Faschismus, Mafia, Kapital vs. Selbstbestimmung
Posted by flatter under theorie[54] Comments
14. Okt 2015 12:00
Die Geschichte Italiens als eine der antikommunistischen Koalition zwischen Mafia, dem Geheimdienst des Kapitals und den Faschisten ist ein gutes Beispiel für das Zusammenspiel der Kräfte, die einer schieren Logik folgen. Es geht eben um Macht, und mit dem Kapital, mafiösen Strukturen und dem Faschismus haben wir alle Machtstrategien beisammen, die keine Rücksicht auf etwas anderes nehmen als den Erhalt der eigenen Macht und Position.
Die oft regionalen Mafiagangs und -Clans unterwerfen sich keinem staatlichen Gesetz, erkennen weder das Recht auf Leben an noch sonst eines außer der Treue zum eigenen Verein. Selbst das grenzt freilich dort, wo die Karriere nur durch den Mord an einem Familienmitglied voran geht. Das Kapital kennt kein anderes Gesetz als dass es sich vermehren muss. Wo es an Grenzen stößt, werden diese abgeräumt. Ein Ende der Verwertung ist nicht denkbar. Der Faschismus schließlich ist die Form staatlicher Macht, in der die herrschende Partei nach Gusto Macht gegen alle ausübt, die sie zum Feind erklärt. Dabei ist jedes Mittel recht.
Nutze die Macht
Alle drei Strategien bedienen sich des Staates, um ihre Macht zu festigen. Die Mafia erpresst Amtsträger, ermordet sie oder schmiert sie. Der Faschismus übernimmt ihn zur Gänze, um Gesetze zu erlassen, die keinem Rechtssystem folgen, sondern eben den Interessen der Partei. Das Kapital lässt sich vom Staat die Infrastruktur hinstellen und das Eigentum schützen, korrumpiert und bedroht Amtsinhaber und Parteien mit wirtschaftlichen Mitteln und verwertet Staatseigentum.
Wo diese Kräfte einig sind, herrscht der blanke Terror, und nur die Macht selbst kann das Spiel beenden, indem die Mächtigen übereinander herfallen oder sie die Ressourcen zerstören, von denen sie leben. Dafür sorgt wiederum schon das Kapital, das in der späten Phase nur mehr Verwertung als Vernichtung der Konkurrenz zulässt und die Zitrone quetscht bis zum letzten Tropfen.
Was widersteht
Was dem widersteht, ist allein die Kraft von Kollektiven, die sich gegen die Sklaverei stellen, die wiederum logisch aus solcher Herrschaft folgt. Daher ist der Kommunismus der natürliche Feind dieser Konglomerate. Berlusconi sah überall Kommunisten, wo ihm wer nicht passte, obwohl es längst keine mehr gab. Wer den Verbrecher einen nannte, war nicht etwa Bürger, sondern “Kommunist”, weil er gegen den “Wettbewerb” der Stärksten ist. Die Idee der Selbstbestimmung ist daher nur in starken Kollektiven zu verwirklichen, die nicht aus Egoismus, Machtstreben oder Verwertungszwang zusammen finden, sondern durch soziale Bindungen.
Gruppen, Kommunen, Regionen, die gemeinsam ihr Leben planen, besorgen und die nötige Produktion dazu aufbauen, lassen sich nicht von Geld oder Gangs knechten. Die Idee des Kommunismus – nicht das, was die KP daraus gemacht hat – ist der Erzfeind der Konkurrenz um Macht und Geld, das wissen diejenigen, die davon profitieren. Selbst die kommunistischen Staatsparteien und ihre machtbesessenen Führer sind Gegner, wenn sie sich so gar nicht korrumpieren lassen wollen.
Wer bestimmt wen
Wie sich aber vor allem in China zeigt, sind solche Staatsmonstren durchaus dem Kapital zugewandt, weil sie eben keine Gesellschaft selbstbestimmter Kollektive sind, sondern Staatsmächte unter der Herrschaft einer Parteielite. Hier muss sich der Realsozialismus absolut die Analogie zum Faschismus gefallen lassen. Dadurch ist das noch lange nicht dasselbe, aber die bürgerliche Kritik, dass diese Ideologie den Staat instrumentalisiert, trifft zu. Dumm allerdings, dass der bürgerliche Staat seinerseits dasselbe mit anderen Strategien veranstaltet.
Eine Selbstbestimmung der Menschen ist nicht möglich ohne Kollektive, in denen diese Selbstbestimmung verwirklicht wird. Alles andere ist jene “Freiwilligkeit”, die zwischen Pest und Cholera ‘wählen’ darf oder sich eben so weit selbst bestimmt wie sie die Macht hat, andere zu unterwerfen. Diese ‘Selbstbestimmung’, wie sie der Kapitalismus anpreist, ist unmittelbar Fremdbestimmung. Sie ist die Chance für jeden, aber nicht für alle. So etwas läuft immer auf Hierarchien, Eliteherrschaft und Brutalität hinaus.
