Mensch ohne Eigenschaften
Posted by flatter under kollateralschaden , sozialzeugs[105] Comments
10. Sep 2015 13:06
Sozialdemokraten können einen in den Wahnsinn treiben mit ihrem Glauben an einen ‘Willen’, ihre Konzepte unter dem Banner “Man müsste nur …”, ihrer Ignoranz gegen Mächte und Zwänge, die eben alles das verhindern, was in ihrem Kosmos der gute Wille will und vernünftigerweise getan werden müsste. Wir hatten das immer wieder hier, sei es als Kritik gegen die Flying Flassbecks oder gar Heinz-Josef Bontrup, der es besser weiß und dennoch Lösungen vorschlägt, denen entscheidende Interessen und Prinzipien entgegenstehen.
Ich will hier heute aber einmal auf die andere Seite der Sache eingehen, nämlich auf jenen Willen, die Sphäre der Eigenschaften von Menschen, das vorgeblich Gute® oder auch nur Vernünftige, das zu aktivieren wäre, um die Welt zu retten. Es sei sogar so weit eingeschränkt, dass die Frage ausgeklammert wird, ob das selbst im besten Fall zu relevanten Veränderungen führen kann. Dann bleibt immer noch die Frage, wie sich so etwas wie Charakter überhaupt bildet.
Keine Wahl
Ich will diese Frage bei aller Verzweiflung über die ungünstigen Bedingungen gar nicht abwerten, im Gegenteil: Es ist nämlich gar keine gute Idee, dies der Bertelsmann-Stiftung (vulgo: den Schulen) oder den Esos zu überlassen. Was aber kann man tun, um die permanente Überforderung eines respektablen Charakters gegen die Reize einer asozialen Restpersönlichkeit in glänzender Hülle schmackhaft zu machen?
Ein bisschen konkreter: Ich bin Vater zweier Töchter und habe versucht, ihnen zu erzählen, was so ungefähr richtig und falsch ist, gut und gar nicht gut, wahr und falsch. Ich habe sogar versucht, ihnen das halbwegs passabel vorzuleben. Ich fürchte aber, das war gänzlich verschwendet, denn egal, was unsere Generation noch an Illusionen und Idealen, Korruption und Egoismus tradiert hat, es lässt der nächsten keine andere Wahl. Sie können es mit Charakter versuchen und schon früh die Früchte der Depression ernten oder mit Karriere und eben später davon kosten.
Persönlichkeit? Wat dat denn?
Verständlich, dass Sozialdemokraten aller Fraktionen immer noch nach dem Willy schreien, dass sie große Persönlichkeiten suchen, denen sie große Eigenschaften andichten können, auf dass wir ihnen nacheifern. Was wir haben, ist Merkel. Es sind Gabriel, Özdemir, Gauck. Anne Will. Jauch. Dagi Bee und Doggy Dog Kitty Cat. Was wir haben, ist die Entscheidung zwischen Pest und Cholera, Krebs und Aids, in den Geschmacksrichtungen Erdbeere, Vanille, Traumschaum-Motoröl und Leckerlecker-DDT.
Vereinzelt, berieselt, bespaßelt und verhätschelt, belogen und auf stählerne Ellbogen trainiert, kennen schon zwei Generationen keinen Zweck mehr, zu dem man einen Ballast wie Ehrlichkeit, Treue, Zuverlässigkeit oder Zivilcourage bräuchte. Dafür kennen sie für jede Eigenschaft, die es vorzutäuschen oder anzuheucheln gilt, tausend schauspielerische Tricks. Wo ist da Raum für eine ‘Individualität’, die nicht industriell produziert wäre, für ‘Charakter’ und am Ende ‘guten Willen’? Die böse Zunge kann sich hier schließlich doch nicht ganz beherrschen und fragt, in welchem Verhältnis der Wille zum Besseren also zum Zwang der Verwertung steht.
September 10th, 2015 at 14:13
Touché.
