch einen Weg finden, auf dem wir beide gemeinsam entlang spazieren (können).
Januar 11th, 2017 at 19:25
Mach’ ich noch. Ich möchte nur heute gern meinen Hals abwerfen. Eigentlch sollte ich gar nicht am Rechner sitzen, meine HWS ist völlig rott von dem ganzen Gehänge.
Januar 11th, 2017 at 19:39
LOL – Ab mit Dir, eine halbe Stunde flach mit dem Rücken auf den Fußboden – und nein, nicht Deine Wauwaus dabei streicheln, die können Dir den Bauch wärmen ;)
Januar 11th, 2017 at 20:02
@ R@iner 97: Sicher, wenn Du nicht magst, keine Zeit hast oder Dich überfordert fühlst. Es ging mir um die apodiktische Formulierung aus 55 “dass es erfolgreichen Anarchismus gab und gibt”. Ich sehe das nicht, mindestens nicht anders, als “dass es erfolgreichen Sozialismus/Kommunismus gab”, in isolierten Gesellschaftsexperimenten Gleichgesinnter, die teilweise länger überdauerten als der spanische Bürgerkrieg dauerte. Und in den Formulierungen zu “Leninisten/Stalinisten” nehme ich ein Gutteil Antikommunismus war, übrigens auch bei Wats Statements zu Lenin, die ich als dogmatisch empfinde.
Was den Spanischen Bürgerkrieg angeht, erinnere ich mich an einige Reportagen Ilja Ehrenburgs in der Iśwestija und eine längere Passage in Ljudi, Godi, Shisn (der Autobiographie), in denen er sehr freundlich über die Durutti-Bataillone schreibt. Allerdings wäre er bei der ersten Begegnung mit ihnen beinahe erschossen worden, da die jungen Soldaten, des Lesens nicht kundig, mit seinen Papieren nichts anfangen konnten und ihn vorsichtshalber für einen Spion oder Verräter hielten. Ehrenburg hatte bereits eine Revolution hinter sich (über die er auch recht skeptisch geschrieben hatte u.a. im Julio Jurenito) und war weder erstaunt noch empört.
Was ich damit aussagen will: Idealisieren hilft auch nicht.
Januar 11th, 2017 at 20:15
Immer das gleiche Lied – klar, ich bin Anti-Kommunist, Dogmatiker, Diskriminierer – eines bin ich wirklich: Hochverräter am Marxismus-Leninismus.
Habe ich lange Jahre für gebraucht, nämlich so fast an die zwanzig Jahre. Und dann mußte ich den ML gedanklich ‘verraten’, wenn ich mit mir selbst ins Reine kommen wollte.
Ist mir schwer genug gefallen. Ich habe hier aufgeschrieben, wo ich herkam, das hatte ich intus. Darauf hatte ich einen Fahneneid abgelegt, ok, nicht auf ML, aber auf den Sozialismus und die DDR. Ich kann davon nur noch den Eid auf den Sozialismus/Kommunismus halten und das werde ich.
Eine bessere Welt will ich immer noch, diese bessere Welt umschreibe ich immer noch mit dem Wort Kommunismus – aber ich will diesen Weg nicht mehr auf dem alten Pfad erreichen, weil ich definitiv weiß, daß ich/ wir mit diesem dort nicht ankommen (können) werden.
Januar 11th, 2017 at 20:18
@flatter(99) – Wollen wir mal hoffen, dass es nicht die HWS sonder nur die umgebende Muskulatur ist, die Probleme macht.. Analgetika bis Oberkante, den kratzigsten Schal den du finden kannst (warm ist ganz wichtig) und dann für mindestens eine Stunde zügigen Schrittes (dass das noch geht meine ich mit Oberkante) umn Block (so schmerzarm wie geht so weit wie möglich locker durchbewegen). Und zerschieß den Mist, der dich hat feste gehen lassen..(ich mein hier ganz klar den psychosomatischen Ansatz ..)
Januar 11th, 2017 at 20:20
Danke für die Tips, aber meine Physios kümmern sich schon. Ist ein größeres Projekt, dieser geschundene Apparat.
