Konservativ – reaktionär – faschistisch
Posted by flatter under politik[54] Comments
01. Nov 2015 22:00
Man kann Wirklichkeit auf zweierlei Weise verarbeiten, nämlich indem man die Theorie der Realität anpasst oder umgekehrt. Letzteres pflegt Ideologie zu tun, jene religiöse oder quasi religiöse Weltsicht, über die sich Menschen so gern einigen, ohne dass Bagatellen wie Naturgesetze oder geschichtliche Erfahrung die Gemütlichkeit stören.
Ebenso verhält es sich generell mit Systemen. Sie können der Wirklichkeit angepasst werden, umgebaut und revidiert mit den Erfahrungen und Lernprozessen, oder sie passen Menschen und Welt dem System an, was immer auf Gewalt hinausläuft.
Das war schon immer so
Der Konservatismus definiert sich durch den Versuch, das Gegebene unverändert zu lassen, daher neigt er per se dazu, eben die Wirklichkeit dem System anzupassen. Ein konservativer Klassiker ist der Ruf nach “härteren Strafen”, die übrigens gerade dort eine gern gezogenene Option sind, wo es bereits die Todesstrafe gibt. Wer abweicht und sich nicht an die Moral hält, deren Regeln das System vorgibt, muss mit aller Gewalt eingepasst werden. Je mehr Menschen abweichen und je deutlicher sie es tun, desto mehr Gewalt braucht das System, um die Abweichungen zu unterdrücken.
Die Alternative wäre grundsätzlich, das System zu ändern; sein Selbstverständnis, die Wahrnehmung der Realität, die Regeln, die Gewohnheiten. Das kann der Konservative nicht zulassen. Im Gegenteil bildet er eine ganze Kaskade von Filtern, um sich vor Erkenntnissen zu schützen, die seine Ideologie durchbrechen. Auf gar keinen Fall darf der Fall eintreten, dass Grundsätze, auf die sich das System stützt, verändert werden. Dazu gehört aktuell übrigens auch die Geldwirtschaft, aber darauf will ich hier nicht hinaus.
Da kann ja jeder kommen
In der sogenannten “Flüchtlingskrise” ist die Einsicht in die Tatsachen nicht mehr getrübt, sondern komplett blockiert. Allein die Zahl scheint niemand zu verstehen, geschweige denn, was aus ihr folgt. Gehen wir von ca. einer Million Flüchtlingen aus, die es nach Europa schaffen. Wenn ich jemanden einstelle, der nichts anderes tut als denen die Hand zu schütteln und für jeden Ankömmling drei Sekunden braucht, ist der Mann bei einer 40-Stunden Woche ein halbes Jahr beschäftigt.
Jetzt füllen Sie einmal Formulare mit denen aus, übersetzen Sie die, bringen sie die Leute unter, geben ihnen etwas zu essen usf., dann wird schnell deutlich, wie sinnvoll irgendwelche “Beschleunigungsgesetze” sind. Das Verfahren soll in vier Wochen abgeschlossen sein, wenn es Jahre dauert, die heute bereits anstehenden Fälle zu bearbeiten? Prima Idee. Aber das ist noch die gute Nachricht.
Wir tun nur unsere Pflicht
Die schlechte Nachricht ist die vom Sachzwang, der aus dem Fortbestand der bisherigen Regelung folgt. Da sind Millionen unterwegs, und die sollen also abgeschoben werden. Meinen intelligenten Leser/innen ist sofort klar, was das bedeutet, aber ich will es trotzdem ausführen: Man kann keine Millionen abschieben. Sie sind jetzt hier, und wir müssen ihnen geben, was sie brauchen um zu leben; und wenn wir schon dabei sind, könnten wir eigentlich auch anfangen, Menschen generell mit Respekt zu behandeln.
Es gibt nur eine Alternative, und was mich davon abhält zu schreiben: “Es ist unmöglich, diese Menschen abzuschieben”, ist die Kenntnis, dass sie in der jüngeren deutschen Geschichte schon verwirklicht wurde. Doch, das geht. In Zügen. Man pfercht sie massenhaft in Züge und bringt sie fort. Sie werden aber an der Grenze zu Europa nicht die Richtung ändern, also muss man sie mit den Zügen in “Sonderzonen” bringen, zur Sonderbehandlung. Das ist die einzige Möglichkeit, am Grenzregime festzuhalten. Das ist das, was folgt, wenn sich das System der Wirklichkeit verweigert, die es nicht vorhergesehen hat.
November 1st, 2015 at 23:00
Corey Robin (The Reactionary Mind, 2011 bei Oxford University Press) hat den Konservatismus- und rechtes Gedankengut überhaupt- vor allem als eine Ideologie der Macht verstanden. Nach dem Motto: “Wie können wir die Macht zurückgewinnen, die uns der Pöbel seit der (Franz.) Revolution entrissen hat.” Seine These halte ich für ein bisschen zu verallgemeinernd, aber er hat etwas zentrales am “demokratischen” Konservatismus herausgearbeitet: Man gewinnt die Angehörigen des “Volkes” für sich, indem man ihm verspricht selbst herrschen zu dürfen und sich im Privaten Untergebene zu halten: Ob in der Familie, oder in der Firma- oder indem man eben Überlegenheit qua Hautfarbe oder Religionszugehörigkeit ins Spiel bringt. Feudalismus im Kleinen, sozusagen. Freiheit ja, aber nur solange Du Teil der höheren Schichten oder der Elite bist- solange du sie Dir auch “verdient” hast. Seine Analyse ist zwar sehr auf die USA zugeschnitten, aber ich versuche mich gerade an einer Übertragung in deutsche Verhältnisse.
