Die NZZ spekuliert über Merkels Motive; eine Kunst, die hierzulande lange als Majestätsbeleidigung galt und inzwischen “Verschwörungstheorie” heißt. Man spekuliert nicht in der freien Presse®, es gilt die Losung: Die Herrschaft hat recht und der Feind ist schuld. In der Schweiz hingegen schreiben sie:
“Selbst wenn am rechten Rand der Union fremdenfeindliche Reflexe wach und rechte Populisten gestärkt werden, so ist noch genug Potenzial in der politischen Mitte und im bürgerlich-liberalen Feld, um eine Mehrheit zu sichern [...]”
Das sei vielleicht Merkels Gedanke gewesen, sie habe sich aber verkalkuliert. Die NZZ verheddert sich im Weiteren leider im offiziellen deutschen Narrativ und gewinnt nicht die nötige Distanz. Vor allem im Hinblick auf die scheinbare Konfliktlinie zwischen Merkel und de Maizière/Schäuble muss man noch Erklärungen finden. Da man in der Schweiz spekulieren darf, begebe ich mich virtuell kurz hinüber und stelle eine These auf:
Busines as usual
Das Narrativ der BRD ist antirussisch, antikommunistisch und geprägt von der strategischen Allianz zwischen NATO und Nationalsozialisten, die u.a. durch Gehlens Geheimdienst und dessen Nachfolger im Inneren gepflegt wurden. Ergänzt wurde diese Struktur durch ein Netz transatlantischer Interessenvertreter, bestehend aus Medien, Industrie, Politik und Militär.
Aktuell fahren Politik und Medien einen aggressiven Kurs gegen Russland und vertreten völlig unkritisch die militärischen Strategien der USA, obwohl diese wahlweise bewusst Chaos herbeiführen oder auf breiter Front scheitern. Business as usual also. Die Verfassungsschutzbehörden wissen nichts über die Welle von faschistischem Terror gegen Flüchtlinge, bzw. wann immer ein brauner Täter überführt wird, kann man sich darauf verlassen, dass er mit dem “Schutz” kooperiert hat.
Das Ganze führt dazu, dass erstens Gewalt gegen Ausländer alltäglich ist und kein besonderes Aufsehen erregt. Die militante Rechte darf sich in aller Ruhe entwickeln. Die politische Rechte jenseits des Establishments erstarkt gleichzeitig durch eine Angst vor Überfremdung, die man bislang für quasi paranoid halten durfte. Bislang – bis angesichts Millionen Flüchtender die Bundeskanzlerin höchstselbst kundtat, sie sollten sich doch gern hier niederlassen.
Dies war für die Rechtsextremen von Pegida bis AfD die späte Bestätigung für die reale Gefahr der Überfremdung, sprich: Islamisierung, mehr noch: Eine der wenigen echten Verschwörungstheorien, die von der geplanten Überfremdung, erhält einen gewaltigen Schub, zumal es keine offizielle Erklärung gibt für die vermeintlichen Launen der Kanzlerin. Haben wir’s doch gewusst! Prompt erreicht die AfD zweistellige Umfrageergebnisse.
Missverständnisse und Pannen
Auf der anderen Flanke de Maizière und Schäuble, die völlig andere Fakten schaffen. Zwar hat die Deutsche Bank kürzlich berechnet, dass der Zuzug von Flüchtlingen sich wirtschaftlich rechnet, aber was vorn eingeladen wurde, muss jetzt ganz schnell hinten wieder eingedämmt werden. Zudem muss die regierende gemäßigte Rechte den Eindruck aufrecht erhalten, für Ordnung und das Wohl der Deutschen zu sorgen.
Über all dem wird es gewiss zu einem nicht kommen, was unter der Hand droht und durch die Welle der Hilfsbereitschaft Aufwind erhält: Eine breite Solidarität sonst konkurrierender Menschen und womöglich die Abkehr von einer Politik, die Menschen aufeinander hetzt und Europa in Armut stürzt. Wer es mag, darf das auch als “Linksrutsch” bezeichnen, aber es ginge diesmal um einen echten, einen, der europaweit Kreise zieht und und dem Establishment den Rücken kehrt – übrigens auch dem ‘linken’.