Januar 11th, 2017 at 20:33
@ Wat 102: Ob Du Antikommunist(in) bist, kann und will ich nicht beurteilen, aber in apodiktischen Werturteilen wie den Behauptungen wie “..Lenin .. hat mit Marx weder was zu tun, noch hätte er mit seinen Ansichten jemals was mit Marx zu tun haben können..” steckt ein Grossteil Dogmatismus und ahistorische Reflexionsverweigerung. Wen oder was Du hoch oder niedrig verraten magst, bleibt Dir überlassen.
Die Leninsche Imperialismusanalyse ist zu wichtigen Teilen noch heute gültig, und was daran zu problematisieren ist, trifft auch auf Teile Marxscher Theorie zu. Eine der Hauptschwächen des leninschen Praxisansatzes, die Haltung gegenüber der revolutionären Gewalt, findet ihre Ursprünge bereits bei Marx.
Wie man aber zum Umsturz der herrschenden Verhältnisse kommt, der nicht gleich in eine blutige Konterrevolution mündet, diese Frage ist bis heute nicht beantwortet. Deshalb ist auch moralisierende Leninkritik Heuchelei. Sebastian Haffner, in seiner packenden Schilderung der Tragödie der Commune und dem historischen Bogen von da nach 1917, hat da mehr begriffen, obwohl er nie Marxist war.
Januar 11th, 2017 at 20:37
@aquadraht
“…steckt ein Grossteil Dogmatismus und ahistorische Reflexionsverweigerung.”
Wirklich in mir, oder nicht doch in jemandem, der das nach bald 28 Jahren immer noch nicht sehen kann?!
Januar 11th, 2017 at 20:41
Du stürzt bürgerliche Verhältnisse nunmal nicht mit der Waffe in der Hand; Verhältnisse ändern, heißt bei Marx nicht den Überbau ändern sondern die Basis – und das ist das Produktionsverhältnis.
Davon, daß da ein paar Kapitalisten in die Wüste geschickt werden, hat sich genau was für einen Lohnarbeiter geändert?
Er arbeitet nun für Geld, er nennt das immer noch Lohn, auch wenn ihm der nicht vom Kapitalisten gezahlt wird.
Für ihn hat sich nämlich nicht wirklich was in seiner Stellung zu den Produktionsmitteln geändert – ihm gehör(t)en die immer noch nicht.
Und er hätte sie auch nicht übereignet kriegen können – dann wäre nämlich alles den Bach runter gegangen. (die DDR)
Er hätte sie sich holen müssen, also aneignen müssen – das müßte er unter Kapitalismus auch – warum also bitte ist dazwischen ein Staatssozialismus notwendig?
Januar 11th, 2017 at 21:17
Das mit dem Moralisieren trifft auf mich nicht zu – ich kann das so haarklein auseinander klamüsern, wie ich es über die ganzen Jahre mit mir selbst machen mußte…
Januar 11th, 2017 at 21:24
Das Problem ist, dass man historische Entwicklungen nur ex post beurteilen kann. Man kann gewiss sagen, dass die aus dem Stalinschen (nebenbei gesagt, trotz einiger Übereinstimmungen nicht dem Leninschen) Sozialismusmodell hervorgegangenen Gemeinwesen von Beginn an einen Geburtsdefekt hatten, an dem sie letztlich zugrunde gingen, übrigens ganz wesentlich dem, dass sie von einer fremden Macht oktroyiert waren.
Historisch stellt sich die Frage, ob die Bolschewiki 1917 das Feld der Gegenrevolution (dass die Menschewisten und SR sich gehalten hätten, wird niemand behaupten, die hätte schon Kornilow weggefegt) überlassen sollten, Mao Zedong weiter Lehrer geblieben sein (oder sich von Jiang Jieshi im Lokomotivkessel kochen lassen) sollte und Fidel Castro seine Granma lieber auf den Bahamas hätte schaukeln lassen, ein Job hätte sich schon gefunden.
Vieles, was man heute so von oben herab über das Funktionieren und Nichtfunktionieren sozialistischer Wirtschafts- und Gesellschaftsweisen aussagen kann, weiss man, weil es versucht wurde.