Oktober 14th, 2015 at 13:32
Zu klären wären die Bedingungen, die ein Kollektiv erfüllen muss, um Selbstbestimmung wirklich zuzulassen. Der Vorwurf des ‘Kollektivismus’ deutet nicht von ungefähr in die entgegengesetzte Richtung.
Oktober 14th, 2015 at 13:43
Ich gaube, dass er tatsächlich aus schlechten Gründen “in die entgegengesetzte Richtung” deutet. Es gibt keine ‘Freiheit des Einzelnen’ ohne den Rückhalt des Kollektivs. Das muss immer ausbalanciert werden, und uns wird seit Jahrzehten suggeriert, das Kollektiv sei Hort der Unfreiheit.
edith: Hier ein Auszug aus meinem Dings dazu:
“Aus stabilen Kollektiven heraus war erst die Möglichkeit für Einzelne entstanden, Freiheit zu genießen. Die Möglichkeit zur Rückkehr ins Kollektiv war Voraussetzung für Alleingänge, die dem Kollektiv Erfahrungen ermöglichte, die es als Ganzes nur über die Berichte Einzelner zu machen imstande war. Riskante Abenteuer waren möglich, weil Kollektive, seien es Clans, Völker oder Staaten, daheim weiter für das zum Leben notwendige sorgten, während ausgewählte Einzelne in der Ferne jagten, eroberten oder Handel trieben. Es kam dem Einzelnen zugute, wenn die Familie bei der Rückkehr noch am Ort war, der Staat noch existierte, von dem sie aufgebrochen waren. Solange die Ressourcen begrenzt waren, war die Möglichkeit gering, als Einzelner irgendwo zu überleben, wo man nicht qua Geburt dazugehörte. Warum sollte das knappe Brot mit Fremden geteilt werden? Erst die Möglichkeit individuellen Reichtums und überregional akzeptierter Zahlungsmittel ermöglichte Einzelnen überhaupt eine relative Freiheit der Bewegung. Diese war trotzdem gefährlich, und es dauerte Jahrhunderte, ehe solche Freiheit Allgemeingut wurde. Die Kollektive, die den allermeisten Einzelnen den Rückhalt boten, der zum Leben notwendig war, wurden lange also nicht beeinträchtigt durch die Freiheit einzelner Abenteurer. Sie konnten davon nur profitieren, da so Einzelne ihr Leben riskierten, um die Erfahrung und womöglich den materiellen Fundus des Kollektivs zu bereichern, ohne daß das Kollektiv als Ganzes gefährdet wurde. Die frühen Erfahrungen der Freiheit, die Selbstsorger später ganz selbstverständlich einfordern werden, sind also zunächst mit der Duldung und Unterstützung von Kollektiven verbunden, später mit Risiko und Kumulation als Voraussetzung der Freiheit. Die historischen Grundzüge der Freiheit, die heute noch die Abenteuergeschichten prägen, weisen somit auch einen engen Bezug zu sozialer Anerkennung auf. Wer das Abenteuer überlebte und Nahrung, Reichtümer und Geschichten nach Hause brachte, wurde aus guten Gründen gefeiert. Nicht, weil ihm luxuriöse Fetische “gehörten”, sondern, weil er dem Kollektiv diente und dessen Leben bereicherte.
Der Abklatsch, die Karikatur solchen Abenteurertums ist heute der Alltag des statusorientierten Einzelnen. “
Oktober 14th, 2015 at 15:05
["Sie ist die Chance für alle, aber nicht für jeden"
Du meinst so:
Sie ist die Chance für jeden, aber nicht für alle.
? ]
Oktober 14th, 2015 at 15:10
Ouch, Kopfschmerz … ja sicher, danke!
Oktober 14th, 2015 at 15:32
Irgendwer hat vor Jahren mal gemeint, ‘die Linke’ müsste sowas wie die kulturelle Hegemonie innerhalb der Gesellschaft erlangen o.s.ä. Wie die Gegenseite das angestellt hat und vermutlich immer noch macht, kam vor paar Jahren sogar mal im Fernsehen, wenn auch nur auf Arte: Benutzt und gesteuert Künstler im Netz der CIA
Oktober 14th, 2015 at 15:37
@flatter – Des unlängst erwähnten ‘Dings’ über Freiheit und Integration? Tatsächlich wäre es nicht nur historisch problematisch, Individualismus und womöglich ‘freie Wahl’ des Kollektivs als Bedingungen zu setzen. Aber du nennst ja selbst auch eine: die Möglichkeit zur Rückkehr, die wiederum die Möglichkeit des – partiellen – Ausscherens impliziert.
