Mit dem Knüppel aus dem Palast
Posted by flatter under journalismus , kapital[40] Comments
04. Apr 2016 11:47
Quelle: Ludwig Binder Haus der Geschichte CC BY-SA 2.0
Was wir wussten, zum Teil recht konkret, wurde wieder einmal von einem Whistleblower aufgedeckt: Unsere Herren stehlen, betrügen, unterschlagen und lügen. Sie geben nicht auf, bis es ihnen nicht nur vor die Füße, sondern auf den Kopf fällt. Es tropft und rinnt durch alle Ritzen, dass die Superreichen, die Regierenden und ihre Helfershelfer nicht nur gierig Kohlen horten, sondern auch dafür sorgen, dass ihr geraubtes Vermögen obendrein illegal von der Steuer befreit bleibt – und das obwohl sie schon alle legalen Tricks beherrschen.
Ihre verlogene Systempresse heftet das jetzt ernsthaft auch noch Putin an, weil der wen kennt, der auf der Liste steht. Die Technik erklärt Jens Berger. Blöder, durchsichtiger, dreister geht es nicht. Spätrömische Dekadenz? Das wäre eine unerhörte Verharmlosung. Ein Gottkaiser darf so etwas. Diktatorische Regimes tun so etwas. Uns halten sie noch immer an der Leine und das Stöckchen vor die Augen. “Demokratie” steht da sowie “Rechtsstaat”, und beides ist zur Lüge verkommen. Es gibt daher zwei Sorten von Lügenpresse: Die eine deckt sie auf, die andere erzählt sie weiter.
Lügenpresse
Hätten meine Kinder mich so unverfroren belogen, ich wäre entsetzt gewesen. Es gab zwar die eine oder andere Zeit, wo es die eine oder andere nicht so hatte mit der Wahrheit, aber wenn man ihr den zerbrochenen Teller gezeigt hätte, sie hätte nicht den Hund beschuldigt, den wir gar nicht hatten. Wenn ein Knirps heute zu spät aus der Schule kommt, kann er einfach sagen “Putin hat mich aufgehalten”. Das glauben sie ihm dann bei Klebers, Springers und SpOns. Sonst aber nirgends, und das wiederum zeigt die Entfremdung des Hofes und seiner Schranzen vom Rest der Bevölkerung.
Da ist nichts mehr zu machen, nichts zu kitten und kein Weg, ihnen je wieder zu trauen. Wie sie uns trauen, regelt die Aufrüstung der Geheimdienste und das allumfassende Wuchern ihres Schnüffelstaats. Wieder einmal verstecken sie einen Elefanten vor uns hinter einem Besenstiel und raunen; “Wer treu und redlich ist, sieht hier nichts”. Das werden sie so lange tun, bis sie mit Knüppeln aus ihren Palästen geprügelt werden, mitsamt ihres Hofstaats. Das war schon immer so, nur eines Tages müssen die so Befreiten erkennen, dass kein neuer Hofstaat je ein besserer sein wird.
April 4th, 2016 at 12:52
Wie bei der NSA-Totalüberwachung, #Luxleaks und den ganzen Plagiatsaffären tun sie nun so, als wäre das alles etwas völlig Neues und Einzigartiges. Nein Leute, das Spiel läuft schon seit Jahrzehnten, nur jetzt kommt der ganze Dreck ans Licht! Ihr Medienhuren habt uns jahrzehntelang bei all diesen Tatsachen (!) Verschwörungstheorie vorgeworfen. Aber es muss erst immer ein Whistleblower kommen, der Beweise vorlegt, die nicht mehr zu relativieren oder zu fälschen sind.
April 4th, 2016 at 12:55
@epikur: Dank doublethink wird nichts passieren.
April 4th, 2016 at 13:01
@R@iner
Ich bin mittlerweile überzeugt, dass die Masse der Bevölkerung erst dann aufstehen wird, wenn der Hunger tobt oder eine Bombe auf ihr Haus fällt. Aber auch dann, war der Russe oder der IS schuld.
April 4th, 2016 at 13:03
“Pädagogen und Polizisten waren stets meine natürlichen Feinde.” – Irmgard Keun
Journalisten fallen in die gleiche kategorie, haben sie doch von beiden etwas.