September 10th, 2015 at 14:57
Ich weiß nicht, ob dies ein unqualifizierter Kommentar wäre: Nimm den Leuten des Geld weg und jegliche Möglichkeit, die Versuchungen, mit denen sie von allen Seiten umschmeichelt werden, ergreifen zu können.
Irgendwie bringt es die Assoziation hervor, warum sind Leute nach dem Krieg so geworden wie sie sind? Warum sind sie nicht zwingend so vernarrt darin geworden, ihre Persönlichkeit durch Konsum zu bestimmen?
Die Antwort ist: Weil es keine Werbung in dem Sinne gab wie sie heute existiert und weil viele Waren, außer dem täglich notwendigen, selten waren.
Wenn es Dinge außer der Reihe gab, waren Kinder froh darüber, weil es einen wesentlichen Unterschied zu dem Alltäglichen darstellte. Geschenke gab es weniger als heute, dafür fielen diese so aus, dass es etwas gab, was im täglichen Lebensumfeld unerreichbar schien. Und diese wurden gehütet wie ein Augapfel.
Wer seine Persönlichkeit nicht durch Konsum und die Eigenschaften, die mit der Erlangung dieses Konsums verbunden sind, definieren kann, weil dies nicht zur Verfügung steht und / oder gänzlich unerreichbar ist, der muss seine Persönlichkeit mit etwas anderem füllen.
Anleitung sollte aber auch selbst dazu vorhanden sein (Mangel allein formt keine bodenständigen Persönlichkeiten – sonst würden alle Kinder aus verwahrlosten Zuständen automatisch zu großartigen Charakteren heranwachsen ohne jemandes Zutun)…
Ich weiß, das Erwähnte ist hochgradig unpraktikabel für jemanden allein im privaten Umfeld – es war nur eine dumme Theorie.
Gehe nicht der Annahme, dass jemandem etwas praktikableres einfällt, weil jeder mehr oder weniger auf die gleichen Fragen Antworten sucht und diese Suche bisher eher vergeblich gewesen ist.
September 10th, 2015 at 15:07
Die Illusion der Individualität so alt wie das Bewusstsein. Der Mensch der selbst erst in der Gemeinschaft wird was er Spiegelt.
Wer Gestalten will und sie diese Wesen so begreift. Die Möglichkeit hat zu Zeigen was sie dann Spiegeln der erschaff die Spiegelnden und ihre Wirklichkeit.
September 10th, 2015 at 15:08
Unbestritten läuft was total falsch in dem wie wir Gesellschaft organisieren! Nur die Sozen zählen dabei m.E. viel eher zu den Auswirkungen als zu dem Ursachen. Will sagen, dass wenn die nicht den linken Clown bzw. das linke Feigenblatt machen, macht es halt eine andere politische Kraft. :P
Beste Grüße
September 10th, 2015 at 15:17
@Dexter D. #3
Schaffen die “Spiegelnden” nun Wirklichkeit oder doch nur ihre eigene, sehr funktionale und somit eingeengte, Realität? Ich denke es ist eher letzteres.
Beste Grüße
P.S.:
Die Macht und Leistungsfähigkeit dieses Systems, die gründliche Angleichung des Geistes an die Tatsache, des Denkens an das geforderte Verhalten, der Wünsche an die Realität wirken dem Entstehen eines neuen Subjekts entgegen.
Herbert Marcuse
September 10th, 2015 at 15:50
Eine noch schlechtere Idee ist es, die Bildung in die virtuellen Welten der Videospiele zu verlagern. Das führt regelmäßig zu entsetzten Eltern, Lehrern und Vorgesetzten. Obwohl ein Spielsüchtiger doch perfekt an unsere ökonomisierte Welt angepasst ist, scheint so viel Perfektion immer noch Abscheu zu erregen.
September 10th, 2015 at 16:47
Moinsen Flatter,
weil du Karriere und Ideale erwähntest.
Heute morgen einen KIK-LKW erspäht.Ist zum Ausladen vorgefahren.