Oktober 14th, 2015 at 15:42
Nee, das ist aus dem Fürsorgedings. Aber da überschneidet es sich mit “Freiheit und Integration” (das war übrigens mal ne Hauptseminararbeit zu “Ethik”).
Oktober 14th, 2015 at 15:55
Ich hab’ da auch mal einen aus einem ‘Dings’:
Das Individuum kann erst in der Gemeinschaft eines sein. Erst in/mit der Gemeinschaft ist individuelles Leben möglich.
‘Dings’ ist da: Das deutsche Narrativ (1) #74
[unbefugt Link eingefügt by Säzzer]
Oktober 14th, 2015 at 16:00
Wie sollen wir uns da jetzt streiten @Wat.?
Oktober 14th, 2015 at 16:14
Och @flatter, keine Sorge:
“Gruppen, Kommunen, Regionen, die gemeinsam ihr Leben planen, besorgen und die nötige Produktion dazu aufbauen, lassen sich nicht von Geld oder Gangs knechten.”
Nimm das zb. mal als ‘Aufhänger’ und in Nullkommanix… das riecht nämlich nach Arbeit :P
… und bestimmt will das wieder gut durchdacht und machtbegrenzt werden, odda so. ;)
PS – der Säzzer ist befugt auch wenn er nicht wäre, was er aber war.
Oktober 14th, 2015 at 16:17
Oh ja, auch das lokale Kollektiv will machtbegrenzt sein, sonst wird es ggf. eine Mafia. Übrigens ist eine der nötigen Machtbegrenzungen schon die Abgrenzung zum Kapitalismus.
Oktober 14th, 2015 at 16:22
@Samson: Schön, ich hörte eben den Satz: “Kritik an den USA war erlaubt, sofern sie nicht mit kommunistischen Smypathien einher ging.” So macht man das. Man fördert ‘Kritik’ an den Rand dessen, wo sie das System wirklich negiert. Das ist dann ‘Freiheit’, alles andere Extremismus. Ich frage mich ja, wieso sie das im Osten nicht genauso gemacht haben.
edith: Die Wahl des Namens “Heinrich-Böll-Stiftung” ist in dem Kontext erfrischend ‘transparent’.
Oktober 14th, 2015 at 16:29
[Ich 'kloppe' mich ganz gern solange es Florett-Fechten ist, wenn einer seine... intellektuelle Hilflosigkeit nur noch über Unterstellungen mit 'nem Knüppel reinhaut, bin ich raus]
@flatter(11)
Die Frage ist, wie sich Machtbegrenzung ‘definiert’. Sie läßt sich mE gerade nicht über (ausschließlich) Institutionen gewährleisten. Jedenfalls nicht ‘von oben gedacht’.
‘Von unten’ aber allemal, wenn das schon die Ursache für die Kollektivbildung durch die Kollektivmitglieder ist.
Bliebe die Frage: Gibt es und wenn ja wo wäre bei dem Letzten die Grenze zu “Mafia”. Gibt es eine?
Oktober 14th, 2015 at 19:19
Eine Selbstbestimmung der Menschen ist nicht möglich ohne Kollektive, in denen diese Selbstbestimmung verwirklicht wird.
Könnte es nicht auch sein, dass wir überhaupt noch nicht (von den Grundlagen her) verstanden haben, wie eine Entwicklung zu einer wirklich freien Gesellschaft hin beschaffen sein muss? Ist das IMO etwas holzschnittartig einordnen von bestehenden Strukturen (von flatter) in “gut” und “pöse” dabei überhaupt sinnvoll?
Freiheit ist Selbstbestimmung, Autonome – das ist fast eine Tautologie, aber eine Tautologie, die sich aus einer ganzen Reihe synthetischer Urteile ergibt. Sie unterstellt die Fähigkeit, daß man sein eigenes Leben bestimmen kann: daß man imstande ist zu entscheiden, was man tun und lassen, was man erleiden und was man nicht erleiden will. Aber das Subjekt dieser Autonomie ist niemals das zufällige, private Individuum als das, was es gegenwärtig oder zufällig gerade ist; vielmehr das Individuum als ein menschliches Wesen, das imstande ist, frei zu sein mit den anderen. Und das Problem, eine solche Harmonie zwischen der individuellen Freiheit und dem Anderen zu ermöglichen, besteht nicht darin, einen Kompromiß zwischen Konkurrenten zu finden oder zwischen Freiheit und Gesetz, zwischen allgemeinem und individuellem Interesse, öffentlicher und privater Wohlfahrt in einer etablierten Gesellschaft, sondern darin, die Gesellschaft berbeizuführen, worin der Mensch nicht an Institutionen versklavt ist, welche die Selbstbestimmung von vornherein beeinträchtigen. Mit anderen Worten, Freiheit ist selbst für die freiesten der bestehenden Gesellschaften erst noch herzustellen. Und die Richtung, in der sie gesucht werden muß, und die institutionellen und kulturellen Veränderungen, die dazu beitragen können, dieses Ziel zu erreichen, sind – zumindest in der entwickelten Zivilisation – begreiflich, das heißt, sie lassen sich identifizieren und entwerfen auf der Basis der Erfahrung, durch Vernunft. Im Wechselspiel von Theorie und Praxis werden wahre und falsche Lösungen unterscheidbar – niemals im Sinne bewiesener Notwendigkeit, niemals als das Positive, sondern nur mit der Gewißheit einer durchdachten und vernünftigen Chance und mit der überzeugenden Kraft des Negativen. Denn das wahrhaft Positive ist die Gesellschaft der Zukunft und deshalb jenseits von Definition und Bestimmung, während das bestehende Positive dasjenige ist, über das hinausgegangen werden muß.