Und ich denke, dass gerade dieser Mechanismus bei der Flüchtlingskrise bei unseren besorgten Bürgern auch zum tragen kommt. Wie können diese dahergelaufenen Typen es wagen, die Luft zu atmen, die uns unsere Herrschenden doch so gnädig zur Verfügung gestellt haben? Es ist ein Gefühl des Verrats. Unsere Eliten sind doch da, für *uns* da zu sein, um *uns* zu beherrschen! Warum überlasst ihr *uns* nicht wenigstens den Platz über den Flüchtlingen und den Ausländern in der Hackordnung (was ja de facto sowieso der Fall ist)?
Ganz unabhängig davon, wie barbarisch weite Teile des Diskurses und die Politik der Regierung sind.
Das könnte erklären, warum man immer mehr pegida-affine Sprüche von ach so braven Bürgern in westdeutschen Universitätsstädten hört.
Aber schönsaufen kann man sich das auch nicht.
November 2nd, 2015 at 07:23
Für den ersten Abschnitt gibt’s eine extra applaudierende Seele für die bisher beste und allgemein veständlichste Zusammenfassung eines mentalen Denk- und Einstellungsproblemes in vielerlei Hinsicht und auch Richtungen. (Das könnte mir sogar wieder eine Art Frieden mit dem Wort System geben können, weil es dieses Wort logischerweise automatisch wieder zum Werkzeug der Menschen macht, und nicht letztere zum Werkzeug von ersterem.)
November 2nd, 2015 at 08:59
Sie scheinen es tatsächlich versuchen zu wollen. Und als VTler könnte man meinen, sie hätten auch schon die Wahlen in der Türkei in diesem Sinne manipuliert. Mussten sie aber wohl selbst auch gar nicht.
@eb – Jedes regelbasierte Zusammenleben von Menschen kann man als ‘System’ bezeichnen, und Regeln werden sich immer bilden, sobald Menschen zusammenleben. Geben sie sich keine formellen, werden halt informelle entstehen. Und ein solches System wird und muss auch immer ‘Beharrungskräfte’ entwicklen, das folgt schon aus dem Begriff der Regel selbst. Ein System wird denn auch immer beides sein, notwendiges ‘Werkzeug’ des Menschen, um zusammenleben zu können, und andererseits den Menschen zum ‘Werkzeug’ seines Selbsterhalts machen. Ein entweder-oder gibt es da nicht, nur Fragen der Balance, der Flexibilität und der Möglichkeit des ‘Paradigmenwechsels’, der es natürlich auch immer mit einer Hierarchie der Regeln zu tun hat. Und diese Hierarchie ist auch das, was insbesondere konservative Politiker gern als ‘unsere Werte‘ bezeichnen. Und die werden um so aggressiver ‘verteidigt’, je mehr sie bröseln. Dabei lernt man dann oft auch erst die wahren Hierachien kennen.
November 2nd, 2015 at 09:34
Und ich störe mich gerade am ersten Absatz: Ideologie als religiöse oder quasi religiöse Weltsicht.
In dieser Interpretation wird Ideologie zum Kampfbegriff; jeder meint, er selbst sei völlig unbehelligt von solcherlei kruder Vorstellungen und der andere nur Opfer seiner Ideologie. Somit vollkommen wertlos als Begriff, da beliebig für sämtliche Unterstellungen verwertbar. Nicht umsonst ist es gerade die kapitalistische Ideologie, die für sich beansprucht ideologiefrei, quasi Naturgesetz zu sein. Und die funktioniert super sowohl mit konservativ als auch reaktionär oder faschistisch.
November 2nd, 2015 at 10:09
@Amike #4
Ich sehe da keinen Widerspruch! Man könnte nämlich auch einer Ideologie anhängen, die an sich selber den Anspruch stellt keine Ideologie zu sein, was vermutlich die schlimmste aller möglichen Ideologien darstellt. ;)
Des weiteren unterscheiden sich Ideologien von z.B. wissenschaftlichen Ansichten darin, dass sie die Wahrheit (besser die theoretischen Grundlagen) für sich in Anspruch nehmen, und nicht immer und immer wieder falsifizieren wie es die Wissenschaft macht.
Ergo: Die Trennung von Ideologie zu einer wissenschaftlichen Theorie macht durchaus einen Sinn, dass erstere deutet auf ein geschlossenes Weltbild, und das zweite (im Ideal) auf ein offenes.
Beste Grüße
November 2nd, 2015 at 10:39
@Peinhard (3)
Jedes regelbasierte Zusammenleben von Menschen kann man als ‘System’ bezeichnen…
Werde ich nicht widersprechen. Die Feinheit liegt im “kann”, – man “muss” nicht. Demgegenüber muss ich einfach die Realitäten einer esoterisch-wissenschaftlich sozio-ökonomischen Vergangenheit der zumindest mal letzten 15 Jahre genauso betrachten, wie das pseudowissenschaftlich-esoterische Pendant, welches sich da so als “alles ist eins” in den gesellschaftlichen Kontext des Begriffes System eingenistet hat. Beides hat schwer religiöse Tendenzen an sich. Ich lehne nicht “partout” Systemdenken ab, aber auf jeden Fall dann, wenn es als analysierendes Denkwerkzeug in der Hand verantwortungsvoller Wissenschaftler mit auch human-ethischem Verantwortungsbewusstsein seine Harmlosigkeit verliert, und stattdessen zum konstruierenden Tempel wird. Will meinen, Systemdenken hat (zur Zeit) selber stellenweise etwas schwer ideologisches an sich.
