Von Nerds und verlorenen Schäfchen
Posted by flatter under sozialzeugs[48] Comments
02. Jan 2017 20:46
Auf dem 33c3 hat Joscha einen Vortrag gehalten, den ich nicht hätte live hören mögen, denn er war derart zu schnell, dass ich ihm im Leben nicht hätte folgen können; aber dazu gibt es ja die Videos. Ganz interessant das, aber ich möchte hier nur auf einen Satz eingehen, den er am Rande gesagt hat, bzw. auf dessen Inhalt. Demnach ist bei Nerds die “Belief Assimilation somewhat broken“. Das heißt, dass Menschen wie er nicht spontan/”empathisch” einer Regel folgen können, die etwas als ‘gut’ festlegt, sondern es hinterfragen müssen und rationale Argumente brauchen, um sie zu akzeptieren.
Ich habe tatsächlich noch nie darüber nachgedacht, ob es sich dabei um eine Art ‘Störung’ des menschlichen Sozialverhaltens handeln könnte. Bislang fehlte mir die Phantasie für die Annahme einer Art intuitiver Akzeptanz sozialer Standards, dass es also normal ist, zu tun, was alle tun und nach sozialem Status zu streben. Ich hielt es vielmehr für eine Selbstverständlichkeit, dass Menschen fähig sind zu hinterfragen, was von ihnen verlangt wird und dass es quasi Bequemlichkeit sei, wenn sie es nicht tun. Was aber, wenn es sich tatsächlich völlig anders verhält?
Homo homini ovis
Das hieße nicht nur, dass wir Jahrhunderte ethischer Forderungen und Modelle in die Tonne schmeißen können. Es hieße, dass die Konstruktion des bürgerlichen Subjekts von vorn bis hinten eine Illusion ist und dieses nur durch seine irrationalen Bestrebungen an die Ordnung gebunden ist. Am schlimmsten aber wäre die Erkenntnis, dass Aufklärung zwangsläufig scheitern muss, weil Menschen, die bei Entscheidungen mit sozialen Konsequenzen nicht bloß ihren Instinkten folgen, immer in der Minderheit sind. Die Fähigkeit, sich gegen soziale Konventionen zu stellen, wäre eine Art Autismus. Normal ist die unreflektierte Reproduktion der Normen, nicht die kritische Rekonstruktion.
Bis hierher gibt es zwar genug zu denken, aber ich möchte bei der Gelegenheit noch auf die Folgen der sich auflösenden sozialen Kontrolle eingehen. Während gleichzeitig alles getan wird, um Menschen zu überwachen und neuerdings ‘Meinung’ durch Zwang zu normieren, zerfällt die soziale Orientierung. Was erlaubt oder verboten ist, hängt zunehmend von der Klassenzugehörigkeit ab und was wahr oder falsch ist, vom Tagesgeschäft der herrschenden Medien. Thatchers Sinnspruch “There is no such thing like society” wird wahr, weil es keine verbindenden Normen mehr gibt. Stattdessen wird unter der steten Behauptung einer Gleichheit die Ungleichheit zum allgegenwärtigen Dogma. “Füge dich der Ungleichheit, sorge selbst für Ungleichheit und beharre auf Gleichheit” ist die oberste Direktive – die gelebte Psychose.
Es sind damit die Angepassten, die zur Soziopathie gezwungen werden, weil ihr Status und das, was sie dafür tun müssen von dem Gedanken an Gesellschaft völlig abgekoppelt wird. Eine Norm, eine Moral, eine Regel, die nur für einen Einzelnen gilt, ist keine mehr. Eine Gesellschaft, die sich ausdrücklich selbst abschafft, kann das Bedürfnis(!) nach Anpassung nicht mehr befriedigen. Die Mehrheit der Menschen sehnt sich nach Anpassung, findet aber nichts mehr, an das sie sich anpassen kann. Ich bezweifle allerdings, dass sie sich aus dieser Verzweiflung heraus endlich der Rekonstruktion ihrer Gesellschaft widmet.
Januar 2nd, 2017 at 23:30
Vorsicht ist hier geboten. Der Kollege benutzt die Strategie vorne klingeln, hinten eintreten, um seine Zuhörer / Zuschauer mitzunehmen. Das sagt er auch klar. Bedenke, nur 30-40% sind untermauert, der Rest ist quasi Quantenphysik, Warscheinlichkeiten. Seine Betrachtung ist antrainiert um genau diese Empathie auszuschließen. Sozialverhalten ist im wesentlichen erlernt und nur ganz wenig genetisch codiert (nach bisherigem Stand).
Januar 2nd, 2017 at 23:50
Letzteres sehe ich ähnlich, aber der Gedanke fasziniert mich nicht nur, ich möchte ihn gern diskutieren, weil er meine Perspektive erschüttert hat und ich gern Perspektiven erschüttere. Ich glaube niemandem gar nichts, aber was, wenn das nicht nur in dieser Konsequenz äußerst selten ist, sondern nachgerade das Gegenteil dessen, von dem wir ausgehen müssen?