Aus Herbert Marcuse: “Repressive Toleranz”
Mein Ergo: Man kann den Weg zur Selbstbestimmung nicht sicher definieren, man kann nur definieren was nicht funktioniert und es ausschließen, und auch das “Kollektive” eine notwendige Bedingung sind kann man m.E. heute noch nicht als sicher annehmen.
Beste Grüße
Oktober 14th, 2015 at 20:37
Vorab: Sie bitte so gut und verzichte auf blockquote und Fettschreibung. Ersteres ist hier nicht dafür formatiert, bei letterem fühle ich mich immer angeschrien (steht auch im Manual).
“holzschnittartig einordnen von bestehenden Strukturen (von flatter) in “gut” und “pöse”
Wo bitte mache ich das denn? Nirgends nie nicht, behaupte ich.
edith: Übrigens sagt Marcuse oben dasselbe wie ich, nur dass er die noch nicht erfüllten Bedingungen hervorhebt.
edith2: Kollektive sind und waren schon immer die Bedingung zu überleben, daran wird sich in keiner Zukunft etwas ändern.
Oktober 14th, 2015 at 21:05
Vorweg, dass mit dem Format geht klar!
Nun wenn der geneigte Leser z.B. solche einen Satz liest:
Wie sich aber vor allem in China zeigt, sind solche Staatsmonstren durchaus dem Kapital zugewandt, weil sie eben keine Gesellschaft selbstbestimmter Kollektive sind, sondern Staatsmächte unter der Herrschaft einer Parteielite.
kann er schon ein wenig zum Eindruck gelangen, dass diese Aussage über ein Land mit dutzenden sehr alten Hochkulturen schon ein weniglich vereinfachend ist.
Aber was ich mit meiner Kritik eigentlich ausdrücken wollte ist, dass es keine fertige Blaupause einer besseren Gesellschaft geben kann, es es wie mit der Wahrheit man kann sich hier nur in einem Prozess (bzw. vielen parallel verlaufenden Prozessen) die Selbstbestimmtheit verwirklichen, die Kollektive (ich finde den Begriff Genossenschaft im Grunde charmanter) könnten ein Weg sein, aber ist dieser der alleinige und wirklich der auf alle Zeiten selig machende?
Beste Grüße
Oktober 14th, 2015 at 21:23
@Heldentasse(16)
Jo, es ist so vereinfacht richtig, wie die Realität da alles andere als komplex ist.
Die Hochkulturen haben da mal eben nix zu sagen und zu melden. Sie sind auch nicht der wirkliche Grund für die Gesellschaft (dort oder anderswo), wie sie sich jeweils darstellt. Es sei denn, Du meintest mit Kultur die wirtschaftliche Verfaßtheit, was ich Dir auf den ersten Blick nicht abnehmen kann, denn dann ‘müßtest’ Du erst recht jede Selbstbestimmung reklamieren.
Ja, gemeinsames Leben und Tun ist auf alle Zeit ungeschriebenes, absolutes Gesetz – jedenfalls so absolut, wie Menschen Lebewesen sind und auch bei allem technischen Fortschritt niemals alleine auf die Welt kommen, dann dort allein sind und sein können (ohne das Wissen und Tun der Anderen vor dem Einzelnen und mit dem Einzelnen)… ok, das alleine wieder gehen, das kriegen Menschen schon hin.
Das Letzte ist auch eine Selbstbestimmung, nicht mal die haste hier offiziell.
Oktober 14th, 2015 at 22:06
@Heldentasse: Du scheinst da einen sehr eingeengten Begriff von Kollektiv zu haben. Jede Firma ist ein Kollektiv, eine Fußballmannschaft, ein Verein, eine Wohngemeinschaft, ein Reiseclub. Menschen, die sich irgendwie für etwas zusammentun (oder zusammengetan werden), sind ein Kollektiv.
Was die Hochkulturen anbetrifft, sehe ich das so wie Wat.. Sollte es da noch welche geben, entscheiden die sicher nicht darüber, wie gewirtschaftet, produziert und gelebt wird.