Ich habe vor einer Weile Nelson Mandelas “Der lange Weg zur Freiheit” gelesen. Ich empfehle es jedem, der es nicht kennt. Es ist neben vielem anderen auch ein eindrucksvolles Zeugnis der Rolle und Bedeutung der sozialistischen Länder und der kommunistischen Weltbewegung für die Freiheitsbewegungen der Kolonien und den antirassistischen Kampf. Und ich habe auch Zweifel, dass es ohne diese die US-Bürgerrechtsbewegung gegeben hätte. Lenin ist da der Ingenieur, wo Marx der Architekt war.
Um noch einmal auf die Erfahrungen der Commune zurückzukommen: Marx hat daraus Schlussfolgerungen gezogen, die ziemlich direkt in das Leninsche Revolutionskonzept übergreifen. Ohne den Marx von 1871 und sein Konzept der Zerschlagung des bürgerlichen Staatsapparats ist Lenins Staat und Revolution nicht denkbar.
@flatter: Wenn es zuviel wird, sag Bescheid
Januar 11th, 2017 at 21:48
@Wat.:
Mal kurz: Ich will keinen Staat errichten, ich gehe grundsätzlich davon aus, das welche da sind. Je mehr regionale / kommunale Strukturen, die sich selbst organisieren, umso besser, aber wir müssen an Städte denken und an überregionale Kooperation.
Ausgangspunkt ist für mich der unvermeidliche Kollaps. Bestenfalls eine Staatspleite, schlimmstenfalls ein Krieg. Ohne einen solchen Umbruch wird sich nix ändern.
So, jetzt haben wir einen Reststaat, der mit seiner Verwaltung die Menschen am Kacken halten muss. Der muss zunächst die Infratstruktur unter seine Verwaltung bringen. Nix mehr Profit, sondern Überleben. Dieser Staat wird dann Dinge wie Energieversorgung, Gesundheitsversorgung, Lebensmittelproduktion, Transport, Verteilung etc. organisieren müssen, denn sonst läuft ja nix mehr. Gab’s schon oft (mit und ohne Revolution) und ist im Kern staatlicher Sozialismus.
So, und in einer solchen Krise stehen dann die, die da machen, vor der Entscheidung, ob sie den ganzen Tinnef von vorn anfangen oder das Ganze anders regeln. Also zuerst überleben, dann anders organisieren, regionalsieren, konnunalisieren, koordinieren. Insofern eine Entwicklung/Abwicklung aus der Zentralorganisation hin zu dem, wo wir eigentlich hin wollen.
Januar 11th, 2017 at 22:18
@ flatter: Du bist ziemlich optimistisch. Es gibt ja historische Präzedenzen eines Kollaps. Die russische Revolution ist einer. Ich empfehle da zur Anschauung Werke wie Ehrenburgs Julio Jurenito, die entsprechenden Kapitel seiner Autobiographie (auf deutsch: Menschen, Jahre, Leben, 3 Bde.) und Isaak Babels Die Reiterarmee. Alles keine fröhliche Lektüre. Oder im vorrevolutionären Kollaps-China Lu Xun.
Man kann nur – ohne grosse Chance – hoffen, dass ein kommender Kollaps weniger schlimm wird. Zweifel sind angesagt. Ich erwarte dann eher so etwas wie in der Ukraine, Warlords, Staatsstreich, Militärherrschaft. Ausser wenn entschlossene Revolutionäre dem zuvorkommen. Das wäre aber ein Bolschewismus 2.0, ohne Gewähr, was dabei rauskommt.
Die Frage ist, ob eine gesellschaftliche Umwälzung ohne Kollaps möglich ist. Besser wäre das.
Januar 11th, 2017 at 22:37
Ich bin alles andere als optimistisch, aber Situationen, in denen es keine relevanten Handlungsoptionen gibt, lasse ich außen vor.
Der Kollaps geschieht bereits, und er wird vermutlich nicht der letzte sein.