Januar 3rd, 2017 at 05:14
Vllt. hatte Thatcher doch recht? Vllt. sind Aufklärung & Co. (“Jahrhunderte ethischer Forderungen und Modelle”) nur sympathische, rational determinierte Vorstellungen?
Januar 3rd, 2017 at 09:21
Es gibt das Bedürfnis nach Anpassung, aber ebenso das nach Abgrenzung. Beide sind Voraussetzung und Bedingung sowohl unserer Individualität wie auch unserer ‘historischen Verhaftetheit’. Das Verhältnis der beiden ist, denke ich, auch durch den Verlauf der je individuellen Sozialisation bestimmt. Bei mir bspw überwiegt seit früher Jugend und der Bekanntschaft mit dem Wahnsinn der Atomkraft die Abgrenzung. Das Bedürfnis nach Anpassung ist aber dennoch weiter vorhanden, nicht aber die Gesellschaft, an die ich mich gern anpassen würde. Vermutlich ist genau das der Grund, warum ich mich für ein grundsätzlich anderes ‘Setup’ einsetze und mich damit so beschäftige. Weil mein ‘Anpassungstrieb’ in der Luft hängt und dieser Zustand unbefriedigend ist. Nicht aus einem abstrakten Wunsch nach einer ‘rationalen’ Gesellschaft.
Ein weiteres Indiz wäre die empirisch wohl recht gut unterlegte Feststellung, dass die Angst vor sozialem Schmerz – vor Ausschluss oder Ausgrenzung – stärker und mächtiger ist als die vor zB körperlichem Schmerz. Das dürfte so einige ‘irrationale’ Handlungsweisen von Menschen erklären, sogar der, für ein Ideal zu sterben.
Apropos Triebe – Anpassung und Abgrenzung korrespondieren mit Freuds Eros und Thanatos, der ganze Gedankengang hier mit seiner Erkenntnis, doch nicht so ganz ‘Herr im eigenen Haus’ zu sein. Dass die Aufklärung keine Chance habe, würde ich aber dennoch nicht sagen. Denkbar wäre doch zB eine Gesellschaft, in der die Norm, Normen auch zu hinterfragen, eine prominente Stellung genießt. Steckt nicht genau das auch hinter dem humanistischen Bildungsideal?
Januar 3rd, 2017 at 09:55
Genau dieses hier dargestellte wird aber von der modernen Psychologie vermittelt. Das ist das auch prinzipiell erst einmal richtig, da die Eigensicherung auch elementar für eine entstehende Gesellschaft ist……
Januar 3rd, 2017 at 10:02
Edit – Außerdem korrespondieren mE beide auch den evolutionären Prinzipien Zufall und Notwendigkeit. Die Anpassung der ‘Notwendigkeit’ der ‘Naturgesetze’ – ohne einen Grundbestand an sozialen Normen ist Gesellschaft nicht denkbar, ohne Gesellschaft aber auch der Mensch nicht. Die Abgrenzung bleibt zwar auch immer dem, wogegen sie sich jeweils abgrenzen muss, verhaftet, hat aber in etwa die ‘Freiheitsgrade’ der genetischen Mutation. So ist auch menschliche Geschichte einerseits immer determiniert, andererseits aber auch in Maßen ‘frei’, nie jedoch ‘beliebig’.
Januar 3rd, 2017 at 10:09
@Aufstand – Nicht nur entstehenden, sondern auch jeder bestehenden Gesellschaft. Der Liberalismus, der letztlich zu einer totalen Fragmentierung ‘pluralistischer Partikularitäten’ mit je ganz eigenen ‘Wertvorstellungen’ (die ja angeblich ‘rein privat’ sind) führt, hat hier das Kind mit dem Bade ausgeschüttet.
Januar 3rd, 2017 at 12:09
@Peinhart: Es ist ja nich tzu leugnen, dass es auch eine Bestrebung gibt, Normen zu hinterfragen und sich abzugrenzen, nur ist die spekulation die, dass diese nur in einer (kleinen) Minderheit je zur Entfaltung kommt.
Die “Norm, Normen auch zu hinterfragen” wäre derweil eine sozialdemokratische Lösung. Wie soll eine solche Norm sich durchsetzen, wenn die Mehrheit nicht nur dagegen ist, sondern quasi unfähig sie zu erfüllen?
Januar 3rd, 2017 at 12:47
Inwiefern ‘dagegen’, und inwiefern ‘unfähig’? Die ‘Beharrungskräfte’ einer Gesellschaft, also die Neigung, ihre Mitglieder in die Konformität zu zwingen, sind natürlich beträchtlich. Aber ohne diese kann sie halt auch nicht als Gesellschaft überleben. Der Kontroll- und Überwachungsstaat läßt grüßen. Der zeigt aber auch an, dass es mit den sozialen Normen nicht mehr allzuweit her ist, dass also eine zumindest signifikante Zahl durchaus alle möglichen Normen in Frage stellt. Es ist halt nur leider auch so, dass dabei nicht unbedingt auch was Gescheites bei rumkommen mag.
