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An Tagen, an denen es für die beginnende Altersweisheit zu heiß ist, beschleicht mich regelmäßig die Verzweiflung. “Gamification” ist so ein Phänomen, das löst in mir die ganze Batterie der Wünsche aus. Ich wünsche ihnen, dass sie für den Rest der Ewigkeit auf Wesen ihrer eigenen Intelligenz angewiesen sein werden. Nein, schlimmer: Ich wünsche ihnen, dass sie in einer Welt leben müssen, in der alle so beschränkt sind wie sie selber und in der es auch nichts gibt, dass jemand mit einem höheren Grad an Orientierung geschaffen hat. Sie sollen in einer exklusiven Gesellschaft von Idioten leben, in der ihnen niemand mehr den Arsch abwischt.

Was hilft’s, wir müssen das analysieren. Es lassen sich also Massen von Smartfonnutzern dazu abrichten, virtuellen Tierchen hinterher zu rennen, was zu entsprechenden Ansammlungen führt. Du kannst ihnen sagen, dass ein übermächtiger Staat alles über sie weiß, ihre Kommunikation speichert und zensuriert, dass ein paar Kilometer weiter das nackte Elend herrscht und langsam auf sie zu kriecht, das interessiert sie einen Dung. Aber wenn in ihrem verfickten Streichelbrett ein mies gezeichnetes Comictier sich anschickt zu erscheinen, rennen sie meilenweit dafür, massenhaft und wie die Lemminge. Ach ja, zu gewinnen gibt es auch was. FACE. PALM!

Dingsbums befiehl …

Okay, das war noch nicht die Analyse. Was sind das für Menschen, was zeichnet sie aus? Am Ende dasselbe wie die Zyniker, die sie umher laufen lassen: Sie hinterfragen nicht für einen Cent den Sinn ihres Handelns und ebenso wenig die Konsequenzen. Sie sind, da hat Fefe völlig Recht mit seinem Vergleich, Befehlsempfänger, die sich von einer Maschine vorgeben lassen, was sie tun sollen und glauben, das sei gut für sie. Ich will gar nicht hören, welche irren Ausreden aus solchem Gewürm kommen, wenn man sie darauf aufmerksam macht.

Er hat “Gewürm” gesagt, wie die Nazis! Ja, was soll ich denn machen, wenn Vertreter einer Spezies mit dem Potential zu Verstand und Vernunft sich benehmen wie Amöben? Wir streiten uns, so wir politisch, sozial, oder geisteswissenschaftlich denken, um Konzepte von Vernunft, Individualität und Freiheit, und eine Masse von Sprallos bittet ersichtlich darum, von irgendwem oder irgendwas möglichst sinnfreie Befehle zu erhalten, ohne eine Sekunde über die Folgen nachzudenken. Was Gamification repräsentiert, ist dabei dasselbe, was in der großen Masse zumindest schlummert: die Sucht nach starken Männern, das anbeten von Autorität, die dümmlichen Vereinfachungen, Stereotypen, Vorurteile, die allesamt nur der Flucht dienen – vor den Mühen, sich als Individuum in der Welt zu orientieren.

Endgegner Auschwitz

Die Katastrophe besteht nun darin, dass auf dieser Individualität und deren blöde wiederholten Behauptung das ganze Konzept von Demokratie und bürgericher Gesellschaft fußt. Die Lebenslüge der kapitalistischen Gesellschaft und ihrer Freiheit findet inzwischen Ausdrucksformen wie Hammerschläge in die Fresse. Kann das dann vielleicht auch mal jemand zur Kenntnis nehmen? Erinnert sich wer:

Die einzig wahrhafte Kraft gegen das Prinzip von Auschwitz wäre Autonomie, wenn ich den Kantischen Ausdruck verwenden darf; die Kraft zur Reflexion, zur Selbstbestimmung, zum Nicht-Mitmachen“ ?

Gibt es vielleicht einen Zusammenhang zwischen dem Wildbrand politischer Brutalität, der entsetzlichen Dummheit unkritischer Konsumenten und dem völligen Versagen bürgerlicher Bildung? Ich rede hier nicht von romantischen Vorstellungen von Menschwerdung, sondern von einer weiteren Form, in der der Kapitalismus sich selbst in seinen Grundfesten zersetzt. Die übelsten vorzeitlichen Tyranneien konnten die Freiheit nicht annähernd so gründlich zerstören.