Januar 11th, 2017 at 23:07
@aquadraht
Weil Du Lenin im Zusammenhang von Staat und Revolution und Pariser Kommune ansprichst, kann ich Dir auch mal einen Lesetip geben:
Good bye Lenin
Habe nicht ich verfaßt, aber ich unterschreibe davon jeden Satz.
Diese Argumentation ist etwas länger und sehr theorie- bzw. zitatelastig, es werden nämlich direkt Lenin und Marx gegenübergestellt.
Dort gibt es auch Blogs, ich habe dort eine Miniatur-Mini-Kleinst-Ausgabe, in der ich einige wenige von meinen hier geschriebenen Beiträgen zusammengetragen habe, wenn Du mal gucken magst, es ist dort schon viel begründet – ich mache das auch (gern) alles noch einmal, wirklich kein Problem.
Aber Du läufst mir mit Deinen Aussagen so ins Messer, so könntest Du schon einmal schauen, welche Argumente Dir entgegen kommen (könn(t)en) ;)
Januar 11th, 2017 at 23:14
Nachtrag: Ich möchte ja bei den Diskussionen auch was neues ‘abkriegen’ ;)
Januar 11th, 2017 at 23:20
@flatter – die Zentralorganisation ist Macht, die kann da nicht einfach was rausrücken – sie hat es ja nehmen/machen müssen, weil’s die ‘Eigentlichen’ noch nicht konnten oder wollten.
Diese Zentralorganisation kriegt mE nur auf einem einzigen Wege ein eindeutiges Signal, daß sie die Finger still halten muß – das ist die Aneignungsbewegung…
… nette Herrscher herrschen so schlecht, darum bleiben die auch nie nett.
Januar 11th, 2017 at 23:25
Und deshalb muss man an den Tisch, an dem sie sitzen und sie ins Bett schicken, wenn das eine Option ist.
Ich strample mich ab, um dich dazu zu bewegen zu akzeptieren, dass diese Option viel wahrscheinlicher ist als je die Zentralmacht aus den Kommunen heraus zu Fall zu bringen. Das halte ich für illusorisch, weil die Zentralmacht die zentrale Macht ist.
Sleep well!
Januar 11th, 2017 at 23:28
Sleep well, too @flatter – Grüße an die HWS, sie soll auch schlafen ;)
Es ist für mich ein Unterschied, ob ich etwas akzeptiere oder direkt anstrebe.
Januar 11th, 2017 at 23:41
@ Wat 113: Ich habe diese tendenziöse Zitatensammlung mit einer gewissen Müdigkeit zur Kenntnis genommen. Der böse Lenin war mit Tagesanforderungen beschäftigt, darunter der nicht ganz trivialen Aufgabe, mitten in Krieg und Bürgerkrieg, in einem zusammenbrechenden Gemeinwesen eine neue Gesellschaftsformation zu entwickeln und das tägliche Überleben nicht nur der Revolution, sondern auch der Menschen zu gewährleisten (was nicht immer zufriedenstellend gelang, siehe Hungersnot 1920). Hierin besteht ein kleiner Unterschied zu Marx’ Bürgerkrieg in Frankreich, einer ex-post-Analyse.
Du magst da noch so selbstgefällig von “ins Messer laufen” reden, die Situation 1917/18 war dramatisch und lebensbedrohlich, keine Schreibtischanalyse vergangener Ereignisse. In dem von Dir zitierten Konkokt wird “Belastungsmaterial” gepickt, in den Worten von Brecht (Lob des Zweifels): “Da ist der, der nie zweifelt .. Auf Argumente hört er mit dem Ohr des Spitzels ..”
Ich kann Staat und Revolution und die nächsten Aufgaben auch ganz anders gelesen darstellen, in ihrer Kontinuität zu den Marxschen Texten, ich zweifle aber, dass es nutzt.
Wenn Dich der historische Kontext ehrlich interessiert, empfehle ich (u.a.) L.Kritsman, Die Die heroische Periode der großen russischen Revolution. Ein Versuch der Analyse des sogenannten Kriegskommunismus
Und selbst das ist noch eine vergleichsweise kühle ex-post-Analyse einer dramatischen Periode, in der das Überleben der Sowjetmacht über mindestens 2 Jahre an einem seidenen Faden hing und Revolutionen über ganz Europa im Blut erstickt wurden. Da empfinde ich Lehnsesselgenöle als obszön, wenn nicht nekrophil.