Und apropos Irmgard Keun, noch ein kurzes zitat aus ‘Das kunstseidene Mädchen’, das ich in diesem zusammenhang endlich mal bringen kann – vielleicht nicht ganz passend. Auch wenn es hier nicht um heuchelnde enthüllungsjournalisten geht, sondern eher um einen sich heuchelnd enthüllenden (letztlich läuft es aufs gleiche hinaus) – bitteschön:
“Was er noch sagen wollte, weiß ich nicht, denn es kam über mich, als er sich so aufspielte mit öliger Stimme und großer Moral und erschauerte vor sich selbst und hatte eine gequollene Haltung (…) … also bei so was kann ich nicht mit, da setzt mein Verstand aus und es überkommt mich. Ich kann das nicht so erklären, was mir so Wut machte, jedenfalls langte ich ihm eine ganz offiziell, was ich meistens nur selten tue, und das knallte so, dass der Ober dachte, ich hätte ihm ein Zeichen zum Zahlen geben wollen.“
Tschü müt ü lügenprüsse. In der tat: “Da ist nichts mehr zu machen, nichts zu kitten und kein Weg, ihnen je wieder zu trauen.” Und, ich zitiere: und das ist auch gut so.
April 4th, 2016 at 13:15
Wie aber die wachsende Entfremdung, das wohl schon zur Gänze entfleuchte Vertrauen noch effektiv kanalisiert wird in Hass und Wut auf die jeweils noch Gekniffeneren, das beschreibt der Vorsitzende der Neuen Gesellschaft für Psychologie hier. Hoffnung macht das eben nicht.
April 4th, 2016 at 15:05
Hoffnung – es gibt vielleicht gar kein licht am ende des tunnels oder: mag sein, dass man, um alle hoffnung fahren zu lassen, die hölle betreten muss; mir scheint diese welt, bei allen ‘nettigkeiten’ und lebens- und liebenswertem, zumindest ganz schön nah an der hölle zu sein – da bleibt eben wenig, was hoffnung macht, allenfalls bleibt, mit glück, eine leichte unerträglichkeit des seins.
April 4th, 2016 at 15:50
Das wird nix mit den Knüppeln und den Palästen. Wie weit man ein Volk ausquetschen kann ohne dass es ernsthaft aufbegehrt, wird ja gerade mit Griechenland durchexerziert. Nebenbei dürfen die auch noch die von uns produzierten Flüchtlinge entsorgen. Und wenn wir uns in ein paar Jahren alle an dieses Niveau gewöhnt haben, haben unsere Eliten® noch niedrigere im Angebot.
April 4th, 2016 at 20:05
Wie wir alle wissen, ist der Siggi ein glühender Apologet von “Freihandelsabkommen”, selbst wenn er deren Inhalte nicht kennt. Im Moment findet er aber, dass Steuerhinterzieher “asozial” seien.
Das ist jetzt allerdings blöd, weil das eine mit dem anderen in Verbindung steht: tweet
Illegal, asozial, scheißegal. Hauptsache, die Kasse stimmt.
Wenn Burks mit seiner Theorie recht hätte, dann wäre das hier reines Geplänkel fürs Publikum: SZ will “Panama Papers” nicht an Ermittlungsbehörden übergeben
Das heißt wohl, dass man nichts unternehmen wird. Das ging ja schnell.
April 4th, 2016 at 21:22
OT: Ich “war” nicht Charlie Hebdo und werde es auch nie sein: How did we end up here?
April 4th, 2016 at 23:51
Es bräuchte jetzt nur noch Whistleblower, die den ganzen Terabytekram an Wikileaks oder sonstwie an die Öffentlichkeit ausleiten. Wer den Artikel von Craig Murray gelesen hat (über die doch interessanten finananziellen Hintergründe von ICIJ und CPI), weiß, worum es geht.
Aber was hülfe uns das? Wir kennen doch das Spiel schon längst! Es wären ja nur noch ‘ne Menge mehr oder weniger interessante Details. Vielleicht würden einige Fatzken gestürzt oder zurücktreten müssen, um dann evtl. durch neue, “unverbrauchte” Gesichter ersetzt zu werden. Ändern würde sich dadurch nichts! Oder wer glaubt noch an das große Geheul “Nein, sowas! Das haben wir aber alles nicht gewußt! Da müssen wir aber schnell (!) einen Riegel vorschieben!” -> und jetzt kommt die Revolution der Enttäuschten…
Der Guardian hat ja schon vorsorglich bemerkt: “much of the leaked material will remain private.”