November 2nd, 2015 at 11:09
@Amike: verstehe ich nicht. Wenn “Ideologie” zum Kampfbegriff wird, kann ich nix dafür, aber Religion und Ideologie eint die Kust ein Weltbild zu schließen. Dass der Kap. meint, ideologefrei zu sein, ist dabei kein
USPAlleinstellungsmerkmal. Jede Religion behauptet das für sich, denn sie vertritt ja bloß den rechten Glauben, den alle anderen verfälschen. Selbst katholische ‘Gelehrte’ haben keine Scheu, sich mit wissenschaftlichen Meriten zu schmücken. Am Ende bleibt aber bei allen immer nur wahr, was wahr sein darf.November 2nd, 2015 at 11:39
“Doch, das geht. In Zügen. Man pfercht sie massenhaft in Züge [...]“ schöner Zug!
Beides dauert lange: Hier oder dort Voraussetzungen schaffen für eine humane Existenz. Das Problem in beiden Fällen: Diese verfickte Transitionsphase!!
November 2nd, 2015 at 11:50
Das muss man ihnen lassen – Gauck, Merkel, de Maizière und jetzt das – täterää:
antifaschistischer schutzwall – diesmal durch verhinderung von zuwanderung, um gewissermaßen vorbeugend/abwehrend die entstehung solchen im innern abzuwenden (pegida usw.), nach dem motto: wie verhindere ich faschisten? – na, indem ich mich selbst wie ein solcher verhalte, ohne mich als solcher zu bezeichnen oder als solcher bezeichnet werden zu können.
auffang- und abschiebezentren, incl. hygienevorrichtungen – an den grenzen, denn: aus den augen, aus dem sinn und alles ganz sauber geregelt.
sonderbehandlungsverfahren – an den grenzen, im verfahren selbst sind diverse abstufungen möglich, man ist schließlich humanist und legt als solcher fest, wer noch als mensch gelten darf.
schießbefehl – diesmal konsensfähig, weil, wenn er sich auch gegen flüchtlinge richtet, so sind es dieses mal doch nicht flüchtlinge als republikflüchtlinge, sondern flüchtlinge als republikeindringlinge, auf die man dann schießen darf – terrorabwehr.
Ein fortschritt ist unverkennbar, ein feuerwerk deutschen, humanistisch geprägten volksgeschmeißschaftsdenkens, das an den stammtischen, das abfeuern vorwegnehmend, abgefeiert werden wird, nachdem es nun nicht mehr so herrlich kommod möglich ist, die zuwanderung nach Deutschland mittels wassergraben und anrainerstaaten aufzuhalten.
Im besten, angestrebten, fall finanziert man dann eben die zu errichtenden FKZ in den mittelmeer-anrainerstaaten, wäre irgendwie auch schöner, den schreibtischtäter kann man ja, nicht umsonst genießt man schließlich den ruf nahezu perfekter organisation und leisten kann man sich’s – ist auch sauberer.
Und das beste, dieses mal darf die spd mitmachen, die grünen haben immerhin bauchschmerzen, lassen die anderen aber gerne machen – innere emigration quasi.
Kleiner sarkasmusunfall.
November 2nd, 2015 at 14:11
@eb – Ja, das ist diese Art Systemdenken, das die ‘erste’, tatsächlich ‘gegebene’ Natur mit der ‘zweiten’, der gesellschaftlichen und daher von den Menschen selbst ‘gemachten’ Natur verwechselt bzw beide einfach gleichsetzt. Mit der schönen und in gewissen Kreisen natürlich sehr beliebten Folge, dass die zweite Natur als ebenso ‘unveränderlich’ und ‘gottgegeben’ erscheint wie die erste. Das ist aber wie gesagt keine notwendige Folge des Denkens in ‘Systemen’.
November 2nd, 2015 at 14:42
@Peinhart
Sagen wir, es ist eine Folge des momentanen Denkens in Systemen, welches in jeder Art und Weise nun überhaupt nichts mehr mit den strengen wissenschaftlichen Dogmen ernsthafter Systemtheorie zu tun hat. Systemtheorie gehört in die Hände von Naturwissenschaftlern. Dort kommt sie her und dort sollte sie auch bleiben. In den Händen von Soziologen wie auch Managern z.B. kann sie nur konstruktiven Charakter mit eigeninterpretativen Verfälschungen eines Handwerkszeuges bekommen, welches diesen Sinn niemals angestrebt hatte. Die logische Alternative wäre allenfalls eine Systemtheorie mit Subjektivbegriff zu etablieren, welches sie automatisch als Nicht-Systemtheorie wieder disqualifiziert. Das ist das Problem. Die Logik ist ganz einfach, es gibt keine objektive Sicht auf das Innere eines Systems aus diesem Inneren des Systems. Was zur Folge hat, dass sich trotzdem jeder des objektiven Flairs davon bedient. Eine Rekursion erster Klasse mit destruktiver Wirkung.