Und ja, ich moralisiere da nicht, sondern versuche die Epoche aus sich selbst zu verstehen, statt mich darüber zu erheben. Alles, was wir über Aufbau des Sozialismus, Probleme, Fehler und Verbrechen dabei wissen, verdanken wir den Menschen dieser Epoche. Da ist Arroganz fehl am Platz.
Januar 11th, 2017 at 23:45
@Wat.: Grrrr ;-) Wer strebt das denn an? Ich vielleicht? Nein. Ich will etwas für die Vorbereitung dazu tun, dazu darf ich die Option nicht ignorieren. HWS wird jetzt in BTM eingelegt.
/off
Januar 11th, 2017 at 23:52
Den letzten Satz gebe ich gern ungebraucht an Dich zurück @aquadraht.
Wenn es Dich zu sehr ermüdet, dann laß es sein. Du hast ja schon alles Dir menschenmögliche getan, wie kann da jemand (also ich) mit einer Auffassung kommen, die nicht Unsinn sein soll…^^
Btw. Du versuchst die Epoche mit der Epoche zu erklären, das ist gelinde gesagt: Stuß.
Historisch konkretes Denken nimmt den Ausgangspunkt als Fakt und schaut dann nach Reaktion und Gegenreaktion auf dem (Wissens-)stand der damaligen Zeit, da kommt meist nur Begründung der Rechtfertigung bei raus.
Die Oktoberrevolution scheiterte schon an ihrem Anspruch. Du kannst nur überwinden, was schon da ist und nicht etwas was erst noch Raum greifen soll/muß. Das wäre nämlich das unsägliche “Überholen ohne einzuholen”.
/off, too
Januar 12th, 2017 at 00:31
@ Wat (ich denke mal, Du liest es vielleicht doch irgendwann): Ja, Arroganz ist fehl am Platz, auch auf meiner Seite, und ich bin mir dessen bewusst.
Es gibt aber einen Unterschied zwischen Erklären und Verstehen. Eine Epoche ex post nur aus sich selbst erklären zu wollen, ist gewiss und schon methodisch falsch. Sie nicht aus der Zeitsituation verstehen zu wollen, ist aber arrogant und doktrinär. Dann misst man die Realität der Zeit an überzeitlichen Idealen, für deren Wirkmächtigkeit man keinerlei Beleg hat.
Die Oktoberrevolution hat welthistorische Entwicklungen in Bewegung gesetzt. Ich erwähnte bereits Mandela. Ob ein zaristisches Russland oder eine russische Militärdiktatur oder ein filettiertes Russland (wie nach der Zerschlagung der UdSSR) dem Naziansturm widerstanden hätte, darf man mit gutem Recht und Grund bezweifeln. Gescheitert sieht für mich anders aus.
Auch die andere welthistorische Umwälzung, die französische Revolution, ist nicht rund gelaufen. Wollte ich nur anmerken.
Januar 12th, 2017 at 01:10
Ja natürlich lese ich das noch, nun doch schon heute, aber sonst hätte ich es auf jeden Fall nach dieser Nacht getan.
Aber gut, woher sollst Du das wissen (können), ich stehle mich nicht einfach aus einer Diskussion, ohne die Ankündigung es zu tun. Das Sleep well ging an flatter und das /Off galt für heute… äh gestern.
Ich habe in der Zwischenzeit noch schnell was rausgesucht, vielleicht kannst Du damit etwas nachsichtiger mit mir sein:
http://archiv.feynsinn.org/?p=14740#comment-53266
Wenn nicht, dann nicht – aber den Nachweis meiner Fähigkeit des historisch konkreten Denkens ‘liefere’ ich mE damit ab.
Januar 12th, 2017 at 10:39
Den wollte ich noch hinpappen: Diese Cola will ich nicht
Auf deren Heimseite gibt’s Bachelor-, Master-, Diplom- und Doktorarbeiten zum Themenfeld solidarische Ökonomie und den Chancen und Schwierigkeiten im marktwirtschaftl. Umfeld.
