Soziale Gerechtigkeit® und ihre Krieger
Posted by flatter under netz , sozialzeugs[15] Comments
22. Nov 2015 12:41
Oh my, mal wieder ein paar Twitter-Beiträge gelesen. Warum tut man sowas? Warum vor allem verfolgen mich diverse Blogger und sowieso das Journallala mit diesem Rotzforum, der Trollachterbahn im Empörungspark? Wenn ich das haben will, kann ich ja gleich zu den Piraten gehen. Dieses Gebaren kenne ich noch von der Uni, und da kommen sie ja alle her, aus der Studentenpolitik. Dort setzt sich seit vierzig Jahren keine gute Idee mehr durch, sondern stets die Geschäftsordnung.
Ich habe Anfang der 90er an diesem studentischen Bildungsgipfel teilgenommen und bin bis heute davon gezeichnet. Die Unipolitikelite aus hundert Hochschulen, allesamt Figuren, die es gewöhnt sind, dass ihr Geschwätz relevant ist; dass sie reden und andere zuhören. Argumentieren – und das wurde dort zelebriert – dient einzig dazu, den Gegner zu ermüden. Entscheidungen werden in einer Art Last-Man-Standing Battle gefasst, für die Teile des Verfahrens, die noch nicht per Geschäftsordnung zertrümmert wurden.
Ich rede!
Die Raubritter solcher Bürokratie haben keinerlei Verständnis von Gemeinschaft, keine Ahnung, wie man sich mit anderen einigt oder wenigstens verständigt. Für sie ist “Solidarität” etwas Militärisches (uneingeschränkt), und Regeln sind dazu da, andere zu knebeln. Es geht schließlich darum, irgendwas durchzusetzen und nicht darum, miteinander zu leben. Worte sind Werkzeuge oder gleich Waffen. Es geht um die Deutungshoheit.
So kommt es auch, dass für sie der schlimme Twitterror viel schlimmer ist als echter Krieg. Ernsthaft zwitschern professionelle Opfer ihrer eigenen kommunikativen Idiotie, ein beherzter Spruch im Deppenchat bewirke ein Trauma, gleichzusetzen mit Kriegserlebnissen, man müsse daher von “posttraumatischer Belastungsstörung” sprechen, wenn jemand dort spontan angedisst wird. Die Forderung an den modernen Attentäter liegt dann wohl darin, statt “Allahu Akbar” doch “Triggerwarnung!” zu skandieren, dann ist alles halb so schlimm.
Ich bin getroffen!
Die Speerspitze derartiger Aktivitäten und -isten hält sich für Krieger, genauer “Social Justice Warriors”, der Irrtum bremst mich freilich schon vor der dritten Silbe aus. “Social” ist da gar nichts. Es herrscht die Selbstgerechtigkeit gehätschelter Mittel- und Oberschichtsbälger, die auch mal was unterdrücken wollen und keine Lust haben darauf zu warten, bis sie Chef von irgendwem werden. Da sie unendlich gelangweilt sind, machen sie dabei einen auf Revoluzzer und nennen das “links”, weil das in ihren Kreisen eben unerhört rebellisch erscheint.
Im Kaminzimmer, wo die Kiste mit den Zigarren schon auf sie wartet, lächeln ihre Zieheltern gnädig und wissen, dass sich die Hörner schon abstoßen werden. Eigentlich sind sie doch ganz gelungen, die Kleinen. Zielstrebig, gnadenlos gegen ihre Feinde und ausgestattet mit der richtigen Einstellung. Wer Opfer ist und wer Täter, wer immer im Recht ist und wer nie, dies Wissen liegt ihnen im Blut. Sie bekämpfen alles und jeden, sprechen aber nie den unverzeihlichen Fluch gegens Wachstum®. Man beißt halt nicht die Hand, die einen füttert.
November 22nd, 2015 at 14:01
OT: Ich werde ebenfalls gegen den IS in den Krieg ziehen. Die haben jemanden bedroht, der meinen Feind hasst.
November 22nd, 2015 at 14:03
Oh, ja, die SJWs… Gerade die ganzen Diversity-Bewegungen und Drogenlegalisierungsbewegungen scheinen sich von dort zu speisen.
Manchmal hat man als Beobachter den Eindruck, was lernen die dort? Und was was fressen die dort?