November 2nd, 2015 at 16:40
@eb – Ich denke, darauf können wir uns für’s erste problemlos einigen. ;)
November 2nd, 2015 at 17:45
@Peinhard
Absolut ;-)
November 2nd, 2015 at 17:53
“Sie sind jetzt hier, und wir müssen ihnen geben, was sie brauchen um zu leben; und wenn wir schon dabei sind, könnten wir eigentlich auch anfangen, Menschen generell mit Respekt zu behandeln.”
Wäre doch zu schön.
Dazu passt auch dieses Streitgespräch vom 28.10.15, FR
http://tinyurl.com/o69uwh3
“Hartz IV abschaffen und jedem Bürger 1000 Euro im Monat zahlen: Macht das bedingungslose Grundeinkommen frei? Oder macht es faul? Ein Streitgespräch mit dem Linken Riexinger und dem Grünen Strengmann-Kuhn.”
November 2nd, 2015 at 18:28
Tagesspiegel-Autor Helmut Schümann angegriffen
Tagesspiegel-Autor Helmut Schümann wurde in Charlottenburg als “linke Drecksau” beschimpft und geschlagen. Immer wieder positioniert er sich in der Flüchtlingsdebatte klar. [..]
November 2nd, 2015 at 18:48
@Leselotte: ich habe mal die ersten Zeilen gelesen und mir angeschaut, wie die beiden innerhalb des Systems von Wand zu Wand rennen anstatt die Tür aufzumachen. Traurig.
November 2nd, 2015 at 19:35
Naja, immerhin hat der Riexinger schon mal folgende ‘Vision’: “Nur in einem System, in dem demokratisch festgelegt wird, was wie produziert wird und wie das Verhältnis zwischen Arbeit und Leben ausgestaltet ist, nur in solchen Verhältnissen können und wollen alle an gesellschaftlicher Arbeitsorganisation teilnehmen.” Ansonsten würden mir die hier genannten, von vornherein streng systemkonformen Vorschläge für’s allererste ja auch schon mal reichen. Sie sind, so winzig die Schritte auch wären, ohnehin unwahrscheinlich genug. Insgesamt aber kein schlechter Artikel zum dran reiben…
November 2nd, 2015 at 19:46
Ach komm: “Es müssen flächendeckend existenzsichernde Löhne ausgezahlt werden. Und auch eine deutliche Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich wäre durch den produktiven Fortschritt möglich” Gähn! Es sind auch gelbe Quietscheentchen und Schipse für alle möglich, aber irgendwie kommt es nie dazu. Wir sollten eine Petition starten!
November 2nd, 2015 at 19:56
@Peinhart: Mao-am? (Ich find’ mich gerade witzig.)
November 2nd, 2015 at 20:00
Jo, vieles ist möglich. Die ausfallenden Titel müssen ersetzt werden…ein schuldenfinanziertes Grundeinkommen?
November 2nd, 2015 at 20:04
@langlode44: Es gab da mal einen bei der fed, der meinte, dass man Geld aus Helikoptern abwerfen müsse. Wenn’s hilft, warum nicht?
Seit ’71 wurde alles geändert, nur nicht der Begriff der Schulden. Das ist der Fehler! Die Vollgeld-Befürworter haben nicht kapiert, dass man die Idee verschieden auslegen kann.
November 2nd, 2015 at 20:09
Ich bin heute mal äußerst genügsam. Man gebe mir ein Quietscheentchen.
November 2nd, 2015 at 20:14
Richtig, Ben Bernanke war das.
Ob die Vollgeld-Vollpfosten oder die Schwundgeldheinis(
dass das Geld längst an der Schwindsucht leidet sehen die nich ma), mit dem Begriff Bilanz können die nichts anfangen, und über Lohnarbeit reden geht gar nich…
Meine Bier-App wurde von aussen aktiviert…
November 2nd, 2015 at 20:21
@langlode44: Prost!
November 2nd, 2015 at 23:14
@Peinhart #17 – Der Riexinger sagt aber auch, “Ein nichtkapitalistisches, sozialistisches System heißt, dass es eine gemeinschaftliche Verfügung über die Produktionsmittel und die gesellschaftliche Organisation gibt. Das würde ermöglichen, dass die Menschen tatsächlich gesellschaftlich bestimmen, wie lange sie arbeiten wollen und wie sie die Früchte ihrer Arbeit verteilen. Das geht nicht mit dem Grundeinkommen, das setzt ja, um sich zu finanzieren, weiterhin auf Lohnarbeit.“, und genau da liegt halt der Hase im Pfeffer, während alle streng systemkonformen Vorschläge zwar fortlaufend von ‘Gemeinwohl’ etc schwafeln, aber immer unterschlagen, dass es im Kap stets nur um Privateigentum geht, und deswegen ‘Sozialleistungen’ allenfalls unter Kosten aufgelistet werden. Warum die überhaupt ‘notwendig’ sind, wird dagegen niemals thematisiert.
November 2nd, 2015 at 23:29
Wenn ich dann frage, wie sich das mit der von mir zitierten Passage verträgt, macht mich das wirr. Der Weg dorthin soll demnach die illusorische Rückkehr in 80er-Jahre-Gerwerkschaftsideen sein, auf die dann die Übernahme der Produktionsmittel folgen soll? Das ist doch komplett bescheuert, denn es hieße, innerhalb des Systems anzusetzen, das mit allen Mitteln beides verhindert, um dann außerhalb des Systems zu landen; oder hab ich da nen Haken im Hirn?
November 3rd, 2015 at 00:00
@flatter(26)
“…; oder hab ich da nen Haken im Hirn?”
Ich denke: JA.