Januar 12th, 2017 at 16:50
Wat : Danke, ich denke, ich kann jetzt besser einordnen, was Du meinst, besser jedenfalls als nach dieser etwas fragwürdigen Lenin-Belastungsmaterialsammlung oder zugespitzten Formulierungen. So ganz bin ich nicht Deiner Meinung, trotzdem.
Ich empfehle da Merleau-Pontys Humanisme et terreur, das Probleme geschichtlichen Handelns von einer etwas anderen Seite betrachtet. Die Frage ist, wie weit die Menschen aus der Tradition aller toten Geschlechter ausbrechen können, die Frage ist aber auch die nach dem Handeln unter den seltenen Bedingungen revolutionärer Situationen.
Januar 12th, 2017 at 17:16
@Wat.: Deine letzte Antwort auf mich war etwas lapidar, ich spitze deshalb noch einmal zu:
Was du Kommunismus nennst und auch mir im Grunde vorschwebt, ist etwas, von dem du im verlinkten Kommentar ja zurecht sagst, dass dem der Staat nur im Wege sein kann.
Das ist aber genau das Problem, das ich nicht ignorieren kann. Der Staat (abgesehen von Kapital, Geldwirtschaft etc.) wird dem aber immer Weg sein, und diese Welt ist auf absehbare Zeit in Staaten aufgeteilt. Ergo: Wird nix mit Kommunismus, es sei denn
- Die Menschen organisierten sich wie durch ein Wunder gegen den Staat anders und auch gegen ihre Gewohnheiten, gegen Interessen etc.
- oder der Staat kommt solchen Bestrebungen sukzessive entgegen, indem er sich eben so auflöst. Dafür, das steht da oben noch einmal, gibt es Schlüsselsituationen, die dem einen Schub verleihen können. Es geht mir nicht bloß um die Vorstellung vom Paradies, sondern um realistische Wege dorthin. Ich finde deinen noch immer illusorisch.
Januar 12th, 2017 at 19:07
@flatter(125) – Hast Du Dir mal den Link von R@iner in #123 angeschaut? Sie machen da ihr Ding, und wenn das hundertmal eigentlich ganz anders laufen ‘müßte’. Wir müssen uns hier nicht darauf verständigen, finde ich, wie wir was gegen den Staat machen, wir müßten uns darauf verständigen, was wir im Detail heute schon ganz gern anders hätte und es m a c h e n.
Warum gehst Du eigentlich immer von diesen schwarzen Loch aus, daß nach einem Zusammenbruch oder wie auch immer Du das bezeichnen willst, Zeit zum diskutieren bleibt?
Das ist (sorry) Kinderglaube, es wird kein Machtvakkum geben, nicht mal für 5 min, erst recht nicht für 5 Tage oder 5 Monate.
Nach solchem Crash wird in Nullkommanix auf das zurück gegriffen, was da ist und nicht lange rumexperimentiert.
Ich schrieb schon, wer Versorgungssicherheit bzw. was Versorgungssicherheit zu garantieren scheint, das wird dann genommen – da rüttelst Du erst wieder mit großen Bewegungen dran.
Das kannste heute schon haben, da brauchste nicht warten – es wird zu keinem Zeitpunkt wirklich leichter, im Gegenteil, bei Deinem Gedankenexperiment sitzt Dir sogar extrem die Zeit im Nacken. Und genau diese Zeit hast Du dann eben nicht.
Januar 12th, 2017 at 19:19
“daß nach einem Zusammenbruch oder wie auch immer Du das bezeichnen willst, Zeit zum diskutieren bleibt?”
Auch die gab es oft, z.B. bei der Gründung der BRD und beim Anschluss der DDR. Ist beides von äußeren Mächten überrollt worden, aber zumindest die Alliierten mussten sich erstmal mit Sozialisten arrangieren und mithilfe der CDU ein funktionirerendes Narrativ aufsetzen – das von vornherein nicht auf ‘Demokratie’ ausgelegt war.