In Deutschland ist die klassische Reaktion darauf, obendrein eine bislang sehr erfolgreiche, die Rechte zu stärken, nicht zuletzt die extreme Rechte. Sollte dergleichen also zu beobachten sein und womöglich durch eine Serie von Pannen und Missverständnissen genau so vonstatten gehen, darf man – in der Schweiz – spekulieren, dass es sich vielmehr um Kalkül handelt. Vielleicht ist der Gradmesser die Karriere de Maizières. Sollte der trotz des ausgesprochenen ‘Vertrauens’ der Kanzlerin im Amt bleiben, wäre das ein Indiz fürs Kalkül.
November 12th, 2015 at 15:13
Integrationspolitik aller im Bundestag vertretenen Parteien beruht darauf, dass der Flüchtling als Gegenleistung zur Willkommensinszenierung als Gastgeschenk seine unbedingte Bereitschaft zur Ausbeutung anbietet. Was nicht marktkonform verwertet werden kann, Akademiker zuerst, dann techn. Fachkräfte, dann als “Beifang” Hilfskräfte, überlasst man dem Staat zur dauerhaften Alimentierung durch öffentl. Gelder. Neben dem Recht auf Asyl gibt es auch kein Recht auf Faulheit.
Ausgerechnet die Partei die LINKE exponiert sich dabei ganz besonders, indem sie im Vollzug der protestantischen Arbeitsethik die Integration durch Überführung in den Arbeitsmarkt fordert. Sprachkurse inbegriffen, jedoch nur sekundär.
In der heutigen Debatte über einen Antrag der PdL im Bundestag zitierte die Abgeordnete Sevim Dagdelen aus dem Brief eines Flüchtlings an die WDR-Redakteurin Isabel Schayani:
“Über lange Zeit nur zu essen und zu schlafen, ohne arbeiten und lernen zu können, führt dazu, dass die Menschen sich schlecht benehmen und psychische Probleme haben. Sie können so eine Gefahr für die Gesellschaft werden. Wenn die Regierung ihnen das Arbeiten ermöglichen würde, dann könnten sie gesund und produktiv sein, während ihr Asylverfahren geklärt wird. Aber wenn jemand überhaupt nichts zu tun hat, dann versucht er etwas zu tun. Es könnte gut und es könnte schlecht sein.”
Sie (Dagdelen) meinte dies nicht nur ernst, sondern wollte sich mit diesem Zitat hinter dessen Inhalt stellen und es als repräsentativ adeln.
Werde dies in meine rhetorische Stilblütensammlung aufnehmen.
November 12th, 2015 at 16:34
“Serie von Pannen und Missverständnissen” – meine Güte, das kann doch mal passieren. Da Menschen nach ihrer Materialeignung bewertet werden, ist das natürlich höchst bedauerlich, aber das kriegen wir sicher auch noch ausgemerzt.
November 12th, 2015 at 23:27
@altautonomer: ein bekannter von mir ist depressiv geworden, weil er immer nur herumhängt, keine interessen hat, von nix ne ahnung. er ist von der lebensleere erdrückt worden.
er fährt noch nicht mal rad.
November 13th, 2015 at 00:43
[eine Angst für Überfremdung
die rechtsextremen von Pegida bis AfD]
@echter “Linksrutsch”: Du raubst einem aber auch jede (noch so naive) ‘Hoffnung’…
November 13th, 2015 at 01:22
@Klaus Baum: Versteh nicht so ganz was das jetzt mit altautos comment zu tun hat. Könntest du das etwas vertiefen bitte?
November 13th, 2015 at 09:02
@Farnsworth
Ich denke, Klaus Baum will damit darauf hinweisen, dass es das Problem tatsächlich gibt, und der altautonome darauf, dass es nicht repräsentativ für alle ist. Ob man vorgelesene Briefe als Missbrauch im Sinne theoretischer Überlegungen in und um einen Arbeitsfetisch betrachten soll, oder evtl. Betroffenen darüber ganz praktisch einfach Gehör verschaffen möchte, ist eine Frage der Interpretation.
November 13th, 2015 at 09:51
Ein Job als Reinigungskraft gegen die Leere des Daseins. Probieren Sie jetzt auch unsere anderen Wunderkuren: ein rostiger Nagel im Fuss gegen Zahnschmerzen, ein dampfender Becher Formaldehyd gegen Mundgeruch und ganz neu: ein Bauchschuss aus der Schrotflinte gegen den Heisshunger zwischendurch.
November 13th, 2015 at 10:06
*pruust*
PS.: Hilft Schrot auch gegen den “kleinen Hunger zwischendurch”?
November 13th, 2015 at 11:40
OT: Rainer Hank zu Besuch bei den Philosophen: Recht auf Einwanderung?