Jedenfalls dann, wenn Du außerhalb eines Systems anfangen willst, in dem ‘Du’ noch bist.
‘Dich’ selbst mußt Du ja mE auch ‘mit rüber kriegen’.
Was weißt Du von dem “anders” außer, daß es anders gehen muß, weil es hier nicht ‘geht’?
Weißt ‘Du’ darum schon, wie das andere tatsächlich ginge?
Ich denke mal: nicht mal wirklich theoretisch und praktisch schon gar nicht.
Zumal das nicht nur von einem ‘Dir’ abhängt – jedenfalls ein “anders” nach meiner Vorstellung von vielen, vielen anderen abhängig ist und was sie wie möchten und können.
Immer noch mein Fazit:
Es geht nur hier drin mit Anfangen, bis das System hier unsere Art zu leben eben nicht mehr ‘auffangen und einfangen’ kann und wir ihm dann endlich ‘nen Fußtritt verpassen können.
Weil wir was anderes können; nicht nur wollen (sollen).
Btw. Was für Dich 80-er Jahre Gewerkschaftsideen sind, weiß ich nicht – wenn’s wichtig ist, erkläre es mir bitte.
November 3rd, 2015 at 00:14
Das ‘Außerhalb` ist schlicht konkrete Negation: Es geht nicht so. Jeder Ansatz innerhalb des Systems wird vom System gefressen. Sich einzubilden, innerhalb des Systems sich dem Außerhalb zu nähern, ist bestenfalls Sozialdemokratie.
Dein Ansatz ist die Aufforderung zu ‘konstruktiver Kritik’. Der verweigere ich mich in dem Bewusstsein des Krieges, der längst tobt. Wir können natürlich auch ein paar Genossenschaften in Syrien finanzieren.
Ich weiß nicht, was nach dem Ende dieses Systems kommt, aber darin ist nichts als dasselbe. Es kann nicht einmal Erfahrungen geben, die nicht verseucht sind durch den falschen Zustand.
In den 80ern haben die Westgewerkschaften für die 30(/35)-Stunden-Woche agitiert. Was kam, war Lambsdorff-Schröder-Westerwelle. Da brauch ich nen Eimer, wenn mir heute wer damit kommt.
November 3rd, 2015 at 08:46
Sorry, ich muß gleich los, deshalb jetzt nur kurz:
Wenn Du erlebst und weißt, daß es mit Lohnarbeit und Warenwirtschaft (Tausch) nicht geht, weißt Du darum schon konkret wie es ohne das beides geht?
Wissen es ‘die anderen’, die Du dazu brauchst?
Du kannst Dir nichts, was heute Leben ausmacht, allein machen…
Wie erfahren sie davon.
Interessiert irgendwie, ob ‘die anderen’ vielleicht was anderes wollen als Du?
Auch unter der ‘Maßgabe’ ebenfalls keine Lohnarbeit umd Warenwirtschaft (mehr) zu wollen, gibt es mehr als eine Variante, wie sie sich das dann vorstellen…
“Du” meint wieder nicht unbedingt Deine Person und ein Machtvakuum gäbe es zu keinem Zeitpunkt lange genug, um das ausdiskutieren zu können.
Lambsdorff-Westerwelle konnten noch kommen und würden immer wieder solange kommen, wie wir uns das gefallen lassen (müssen), weil wir selbst mit unseren ‘Gedärmen’ immer noch in diesem System verhaftet sind. Die äußere Hülle des jetzigen Systems ist da sogar so was wie unwesentlich.
November 3rd, 2015 at 09:23
OT: Mal als Hinweis für alle Windows-Nutzer:
http://www.gulli.com/news/26715-windows-10-wird-bald-zu-einem-automatischen-update-2015-10-30
Hat jemand mal Pappnasen und Papphüte zur Hand?
November 3rd, 2015 at 09:53
abstraktes Plädoyer fürs Festhalten an der Revolution
“Logische Konsequenz aus der Geschichte ist die Revolution nur unter der Voraussetzung, dass ein historisches Subjekt bereits existiert. Die Existenz dieses Subjekts ist aber ihrerseits nicht logisch zu begruenden. Weil die Voraussetzungen von Geschichte immer idiotisch sind und der wirkliche Eintritt der Menschheit in die Geschichte dies nicht mehr sein soll, klafft zwischen beiden auch eine rational nicht ueberbrueckbare Luecke. Die Revolution setzt immer die Menschheit als historisches Subjekt schon voraus, obwohl sie dies erst in der Revolution wirklich werden kann. Die Konstitution der Menschheit zum historischen Subjekt bleibt also immer ein Stueck Usurpation, Antizipation, Spekulation – ein Sprung ins kalte Wasser.”
Der Witz ist nur, solange ökonomisch Konkurrenz herrscht, ist ‘Menschheit’ selber eine Abstraktion, weil das ‘automatische Subjekt’ stets Menschen wenigstens als ‘Funktionäre’ bedarf, wenngleich nicht alle.
November 3rd, 2015 at 11:29
Es wird sich erst ändern, wenn der Alltag für eine gewichtige Menge nicht mehr lebbar ist, wenn sie ‘raus wollen, irgendwie nur noch ‘raus. Das ist für mich der Teil aus dem alten Marx, zu dem mir nichts besseres einfällt. Keine Idee zieht aus dem gelebten Leben heraus, die nicht vom Drang “Hinaus!” selbst erst angetrieben ist. Erst kommt das Bedürfnis, dann der Ausdruck als Wunsch, Erwartung, Hoffnung, Vision, Idee. Da wir, wenn wir wissen, zuerst und vorderhand nur von unserem Ausdruck wissen, sieht es so aus, als wäre der auch das Erste; er folgt aber. Im Unterbewußtsein muß es schon wühlen, sonst ändert sich nichts.