Auf der Seitenwand stand zu Lesen:
KIK-Die Chancengeber
Dazu drei fröhliche Jungspunde,einer versehen mit dem Slogan:
” Für eine echte Karriere,statt falscher Ideale ”
Ich finde das passt sehr schön zu deinem Posting.
Chancengeber statt Arbeitgeber ist auch ein feiner Brüller.
lg
Hagnum
September 10th, 2015 at 17:54
@flatter
“Sozialdemokraten können einen in den Wahnsinn treiben mit ihrem Glauben an einen “Willen”, ihre Konzepte unter dem Banner “man müsste nur…, ihre Ignoranz gegen Mächte und Zwänge, …”
Leider hast Du kein Beispiel angeführt, auf das man Bezug nehemen könnte.
Ich habe da einen vollkommen andere Sicht auf die Sozialdemokraten: Für mich eine sog. linke Partei, die nicht ignoriert, sondern (ökonomische) Macht und (ökonomische Sach-) Zwänge zum Ausgangspunkt ihres Politikverständnisses macht.
Bei den Keynsianern wäre dann noch die Frage zu beantworten, ob deren Appelle an die “politische Vernunft” nur aus machtstrategischen Gründen nicht erhört werden, oder für die Krise des Kapitals keine praktikable Lösung mehr anbieten können.
Die Sphäre der Eigenschaften und des Charakters!
Wenn ich Dich richtig verstanden habe, willst Du darauf hinaus, dass das, was ich Veränderung des Bewusstsein nennen würde, eine positive Veränderung für die Zukunft nicht unbedingt einschliesst.
Mit dem Vorleben der eigenen Ideale für den Nachwuchs ist das echt ein Problem, was mir selber grossen Frust bereitet. Je mehr ich vorleben will, desto stärker wird die Ablehnung meiner Vorstellungen.
Der “gesellschaftliche Konsens”, wie man zu leben hat, und der duldet keine Abweichungen, Abweichungen von der gesellschaftlich vorgegebenen (unbewussten) Vorstellung von gesellschaftlich marktkonformer Individualität.
Bei Jugendlichen, die ein noch stärkes Bedürfnis haben, sich mit anderen Gleichaltrigen indentifizieren zu wollen, bedeutet das in unserer Zeit weitgehend “Haben” zu wollen. Ausnahmen scheinen eher selten die Regel zu bestätigen.
Selbst unter denen, die mir nahestehen, in meinem Alter sind, eine andere Zeit erlebt haben, die noch viel Fantasie entwickelt haben ausserhalb der Konsumtion ihre freie Zeit sinnvoll zu verbringen, nennen mich heute verschroben, weil ich ausserhalb des Computers/Internet keine weiteren Bedürfnisse nach Smartphone, E-book etc. entwickelt habe.
Gruss Troptard
September 10th, 2015 at 18:37
@HF #6
Obwohl ein Spielsüchtiger doch perfekt an unsere ökonomisierte Welt angepasst ist, scheint so viel Perfektion immer noch Abscheu zu erregen.
Süchtige sind nicht konform mit unserer Vorstellung von nützlichen Individuen. In diesem Kontext ist die Sucht wohl eher ein Betriebsunfall, den das Konsumieren von käuflichen Dingen ist ja unbedingt erwünscht und notwendig, aber man soll doch bitteschön nach dem Konsum weiter fleißig zur Arbeit gehen und was leisten, und z.B. nicht in seinem virtuellen WoW Universum verblieben.
Beste Grüße
September 10th, 2015 at 19:22
Charakterformung möglicherweise durch Verzicht?
Was ist mit gerade jungen Menschen, die sich (wenn auch vorübergehend) – angesichts wahrgenommer Fleischproduktion – bewusst vegetarisch ernähren und ggfs. sogar Gängeleien ihrer Freunde in Kauf nehmen.
Reflexe sind also (noch) vorhanden.
Vlt. bringen sie trotz der zahlreichen Bertelsmänner doch irgendwann mal einem verwursteten und ausgebeuteten Menschen genau so viel Mitleid auf, wie einem ebensolchen Tier.