Oktober 15th, 2015 at 09:23
ot Köstlich
Kritiker zu gast bei ‘berufsmäßigen konfusionsstiftern’ vulgo “lügnern”: “Wenn sie betrunken sind, hören sie auf, sich was vorzumachen”, orakelt mein Mitgast. “Morgen hat er’s bestimmt schon wieder vergessen.” (via Klaus Baum)
Oktober 15th, 2015 at 10:42
OT/2: Frankfurter Rundschau: Commerzbank zahlt 17 Millionen Euro Bußgeld
Commerzbank … Commerzbank, war da nicht was?
Ich hab’s nicht gelesen, aber es gibt ein neues Buch, dessen Inhalt stückweise frei verfügbar gemacht werden soll: Commons
Oktober 15th, 2015 at 11:03
p.s.: Commons – Inhaltsverzeichnis und Leseprobe. (pdf, 21 S.)
Oktober 15th, 2015 at 11:15
@oblomow: Fuckin great stuff; allein der letzte Satz ist sehr schlechter Stil. Aber so etwas wollte ich schon lange mal erfahren, wie sie so ticken und entscheiden in der Red..
Oktober 15th, 2015 at 15:57
Juti, vielleicht hat sich ja das ‘allgemeine Entsetzen’ darüber, daß ein Individuum nur in der Gemeinschaft eines sein kann, gelegt.
… oder ist ‘geplättet’ worden, was mir auch nicht so ganz unwahrscheinlich zu sein scheint.
Aber ist damit auch wirklich nur ein einziges Fragezeichen auf der Stirn von den da sonst stehenden fünfen weg?
Ich mein, daß und warum sagt ja nun mE noch nichts darüber, ob wirklich ‘erfüllend’ machbar und wie…
Oktober 15th, 2015 at 16:09
@Wat.: Das wird doch immer gemacht. Selbstbestimmung wird eben durch Fremdbestimmung begrenzt. Diese ist z.T. Resultat von Abhängigkeiten, die man wiederum in notwendige und vermeidbare unterscheiden kann. Die äußerste Fremdbestimmung ist Zwang. Jetzt kann man sich mal angucken, wie welche Zwänge in einer Gesellschaft eingerichtet sind, wer wen zwingt und wer am Ende noch halbwegs ‘frei’ dabei ist, also nicht quasi durch Zwänge in seiner Bewegung durchs Leben festgelegt. Da wird man z.B. sehen, wie frei der freie Westen® wirklich ist für die Mehrheit hier.
Daraus kann man lernen und bei Gelegenheit etwas versuchen, das mit weniger Abhängigkeit und Zwang auskommt. Ich bin ja der Meinung, dass man sich dazu einige kluge Gedanken machen muss und dann ausprobiert. Aber alles hängt immer von den Bedingungen ab, unter denen man startet. Im Kap. startet da meiner Ansicht nach nichts.
Oktober 15th, 2015 at 17:21
@flatter(24)
Hängst Du Selbstbestimmung nicht zu hoch, wenn Du meinst, daß da im Kapitalismus mit Selbstbestimmung nichts startet?
Das wäre ja mE wieder so ungefähr der Satz von Adorno, daß es kein richtiges Leben im falschen gäbe.
Was ich mit Verlaub für… nicht ‘zu Ende’ gedacht halte, ums mal vorsichtig noch irgendwie ein bißchen nett auszudrücken…
Oktober 15th, 2015 at 20:08
@flatter
Im ersten Absatz fehlt der Vatikan mit seinen Truppen!
Oktober 15th, 2015 at 21:06
@ Wat (25)
Du möglicherweise zu niedrig ?
Wenn Selbstbestimmung auch etwas damit zu tun haben sollte über sich selbst bestimmen zu können, dann bin ich ich als Rentner in einer relativ komfortablen Situation.
Ich stehe erst auf, wenn Licht in mein Zimmer fällt, trinke auch gerne ungewaschen meinen Morgenkaffee und die Hetze, um bei der Lohnarbeit pünktlich zu erscheinen entfällt.
Ich muss meine Selbstbestimmung auch an den Theken der Supermärkte nicht mehr ausprobieren.
Leider alles viel zu spät, wenn die Jugend sich bereits verbraucht hat, für ein fremdbestimmtes Dasein, und der verbleibende Rest ziemlich genau abschätzbar wird.
Als ich Jugendlicher war, da hatten wir so unsere eigenen Visionen: Wir wollten entweder reich oder berühmt werden. Nur nicht wie unsere Eltern, die wir nur zum Abendessen gesehen haben.
Ist nichts draus geworden, weder das eine noch das andere hat sich erfüllt. “Selbstverwirklichung?” Was sollte das sein?