Ich stelle aber fest, dass Menschen, die sich betrogen fühlen, zu wirksamen Massen anwachsen können. Dann kommt es ein wenig darauf an, dass sie eine Vorstellung davon haben, was werden soll, sonst bleiben sie destruktiv oder rennen dem nächsten Schwätzer interher. Ich glaube nicht, dass es ohne Marx je eine größere sozialistische Revolution gegeben hätte, und auch der erwähnte Montesquieu hatte einen positiven Einfluss ohne seine Idee erstmal in der Provinz vorzuführen. Machen ist schön, aber vor allem auf Ressourcen angewiesen, die gemeinhin nicht da sind. Bleiben ist schon schwerer, denn kap. Oligopole mögen solche Konkurrenz nicht. Mehr werden ist am schwierigsten, und dazu braucht es mehr als ein paar kleine Modellklitschen.
Januar 12th, 2017 at 20:20
Ja @flatter, mehr als ein paar Modellklitschen braucht es schon.
Ich mach mir Sorgen wegen meiner ‘Freunde’ von der ‘Fraktion’ der Traditionskommunisten. Dagegen müssen wir vorher ein Kraut am Wachsen haben ;)
Mit denen ziehe ich Dir in Nullkommanix einen Zentralismus hoch, daß Dir Hören und Sehen vergeht und der funktioniert bombig.
Wie gesagt, ich hätte gern ein Mittel vorher dagegen und das sind Menschen, denen selber Mitmischen und Gefragtsein oberste Priorität ist. Denn das können die ‘Freunde’ alles andere als gebrauchen.
Ich ‘brauche’ eigentlich nur Individuen, die sich felsenfest als Individuen verstehen, aber wissen, daß sie alleine nichts reißen und alle anderen auch Individuen sind und sich als solche wahrnehmen (wollen).
Sag mir, wie wir das hinkriegen – und ich bin dabei.
Januar 12th, 2017 at 20:33
Was R@iner in #123 angeht, bin ich leise skeptisch, ohne destruktiv sein zu wollen. Das erinnert mich an die Owen-Kommunen, die ich (implizit) erwähnte, das Genossenschaftswesen, das lange mit linksemanzipatorischen Ansätzen verbunden war und dann doch absorbiert und eliminiert wurde. Ok, vielleicht sind jene Ansätze nachhaltiger, ich will das nicht niedermachen.
Mich hat an der ganzen Sozialismuskiste, auch seit 1917, immer gestört, dass sie so quer lag zu Marx’ Aussage, dass eine Gesellschaftsformation nicht untergeht, ehe sie ihre produktiven Potenziale ausgeschöpft hat, und dass die Keimformen der neuen Gesellschaft im Schosse der alten heranreifen. Vielleicht sind die Aktivitäten, die R@iner erwähnt, ja so etwas, ich will das nicht von vorneherein bestreiten.
Lenin sah ja im List-Rathenauschen Staatssozialismus und der deutschen Kriegswirtschaft im Weltkrieg schon diese Keimformen sozialistischer Vergesellschaftung. Ich sage nicht einmal, dass er total daneben lag, aber diese Sicht übersprang dann doch mindestens sehr viele Jahrzehnte und setzte auch fragwürdige Akzente.
Bessere Kandidaten aus meiner Sicht sind allerdings Open Source, die Digitalität insgesamt, und möglicherweise der 3D-Druck (wenn das nicht mehr Hype ist). Da sprengen die Produktivkräfte in der Tat die Grenzen des Privateigentums, und dieses wird zur Fessel der Produktivkraftentwicklung. Man sieht das am Zappeln und Strampeln der Contentmafia, immer neue Gesetze, Kopierschutze und “intellectual property”-Einhegungen zu schaffen, während die technische Entwicklung ihnen in die Fresse haut. Das geht genau umgekehrt wie die Einhegungen seit dem 13. Jahrhundert, in denen die Gentry das Gemeineigentum beraubte, eben privatisierte.
Ich weiss nicht, ob das ein nachhaltiger Trend ist, man wird das sehen.
Januar 13th, 2017 at 19:17
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