Nur eine Achterbahnfahrt ist schöner. Die hat aber den Vorteil, dass man dort aussteigt, wo man eingestiegen ist.
Die beste Idee der Woche ist für mich aber diese: Integration von Flüchtlingen: CDU-Abgeordnete mahnt Bekenntnis zu deutschen Grundwerten an
[..] dafür müssten die Neuankömmlinge sich zu Werten wie der Gleichberechtigung von Mann und Frau oder der Trennung von Staat und Kirche bekennen. [..]
Von welchem Land reden die?
November 13th, 2015 at 11:50
Du hättest den Hank auf den Kernhalbsatz reduzieren können:
“Wer nicht darauf zählen kann, dass sein Eigentum geachtet wird, der verliert das Vertrauen in die Zukunft: Keine Anstrengung lohnt sich [...]”
*gähn*
p.s.: Neben der üblichen Geschichtsklitterung ist das Geschwurbel allerdings bemerkenswert schwachsinnig.
November 13th, 2015 at 12:00
Hätte er nur auf seinen Vater gehört und wäre Abdecker geworden.
November 13th, 2015 at 15:51
@eb #6: danke, da hab ich irgendwie aufm Schlauch gestanden :-)
Beide Positionen sind ja recht offensichtlich, mir war halt der Sinn von Klaus’ Post ein wenig entgangen.
Januar 10th, 2016 at 01:00
“Eine breite Solidarität sonst konkurrierender Menschen” suche die Politik zu verhindern, lese ich hier. Auf welche Zuwanderer will man da setzen, die das Konzept eines sich kümmernden Staats nicht kennen und wo jemand, der nicht mehr “kann”, entweder von der Familie gestützt wird oder im Straßengraben verreckt?
Januar 10th, 2016 at 01:13
@Martin Konzak
“Konzept eines sich kümmernden Staats”
… sich kümmernder Staat – um wen denn…
Vorschlag: Du gibst bitte in die Suche auch das Schlagwort “Staat” ein.
Das mußt Du natürlich nicht machen, wenn es Dich nicht wirklich interessiert, was Staat ist und wozu er (tatsächlich) da ist.
Es bringt mE nur nichts, sich etwas in einen Begriff zu träumen, was der nicht wirklich hergibt.
Bzw. – statt die Suche kannst Du auch einfach in der rechten Seitenleiste die Kategorie “Staat” aufrufen – es befinden sich derzeit allein hier 26 Posts.
Der Zugang in das Archiv von Feynsinn ist leicht über den Link in der linken Seitenleiste aufzurufen.
Januar 10th, 2016 at 01:30
@ Wat.
Es geht hier wohl wirklich nur um das Pflegen von Selbstvergewisserung im kleinen Kreis.
Wie will man denn jemanden erreichen, wenn man den Leuten da draußen nicht kurz und knapp (kürzer als dein Post) den Knackpunkt einer Aussage benennen kann?
Genau wie ich kurz und knapp mein Problem mit einer Aussage auf den Punkt gebracht habe.
Ich werde das alles lesen und dazu schreiben, ohne jemals jemanden auf irgendwelche Textgruppen zu verweisen, unter denen sich vielleicht Weiterführendes findet.
Und so viel wie Ihr hier untereinander tippt in den Kommentaren – da kann niemand behaupten, dass er des Tippens müde ist.
Januar 10th, 2016 at 02:03
@Martin Konzak
Ich kann nur für mich sprechen:
Ein gewisses Sendungsbewußtsein kann und möchte ich für mich auf gar keinen Fall ausschließen – aber mir geht es tatsächlich vordergründig um Klärung meiner Gedanken und nicht Deiner oder die eines noch anderen.
Deinen Kopf kann nur einer aufmachen, falls der überhaupt zu ist, was nur Du wissen könntest – Du selber.
Wenn ich Dich vorne richtig verstanden habe, suchst Du nach einer Möglichkeit, Dir Deine Welt erhalten oder eine schaffen zu können.
Glaube kaum, daß das einer alleine kann.
Du bräuchtest also Verbündete.
Wie Du vielleicht gemerkt hast – welche für eine Abschottung sind Dir hier nicht in Scharen entgegen gekommen.
Aus meiner Sicht hast du dann mindestens zwei Möglichkeiten.:
Du findest das weiter blöd und schmollst
oder
Du guckst mal warum.
Mich kriegst Du für dieses Ansinnen darum nicht auf Deine Seite, weil ich finde, so ganz trocken betrachtet, geht es mir nicht wirklich anders als den neu dazu gekommenen.