Vegetarisch Leben, aber aufs Handy nicht verzichten können.
Das zeigt das ganze Elend dieser Welt auf.
September 10th, 2015 at 19:37
Wenn sich viele in Konsumverzicht (in unserer Überflussgesellschaft, versteht sich) übten, könnte es m.E. vielen Menschen und der Natur besser ergehen, den Kapitalisten ganz klar allerdings nicht. Es würde IMO ganz schön krachen im morschen Gebälk unseres rein auf Wachstum aufgebauten Wirtschaftssystem.
Beste Grüße
September 10th, 2015 at 20:19
Wie verzichtet man auf etwas, von dem man eh schon ausgeschlossen ist?
September 10th, 2015 at 20:37
Ich sehe in Verzicht überhaupt keinen Sinn. Verzicht ist ein wichtiger Bestandteil der herrschenden Ideologie und ihrer religiösen Wurzeln. Was hat Verzicht mit Charakter zu tun und mit sozialen Kompetenzen?
September 10th, 2015 at 21:55
OT:
Man muss ja nicht alles glauben, aber das wäre ein klares Anzeichen für die Apokalypse: Helmut Schmidt raucht angeblich nicht mehr.
September 10th, 2015 at 22:04
Im besten Fall setzt Verzicht Empathie voraus…im schlechtesten Fall kann man sich selbst die nicht leisten.
Btw…
September 10th, 2015 at 22:08
@flatter(13)
Ich auch nicht, deshalb ja meine Frage…, zumal es mE darüber hinaus keinen Sinn macht, etwas als Verzicht zu deklarieren, was man eh nicht kriegen kann.
Dann zu sagen: “Will ich auch nicht”, hat doch eher was von der bockigen Reaktion des Fuchses wegen der unerreichbaren Trauben.
Nein, ich denke, das mit dem Charakter und der sozialen Kompetenz ‘strickt’ sich anders und hat mit dem direkten, erlebten Umfeld zu tun.
‘Du’ kannst ‘Dir’ Achtung nicht erkaufen, so wenig wie Freunde.
‘Du’ kannst ‘Dir’ zB einen Stilberater kaufen, Stil haste darum noch lange nicht ;)
Charakter und soziale Kompetenz, davon bin ich überzeugt, bilden sich in Wechselwirkung mit der erlebten Umgebung – so weit so wahr.
Finde ich.
Jeder, der meint, daß ihn das nicht anficht oder erreicht oder betrifft, wird über kurz oder lang sein persönliches Inferno erleben.
So ist das Leben, jedenfalls das, was ich bisher kennengelernt habe.
Depressiv wirste mE dann, wenn ‘Du’ von anderen ‘verlangst’, was ‘Du’ selbst meinst zu geben – nee, das Leben ist nicht das größte Tauschgeschäft.
Es ist das Leben!
… aber was ‘Du’ von anderen ‘verlangst’, mußte zuallererst mal selber hinkriegen.
Die Mode, die Hits, die Gimmicks – alles ist irgendwie Uniform – mir scheint – die dann wieder individualisiert wird, wie und wo nur irgend möglich.
Eigentlich finde ich das gut: Eine, meine ‘Stimme’ im großen ‘Ganzen’.
Das bin ich.
Ich bin einzig, wenn auch nicht artig – und jeder andere auch.
Liebe Grüße an dat Töchting ;)
September 10th, 2015 at 22:16
Helmut Schmidt raucht angeblich nicht mehr.
Es ist Zeit, die Koffer zu packen.
@Wat.: Depressiv wirste mE dann, wenn ‘Du’ von anderen ‘verlangst’, was ‘Du’ selbst meinst zu geben – nee, das Leben ist nicht das größte Tauschgeschäft.
Mit solchen Deutungen würde ich mich zurückhalten.
Btw.: Schöner Text.
September 10th, 2015 at 22:16
Deiner These zur Depression muss ich widersprechen, es kann sogar genau andersherum sein, dass jemand meint, nie genug zu geben oder zu sein.
