lx

Am liebsten packe ich ja Geschichten aus den 80ern aus, weil sich die so exotisch anhören für die Einen und so heimelig für die Anderen. Oder gehen wir in die 70er zurück, das ist für viele Zeitgenossen schon prähistorisch, für mich erscheint es wie ein Wimpernschlag. Ich habe das eben noch gesagt: Ich denke an mein Viertel, Straßen, in denen Autos standen. Einzelne Autos. Man wusste von jedem, wem es gehörte und es gab keine Familie, die zwei hatte.

Es gab überall kleine Läden, die heute bestenfalls als Kiosk durchgehen würden. Sie hießen wie ihre Inhaber, nicht wie eine Kette. Auf dem Weg zu meiner Schule gab es so ein Lädchen, in einem kleinen würfelförmigen Gebäude, das nur diesen Laden beherbergte. Die Besitzerin war eine gerüchteumwitterte blonde Frau mit meterlangen Beinen, die einen Opel GT fuhr. Sie war sehr nett zu uns Kindern und ich wahrscheinlich ein bisschen verliebt.

Oppa und der Kriech

Inzwischen kommt es mir vor, als würde ich solche Geschichten aus der Gruft murmeln, wenn ich nur ein paar Jahre zurück denke. So wie es Jahrzehnte gedauert hat, die Straßen vollzustopfen mit Blech, das alle paar Jahre das Einheitsdesign wechselt, komplett ausgetauscht und aufgestockt wird, hat es nur einzwei Jahre gebraucht, um die Köpfe der Konsumenten endgültig zu beugen. Es dauerte Jahrzehnte, bis das Autoland die Gehirne so getrimmt hatte, dass nicht mehr die Familie, sondern jedes einzelne Mitglied einen Zweitwagen braucht. Es hat wenige Jahre gebraucht, um die Menschen mit sinnlosem “Äpp”-Spielzeug zuzumüllen, auf dass sie nicht mehr sehen noch sprechen.

Am Anfang war das Internet. Wir waren auf hoher See. Es gab so viel zu entdecken, zu erforschen, zu suchen und zu finden. Von dieser Zeit zeugen Programmnamen wie „Explorer“ und „Navigator“ sowie das Wort „surfen“ für die virtuose Bewegung im unbekannten Raum oder „Anker“ für einen Link. Die Welt des Netzes war noch fast übersichtlich, dennoch war es oft schwierig etwas zu finden, wenn es konkret sein sollte, man aber nicht wusste, wo und wer. Man entdeckte daher viel, was man gar nicht gesucht hatte, machte Zufallsbekanntschaften und traf sich in den Spelunken der Foren, Newsgroups und Chats. Unendliche Weiten; und dann kam Google.

„Don’t Be Evil“ sagten sie, sei nicht bösartig, und bis heute lassen sie daran glauben. Ernsthaft meint eine der relevanten Weltmächte: „Geld verdienen, ohne jemandem damit zu schaden“ sei ihr Unternehmensmotto. Das sollte jemand ihnen ins Gedächtnis rufen, wenn sie um Budgets verhandeln, ihre Rechtsabteilung losschicken oder einfach den nächsten Laden übernehmen, um ihm ihre Bedingungen zu diktieren. Google half einmal dabei, den schnellsten Weg zum wahrscheinlich gesuchten Hafen zu finden. Heute sind sie auf dem Weg zu einer Art Gehirnwäschemonopol. Niemand, der Werbung macht, kommt mehr an Google vorbei, und Google weiß das. Don’t Be Stupid.

Sei keine Ameise

Aber es ist nicht Google, das diesen Weg bestimmt. Nicht einmal das geniale Google hatte der ganz großen Krake etwas entgegen zu setzen. Es hat sich entwickelt wie die Ideale junger Menschen und hat aus großen Ideen mit dem großen Erfolg das große Geld gemacht. Aus dem Guten wurde schon kurz nach dem Start das nicht ganz so Böse, und auch an das kann man nur noch glauben, weil man es sich jeden Tag selbst suggeriert. Geld verdienen, ohne jemanden zu sehen, dem man damit schadet, vor allem aber und eigentlich nur: Geld verdienen! Google ist erwachsen.

Ich habe die Anfänge erlebt, auch die von Amazon, Ebay, Facebook und Co.. Die waren fast alle mal sympathisch. Heute sind sie ausbeuterische Weltunternehmen, gesteuert von der Sorte Mensch, die so etwas halt steuert. Ihre Welt ist herrlich bunt, selbsterklärend und schön, und alle lieben sie.

Ich hingegen fahre weiterhin mit meinem Kutter zu den Spelunken. Kompliziert, alt und hässlich, aber ungebeugt.