Vielleicht kommen die im gegenwärtigen Biedermeier eingeschlafenen ‘Mittelschichten’ doch auch mal zur Ahnung, daß sie eigentlich hier raus wollen. Sowas wie erste Zeichen gibts wieder, auch nach Schirmacher, in der faz, z. B.: http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/neoliberalismus-das-gespenst-der-totalen-durchoekonomisierung-13874301-p4.html?printPagedArticle=true#pageIndex_4
November 3rd, 2015 at 11:44
@Samson: Ich kann in der zitierten Geschichte den Sinn nicht erfassen, das liegt vermutlich an einem Geschichtsbegriff, der “logische Konesequenzen” erlaubt und mit einem definierbaren Kollektivsubjekt hantiert (unabhängig von der situation, in der sich Kollektive bilden). Kann ich nichts mit anfangen. Hingewiesen sei noch auf den Autor, der es für eine gute Idee hielt, wenn Israel Irak mit Atombomben angriffe.
November 3rd, 2015 at 11:45
@Wat.: Ich habe einen ganzen Schrank voller Ideen, aber die sind erst relevant, wenn sich die Gelegenheit zur Verwirklichung ergibt. Bis dahin diskutiere ich sie hier.
November 3rd, 2015 at 12:57
@flatter: Der verwendete Geschichtsbegriff reflektiert m.E. den Histomat, den muss man ja nicht teilen. Entscheidend ist m.E. der Verweis zum Schluss, warum man überhaupt auf Marx’ Theorie zurückgreifen muss, wenn man das Kapital begreifen will. Bezüglich des Autors würde ich differenzieren, der Text entstand m.W. Ende der 70er Jahre, als er vermutlich noch nicht der Zyniker war, der er später wurde.
Man kann umgekehrt ja auch die Frage stellen, warum Marx den in den ‘Frühschriften’ benutzten Begriff des Gattungswesens spätestens aufgab, als er von der Notwendigkeit einer proletarischen Revolution ausging. Genau die lässt sich indes schlecht theoretisch begründen, und erst recht nicht vorhersagen, welche Form sie hat. Irgendein Palais zu stürmen und ein paar Regierungsmitglieder zu verhaften, ist eben nur eine Variante, die übrigens die Gegenseite gelegentlich auch gern praktiziert …
Btw, ich halte die “Theorie des Gebrauchswerts” immer noch für lesenswert, gerade für Leute, die meinen, mit ‘Stadtteilarbeit’ oder Genossenschaften in Syrien oder ‘Biogemüse’ die Welt verbessern zu können.
November 3rd, 2015 at 13:40
Ich halte das ganze marx(isti)sche Revolutionsgedöns für weitgehend unausgegoren, freundlich formuliert, und bleibe daher bei der brillanten Analyse.
November 3rd, 2015 at 14:45
Und ich gebe in Bezug auf die Analyse Pohrt recht: “Ueber die Kontinuitaet zwischen politischer Oekonomie und Kritik der politischen Oekonomie ist hier wieder der Bruch nicht zu vergessen, und als Bruch ist hier zu verstehen der Entschluss des revolutionaeren Schreibtischsubjekts, sich mit keinen Verhaeltnissen abfinden zu wollen, welche den Menschen unterdruecken, ausbeuten, quaelen, verdummen, entmuendigen.”
In Forderungen nach Grundeinkommen spielt das aber ebenso wenig eine Rolle, wie dem Durchschnittsverdiener zu vermitteln ist, was analytisch Ausbeutung ist
November 3rd, 2015 at 15:06
ot
Wenn das nach den “gendertrötenexzessen” (oder ist das bestandteil selbiger?) hier auch noch los geht, gute nacht (via fefe): Colleges are the new helicopter parents, places where the quest for emotional safety and psychic healing leads not to learning, but regression.
November 3rd, 2015 at 16:00
Ich denke nicht, dass derartiges Herrengetue von Pseudolinken allzu weit vordringt hier, aber es ist schon dumm genug, wenn an Unis z.T. Dozenten von 18-Jährigen beurteilt werden (ohne dass die dabei jedwede Kriterien einhalten müssten) statt umgekehrt. Diese Form des Likens nennen sie dann ernsthaft “Evaluation”.
November 3rd, 2015 at 16:41
Passend zum Thread-Titel Staatsstreich ad hoc
November 3rd, 2015 at 21:00
@flatter(34)
“Ich habe einen ganzen Schrank voller Ideen, aber die sind erst relevant, wenn sich die Gelegenheit zur Verwirklichung ergibt. Bis dahin diskutiere ich sie hier.”
Sollte ich was dagegen haben? Ich wüßte weder was noch warum…
November 3rd, 2015 at 22:17
Habe ich das behauptet?
November 4th, 2015 at 08:55
Ich hatte Deine Reaktion nicht verstanden und deshalb nachgefragt ;)
November 4th, 2015 at 09:44
@samson #40.