Denn das ist wie ein Abziehbild eines Klischees, was der allgemeine Volksmund von Leuten annimmt, die zur Uni gehen. – Wollen dir erklären, wie sie die Welt besser machen können, und am Ende sitzen sie nur im Feld herum, dröhnen sich zu und hören Musik und nennen das ihre Rebellion gegen die Oberschicht. Wenn es überhaupt so weit kommt (ideologische Bearbeitung, Anpassungsdruck).
Mag jetzt stark polarisierend sein, was ich dort geschrieben habe, aber man lasse es einmal im Raum stehen.
November 22nd, 2015 at 17:35
Also auf Reddit wird der Begriff für alles verwendet, was nach Antirassismus/Feminismus/Sozialismus/Kommunismus usw. riecht. Aus dieser Perspektive ist dieser Blog auch den SJW zuzuordnen.
Vielleicht sollte man mal kurz reflektieren, ob es klug ist diesen von rechten geprägten Begriff selber zu nutzen.
Und Fefe sondert in Bezug auf Feminismus leider größtenteils Müll ab, weil er sich offenbar beständig weigert, sich mal wirklich mit dem Thema zu beschäftigen.
November 22nd, 2015 at 18:45
Ach flatter,
ich war etwas füher dabei. Selbst die Feten an der Uni legten sich diesen Charme der Langweile zu.
Ich habe mich da schnell entfernt und habe eine Kneipe mit guter Musik aufgesucht.
Warum sollte ich mir genau wieder das anhören, was ich in den Seminaren schon ertragen musste.
Damals kam das Wort “Alternativ” zur Erweckung und auf den Unifluren kam es sporadisch auch noch zu handgreiflichen Auseinandersetzungen zwischen denen, die endlich ein ordentliches Studium einforderten und denen, die die Uni auch auch als Ort der Gesellschaftskritik bewahren wollten.
In der selben Zeit haben die Wühlmäuse aus der Politik schon ordentlich ihr Feld bearbeitet und ihre professalen Wühlmäuse eingeschleust, um die absehbare Einseitigkeit in Forschung und Lehre zu verhindern.
An Deinem letzten Absatz habe ich nichts auszusetzen; er trifft es ziemlich genau: Mein Vater hat mir das immer vorgeworfen, als ich ein Studium angefangen habe: Anderen die Welt erklären oder wie man den Blick auf die Welt zu werfen hat, was es braucht, um die Welt besser zu machen und letztendlich damit verkleistern, dass der Antrieb der eigene Bauchnabel ist, um den sich die ganze Rhetorik dreht.
Nicht immer, aber meistens.
November 22nd, 2015 at 20:48
Gar nicht so OT: Manchmal dämmert zumindest Einigen zumindest etwas. Folgen indes sind nicht zu erwarten, oder wenn dann am ehesten noch Schmähungen gegen den Ketzer. Vielleicht setzt er sogar sein ‘politisches Überleben’ auf’s Spiel.
November 22nd, 2015 at 20:51
@genugesreicht: Das mag sein, genau so wie es einen weit verbreiteten Begriff von “links” gibt, der irritiert, aber ich verstehe den inzwischen. Das ist dieses Grün-links, eben der bürokratische bevormundende Umgang mit allem, was aus deren Sicht moralisch nicht astrein ist. Diese moralische Attitüde wiederum wendet sich gegen alle, die ihnen nicht passen und wird auch ‘gegen’ die ‘Auswüchse’ des Kapitalismus in Stellung gebracht. Die kommen Investmentbankern, Shareholdern und Private Equity-Investoren genau so mit ihrer Moral wie allem, was sie für den falschen -ismus halten. Es ist kein Zufall, dass wir von protestantischen Tugendwächtern in die Hölle der ‘Eigenverantwortung’ geführt werden. Gauck ist der Präsident der deutschen Linken. So furchtbar ist das.
November 22nd, 2015 at 21:15
Ich hab’s schom ‘n paarmal hinterfragt: Warum nimmt jemand an solchen Geschäftsmodellen teil wie Fehsbuck, Zwitscher, WotsÄpp (meine Schwägerin: “Wir hamm früher gesimmst, heute WotsÄpp, iss bequemer [omfg], da kannste sogar ‘n Bild mit schicken …”) usw.? WARUM? weils bequemer iss?1?? (wenigstens weis ich jezz, warum man mit’m Telefon fotografieren … äh? … mit’m Fotoapparat tele …) “Schatzi, mei Tabledde, abber schnell!”
November 22nd, 2015 at 21:20
Du kapierset nit, woll? Da machen alle mit, man muss nix dafür können und es ist gratis! Wer das nicht geil findet, muss doch gestört sein.