Nicht sie sind meine ‘Gegner’, sondern die, die sowohl die ‘Neuen’ als auch mich so besch… leben lassen.
Alles gut? Dann sei bitte so nett und schreibe, wenn Du weiter schreiben möchtest, in dem aktuellen Thread.
Dieser hat schon einen Bart ;)
Januar 10th, 2016 at 02:25
Ich habe hier nicht nach Zustimmung oder gar Verbündeten gefragt… Ich lese hier nur und stoße auf (für mich) Ungereimtheiten, mit dem Hintergrund von ca. 7 Jahren Nachdenkseiten-Leserschaft, die mir in vielen Punkten keine Antworten gegeben hat.
Wurde ja gerade angewiesen, mich strikter auf den Artikel zu beziehen, unter dem ich was schreibe. Das widerspricht sich mit deiner Bitte, in den aktuellen Thread zu schreiben.
Januar 10th, 2016 at 02:35
Ich bin hier auch nur Gast.
Wenn Du viele Ungereimtheiten zu haben meinst, müssen die ja vielleicht auch nicht in einem Post auf drei Zeilen ‘abgearbeitet’ werden ;)
Mit dem “im Kontext bleiben” habe ich selbst ein Problem, Beulen heilen, wenn man sie sich nicht zu schnell immer wieder an der gleichen Stelle ‘einfängt’.
Jetzt aber erst einmal Gute Nacht – vielleicht bis Morgen.
Januar 10th, 2016 at 11:36
@Martin Kozak : “Auf welche Zuwanderer will man da setzen, die das Konzept eines sich kümmernden Staats nicht kennen” Das sind die Unterstellungen, mit denen du zuwerke gehst. “Die” kennen das nicht, “die” haben daheim einen Polizeistaat, den sie mitbringen, “die” sind soundso. Du redest von zig Millionen Menschen, die alle zu doof sind oder zu unkultiviert hier zu leben, und weil du das so genau weißt, willst du nicht akzeptieren, dass sie hier sind, denn hier ist, wer hierher gehört. Und weil ich das verlängern kann zur “Leitkultur” und zu “Deutschland den Deutschen” will ich Leute wie dich hier nicht haben. Wir denken anders und sind für derart ethnozentrische und vorurteilsbehaftetete Ansätze nicht zu haben. Zumindest mein Server und ich nicht, Du hast das Schlusswort.
Januar 10th, 2016 at 14:58
“Zu doof” und “zu unkultiviert” sind deine, flatters, Worte, nicht meine. Das ist nicht das, was ich denke, wenn ich “anders kultiviert” meine.
Man hat doch auch kein Problem damit, es kritisch zu sehen, wie westliche Einflüsse anderswo wirken. Wieso sollten Einflüsse von anderswo und ihre Kompatibilität aber nicht kritisch gesehen werden?
Wie kann man sich seine Dialektik derart korrumpieren?
Januar 10th, 2016 at 15:22
Wie man sich seine Dialektik korrumpieren kann? Du führst es doch gerade vor, wie Du Erscheinungen ein- und ausblendest, ohne jemals über das wesentliche zu stolpern.
Januar 10th, 2016 at 15:54
Der Säzzer hat die ‘Diskussion’ an dieser Stelle technisch beendet. Es war wie zu erwarten, so wie fast immer: Da kommt einer daher und fragt nicht: “Wie denkst du” und warum oder kritisiert konkrete Gedanken. Da kommt einer und projiziert wild in der Geschichte umher, da werden Menschen Eigenschaften und Fähigkeite zu- und abgesprochen ohne Ansehen der Person, ohne Information oder Analyse – und dann sollen sich aber alle mit dem beschäftigen, was dabei herumkommt. So schlagen hier alle Nase lang Leute auf, die sich meist nachher schreiend über meine Zensur erregen.
Januar 10th, 2016 at 16:27
Alles, was du hier gelesen hast, waren meine Gedanken auf deine Gedanken. Alles Fragen zu deinem Denken.
Aber der Gemeinde wird aus Unsicherheit sicherheitshalber ein Schlussfazit nahegelegt, denn es könnte sich ja nicht selbst ein eigenes gebildet haben – das passt alles…
Wie kann man so bis unter die Schädeldecke von seinem Ego zerfressen sein und es als “das Gute” verkaufen, flatter?
Ich hab das dann mal als Abschluss freigeschaltet. So weit der Dissens. Ist mir zu anstrengend. Säzzer