Ja, scheiß der Hund drauf! (Sorry für diese vulgäre Ausdrucksweise.)
April 5th, 2016 at 00:54
Wenn nach dem Sturz des einen Hofstaats gleich ein Neuer folgt, nämlich nach bekannten Mustern, kann man das Stürzen auch gleich sein lassen, und diesen hier gewähren lassen, ganz wie es ihm beliebt. Der König ist tot, es lebe der König.
April 5th, 2016 at 07:31
Okay, die da oben ” stehlen, betrügen, unterschlagen und lügen”, die hier unten leben vor sich … das nennt man wohl Koexistenz? (Sarkasmus off).
Ährlich: Die Masse scheint mir von ‘ein bisschen Wohlstand’ korrumpiert bis ins Mark, da tut sich nix; soll sich ‘was ändern müssen das die “Stehler, Betrüger, Unterschlager und Lügner” schon selber erledigen :-(
@Katze
Mein Reden (oda so)
April 5th, 2016 at 08:29
Versuch einer Einordnung. Demnach alles halb so wild, bzw es handelt sich demnach gar nicht um ‘Journalismus’, sondern wieder nur um Politik. Es wäre ja auch eigenartig, wenn nicht auch whistleblowing längst ‘vereinnahmt’ wäre…
April 5th, 2016 at 08:33
@bernd_r: Da haben sich die schlausten Köpfe tausende von Jahren Gedanken über Gerechtigkeit gemacht und jetzt kommst Du. Wenn die Vorbeter des Rechts ein eigenes für sich einfordern, dann kommt der Bart ab. Spätestens seit 1789 lautet die Spielregel so.
Via fefe: Oh, now he’s interested in privacy.
April 5th, 2016 at 09:39
OT: Consolidating Power
David Harvey, one of the leading Marxist thinkers of our times, sits down with the activist collective AK Malabocas to discuss the transformations in the mode of capital accumulation, the centrality of the urban terrain in contemporary class struggles, and the implications of all this for anti-capitalist organizing. [..]
So, in a funny sort of way, the leftists reorganize themselves in the same way capital accumulation is reorganized. If we understand that the left is a mirror image of what we are criticizing, then maybe what we should do is to break the mirror and get out of this symbiotic relationship with what we are criticizing. [..]
April 5th, 2016 at 10:07
Bisher finden sich lediglich deutsche Kreditinstitute als Erfüllungsgehilfen. Die Suche nach konkreten deutschen Anlegern läuft bisher ins Leere.
Die SZ titelt “Panama Papers Bundesverdienstkreuzträger, Bordellkönige, Spitzenmanager – die Deutschen in den Panama Papers” und schreibt in einem anderen Artikel:
“Die meisten sind zudem nicht prominent; es finden sich dort – abgesehen vom ehemaligen CDU-Bundesschatzmeister Helmut Linssen, dessen Offshore-Firma schon vor zwei Jahren durch eine Recherche des Magazins Stern aufflog, woraufhin er zurücktrat – keine hochrangigen Politiker, keine Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und keine solchen, die im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehen. Daher kann man sie nicht mit Namen nennen.”
Mal abwarten!!
April 5th, 2016 at 11:03
@Rainer #15 – Sehr lesens- und bedenkenswert. Zum einen der ‘ewige’ blinde Fleck bei der Realisation von Wert – es strebt ja kein Einzelkapital danach, möglichst viel Wert zu produzieren, sondern im Gegenteil mit möglichst wertlosem Zeug so viel wie möglich des andernorts hergestellten Wertes auf sich zu ziehen. Ohne Realisation ist das ganze Konzept des Wertes und seiner Akkumulation schlichtweg nicht zu verstehen. Der verdammte ‘Markt’ gerät da zugunsten der Produktionsbedingungen oft zu sehr aus dem Blick. Die ‘Handelsbedingungen’ sind ebenso wichtig, sonst wären sie ja auch nicht so umkämpft. TTIP & Co lassen grüßen. Harvey hat recht wenn er meint, dass sich das Kapital gegenüber einer immer noch eher gewerkschaftlich organisierten Linken längst auf diesen zweiten Teil des Ganzen geworfen hat.