November 22nd, 2015 at 22:12
Tja, willkommen in der Gummizelle. (Die in der Gummzelle die eigentlichen coolen Kids – die haben den ganzen Tag Zugang zu Drogen und müssen dafür nur die Pfleger verarschen.)
November 22nd, 2015 at 23:11
Sich beständig bevormunden zu wollen/müssen, scheint eine besondere Eigenart unserer Spezies zu sein. Geradezu liebenswert wäre sie sogar, widmete sie sich besonders pflegerisch der gelebten Mitmenschlichkeit. Aber das wäre zu viel verlangt von jemanden, der dazu ja gar nicht in der Lage ist. Woher sollte man diese Mitmenschlichkeit auch haben? Etwa gelernt? Vielleicht im Umgang mit unserer Art zu wirtschaften? Von anderen Menschen, die sich gut darin verstanden, ein x für ein u vor zu machen?
November 23rd, 2015 at 09:21
Zur Verteidigung der sozialen Medien:
je weiter wir in der Geschichte zurückgehen, desto stärker und enger war Mensch in eine Gemeinschaft eingebunden (Sippe, Familie, Stand, Klasse etc.). Diese Gemeinschaften wurden immer vorgefunden, nicht gewählt. Wenn irgendwie das Bild “Gummizelle” passt, dann auf diese vorindividuellen Sozialverbände. Mit dem allmählichen Verschwinden dieser Verbände (im Kapitalismus wird das Individuum zur Ware) wird es nicht nur möglich, sondern zum Zwang, dass Mensch sich seine Kontakte selbst wählt (Freunde, Partner, Solidargemeinschaft etc.)
Das Bedürfnis, sich seine Kontakte frei zu wählen ist da und es ist stark. Die Möglichkeiten nehmen auch zu: Wechsel des Arbeitsplatzes, zunehmende Verkehrsmöglichkeiten, Telefon, Internet und auch soziale Medien.
Dass da auch neue Scheinwelten von Scheinintimität und Scheinfreundschaften geschaffen werden, das steht auf einem anderen Blatt. Ich denke, wenn der Hype mit den sozialen Medien vorbei ist, werden die Leute das begreifen und gezielter damit umgehen.
November 23rd, 2015 at 11:28
OT: Gefangen in einer Zeitschleife.
November 23rd, 2015 at 17:53
Ahhh, jetzt wird mir endlich klar was sich South Park mit der kompletten Staffel 19 Thematik gedacht hat. Die knüpfen an die in diesem Artikel genannten Themen an. Scheint wohl gerade sehr aktuell in Murica. Der Satz in dem Yoga Artikel auf Fefes Blog fasst es gut zusammen: “People are just looking for a reason to be offended by anything they can find”.
November 23rd, 2015 at 21:46
ot – aber so was von
Bananen, ausgerechnet mit bananen eröffnest du deinen artikel. Das foto führte mich direkt ins off topic, weil es eine melodie ‚triggerte’ und so einen kurzen ausflug in die geschichte provozierte.
Wer mag und diese episode noch nicht kennt, kann der geschichte des Bedřich Löwy in der kurzen version und auch hier (kurz) folgen oder die etwas längere version zu jenem Fritz Löhner-Beda lesen, dessen todestag sich am 04.12. jährt.
Und da kann ich doch gleich noch an die herren Dürrfeld, Ambros, ter Meer, Krauch und Bütefisch erinnern, jeder von ihnen ein deutscher wirtschaftsbürger und kulturmensch, die wahrscheinlich jedes seiner lieder kannten und manch eins singen konnten. Na, lest mal.
Das war jetzt sowas von völlig off topic, aber das kommt hier ja öfter mal vor und: ausgerechnet bananen – scnr und in der “großen” geschichte sind so viele “kleine” geschichten ‘verborgen’, die gelegentlich auch mal erzählt werden können, da wollte ich mal an diese hier erinnern, damit sie weitergegeben wird – Löhner-Bedas geschichte.
November 25th, 2015 at 13:54
Na ja, ich hätte meine vorigen Posts hier besser durchdenken sollen.