Januar 3rd, 2017 at 12:52
OT – Berger frägt, warum niemand die Vergesellschaftung der Produktionsmittel fordert. ;)
Januar 3rd, 2017 at 15:35
@flatter: Ist es nicht das gleiche, Normen oder eigene (sowie fremde) Funktionsprinzipien zu hinterfragen? Deinen Eindruck, dass das z.Z. in der Mehrzahl der Fälle nicht stattfindet teile ich. Deine Erschütterung zeigt aber, dass dies mitnichten einer absoluten Unfähigkeit entspricht sondern korrigierbar ist, dies allerdings eine gehörige Portion Angestrengtheit beinhaltet, was wiederum die mehrheitliche Trägheit erklärt. Ob das auf gesamtgesellschaftlicher Ebene angegangen werden kann bzw. sollte, bezweifle ich bei der doch sehr individuellen ‘Blockiertheit’. Es ist schon kein einfaches Unterfangen (die Blockaden sind ja nicht ausversehen da) sein direktes Umfeld oder auch sich selbst in dieser Weise zur Erschütterung finden zu lassen. Aber es lohnt sich zweifelsohne. Und wer weiß, vielleicht gibt es zum Schluß doch noch ein ‘Dafür’ wenn nur genügend Mitmenschen diese erfrischenden Erfahrungen gemacht haben. Bis dahin wissen wir aber hoffentlich warum wir da im kleinen noch viel zu tun haben werden.
Januar 3rd, 2017 at 16:10
Es ist ja immer so eine unangenehme Sache, wenn man das erste Mal an einen Stammtisch kommt. Alle anderen kennen sich gegenseitig seit Äonen. Man setzt sich, alle starren einen an und schließlich fragt der Vereinsvorsitzende: „Wer sind Sie denn überhaupt?“ Und ich antworte: „Ich bin Andy Bonetti.“ Dann die unvermeidliche Aufforderung, die bei mir Schnappatmung und erbarmungslosen Harndrang hervorruft: „Stellen Sie sich doch mal kurz vor!“ „Ja, … also, ich bin fett, faul, fies, ferfressen, filosophisch, … fersoffen sowieso.“ Aber da ich zu dieser Stunde schon dem Kerner zuspreche (und damit meine ich nicht den unsäglichen Moderator, sondern die Rebsorte), wage ich es dennoch und gebe einen Kommentar zum Text ab:
Anpassung ist Gehorsam. Und Gehorsam finden wir heute an jeder Supermarktkasse, an jedem Arbeitsplatz, in jedem Parkhaus bis an die Schmerzgrenze, in Deutschland bis zur Duldungsstarre. Das Bedürfnis nach Anpassung findet eine Menge Möglichkeiten der Anknüpfung. Daher muss ich, auch wenn ich mich bei meinem ersten Besuch an diesem Wirtshaustisch unbeliebt mache, widersprechen. Wäre die Zeit der Anpassung am Ende, wären wir im Paradies. Davon gehe ich jedoch im Augenblick nicht aus.
Januar 3rd, 2017 at 18:00
Guten Tag. Ich weiß, wer du bist. Ich weiß alles. Ich bin einer von ihnen.
Widerspruch ist ja unvermeidlich, entweder dem Einen oder dem Anderen. Schon “Guten Tag” kann ein Widerspruch sein. Zum Text oben sehe ich aber keinen.
Januar 3rd, 2017 at 19:17
Dann werd ich mal. Anpassung ist kein Gehorsam, sondern eine Art, sich mit anderen sozusagen zu ‘synchronisieren’. Es ist daher auch keine Einbahnstrasse wie Befehl -> Gehorsam, auch eine bestehende Gruppe passt sich ihrerseits einem neu dazugekommenen Mitglied an. Daher wären wir auch mitnichten im Paradies, wenn sich niemand mehr anpassen würde – auch an die jeweilige ‘Umwelt’ übrigens – sondern im Gegenteil voll am Arsch. Es wäre der endgültige Krieg aller gegen alle.
Natürlich kann Anpassung in Machtverhältnissen in tumben Gehorsam ausarten. Das ist aber mE nicht das, um was es hier geht.
Januar 3rd, 2017 at 19:20
Anpassung = Gehorsam, vielleicht fällt in dieser verknappten Form die Unstimmigkeit schon auf. Und das Ende der Anpassung mit dem Paradies gleichzusetzen bringt hier diese Sorte christliche Sterberomantik ins Spiel, der ich nix abgewinnen kann.;)
Es ist ja schon so, dass diese Gesellschaft weiterhin ihre Anpassungsforderungen stellt (und Supermarktkassen sind da bei mir mit Schmerzgrenze noch gar nicht assoziierbar), welche sich aber zunehmend von basal-menschlichen Inhalten entfernen. Wenn gefordert wird freudig (und dies auch kundtuend) in die absolute Selbstaufgabe als Verschiebemasse finaler kapitalistischer Verwertungsorgien zu tänzeln, ist der Unterschied zur Betätigung eines Sprengstoffgürtels inhaltlich nicht mehr auszumachen. Dort noch Anpassungsmöglichkeiten zu sehen – ja das ist .. äh ..nicht möglich.