So sind wir das geworden, was uns Herkunft und Schulbildung mitgegeben hat: Lohnarbeiter, Proll, mit der Perspektive von 45 Jahren und mit 15 Jahren durften wir antreten.
Ich kann es jungen Menschen nicht verdenken, wenn sie heute schon so perspektivlos sind, dass sie als Berufsziel angeben, entweder reich oder gleich in Rente zu gehen.
Doch: Es gibt ein wirkliches (richtiges?) Leben auch im falschen!
Und weil uns dieses Leben, unsere Lebenswirklichkeit mit all seinen Nöten und unerfüllten Hoffnungen, aber auch mit den vielen kleinen Freuden, mit der neuen Waschmaschine oder dem Geschirrspüler, dem Jahresurlaub, der Kindererziehung und deren Fortkommen usw. unendlich beschäftigt, so rennt das falsche Leben an uns vorbei, ohne dass wir davon überhaupt Notiz nehmen.
Wir sind beschäftigt! Und unsere Beschäftigung erscheint zugleich als Selbstverwirklichung.
Oktober 15th, 2015 at 21:34
@flatter #22: Den letzten Satz halte ich bloß für eine Prognose, die mag aufgehen oder nicht. Wirklich schräg finde ich die Argumentation, weswegen Obama nicht Assads Rücktritt fordern ‘dürfe’. Im Umkehrschluss läuft das nämlich darauf raus, dass er sehr wohl ‘dürfte’, wenn es die Argumente nicht gäbe. Je nach dem wie man sich die Argumente zurechtlegt, lässt sich so nahezu jede Schweinerei rechtfertigen. Und damit wird in aller Regel eben vom Grund abgelenkt. Das ist aber nicht nur beim ‘Spiegel’ so. Im Grunde sind die ja noch nett zu ihren Gästen gewesen.
Erich Kuby hat schon 1987 in Der Spiegel im Spiegel, das deutsche Nachrichten-Magazin – Kritisch analysiert mit der Legende aufgräumt, es handele sich um ein ‘linkes’ Blatt. Nur wollte das damals niemand wahrhaben. Der Unterschied zu heute ist allenfalls, dass einer wie Kuby selber kaum Redakteur würde und als ‘freier’ Mühe hätte, seine Texte unterzubringen. Linksliberale sind offenbar obsolet.
[edit]Kuby verwies, m.E. zurecht, darauf, dass die Masche des Spiegels, aus der Aneinanderreihung von Fakten eine Story zu stricken, noch lange nichts mit der Wirklichkeit zu tun haben muss.
Oktober 15th, 2015 at 21:55
“Doch: Es gibt ein wirkliches (richtiges?) Leben auch im falschen!”
He’s got a daytime job, he’s doing alright and sometime before you die you’ll be in the Hall of Fame
Oktober 15th, 2015 at 22:18
@Troptard(27) – Hm… ist das nun Widerspruch oder doch Zustimmung.
Oktober 15th, 2015 at 23:04
@Wat, 30
Hallo Wat!
Sowohl als auch.
Wenn Du die Restlebenszeit wie Udo Jürgens in seinem Schlager “Mit 66 Jahren da fängt das Leben an” nehmen willst.
Wer es vorher verpasst hat, der wird es danach nicht mehr einfangen können.
Und Aua! Ich kann mit dieser “Selbstverwirklichung” eigentlich nichts wirklich anfangen.
Hätte mich sehr gefreut, wenn sie mir mal begegnet wäre, ehrlich.
Ich grüsse Dich.
Oktober 15th, 2015 at 23:47
Danke @Troptard, Re-Grüße an Dich. Es wäre aber immer noch im Kapitalismus und @flatter verstand ich so, daß in dem gar nichts derartiges startet.
Daraus ziehe ich eine neue/ weitere Frage:
Ist Selbstverwirklichung gleich Selbstbestimmung?
Irgendwas sagt mir, daß das nicht das gleiche ist/ sein muß…
… ich weiß (nur) nicht, ob das meine prinzipielle Einstellung oder meine Konditionierung ist oder beides.
Oktober 16th, 2015 at 00:06
Gegen Gegenkritik hilft meist eine Idee. Also was kann hier wer wie starten, das nicht in den Zwängen des Kap. versinkt? Ich sehe da nichts Substazielles, das sich nicht doch wieder verwerten muss.
Oktober 16th, 2015 at 00:21
Kollidiert dieses “verwerten müssen” nicht mit @Peinharts “nicht mehr verwerten können”… käme wohl auf den (oder besser: viele, verschiedene, auch gern gleichzeitige) Versuch(e) an.