Aber nun zum Thema: Könnte es nicht sein, dass diese Identitäts-Ideologie nicht ein Bedürfnis nach etwas Höherem widerspiegelt? Ein Bedürfnis, das bei vielen aus dem vagen Gefühl heraus entsteht, dass irgendetwas mit dieser Welt so nicht stimmt? Ein Bedürfnis, das viele Menschen empfinden, aber diese eben unterschiedlich ausfüllen (die meisten flüchten sich deswegen in Irrationalismen mehr oder weniger tödlicher Art)? Ein Bedürfnis, dass im Konsumismus-Neoliberalismus eben nicht erfüllt wird, da die einzigen höheren Ideale aus Geld und Status bestehen, und die einzigen kommoden Träume bourgeoise, egozentrische Allmachtsphantasien sind? Alles andere ist ja- ob zu recht oder zu unrecht- im besten Fall Wolkenkuckucksheim oder im schlimmsten Fall Extremismus.
Eine verständliche Reaktion könnte dann doch die Flucht in die spinnerte pseudo-linke Identitätsideologie sein. Das ärgerliche daran ist ja, dass viele Ziele dieser Bewegung eigentlich erstrebenswert ist, aber durch Methode und Habitus, also: moralistische Hysterie und autoritäres Bürokraten,pardon Bürokrat*Innen, äh Bürokratxn-Gehabe, wird einfach zu viel verdorben! Dass wir Feminismus, Antirassismus etc. brauchen ist natürlich evident, aber bitte nicht in der Social-Media-Clickbait-Echokammer-Variante! Diese Art von total überzogenem moralischem Maximalismus findet man übrigens auch bei den erleuchteten Leuten von der Tierrechtsbewegung (“Antispeziesismus”?!?!).
Letztendes steht hinter dem Ganzen ein Heilsversprechen: Ja, wir können Rassismus, Sexismus etc. beenden, und wenn es nicht klappt liegt es eben immer an den bösen Unterdrückern, und dann ziehen wir, die gerechten Opfer, uns in unsere separatistischen safe spaces zurück. Man, pardon, mensch ist dann Teil einer Ummah der Entrechteten, und die Entrechteten und Unterpriveligierten haben natürlich immer recht. Und man kann auch dann entrechtet und unterdrückt sein, wenn Mommy und Daddy ein paar Hunderttausend auf der hohen Kante haben. Wir immer gut, die da immer böse (hmm… wer denkt denn sonst noch so in diesem Schema. Doch nicht etwa…). Diese Haltung erlaubt es dann tumben Twitterern, über Marx herzuziehen, weil er als alter toter weißer Mann ganz bestimmt mal eine Apologie für die Sklaverei abgesondert haben muss (natürlich nicht nachweisbar!). Junge Menschen sind nun mal in der Regel dumme Menschen (nehme mich selbst nicht davon aus), und daher immer gut für so etwas empfänglich.
Diese Ideologie ist nun mal ein gefundenes Fressen für unseren postmodernen Kapitalismus: denn für die Wertschöpfung ist es letztlich egal ob der Ausbeuter männlich, weiblich, transgender (schon mal was von Justine Tunney gehört?), weiß, schwarz, braun, bunt gescheckt, rollstuhlfahrend, autistisch, heterosexuell, homosexuell, bisexuell, asexuell, oder etc. ist. Der Kapitalismus kann sich dann dank seiner diversity ein moralisches Gütesiegel ausstellen, und alles ist wieder im Lot! Toll, man kann total intersektionell gegen das Unrecht in der Welt sein, und trotzdem braucht man nix für wirkliche Veränderungen zu machen!
Übrigens, bevor mir jemand irgendeine regressive Haltung unterstellen möchte: ich bin selbst PoC und wenn ihr weiß seid und mich kritisiert, dann ist ja klar, dass ich mich mit der Kritik natürlich nicht auseinanderzusetzen brauche (ich selbst kann ja auch nicht rassistisch sein, da mir das White Privilege abgeht). Das nur zur Illustration, mit was für einer “Gedanken-”Welt wir es oft zu tun haben.
PS: Eine linke, tiefgreifende Kritik des Identitarismus ist dringend notwendig. Denn wenn die Linke diese Ideolgie übernimmt- was sie in großen Teilen schon getan hat- dann wird das noch ihr Untergang sein. Noch ekelerregender sind aber die Vertreter des “neoreaktionären” (ja die nennen sich zum Teil wirklich so) Backlashes. Da sie fast nur mit übelsten Pöbeleien bis hin zu Todes-und Vergewaltigungsdrohungen (ob das schon PTSD auslöst ist natürlich eine andere Frage) zu kommunizieren pflegen, fühlen sich unsere Kämpfer*Innen für das Recht dann in ihrer Märtyrerrolle bestätigt.