Zum anderen die verständliche Abscheu vor Macht und ‘offener’ – dh nicht nur verdeckter – Organisation derselben, die ‘linke’ Ansätze notwendigerweise immer wieder in die Defensive bringt gegenüber Formen, die diese Scheu nicht kennen. Nicht erst Spanien in den 30ern, auch schon die Pariser Kommune und ihr Scheitern ließe sich da anführen. Nicht darüber, wie man Macht und Gewalt verhindert – das klappt schon auf kleinster zwischenmenschlicher Ebene ‘nicht wirklich’ – sondern über ihre Legitimation sollte gestritten werden.
April 5th, 2016 at 11:31
Yo. Zur Macht:
“By refusing to take the state at a moment where they had the power to do it, the revolutionaries in Spain allowed the state to fall back into the hands of the bourgeoisie and the Stalinist wing of the Communist movement—and the state got reorganized and smashed the resistance.”
[Weil sie sich weigerten den Staat zu übernehmen als sie die Macht dazu hatten, ließen die Revolutionäre in Spanien zu, dass der Staat wieder in die Hände der Burgoisie und der Stalinisten fiel - und der Staat reorganisierte sich und zerschlug den Widerstand.]
Der Übergang kann nicht total sein, das ist nicht bloß eine theoretische Erkenntnis, sondern eine geschichtliche. Dennoch ist es wichtig, von vornherein anarchistische Motive mit einzubeziehen und Macht zu begrenzen.
edith: auch schön: “I have never been in an anarchist meeting where there was no secret authority structure.”
April 5th, 2016 at 12:08
OT: Kohl und Orban wollen sich am 19.04. treffen. sicher zum Reinfeiern hahahahahaha.
April 5th, 2016 at 15:16
Dennoch ist es wichtig, von vornherein anarchistische Motive mit einzubeziehen und Macht zu begrenzen.
Auf jeden Fall! Aber eben nicht leugnen, ignorieren oder so tun, als gäbe es diese Dinge in einer anzustrebenden neuen Gesellschaft dann einfach nicht mehr. Wenn es da je einen Übergang geben sollte, dann wäre er zumindest auch wieder nicht total möglich. Leugnen hieße da nichts anderes, als eben die Bildung von ‘secret authority structures’ hinzunehmen, deren Intransparenz sie natürlich noch schlechter kontrollierbar macht und die einer wirklichen gleichberechtigten Selbstbestimmung einer Gruppe erst recht im Weg stehen würde – obwohl natürlich genau dies das erklärte Ziel einer ‘herrschaftsfreien’ Gesellschaft wäre.
April 5th, 2016 at 16:03
Ja, ja, denkt weiter über bessere Verwaltung nach als darüber, was zu verwalten wäre… damit wird dann jeder Übergang letztendlich immer nur wieder die Rolle rückwärts.
U know Produktionsweise?!
April 5th, 2016 at 16:17
OT: Die Gaby Weber-Doku “Krater für den Frieden” ist ein echter Knaller. Die Geschichte mit dem A-Bombentest in Argentinien war ja immer eine VT, bei der ich nur die Augenbrauen hochzog. Ich war mal in Valdivia (Chile) und fuhr mit einem Boot über die Häuserdächer, wo sich 1960 das Land um mehr als 8 Meter gesenkt hatte.
Anschauen lohnt sich. Nachdenkseiten: The Revolution Will Not Be Televised
April 5th, 2016 at 16:22
@Wat.: Hast du den verlinkten Text gelesen? Dort wird exakt diese Reduktion auf die Produktionssphäre kritisiert. Ist das alles Unsinn, was der Mann da sagt? Oder kannst du ggf. konkret argumentieren, was daran falsch ist?
April 5th, 2016 at 16:45
@flatter
Jetzt ‘Totschlagargumente’ nach dem Motto, wenn Du das und das nicht gelesen hast, dann so und so – oder die freundlichere Variante: argumentiere konkret.
Sorry, wie oft denn noch?