September 10th, 2015 at 22:25
Ok, flatter(18) – angenommen.
Nicht als Widerspruch, als Facette.
… und da ist er wieder – der Tausch-Gedanke.
Ist ja nicht so, daß ich nicht in dieser Welt lebe – Deinen einen Opener habe ich nicht umsonst als vorgehaltenen Spiegel empfunden – auch ich bin ‘nur’ ein Kind meiner Zeit.
Oft in sich ‘zerrissen’.
Das Leben ist trotzdem nicht der Basar der Waren, wenn Basar, dann der Möglichkeiten.
Edit R@iner(17+20) – ist ja nur ‘unter uns’ – war mal als Teeny mein Aha-Punkt, der mich knapp vor der Verzweiflung bewahrte…
September 10th, 2015 at 22:26
@Wat.: … aber was ‘Du’ von anderen ‘verlangst’, mußte zuallererst mal selber hinkriegen.
Äh, echt jetzt? D.h., Du bist zwischenzeitlich von “Das (gesellschaftliche) Sein bestimmt das Bewusstsein” zu “Jeder ist seines Glückes Schmied” übergewechselt. Krass!
Edit: Nee, da müssen wir mal drüber reden. :-)
September 10th, 2015 at 22:27
Also ich kann auf den allermeisten Schund sehr gut verzichten. Und auf dieses ganze System sowieso. Will sagen, es gibt da mindestens zwei Arten. Wenn man auf die Verlockungen der Korruption verzichten kann, hat das nichts mit Charakter oder sozialen Kompetenzen zu tun? Verzicht gepredigt zu bekommen ist freilich etwas anderes. Da handelt es sich dann meistens um die Sache mit dem Wasser und dem Wein. Das kontert man bekanntlich am besten mit unverschämten Forderungen: Zuckererbsen für jedermann!
September 10th, 2015 at 22:35
@R@iner(20)
Dann laß uns drüber reden :P
Wer hat denn jemals sein Glück alleine hingekriegt? Allein kriegt ‘er’ ja nicht mal sein Leben hin, auch wenn’s gar nicht glücklich wäre…
… Leben, also dieses komische Ding, bei dem man Luft, Wasser, Essen, Dach haben muß, odda so ;)
September 10th, 2015 at 22:38
@Wat.: Sag’ ich doch: Sogar Katzen würden kooperieren, stellte man ihnen keinen vollen Napf hin.
September 10th, 2015 at 22:40
Die kooperieren sogar bei vollem Napf, sie ahnen schließlich nicht nur, daß sie die Kühlschranktür nicht aufkriegen…
September 10th, 2015 at 22:49
@Peinhart(21): Ich meine Verzicht als solchen, nicht unter anders bestimmten Bedingungen. Der kranke Scheiß, horten zu müssen und dabei asketisch zu leben, ist eine Säule des Kapitalismus – zwar auch (zumal psychologisch) charakterbildend, aber sicher nicht in einer Weise, die zu befürworten wäre.
September 10th, 2015 at 23:02
@flatter – Is schon recht – aber kommt diese Art von Verzicht für ‘unsereins’ überhaupt in Frage? Ich denke, hier war etwas anderes gemeint.
September 10th, 2015 at 23:10
Denke ich nicht, u.a. weil diese Konsumverzicht/Boykott – Nummer typisches Grünes Terrain ist, wiederum erzprotestantisch und eng verwoben mit der Sphäre Arbeit/Konsum/”Verdienen”. Etwas völlig anderes wäre Geduld/sich zurück Nehmen für einen sozialen Zweck bzw. in diesem Sinne Verzicht auf eigenen Vorteil zugunsten des Miteinanders.
Aber genau das ist ja mein Problem, dass du dafür noch einen Arschtritt kriegst und geächtet wirst, weil du so blöd bist oder verdächtigt wirst, dafür eine Gegenleistung zu erwarten. Du wirst in der Regel ohnehin die Erfahrung machen, dass dein Versuch eines Miteinanders scheitert. Ich weiß nicht, wie junge Menschen, die noch viel schneller desillusioniert werden als wir, das aushalten sollen.