Oktober 16th, 2015 at 00:51
Zu den von R@iner erwähnten commons in #20 und 21: warum nur denke ich dabei an esoterik? Gut, ich gebe es zu, ich mag weder die grünen noch die angeschlossene Heinrich-Böll-Stiftung, und bei dem wort verstrickt, dazu noch lebensnetz – zitat aus der ouvertüre folgt gleich – verliere ich dann fast die contenance: “Nicht nur der Klimawandel zwingt uns zu der Erkenntnis, dass wir unentrinnbar in ein größeres Lebensnetz verstrickt sind, von dem unser Leben und unsere Zivilisation abhängen.”
Ich schließe mich da doch den herren Hoffmann und Pfreundschuh an, wenn sie für ‘commons’ konstatieren, und das ist doch noch sehr freundlich formuliert, “ist die illusion einiger kulturbürger”.(zu finden hier: Das Volk der Commons)
Und dann nutze ich die gelegenheit und weise gern auch auf diesen artikel hin: Marx als Theoretiker der Dekadenz
@flatter, dein ‘dings’ hat an einer stelle ‘bums’ gemacht: markt der ideen: geht sie unter, war sie nicht gut genug – du wirst hier doch kein bekenntnis zu einem der glaubenssätze des neoliberalismus abgegeben haben ;-).
Oktober 16th, 2015 at 01:27
@Wat.: Och bitte, dass dem Kapital die Verwertungspisten ausgehen und es sich gegenseitig ausweidet, heißt doch nicht, dass der Verwertungszwang aufgehoben ist. Da krieg ich Kopfschütteltrauma.
Oktober 16th, 2015 at 01:28
@oblomow: Nicht jeder Satz der Neoliberalen ist in jeder Interpretation falsch.
Oktober 16th, 2015 at 01:41
Ideen’darwinismus’ – ist darob das Narrativ so mächtig wie wichtig?
Oktober 16th, 2015 at 01:48
Mist, hatte ich doch übersehen, dass Darwin, der Nazi, die Evolution erfunden hat. Mea culpa!
Oktober 16th, 2015 at 01:58
Raff ich grad nich.
Oktober 16th, 2015 at 10:43
Evolution ist kein Darwinismus. So?
Oktober 16th, 2015 at 11:37
Wenn pauschal dann eher: Evolution ist mehr als (nur) Darwinismus.
Die ‘reine’ Übertragung des Selektionsprinzips, welches sich doch gerade durch Blindheit und Zufall auszeichnet, auf Gebiete außerhalb der Biologie, und hier speziell eben auf Ideen (also Geistiges, was u.U. gravierende Auswirkungen auf Soziales und mehr hat) finde ich problematisch.
Daß eine These sich “auf dem Markt der Ideen” (die kritische Öffentlichkeit der wissenschaftlichen Gemeinschaft?) bewähren muß, um zur akzeptierten Theorie zu werden, steht außer Frage. Und das sollte nun eigentlich (idealer Weise) gerade nicht eine Frage von Blindheit und Zufall sein.
Erweitert man den Rahmen des “Marktes” über die wissenschaftliche Öffentlichkeit hinaus, scheint es mir zunehmend darauf hinaus zu laufen, daß es darauf ankommt die Idee in eine ‘passende’ Geschichte zu verpacken (um sie ‘zu verkaufen’), welche am Ende wichtiger als die Idee selbst ist, oder zumindest sein könnte. Darauf zielte meine Frage.
Oktober 16th, 2015 at 11:48
Okay, der “Markt” ist ein Problem, aber nicht das sich-durchsetzen-Müssen. Würde ich heute nicht meht so frmulieren, was ich aber (nach wie vor) meine, ist dass eine Idee eben nicht nur schön oder klug sein, sondern sich auch umsetzen lassen muss und – tatsächlich – auch positiv aufgenommen werden muss, sonst setzt sie ja niemand um. Das hat weniger mit Verpackung zu tun als damit, dass die Menschen davon überzeugt seim müssen. Der Unterschied zu den Verpackungstricks des Kap. liegt übrigens schon in der Bedingung, dass die Idee gut sein muss, das heißt, sie darf nicht an sich selbst scheitern (wie der Kap.). Es nützt absolut nichts, recht zu haben, wenn einem das niemand glaubt. Es nützt nichts, selbst wissenschaftliche Erkenntnisse zu gewinnen, wenn diese sich nicht vermitteln lassen. Daher haben Ideen auch ihre Zeit. Manche sind zu früh einfach nicht reif und daher in diesem Sinne nicht gut genug.
Oktober 16th, 2015 at 12:12
@flatter
Meine bemerkung unter #35 war ja nicht ganz ernst gemeint, nur als kurze rückmeldung gedacht, dass dein ‘dingsbums’ gelesen wird.
Ich muss die lektüre jetzt abbrechen und hoffe heute abend zeit für die restlichen 35 seiten zu haben. Es ist bisher ein pures lesevergnügen, dafür schon einmal danke. Zu #43 d’accord oder nahezu full ack.