Staat gibt es, solange er notwendig ist – wer auch immer den übernimmt oder nicht – der ist der Überbau für die gesellschaftlich relevanteste Produktionsweise. Gab und gibt bis jetzt ja immer mehrere nebeneinander. Die gesellschaftlich bestimmende fordert sich den zu ihr passenden Staat resp. Überbau ein.
Dafür und nur dafür gibt es dann das, was politische Revolution heißt.
Wenn sie den in Spanien übernommen hätten, was sie eigentlich haben, sie haben ja nur wegen des Verhältniswahlrechts und in Koaliton ‘gewonnen’… wenn sie ihn also im ‘Leninschen Sinne’ übernommen hätten, dann wäre es ihnen über kurz oder lang gegangen wie Jugoslawien…
da ist das Beispiel mit den Genossenschaften.
Die Beispiele mit dem s.g. Volkseigentum sind anzuschauen in SU/Rußland, Kuba, China… und bei den Im-/ und Exporten im gesamten ehm. Ostblock.
Jeder Ansatz, der nicht bei der Produktionssphäre beginnt, ist nicht nur Unsinn, er ist ein Verbrechen.
Ja, genau, richtig gelesen – Wenn Menschen nämlich nicht anders produzieren wollen und können, darf Ihnen auch nichts anderes aufgezwungen werden.
Das wäre dann schon mal der erste Machtmißbrauch :P
Das heißt noch lange nicht, alles auf die Produktionssphäre zu reduzieren – Produktion hat Sinn und Zweck.
… und der muß mE auf jeden Fall die entscheidende Rolle spielen.
April 5th, 2016 at 16:52
Ähm, es ist ein Totschlagargument, wenn ich frage, ob du überhaupt weißt, worauf du dich hier gerade beziehst? Kidding me?
Es gibt einige sehr gute Argumente dort, warum es unklug ist, sich auf die Produktionssphäre zu beschränken, was du schon wieder tust, daran ändert auch der Disclaimer im letzten Satz nichts.
April 5th, 2016 at 17:02
Gut zu wissen.
April 6th, 2016 at 09:04
@flatter ## 18, 23 + 25
Warum muß ich mich eigentlich erst durch einen englischen Text von Harvey (mir bekannt) gehen, wenn das Stück, was Du hier direkt zitiert/ übersetzt hast, schon meinen Widerspruch/ Widerstand herauf beschwört?
Möglicherweise erstaunt es Dich sogar, daß genau das, was Du in #18 von ihm anführst, schon Inhalt des allgemeinen Geschichtsunterrichts der DDR war…
Mich erstaunt nur noch, daß ich es immer wieder mit Argumenten versuche, obwohl ich doch langsam wissen müßte, daß das NULL bringt, wenn jemand nicht selbst seine Argumente schon für recht ‘wackelig’ (emp-)findet.
Du erklärst zB. (oder eben nicht mehr sondern verdrehst höchstens noch die Augen), wenn hier jemand an das Primat der Politik ‘appelliert’, doch den Kapitalismus schöner oder erträglicher zu machen, weil das nicht ‘geht’ – Politik könne eben nicht grundsätzlich die ‘Spielregeln’ ändern.
Und keine zwei Sätze später kommst Du dann aber damit, was Politik alles können soll. Ok, auf dem Schild der nächsten zwei Sätze steht nicht Kapitalismus, da geht es um irgendwas was danach kommen könnte.
Da hat dann Politik wieder das Primat.
Nee, hat es nicht und kriegt es nicht. Oder doch – aber eben nur über Leichenberge.
April 6th, 2016 at 10:48
“keine zwei Sätze später kommst Du dann aber damit, was Politik alles können soll.”
Nö, nirgends. Ich rede auch kein Stück vom “Primat der Politik”, ich bin aber der Ansicht, dass der verlinkte Text Argumente enthält, die es wert sind gelesen zu werden – die habe ich übrigens nicht zitiert. Es geht dort v.a. um Konsumtion. nicht um Politik.
April 6th, 2016 at 11:56
@Wat. – Politik könne eben nicht grundsätzlich die ‘Spielregeln’ ändern.