Januar 3rd, 2017 at 19:30
Ich habe ja deshalb auch Anpassung in Form von “Reproduktion” unterschieden von “Rekonstruktion”. Auch letztere ist eine Art Anpassung, die kann aber auch in Form von Ablehnung stattfinden. Die unmittelbare Reproduktion von Normen und Verhaltensmustern ist aber eine andere Qualität und meine Frage geht dahin, ob den meisten Menschen eben diese Art zueigen ist – dass keine Instanz zwischen das Erkennen eines Handlunsgmusters und die Anpassung daran tritt.
Januar 3rd, 2017 at 19:57
…dass keine Instanz zwischen das Erkennen eines Handlungsmusters und die Anpassung daran tritt.
Gute Formulierung. Und ja, ich würde sagen, bis zu einem gewissen Alter läuft Sozialisation wohl tatsächlich zu einem großen Teil so ab. Es gibt zwar auch eine frühkindliche ‘Trotzphase’ – die aber nicht auf kritisches Hinterfragen hinausläuft, sondern durch die Entdeckung des ‘Ichs’ als etwas eigenem bedingt und in erster Linie auf kleine ‘Machtspielchen’ hinausläuft. Die ‘Dialektik’ von Anpassung und Abgrenzung nimmt aber da schon ihren Anfang. Erziehung in diesem Stadium bestünde wohl vor allem darin, das auszubalancieren. Kritisches Hinterfragen setzt, wenn überhaupt, erst später ein und scheint in der Tat kein Selbstläufer zu sein, sondern Voraussetzungen zu haben.
Januar 3rd, 2017 at 20:23
Lernt man nicht schon als Kind, das man erst dann gefällt, Liebe und Anerkennung erhält, wenn man tut, was von (den Eltern) einem erwartet wird?
Und wenn es, derart fremdgesteuert, bewusst wahrgenommen wird (wenn überhaupt), wird die Anpassung daher eben auch bewusst vorgenommen.
Der Erfolg gab und gibt einem Recht.
Die meisten Menschen werden wohl, um sich selbst “schadlos” zu halten, über keine solche Instanz (“zwischen dem Erkennen eines Handlunsgmusters und die Anpassung daran”) verfügen.
Die einen machen halt Karriere, die anderne landen – schlimmstenfalls – in der Geschlossenen.
Januar 3rd, 2017 at 20:25
‘Keine Instanz’ gibts da nicht. Die Frage ist inwieweit diese Instanz (zunehmend) bewußt erlebbare Bereiche bekommen darf. Sonst endet es allzu oft damit, daß zwischen dem Erkennen eines Handlungsmusters und der Anpassung daran der verspannte Nacken, der Blutdruck, das Magengeschwür, der Herzinfarkt, die Depression, der Alkohol …tritt.
Ob das Hinterfragen vielleicht nicht doch als Selbstläufer angelegt ist, wäre ich mir nicht so sicher. Das Hinterfragen geht bei Kindern ja eigentlich mit der Ich-Entdeckung los (das Du kontrastiert da ja so hübsch). “… macht??” Wenn das erwachsene Gegenüber hier nix abwürgt und auch im Bereich der fürs Kind noch nicht formulierbaren Emotionalitäten offen bleibt und Konflikte zulässt – na dann hinterfragt man doch gern weiter.. Die dazu notwendige Reife ist in diesem Lebensabschnitt aber so selten wie kritisches Hinterfragen häufig ist. Schon am Ausformulieren eigener Bedürfnisse in der Beziehung scheitern die meisten. Bis zum kritischen Hinterfragen is da noch n Stück Weg..
Januar 3rd, 2017 at 20:45
Es gibt Menschen die hinterfragen und es gibt Menschen die das nicht tun. Vermutlich können sie es nicht, weil sie so geboren wurden. Nix Erziehung.
Das wäre übrigens eine schöne Romanvorlage, zum handfesten diskutieren ist da ja nichts. Wissenschaftler entdecken, dass es, bei neuronaler Betrachtung, tatsächlich noch menschliche Alphas und Omegas gibt. Was dies für den Erhalt der Herrschaft bedeuten würde, wäre wohl nicht auszudenken, wo doch Omegas sich überall kackfrech zum Alpha haben erheben lassen.
Was man übrigens von Spiegelneuronen weiss? Gar nichts. Sie sind da (bzw. fehlen), mehr weiss man nicht.
Weiter machen!
Januar 3rd, 2017 at 21:42
@Lycalopex: Ich wurde mit dem Satz: “Frag’ nicht, tu’, was dir gesagt wird!” groß und habe mich ums Verrecken nicht dran gehalten. Eher ließ ich mich prügeln, und das ist keine Metapher.
Januar 3rd, 2017 at 22:05
Dann wird bei Dir wohl auch ‘n bit irgendwo quer sitzen. Wird man wohl untersuchen müssen, will man das irgendwie verstehen.
Ich habe irgendwann aufgehört zu fragen. Vor allem jene, die die Antwort nicht kannten. Einfachste Frage war oft: Warum tust du das. Gängigste Antwort: Keine Ahnung.