»Im Rahmen meiner verfassungsmäßigen Befugnisse ist es meine Pflicht, alles zu tun, damit keine falschen Signale an die Finanzinstitute, Investoren und Märkte gesandt werden.« Sieh an, sieh an, Finanz, Investment, Märkte. (Wie ist es eigentlich mit Signalen an die Wähler? )
Ich konnte Oswald Spengler nie recht leiden und bin wenig erfreut, sehen zu müssen, daß er wohl in einem recht hatte: nach der Demokratie kommt (in seinem Kreislauf der Verfassungen) die Plutokratie.
November 4th, 2015 at 12:14
@kalo #44:
Das Zitat belegt m.E. eher die These vom Rauschebart, wonach der Überbau sich auf die ökonomische Basis gründet, und demgemäß der sog. ‘Wählerwille’ bloße Einbildung ist (das [ökonomische] Sein bestimmt das [gesellschaftliche] Bewusstsein).
Relativ neu ist eher der quasi vorauseilende Gehorsam. Bis vor paar Jahren musste die (geopolitische) Herrschaft hinterher gewaltsam intervenieren, wenn irgendwo jemand wagte, aus der Reihe zu tanzen (die Latte der Kriege / Militärputsche hier aufzuzählen ist mir zu lang). Jetzt bewerkstelligen die Vasallen sowas selber und können offenbar davon ausgehen, mit keinerlei Gegenwehr rechnen zu müssen. Es gab in der Vergangenheit ‘geringere’ Anlässe für Generalstreiks. Aber seit sich die Leute (offenbar nicht nur in D) primär als ‘Staatsbürger’ verstehen, ist das womöglich passé.
@flatter betr. “das ganze marx(isti)sche Revolutionsgedöns”
Zwischen dem Wissenschaftler und dem Revolutionär ist nicht zu trennen, siehe Zirkularbrief an Bebel, Liebknecht, Bracke u.a.
November 4th, 2015 at 13:06
Für mich ist da zu trennen, wo die Qualität der Theorie divergiert. Es ist auch ganz logisch, dass eine gute Analyse belastbarer ist als selbst der beste Entwurf.
November 4th, 2015 at 13:30
#45,46
Da läßt sich doch sicher etwas aus dem Umstand machen, daß bei Marx erstens die evolutionäre “Reifung” einer Gesellschaftsformation etwas unverbunden neben der revolutionären Umwälzung steht (hier sind doch zwei Gedankenwelten miteinander verschweißt, das liberale Verständnis von autonomer Entwicklung des Gesellschaftskörpers und das proletarische von direkt-praktischer Aktion, etwas kurz gesagt) und zweitens, selbst bei Richtigkeit des Revolutionsmusters in der Abfolge der Gesellschaftsformationen, doch die Ablösung der kapitalistischen Gesellschaftsverfassung nicht von einer der beiden beteiligten Klassen ausgeführt werden konnte. Die Sklavenhaltergesellschaft ist nicht durch Revolution der Sklaven beendet worden und die Feudalgesellschaft nicht durch Revolution der Bauern. Es hatte sich jedesmal etwas Drittes ausgebildet. Nach dem zu suchen, scheint mir fruchtbar. Dort müßte auch das kommende ‘Subjekt’ zu finden sein.
Daher meine Auffassung, daß sich in der Auflösung des Verhältnisses Kapital-Lohnarbeit ein anderes soziales Verhältnis ausbilden müßte, was dasselbe wie die Ausbildung neuer Verhaltensmuster und -imperative wäre. Sein Entstehen müßte dadurch sichtbar werden, daß sich massenhaft der Drang zeigte, die alten Zwänge, Nötigungen, Verhaltensmuster abzustreifen, aus einem unsichtbaren Käfig ausbrechen zu wollen. Wie weit man das ‘innerhalb’ oder ‘außerhalb’ des Systems angesiedelt sieht, wäre mir dann eine müßige Frage. (Ich halte etwas von der analytischen Tauglichkeit des von Marx angeeigneten Aspekts des Hegelschen “Widerspruchs”, oder bei Bloch dann “Ungleichzeitigkeit”; hier sehe ich Angebote, das Entstehen des Neuen inmitten des Status quo zu denken.)
Vielleicht ist der Austragungsort der Kampf um die freie Zeit? (So, wie die Proletarier seit dem 19. Jahrhundert um die Teilhabe an den Gütern und Dienstleistungen kämpften, die sie selbst herstellten, müßten wir – als Elemente des kommenden Subjekts – um die Teilhabe an freier Zeit kämpfen, die wir durch unser Funktionieren in der hochindustrialisierten Wirtschaft mitproduzieren?)
November 4th, 2015 at 13:53
“Die Sklavenhaltergesellschaft ist nicht durch Revolution der Sklaven beendet worden und die Feudalgesellschaft nicht durch Revolution der Bauern.”
Stimmt, aber immerhin haben die sich gewehrt, und ihre Kämpfe (meist aufgrund schlechter Bewaffnung) eben verloren. Von den neuzeitlichen ‘Proleten’ kann man das nicht (mehr) sagen, die berufen sich auf ihr ‘Recht’ als ‘Staatsbürger’ und beklagen sich andauernd bei Instanzen, die für ihre Belange gar nicht zuständig sind.
November 4th, 2015 at 14:40
“Vielleicht ist der Austragungsort der Kampf um die freie Zeit?”