Ich glaube aber auch, dass du da auch einem Scheinwiderspruch aufsitzt. Politik im Kapitalismus versucht ja auch gar nicht erst, die ‘Spielregeln’ selbst zu ändern, sondern höchstens deren Ergebnisse auszuhebeln, angebliche Auswüchse einzudämmen etc. Diese Politik ist natürlich immer nur reaktiv und kann daher auch kein ‘Primat’ haben. Das ist das, was wir üblicherweise als ‘Politik’ wahrnehmen, das was sie uns bietet. Das sind vor allem die Grenzen, die sozialdemokratischer Politik gesetzt sind bzw die sie sich selber setzt.
Politik könnte aber – natürlich nicht nach Belieben und in einem beliebigen Umfeld – auch die Spielregeln selbst angehen, sie könnte zB einem sich wandelnden Eigentumsbegriff gesetzlich zum Durchbruch verhelfen, sie könnte auf diesem Wege auch noch tiefer in die ‘Spielregeln’ selbst eingreifen. Solche Ambitionen einer ‘weitergehenden’ Poltik sind nicht grundsätzlich unmöglich. Allerdings stünden Parteien, die sich solches auf die Fahnen schrieben, eben nicht mehr ‘fest auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung’ – weswegen sie dann schlicht verboten würden. Das müsste man aber nicht, wenn es grundsätzlich einfach unmöglich wäre…
April 6th, 2016 at 15:09
Interessante Ergänzung von Peter Frase zu dem, was sich ‘politisch’ gerade in den USA tut:
But it’s probably better to see things like the Sanders campaign as part of what the Italian “workerist” Marxist tradition called the process of “class composition.” [...] For the original workerists, class composition was closely tied to the experiences of industrial workers in the factory. But later users of the concept, including Antonio Negri, began to expand the concept more broadly. They insisted that the experience of class reached out into the city, and into the family, so that the process of class composition had to take into account the fullness of a worker’s life rather than just his or her experience in wage labor itself. Which means that the forces of class composition can include not just the minimum wage you make at McDonalds, but the police officer who harrasses you on the way home from your shift.
Abgesehen von den – eher weniger erstaunlichen – Übereinstimmungen mit Harvey täte sich hier also etwas, das auch wenn Sanders dann doch nicht die Vorwahlen gewinnt, die ‘politische Landschaft’ der USA nachhaltig verändern könnte. Immerhin ‘Market’s Own Country’.
Materielle Verschlechterungen hätten dann zu einem Wandel des ‘gesellschaftlichen Bewußtseins’ geführt, der es wiederum für die Zukunft ermöglichen könnte, auch durchaus wieder an den materiellen ‘Grundbedingungen’, den ‘Spielregeln’ anzusetzen.
April 6th, 2016 at 15:14
Ohne daß eine Bewegung, so ne ‘richtige’ Massenbewegung, dahinter steht, kann Politik nichts dergleichen und macht nichts dergleichen @Peinhart(29).
Und wenn eine solche Bewegung dahinter steht, dann braucht es dafür nicht einmal eine spezielle Partei, die Abgeordneten der bestehenden sind so heiß ihren Job zu behalten, das machen die selber… – und fangen, wenn sie nur irgend können, damit die Bewegung ein.
Denn wiederum, wenn die Bewegung keinen ‘Rückhalt’ im Elementaren hat, wird sie sich darauf einlassen – ihr geht es ja dann auch nur um Kosmetik.
Grundsätzlich unmöglich ist eigentlich überhaupt nichts, die Frage ist: Ist es auch wahrscheinlich.
April 6th, 2016 at 16:47
Die Neolibs schießen sich derzeit auf ein Grundeinkommen ein. Spätestens dann ist Asche mit Arbeiterbewegung.
April 6th, 2016 at 17:06
Vor dem Schachzug muß man eigentlich schon den Hut ziehen; hat das – imho die nächste Stufe von “Leistungsgerechtigkeit” unter Ausschluß von “laßt sie (hier) halt verhungern” – wer kommen sehen?
April 6th, 2016 at 18:31
Naja, dann kommt eben ein Grundeinkommen. Kannste was für kaufen, aber wenig und nur, was vorher welche zum Verkaufen gemacht haben…
@Stony(33) – 2009/2010 war das schon mal richtig dick in der Diskussion. Auch und gerade arbeitgeberseitig. War da nicht der Müller oder wie hieß der, und war der nicht Lidl-Häuptling oder irgendeine andere Kette?