Was soll man da also noch blöd herumfragen?
Januar 3rd, 2017 at 22:13
Um das in seiner ganzen Komplexität und Intimität auseinanderzunehmen ists hier nicht der richtige Rahmen. Und mit den Allgemeinplätzchen deckt man das sicher nur ungenügend ab. Hier das mit den Kommunikationsebenen, nonverbale Signale und son Zeugs. Als Kind macht man zudem nicht nur Erfahrungen mit der Primärfamilie so das Widersprüchlichkeiten im Erleben eigentlich an der Tagesordnung sind – und nach Anpassung verlangen. Selbst bei extrem mieser Behandlung gehen nicht alle komplett vor die Hunde (um nen Knacks kommen wir aber wohl alle nicht drumrum). Die unbewußt vermittelten (und auch empfangenen) Botschaften werden generell unterschätzt. Es ist ja nicht so, dass die Hilflosigkeit prügelnder Eltern vom Kind nicht wahrgenommen würde. Paradoxe Reaktionen wie bei dir sind da so selten nicht. Wenn man Glück hat kommt man mit seiner Art und Weise dann gut durchs Leben, andernfalls gilt man schnell als bequem o.ä. und darf (wenn man bzw. Katze denn dran glaubt) zur Korrektur ziemlich tief graben.
Aber das weißt du doch längst alles..
Oder kürzer: Der Inhalt “Frag’ nicht, tu’, was dir gesagt wird!” wird mit Sicherheit nicht der einzige und definitiv nicht der wichtigste gewesen sein, den du vermittelt bekommen hast. Und auch jenseits der Prügel ist da sehr, sehr viel mehr passier.
Januar 3rd, 2017 at 22:20
Hmmm, also für mich klingt das ein bisschen nach Psychologie für Informatiker mit diesem speziellen Hang dazu, die Dinge unbedingt methodisch kategorisierbar betrachten zu wollen. (Eigentlich der Grundfehler dieser NLP-Leute) Tatsächlich reden wir hier doch über einen schier unglaublichen Variationsreichtum im auch gesamten Spektrum zwischen spontan (wenn nicht gar panikbedingt) und ruhiger Betrachtung von etwas, wie auch dem gesamten möglichen Spektrum zwischen Instinkt über Konditionierung bis Überlegungsbedingt. Im Grunde ist das der Grund für die ethischen Forderungen und auch diesem schönen Satz, wie kann der Mensch dem Menschen ein Mensch sein. Die ethischen Modelle dagegen, ist was für Systemiker. Die haben noch niemals getaugt, – eben genau aus dem Grund. Wo man unbedingt ansetzen kann, wären die atopischen Fähigkeiten von Menschen.
Januar 3rd, 2017 at 22:37
Es geht mit hier gerade nicht um “methodisch kategorisierbar”, das kann ich leicht durch die Ebenen treiben; es geht mir um den möglichen Grundirrtum einer Freiheit, die zwar möglich ist, aber für die allermeisten Menschen schon an den kleinsten Hindernissen scheitern muss. Ich halte es tendenziell für falsch, Menschen einen Freiheitsdrang zu unterstellen; vielmehr müssen wir ggf. vom Gegenteil ausgehen, und das schreddert das Gros der Utopien.
Ich weiß übrigens hier und jetzt gar nicht, ob ich wie so oft den Advocatus Diaboli gebe oder ob ich diese Grundannahme für plausibler halten muss als es mir lieb ist.
Januar 3rd, 2017 at 22:44
Ich halte das nicht für falsch, möglicherweise wegen einer unterschiedlichen Betrachtung/ Deutung/ ‘Definition’ was denn Freiheit meint, nach der da getrachtet oder gedrängt wird/ würde.
Btw. Bürgerliche Freiheit, Frei-sein wovon und wofür – welche Art Freiheit ist denn überhaupt gemeint?
Januar 3rd, 2017 at 22:48
Im Kern die Freiheit, selbst zu tun und zu denken, anstatt sich ziehen und treiben zu lassen.
Januar 3rd, 2017 at 22:53
Wenn wir da mal die politischen Gedanken ausnehmen, um die es Dir wohl (auch) zu gehen scheint, dann bitte ich Dich mal nur in die FreiZeit von Menschen zu gucken – nee, sind nicht alle bei Facebook und die die dort sind, machen sicherlich nicht alle das gleiche ;)
Edit – Wow, das war dann wohl der Feynsinn-Comment# 59.000
Januar 3rd, 2017 at 22:56
Den Freiheitsdrang muss hier niemand unterstellen, der ist auf alle Fälle da. Nur die Klärung, was denn genau mit Freiheit gemeint ist und welche der Freiheiten anstrebenswert traue ich mir nicht so recht zu. Wegen Knacks und so..
Januar 3rd, 2017 at 22:58
Dann gleich noch eine ketzerische Frage hinterdrein: ..selbst tun, selbst denken – OK. Aber wie ist es mit deuten/bewerten?