September 10th, 2015 at 23:19
Askese zB als Genussverzicht ist soweit klar. Gehe ich dacore.
I.d.T. meinte ich Verzicht aus Gründen sozialer Kompetenz: von Empathie (als Charaktereigenschaft).
Daher verstehe ich die Frage in #13 nicht ganz.
September 10th, 2015 at 23:21
s.o.
September 10th, 2015 at 23:22
Eine Situation, in der Verzicht wahrscheinlich definitiv sinnvoll ist: Wenn es sich um Sucht handelt, und ein normales (ausgewogenes) Verhältnis zu einer Sache nicht möglich ist (feststellbar im eigenen Verhalten). Dies setzt aber vorraus, dass man einen überschwänglichen Konsum selbst erkennt und eine Motivation entwickelt, dieses Verhalten in irgendeiner Art und Weise selbst abzustellen…
September 10th, 2015 at 23:23
@flatter – Und genau für dieses ‘völlig andere’ wollte ich die Lanze brechen. Zum Zweiten: meine Nichte will auch BWL studieren, obwohl wir uns doch immer ‘gut unterhalten haben’ und ihr als ‘Wipo-Absolventin’ offenbar auch klar ist, was das heisst.
September 10th, 2015 at 23:25
@ matrixmann: Ich möchte hier keine zerfaserte Diskussion über Verzicht führen und wäre ganz erfreut, wenn wir den Zusammenhang wieder aufnähmen. Verzicht ist ganz sicher nicht die Lösung des im Artikel angesprochenen Problems.
September 10th, 2015 at 23:27
@Peinhart: Damit sind wir bei dem Teil “Aber genau das …” in #27.
September 10th, 2015 at 23:34
@ flatter Nr. 33
Verstanden.
September 10th, 2015 at 23:37
Sollte nicht unfreundlich sein, ich hab da so’n Talent, so zu klingen ;-)
September 10th, 2015 at 23:38
@flatter – Du willst ein Miteinander – und stehst allein auf weiter Flur. Paar Leute kommen noch vorbei und können auch nur mit den Achseln zucken. Da steht man dann und kann und will nicht anders. Meine Liebste nennt es das ‘wrong planet syndrom’. Verdammte Störche!!1!
September 10th, 2015 at 23:39
@flatter
Dachte, dass eine Differenzierung nicht unwichtig wäre. Statt einer groben Pauschalisierung.
Aber OK…
September 10th, 2015 at 23:40
@flatter, @Peinhart – meine Erfahrung ist eine andere.
Ja, ich hab’ auch ‘Arschtritte’ bekommen, na klar, aber auch viel… nennt man das dann Achtung, Anerkennung… k.A.
Und eigentlich war das in Anzahl auch mehr. Da muß ich es nicht noch hoch ‘werten’, was ich allerdings (möglicherweise aus Selbstschutz) mache.
Btw. Und mir haben auch schon Menschen geholfen, die ich bis dahin gar nicht kannte. Deren Begründung: Naja, ich habe gehört und wollte… auch.
Tante Edith meint: Vielleicht bin ich was Menschen betrifft auch ‘einfach’ geduldiger, ich stell mir das mit mir ja schon nicht einfach vor, warum sollte das mit anderen anders sein.
September 10th, 2015 at 23:51
@ Wat.: Ja, solche Erfahrungen gibt es. Aber wie kann man denen nachhelfen; anders gefragt: Wie durchbricht man die Simulation von Sozialverhalten, die in Rausputzen, Opportunismus und Personenkult mündet, zugunsten von Solidarität? Dann sind wir freilich noch lange nicht dort, wo dergleichen angeblich etwas an den Verhältnissen ändert.
September 10th, 2015 at 23:53
@Wat. – Aber folgt dieser Anerkennung eines ‘so sollte es sein’ nicht meistens ein ‘aber so ist es nicht’…? Aber immerhin…
September 10th, 2015 at 23:54
@flatter(39)
Das ‘Gemeine’ ist, mein ‘Bauch’ sagt mir: zwischen beidem gibt’s ‘ne Dialektik.
