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Was hat die Psychoanalyse mit dem Kommunismus zu tun? Eine Menge, denn in beidem steckt große Philosophie, historisch herausragende Analyse und ein bahnbrechender geisteswissenschaftlicher Fortschritt. Beide wurden in der Praxis zum Vehikel von Sekten, die aus den Theorien ihre Ideologie schmiedeten und den wissenschaftlichen Fortschritt zu einem Rückfall in Mythologie ruinierten.

Die Psychoanalyse Freuds ist philosophisch ein derartiger Fundus an Ideen und Perspektiven, dass es kaum erschöpfend beschrieben werden kann. Als Analyse psychischer Vorgänge, Modell der Menschheitsgeschichte und Grundlage für das Verständnis der Ordnung des Unbewussten ist sie brillant. Als Psychotherapie taugt sie nichts. Was sie mit der Methode der Übertragung erreicht, haben mittelalterliche Klöster ebenso erfolgreich geschafft, indem sie die Patient/innen in heißen Bädern verbrüht haben. Noch bessere Aussichten hat die Therapie, gar nichts zu tun und zu warten bis der Zustand sich von allein bessert.

Das ist natürlich kein Grund, die Praxis, die Struktur und die Seilschaften zu verändern, die dafür sorgen, dass jeder Arzt mit psychoanalytischer Zusatzausbildung den Firlefanz praktizieren darf, während anständig ausgebildete Psychologen verhungern, weil die idiotische Bürokratie ihnen nicht erlaubt, mit den Kassen abzurechnen. Derweil warten die Patienten Monatelang auf einen Therapieplatz. Aber ich schweife ab.

Von der Wissenschaft zur Religion

Kommen wir also zum Kommunismus: Marx hat eine bis heute unerreichte Analyse des Kapitalismus hingelegt, die jedem, der sich nicht vom Tabu über diese Erkenntnis verblöden lässt, die Einsicht bietet, dass Kapitalismus dauerhaft nicht funktioniert. Er wird zwangsläufig instabil, generiert ‘Krisen’, deren Bewältigung nur auf Zeit und durch rücksichtslose unmenschliche Maßnahmen möglich ist. Die Geschichte hat das dutzendfach belegt, regional und global, in Weltkriegen, Diktaturen und Elend. Es kam und kommt immer wieder zu furchtbarer Armut inmitten grotesken Reichtums, und zwar nicht, weil nicht genug für alle da ist, sondern der Kapitalismus nicht mehr Geld aus Geld machen kann, ohne diese Zustände zu erzwingen.

Die Kommunisten haben das erkannt, in aller Welt. In den Riesenreichen Russland und China haben sie Revolutionen erwirkt, woanders sind sie gescheitert, haben gegen die Faschisten verloren; so in etwa in Spanien, Italien, Deutschland. Die USA lassen wir einmal außen vor, der Exkurs geriete zu lang.

Wie so oft, wurde der Tod aus Angst vor dem Leben gewählt. Die Kommunistischen Parteien, die miteinander und mit dem Kommunismus nur der Name verbindet, wurden zu reaktionären bürokratischen Machtapparaten, mit dem Argument, das mache sie stark gegen den Klassenfeind. Die kommunistischen Parteien und ihre Apparate haben sich dabei der autoritären Strukturen des Militärs bedient – ebenso wie es der Kapitalismus zu tun pflegt, dessen Arbeitshierarchien und Machtstrukturen ebenfalls die Effizienz militärischer Planung nachgeahmt haben.

Die Partei hat immer geirrt

Er hat es aber geschafft, ein Vergütungssystem einzuführen, dass nicht bloß den nächst höheren Rang als Belohnung vorhält, sondern in Form des Lohns einen Teil flüssiger Macht, der zuerst das Überleben sichert und dann Luxus ermöglicht – in den guten Zeiten. Gerade die Phase des Aufbaus und der Vollbeschäftigung hat dadurch eine Identifikation der Lohnabhängigen mit den Besitzenden ermöglicht. Das Stöckchen mit dem Leckerlis war erreichbar, sogar die ganze Dose. Ausbeuter und Ausgebeutete schienen sich in einer Win-win-Situation zu befinden.

Die Party hatte aber ein Ende, schon Mitte der Siebziger Jahre. Bis den Lohnabhängigen deutlich wurde, dass es wirklich ihr Gürtel ist und der verdammt eng zu schnallen war, hatten sie bereits jeden organisierten Widerstand geopfert. Es gibt keine Solidarität mehr, keine Gewerkschaften, keine politischen Streiks, keine Partei, die Lohnabhängige vertritt. Nichts mehr.

Die Kommunisten und Kommunistinnen, die vielen, die sie in die KZs gesperrt hatten, die im Untergrund waren oder der inneren Emigration, selbstverständlich auch die, die in Osteuropa ihre Idee der Bonzenpartei geopfert haben, sie hatten uns gewarnt. Sie wussten, wo der Kapitalismus endet, dass seine Versprechen reines Blendwerk sind und am Ende immer Hunger, Krieg und Tod stehen. Sie wollten etwas Besseres als den Kapitalismus, etwas das nicht das Leben dem Mehrwert zum Fraß vorwirft. Ihre Parteien sind im großen Irrtum gescheitert, nur eine möglichst mächtige Organisation könne eine bessere Zukunft schaffen. Das war ein fataler Irrtum. Welche Ironie: Die Partei hat geirrt, nur die Kommunisten hatten recht.