Die haben doch gerade diejenigen, die vom Kapital nicht
verwurstetverwertet werden, nahezu im Überfluss. Blöd halt nur, dass die damit herzlich wenig anfangen könnenNovember 4th, 2015 at 15:02
Haben sie? Ich stehe gerade vor der Entscheidung, den nämlichen Antrag nicht zu stellen (also eigentlich danach, denn das ist keine Option für mich). Das Wissen, dass sie dich beobachten, dir jedes Geschenk abnehmen werden, dich hinzitieren können und dich zwingen, etwas zu tun, mit dem du dich selbst Demütigst, das lässt doch keine Sekunde ‘Zeit’ übrig, das ist Dauerfolter 24/7, bis du die Methode gefunden hast, dich total zu betäuben. Dann steht die Zeit still. Fuck it!
November 4th, 2015 at 16:30
“Dann steht die Zeit still. Fuck it!”
Yep, nur ändert sich durchs Abwägen von Optionen halt nix, weil die eben lediglich Varianten von Sich-einrichten-in-beschissenen-Verhältnissen beinhalten. ‘Disponible time” hat eben paar materielle Voraussetzungen, die man nicht so ohne weiteres einklagen kann. Nicht mal, wenn sie von-wem-auch-immer mit hirnrissigen Begründungen (die allesamt gewaltbasiert daherkommen) verweigert werden.
November 4th, 2015 at 21:27
#51
Glaube nicht, dass Abwägen von Optionen immer nur innerhalb der Vorgaben liegt. “Überschreiten” kann auch eine Option sein.
“Disposable time” (©Horst) scheint ihre ‘materiellen’ Bedingungen doch wohl in sog. Machtverhältnissen zu haben. Das alte Verhängnis, dass der Fortschritt “jenem heidnischen Götzen gleicht, der den Nektar nur aus den Schädeln Erschlagener trinken wollte”, scheint nicht aufgehoben, nur abgemildert. Jetzt wird die freie Zeit, der Luxus des menschlichen Lebens, zum Mangel an Anrechten auf Lebensmittel und Anerkennungswürdigkeit gemacht. Ich kann nichts besseres als Marx’ Vermutung finden, dass die geschichtliche Aufgabe des Bürgertums darin bestehe, alle Quellen des Reichtums zu erschließen – aber mit dem Reichtum zuletzt nichts anfangen zu können. Unsere Lage sieht mir verdammt so aus, das der wahnsinnig produktive Kapitalismus Potentiale erzeugt, die er gleich wieder stillstellen muß, weil sie seine Selbsterhaltung gefährden. Und wir überqualifizierten Überflüssigen sind Symptom dessen. Unter anderem/anderen.
November 7th, 2015 at 01:48
#45 letzter satz
Über dem wissenschaftler (analytiker des kapitalismus), revolutionär (“sarkastischen” kritiker des sozialdemokratischen reformismus) wollen wir, na, jedenfalls ich, den menschen Marx nicht vergessen, mit all seinen ‘fehlern’, “gefangen” in seinen hoffnungen, wünschen, erwartungen, projektionen, träumen (wie wohl ein jeder, zumindest gelegentlich mal, wie anders wäre die realität auszuhalten), in denen das proletariat qua eines resultates seiner analyse ‘objektiv’ träger der revolution hin zur “erlösten” gesellschaft sein musste. Daraus auch resultierte die, bei aller sympathie, die ich für selbige hege, überhöhung/verklärung der zum scheitern verurteilten Pariser Kommune, – tausende tote und der bourgeois saß, während noch gemordet wurde, kaffee trinkend auf den (pracht)boulevards; will sagen: der mensch lebt so 50-70 jahre ‘bewußt’ und hofft die entscheidende veränderung zum besseren noch zu erleben, da ist die revolutionäre geduld dann nicht jedermanns sache (frau ist mitgemeint). Da war der olle Marx nicht anders.
Ja, was möchten und erträumen wir nicht alles und am ende geht es uns wie im märchen, das erzählt wird, wie könnte es anders sein, von der
“GROSSMUTTER: Es war einmal ein arm Kind und hat kein Vater und keine Mutter war Alles todt und war Niemand mehr auf der Welt. Alles todt, und es ist hingangen und hat gerrt Tag und Nacht. Und wie auf die Erd Niemand mehr war, wollt’s in Himmel gehn, und der Mond guckt es so freundlich an und wie’s endlich zum Mond kam, war’s ein Stück faul Holz und da ist es zur Sonn gangen und wie’s zur Sonn kam, war’s eine verwelkte Sonnenblume und wie’s zu den Sternen kam, warens kleine goldne Mücken die waren angesteckt wie der Neuntödter sie auf die Schlehen steckt und wie’s wieder auf die Erd wollt, war die Erd ein umgestürzter Hafen und war ganz allein und da hat sich’s hingesetzt und gerrt und da sitzt es noch und ist ganz allein.”
Georg Büchner, Woyzeck
Januar 10th, 2016 at 01:52
“… ist der Mann bei einer 40-Stunden Woche ein halbes Jahr beschäftigt.
Jetzt füllen Sie einmal Formulare mit denen aus, übersetzen Sie die, bringen sie die Leute unter, geben ihnen etwas zu essen usf.”
Ein unlösbares (“Jetzt füllen Sie einmal…”) zumindest riesengewaltiges Kapazitätsproblem wird da also gesehen.
Als Lösungsrezept wird ein paar Ebenen höher in die oberste universelle Schublade gefasst: Respekt ist es, was jede Kapazität bewältigen lässt. Wenn wir nur lieb sind, dann geht alles. ALLES.
Schnüff. Ich möchte auch wieder so naiv sein wie du, flatter.