Januar 3rd, 2017 at 22:59
Hm… Knacks und so. Dann müßten den wohl alle haben, denn ich denke, daß es da sehr subjektive Vorstellungen gibt – vielleicht sogar geben muß?
Januar 3rd, 2017 at 23:11
Ich meine das gar nicht politisch, sondern schlicht in dem Sinne, dass Menschen nicht tun, was sie tun, weil sie meinen, dass es ‘gut’ ist, weil die je relevanten anderen es tun. Freiheit wäre zu entscheiden, was richtig und falsch ist unter Kriterien, an denen man sich orientieren kann. Freiheit wäre demnach eine Art Wissenschaft im Kleinen, als Alternative zum Dasein als ‘Lemming’.
@Wat.(28): Die Datenbank vergibt diese Nummern nicht strikt der Reihe nach. In der neuen sind es knapp 20.000, insgesamt mehr als 100.000.
Januar 3rd, 2017 at 23:27
Um das sauber philosophisch auseinanderzunehmen fehlt bei mir dann doch so manche Grundlage. Bin nur bis dahin gekommen, dass es bisher immer wieder an der Beurteilung was falsch/richtig ist, also am Richtungsimpuls der Handlung scheiterte. Was zur Frage berechtigt, ob wir das wirklich können (also uns eine Richtung geben). (Was mit #25 wohl so gemeint war?)
Januar 3rd, 2017 at 23:36
Quasi. Wer sich nicht einmal fragt, ob es Richtungen gibt und welche zu bevorzugen wäre, ist gar nicht zugänglich für Freiheit.
Zur Illustration: Kant kann man beurteilen wie man will, aber der Mann war ein Erz-Nerd. Auf dieser Höhe des 18. Jahrhundterts, so fürchte ich, werden die meisten Menschen niemals ankommen.
Januar 3rd, 2017 at 23:36
Lieber Flatter,
das war eine sehr kluge, eine sehr interessante Frage, die du da in den Raum gestellt hast. Darüber würde ich gern ausgiebig diskutieren und philosophieren, wenn ich dazu Zeit und Kraft hätte. Doch leider fehlt es mir an beidem.
Aber was mir dazu spontan, ohne langes Nachdenken in meine Einfalt einfällt, ist folgendes:
Die Neigungen, zu bewahren, zu erhalten, sich anzupassen oder zu hinterfragen, zu verändern halte ich für ein Produkt aus Erziehung und Lebensumständen. (Wobei die Lebensumstände gewissermaßen die “Erziehung” der Erwachsenen sind.)
Noch sind (in den westlichen Gesellschaften) die Bewahrer in der Mehrheit, aber es hat der Umkehrungsprozeß (glaube ich) schon begonnen. Was die Traditionalisten daran hindert, Regeln und Normen zu hinterfragen, ist gewiß kein intellektueller Mangel sondern ein emotionaler (Angst, Unbehagen), einfach Unlust.
Wenn man immer dasselbe machen muß, jeden Tag, jahrein-jahraus, dann schafft man sich Automatismen, die die Abläufe erleichtern. Man steht automatisch auf, wenn der Wecker klingelt, macht ganz automatisch den Kaffee – die Kaffeedose steht immer am selben Fleck, die Tassen ebenfalls (im Schrank oder in der Spülmaschine. Niemals stehen sie auf dem Sofatisch.) Das Duschen, Zähneputzen, Anziehen usw. immer sind es mehr oder weniger dieselben Abläufe. Dann immer derselbe Stau auf der Autobahn, immer dasselbe »Moin, Moin« zu den Kollegen und so weiter. Es fällt einfach leichter, Ungeliebtes zu tun, wenn es automatisch getan werden kann. Anpassung erleichtert das Leben, wenn man “weiß”, das man keine Chance auf Freiheit hat.
Wenn man jeden Tag zwölf Tonnen Holzschutzmittel in Säcke abfüllen und auf Europaletten laden muß, verflucht man jede Störung, die das Band für zehn Minuten anhält. Weil diese zehn Minuten in den verbleibenden Stunden nur sehr schwer wieder aufzuholen sind, wenn die Arbeit so bemessen ist, daß man sie immer nur geradeso schafft. Und da spielt es keine Rolle, ob man Säcke abfüllt, Brote backt oder mittels SQL Daten zu Berichten zusammenstellt. Jede Störung kostet immer nur Zeit, und die hat man ohnehin nie genug. Und das Hinterfragen von Traditionen und Normen sind “Störungen”, die einen aus dem Rhythmus bringen.
Wer nun derart knapp 300 Tage im Jahr zehn bis zwölf Stunden (inklusive Fertigmachen und Arbeitswege) verbringt, muß schon ein Gigant sein, wenn er sich nach ein paar Jahren die wenigen verbleibenden Stunden des Tages nicht ebenso verhalten und damit auch ebenso empfinden und denken wollte.
Einer der größten Philosophen sagte mal: »Das Sein bestimmt das Bewußtsein.« Und das ist der klügste Satz, der je über das Wesen des Menschen gesagt wurde.