Oktober 16th, 2015 at 12:19
Zu Überzeugung und Zeit: es kommt darauf an, mehr und mehr Bedingungen hin zu Gunsten der Idee zu verschieben, statt mit der ‘Dampframme’ zu kommen. So in etwa? (Ich denke da u.a. an die Sache mit dem Paradigmenwechsel hinsichtlich der Plattentektonik, die du auch irgendwann mal aufgegriffen hattest.)
Oktober 16th, 2015 at 12:52
@Stony – Die ‘reine’ Übertragung des Selektionsprinzips, welches sich doch gerade durch Blindheit und Zufall auszeichnet, auf Gebiete außerhalb der Biologie, und hier speziell eben auf Ideen (also Geistiges, was u.U. gravierende Auswirkungen auf Soziales und mehr hat) finde ich problematisch.
Wo setzt du da Blindheit und Zufall an – in der ‘Selektion’ selbst oder in dem, was ihr sozusagen ‘angeboten’ wird? Bei letzterem sähe ich erstmal kein Problem, das auch auf Geistiges und Soziales zu übertragen. Ich würde mich sogar zu der These versteigen, dass Geistiges und Soziales der originäre Ort menschlicher Evolution sind.
Oktober 16th, 2015 at 13:02
Zur ‘Selbstbestimmung’ – steht nicht jedes Kollektiv immer auch in einer Spannung zwischen ihr und der Notwendigkeit, sich selbst zu bewahren, also ‘Angleichung’ zu fordern und zu betreiben?
Oktober 16th, 2015 at 13:12
Das wollte ich in #24 auch andeuten.
Oktober 17th, 2015 at 00:29
@Peinhart: Autsch, das war wirklich blöd formuliert. Die Selektion selbst sehe ich nicht als “zufällig” an, das was ihr ‘angeboten’ wird – in der Biologie eben Mutationen – schon. Übertragen auf Geistiges und Soziales hieße das meines Erachtens halt, daß die zur Wahl stehenden Optionen (so man das Ganze als darwinistisches Prinzip auffassen möchte) gerade nicht aus menschlicher Erkenntnis kommen dürften.
Ich würde ja nicht einmal behaupten wollen, daß sowohl die Optionen als auch deren Selektion nun ausschließlich höchsten Ansprüchen an das Denken genügen müssen, aber allein der Punkt, daß wir als Menschen grundsätzlich zu Abstraktion und Reflexion fähig sind, spricht imho gegen den universellen Darwinismus.
Edith meint noch: Die “Blindheit” bezieht sich auf die (m.E.) notwendige Erkenntnisunfähigkeit des Menschen, damit der Prozeß ein zufälliger sein kann.
Oktober 17th, 2015 at 00:40
Warum sollte es einen Gegensatz von “menschlichen Erkenntnissen” und Evolution geben? Wir reden auch nicht von “höchsten Ansprüchen” – Evolution kennt keinen Perfektionismus. Das Gegenteil ist der Fall, denn “survival of the fittest” heißt nicht “des Stärksten/Besten”, sondern des Passendsten. Wenn es also nicht gelingt, Erkenntnisse so umzusetzen, dass sie passen, werden sie bestenfalls konserviert, schlechtenfalls eben untergehen, weil sie nie die Zeit ihrer Verwirklichung erleben.
Oktober 17th, 2015 at 01:51
Ich denke du reduzierst damit Evolution auf den Teilaspekt der Selektion. Mir ging es gerade darum, daß nicht die komplette Evolution (noch dazu die darwinscher Prägung) problemlos auf Bereiche außerhalb der Biologie übertragbar ist.
Daß die Selektion wie von dir beschrieben übertragbar ist, dagegen kann ich nichts sagen, nur würde ich das dann nicht mehr Evolution nennen (wollen).
Oktober 17th, 2015 at 11:36
Im Gegenteil, ich betrachte Evolution als recht allgemeines Phänomen der Entwicklung. Evolution kann es sogar ohne Selektion geben. Gerade weil ich mit ‘Darwinismus’ nix am Hut habe, interessiert mich das gar nicht, was jemand für biologi(sti)sche Evolution hält.
Es ist doch eigentlich ganz einfach: Eine Idee zur Optimierung der Dampfmaschine und des Pferdewagens ist heute obsolet. Was ist daran darwinistisch?
Oktober 17th, 2015 at 11:52
Die kritische Presse kritikt: “Putins Chefpropagandist Dmitrij Kiseljow läuft in Kriegszeiten zur Höchstform auf. Jetzt kann er es dem Westen so richtig zeigen.” Linke Tageszeitung, is klar.
Oktober 17th, 2015 at 12:40
Fein – das ist der Punkt, an dem ich ‘meinen’ Standpunkt als unhaltbar erkenne und aufgebe. Über alles andere … muß ich nachdenken. Thx.