Gerechnet hatte sich der Vorschlag damals (für ihn).
Die AG-Anteile fielen alle weg, weil ja keine Sozialversicherungen mehr obligat, Löhne wurden wie Aufstocker ‘kalkuliert’ und anschließend hätten diese Menschen noch all ihre wenigen Mäuse eh ‘bei ihm’ lassen müssen.
April 6th, 2016 at 18:46
“Kannste was für kaufen, aber wenig und nur, was vorher welche zum Verkaufen gemacht haben…”
Eben: chinesische Sklaven und syrische/mazedonische/kilaueanische Erntehelfer. Darum ging es zuletzt: Um das Auseinanderfallen von Produktion und Konsumtion. Der Klassenkampf findet auf Produktionsebene nur mehr randstsändig statt. Ausbeutung geht längst auch ohne Arbeit.
April 6th, 2016 at 18:59
“Ausbeutung geht längst auch ohne Arbeit.”
Auseinander fällt Produktion und Konsumtion spätestens mit der Warenproduktion. Wie Ausbeutung ohne Arbeit geht, das zeige mir oder rechne mir vor. Woher/ Woraus kommt dann der Mehrwert? Jetzt ist der im Arbeitsergebnis/ -produkt enthalten, das per Vertrag dem übereignet wurde, der die Arbeitskraft einkaufte.
Btw. Daß ein Klassenkampf nicht nur in Betrieben stattfindet/ statt zu finden hat, hatte ich als Diskussionsstand hier schon lange ‘abgehakt’. Er findet im Leben statt, vielleicht in den Betrieben selbst sogar zuletzt – aber ohne irgendeine Produktionsebene der eigenen Produktion füreinander anzugehen, ist das/ wäre das nur Freizeitgestaltung.
… und nicht mal eine nette.
April 6th, 2016 at 19:25
“Wie Ausbeutung ohne Arbeit geht”:
Schau dir Jugendliche an. Deren Bedürfnisse, Emotionen, Antrieb, Phantasie wird ausgebeutet, limitiert, gelenkt. Das geht im späteren Leben so weiter.
Im Zusammenhang mit dem BGE wird eine Spezies kultiviert wie im Zoo, die jederzeit Reserve ist und vor allem konsumiert. Was man denen andreht, ist kreditierbar. Dieser neue Plebs wird mithilfe der Unterskaven ernährt und bespaßelt. Die so kultivierten Bedürfnisse sind das Asset, Man braucht (natürlich nur scheinbar und eher kurzfristig) keinen Mehrwert mehr, wenn der eh nicht ausreichend geschaffen werden kann, sondern Kreditmasse für die Ponzi-Spiele. So ungefähr stelle ich mir das vor.
April 6th, 2016 at 21:02
@stony Nro. 33 frug was, entsinne mich auf die Möglichkeit eines Grundeinkommens aus Kreditbasis hingewiesen zu haben. @Peinhart lehnte dankend ab.
Aber, da wird die Sache langsam rund. Die horrend steigende Geschwindigkeit mit der die Titel ausfallen, der Krieg der Wallstreet gegen den Rest der Finanzwelt, es drängt sich förmlich die Frage auf: Ist der Nenner schon auf Null gefallen?
ni schon wieder Mathe, da hatsch grad Masern…
Ausbeutung ohne Arbeit, neben dem von flatter erwähnten Aspekt,… “…zwei Kilo Champingons, 1,49…”, sorry selbst das sind exakt 1,49 zuviel…Handel war schon immer Betrug…son viertel Reh wär besser…sagt jedenfalls Frau Trulla…
April 7th, 2016 at 14:44
@Wat. & langlode: Danke Euch beiden. Ich hatte das unter ‘Kuh durchs Dorf treiben’ im Rahmen des Medienhypes um die Piraten damals abgeheftet. my fault
April 12th, 2016 at 17:22
Wahrscheinlich war es gar kein Whistleblower: Mossack Fonseca Breach – WordPress Revolution Slider Plugin Possible Cause
Vorsicht also vor Plugins, die ‘Revolution’ im Namen tragen.