Januar 3rd, 2017 at 23:41
@Hardy: Das sehe ich genau so, aber ich kann mich der Frage nicht verschließen, ob eine Änderung des Seins das Bewusstsein der Vielen in der Hinsicht ändern kann, dass sie wirklich über sich selbst (gemeinsam wäre am schönsten) bestimmen wollen. Wir werden diese Frage hier sicher nicht beantworten können, aber ich bin auch Fragensteller, kein Beantworter :-).
Januar 3rd, 2017 at 23:58
@Flatter: »aber ich bin auch Fragensteller, kein Beantworter.« Genau das schätze ich so an dir und deinem Blog.
Ich denke, wenn man den Menschen Gelegenheit gäbe, über nennenswerte Teile ihres Lebens selbst zu bestimmen, also von Anfang an viel, viel Freizeit, dann ergäbe es sich von selbst. Dann erfolgte Normgebung nach intensiver Disputation, wie man es von Studenten kennt (oder zumindest kannte.)
Dann erst wäre ihr Sein eines (wie bei den Intellektuellen(funktional gesehen)), das der Abwechslung zugänglicher wäre.
Januar 4th, 2017 at 07:33
@flatter (25)
Ich halte es tendenziell für falsch, Menschen einen Freiheitsdrang zu unterstellen; vielmehr müssen wir ggf. vom Gegenteil ausgehen, und das schreddert das Gros der Utopien.
Yupp, ich glaube, jetzt versteh ich dich in etwa. Da kann ich aber ruhig mal bei den Informatikern, sagen wir mal der 80/90iger bleiben. Das war so in etwa der Punkt, wo bei mir so das Verhältnis zwischen Ratio, Freitheitsdrang, Utopie in den Nebel geschleudert wurde. Ich meine diesen merkwürdigen Widerspruch, sich mit den Dystopien der Zeit (und Vorzeit) als literarischen und filmischen Background zu identifizieren, um auch seinen Willen zum Erhalt der Freiheit zu zeigen, um zeitgleich die Dystopien zu realisieren. Die begeisterten Matrix-Gucker mit gleichzeitiger Begeisterung beim Robby-Bau z.B. Oder die Johnny Mnemonic-Helden, die gleich daran gingen zu untersuchen, wie man Hirne auch noch zu anderen Dingen wie denken benutzen könnte. Ein Spezialfall sind dabei die Programmierer gewesen, die mit heller Begeisterung sich selbst weg programmierten aber die ollen SF-Geschichten wo Computer die Weltherrschaft übernahmen, immer ganz dolle fanden und sich sehr betroffen zeigten.
Irgendeine böse Zunge nannte das mal den unbewussten Wunsch des Heldentums im noch nicht existierenden Heldengrund aufgrund von Berufung. Andere nannten es nur kognitive Dissonanz. Aber ich glaube auch, da steckt einfach mehr drin.
Januar 4th, 2017 at 08:42
@Hardy (35)
Weitestgehende Zustimmung!
Ich finde aber auch, dass das Bewusstsein das Sein bestimmen kann. Und dann kommen wir wieder zu ganz anderen Analysen ;-)
Januar 4th, 2017 at 10:21
Der Reflex, eine neue Regel nicht spontan zu befolgen, sondern zuerst zu hinterfragen, ist keine Störung des Sozialverhaltens.
Sondern dieser Reflex des Misstrauens ist über Jahre antrainiert und zur „zweiten Natur“ geworden. Es ist der typische modus operandi des Informatikers.
Im Verein mit der – ebenfalls typischen – Introvertiertheit des Nerds, die sozialen Kontakt vernachlässigt, wirkt es vielleicht morbid.
Aber das ist heilbar, wenn ein weiches warmes Weib daher kommt, etwas feucht zwischen den Beinen. Wartʼs nur ab.
Januar 4th, 2017 at 10:31
Mit Sätzen wie dem letzteren ist an diesem Stammtisch keine Reputation zu gewinnen.
Januar 4th, 2017 at 11:25
@Katze 20, @Lycalopex 23
Hier gehts doch um den Großteil von Leuten, die Normen unkritsch übernehmen und nicht um wenige Ausnahmen.
Autoritätshörige Muster werden nunmal in den Lebensanfängen vermittelt. Bei den meisten verfängt`s – bei wenigen halt nicht.
Die Charakter- und Persönlichkeitsentwicklung ist natürlich viel zu Komplex, um es einzig auf die Primärfamilie oder nur die Gene zu reduzieren.
Geburtseigene Anlagen – inklusive Empfänglichkeit (oder auch nicht) für Autoritätshörigkeit – in der Kombi mit allg. Sozialisation wirds wohl sein.
Und: die meisten haben ganz einfach weder Zeit noch Lust sich mit irgendeinem “aufklärerischem Kram” grundsätzlicher Art zu befassen.
Für sie ist das Erleben unserer relativierten Freiheit völlig ausreichend.
Januar 4th, 2017 at 11:27
@flatter #41 – dann muss ich ohne Reputation auskommen.
Mein Schlusssatz mag provokativ klingen. Er ist ernst, dessen ungeachtet.
(Meine Sprache ist optimiert auf Kürze. Hat Vor- und Nachteile, sicher. Ich kapriziere mich auf die Vorteile. Brauchst nicht zuzustimmen.)
Januar 4th, 2017 at 11:49
Oh, sehr gnädig. Ich hätte auch sagen können, dass mich eindimensionales Geschwätz auf dem Niveau “Der/die muss nur mal ordentlich gefickt werden” anwidert. Ist ernst gemeint? Gute Besserung!
Januar 4th, 2017 at 14:32
Man kannte das Gekröse bereits, Mesenterium genannt. Die neue Entdeckung macht die Runde, ein neues Organ wurde im menschlichen Körper gefunden.
Wofür dieses Organ im Bauch genau zuständig ist, wird man erst noch erforschen müssen, man weiss es nämlich nicht. Dann klärt man womöglich auch auf, welche Aufgabe/n dieses Organ erfüllt. Bauchgefühle?
Januar 4th, 2017 at 16:30
Abgesehen von der Ausdrucksweise – das ist kein trivialer Vorgang. Aber ok. Ich schweige ja schon.
Januar 5th, 2017 at 02:07
“Homo homini ovis” oder auf was für pfade du einen bringst (und vorab sorry für die ganzen links): das schaf führte mich hierhin, muss man nicht lesen, und von da aus ging es zu Paul, anschließend zu Joschas vortrag: fesselnd und schau doch mal, ob es da nicht auch was in deutscher sprache gibt und tatsächlich drei stunden und dann war nacht und ich stand am fenster und ich erinnerte mich, dass Joscha im 33c3 vortrag den begriff automaton/automata erwähnt hatte, machine dreams – Mirowski blitzte es und der brachte mich schlussendlich zu „…these two young fish swimming along and they happen to meet an older fish swimming the other way, who nods at them and says “Morning, boys. How’s the water?” And the two young fish swim on for a bit, and then eventually one of them looks over at the other and goes “What the hell is water?” und David Foster Wallace, tja, und jetzt steht das alles hier für?, na ja, wer auch immer etwas damit anfangen mag. Fragte jemand warum, lautete die antwort: “dackel”, interessierte das wie, lautete die antwort wohl: assoziativ.
Oder Joscha und Wallace aufgreifend: What The Fuck? Why The Fuck? The Fuck? – You get the idea.
“Von Nerds und verlorenen Schäfchen” – Sorgen sich nerds um ‘verlorene’ schäfchen?
Januar 10th, 2017 at 12:05
Für meinen Geschmack fehlen in der Debatte einige Dimensionen, weshalb sie sich in unlösbare Aporien verstrickt:
“Regeln”, “soziale Standards”, “gut und böse” befinden sich nicht notwendig auf der selben Ebene:
Das Zusammenleben in einer Familie folgt einer anderen Logik als die Beziehungen in einem Betrieb oder das auskömmliche Miteinander in einer Nachbarschaft oder das Für-gut-halten oder Für-schlecht-halten politischer Maßnahmen. Die einfache Opposition “Individuum – Gesellschaft” verwischt diese wichtigen Unterschiede. Wichtig, da diese unterschiedlichen Logiken des Zusammenlebens nicht konfliktfrei unverbunden nebeneinander bestehen, sondern durchaus in Spannung zueinander stehen.
Auf einer ganz fundamentalen Ebene gibt es sowas wie eine “natürliche Moral”. Wir wissen einfach wann sich ein Mensch anständig verhält, wann er sich wie ein Arschloch benimmt oder was ein Verbrechen ist. Dieses fundamentale Wissen gilt auf allen Ebenen. Wir wissen wann ein Politiker korrupt ist oder welcher Nachbar ein Streithammel ist, mit dem man sich besser nicht anlegt, oder welche Geschäftspraktik sich zwar noch gerade im Rahmen der (löcherigen) Gesetze bewegt, aber eigentlich nicht in Ordnung ist.
Auf einer “höheren” Ebene wissen wir, dass man nicht erwarten kann, dass die Kollegen im Betrieb sich wie eine Familie verhalten. Diese Differenzerfahrungen zwingen jeden, der nicht völlig verblödet ist, zur Reflexion. Eine gewisse Distanz zu den Institutionen ist der Normalzustand. Wie stark sie ausgeprägt ist und wie die Konflikte gehandelt werden, ist individuell verschieden.
Es gibt Menschen die Moral oder Familie ihren ökonomischen Interessen opfern, genauso wie es Menschen gibt, die von der neoliberalen Geldgier moralisch so angeekelt sind, dass sie sich irgendeine Nische suchen und auf Karriere verzichten. Von einer durchgängigen “intuitiven Akzeptanz” kann man daher denke ich nicht reden, kein Mensch kommt an Konflikterfahrungen vorbei.
Natürlich gibt es Menschen mit einer gewissen Ichschwäche und Harmoniesehnsucht, die nach Wegen suchen, die unvermeidlichen Konflikte zu moderieren. Manche Menschen lieben halt den Frieden, andere sind konfliktbereiter. Reflektieren tun jedoch alle.