September 10th, 2015 at 23:58
@Peinhart(40)
Ich übertreibe mal bewußt: Wenn Du bei jedem Handeln eine Grundsatzdiskussion führst, vielleicht.
Man kann auch einfach machen (lassen), das ‘wirkt’ von alleine.
Erfahrungen erschlägst ‘Du’ mE nur mit anderen Erfahrungen und dazu mußt ‘Du’ sie machen, nicht zuallererst darüber reden, odda so.
September 11th, 2015 at 00:04
@Wat.: Nu, die Dialektik wird erschlagen vom großen Irrenhaus, das dich mit Erfahrungen bombardiert, in denen du ständig ohnmächtig dastehst – was wiederum sämtliche Trigger bedient, die der Depression das Scheunentor öffnen.
September 11th, 2015 at 00:10
Rezept in Art “Eins für alle” wird es mE schlecht geben können.
Was meinste wie oft ich hier ohnmächtig zuschaue, wie ‘Ihr’ vorm Kreidestrich hin und her wandelt…
Als Pubertierender waren Dir ja möglicherweise Deine Eltern auch ‘irre’ und hast Dir andere ‘Regeln’ gesucht, gefunden, wieder verworfen, bist auf die Nase gefallen, wieder aufgestanden…
… Ich kann Dir nicht mal sagen, wann das mal aufhört.
September 11th, 2015 at 00:11
@flatter – Aber ist Ohn-Macht nicht das, was wir wollen? Und einfach nur da stehen?
September 11th, 2015 at 00:13
@ Wat.: Ich suche nicht nach einem Rezept, sondern nach irgendeiner Spur dafür, dass es nicht völlig folgerichtig und quasi alternativlos ist, zum Arschloch zu werden. Meine Geschichte spielt hier keine Rolle; zu unserer Zeit gab es noch eine Illusion, dass Charakter etwas anderes sei als die Marotte von Sozialnerds.
September 11th, 2015 at 00:15
@Peinhart: Ich versuche mal, den Witz zu verstehen und spoile mit der Bemerkung, dass ‘wir’ aber nicht darunter die Hölle erleben wollen.
September 11th, 2015 at 00:21
@flatter #46 – Ist es nicht, wenn du es willst, bzw nicht willst. Aber dann hilft nur noch warten, auf die Gefahr hin, dass der Bus nicht kommt.
September 11th, 2015 at 00:24
Und, wie bist Du damit umgegangen @flatter, als Du gemerkt hast, daß es hier nur eine Illusion von Sozialnerds ist?
Haste die Schulter gezuckt oder dem ein bockiges Nö entgegen gestellt.
Aber es war und ist Deine Entscheidung – mit Deinen Konsequenzen.
So geht es jedem anderen auch.
Jeder hat Gründe, warum er so oder so entscheidet.
… sogar die Konsequenzen sind ne recht subjektive ‘Geschichte’.
Edit – Da vielleicht jedes aber wieder nicht alle Arschlöcher mit ihrem Arschloch-Dasein ‘zu was kommen’, folgt über kurz oder lang die ‘Erdung’. Wenn dann nicht die ganze Umgebung rachelüstern ist…
Btw. Das “Du” ist gar nicht auf Dich als Person gemünzt, ich kann nur so besser runterschreiben, was mir so durch den Kopf geht – und es scheint mir allemal besser als dieses passive “man”.
September 11th, 2015 at 00:32
@ Wat.: Ich weiß nicht, ob ich mich wundern soll, das von dir zu lesen, die du sonst so extrem materialistisch argumentierst. Klar geht es jedem anderen anderen auch so, aber soll ich da jetzt Däumchen drehen, wenn die Verhältnisse eben die Entscheidungen in Richtung ‘selbstzufriedenes Arschloch’ vs. deprimierter Mensch mit zweckoser Sozialkompetenz einnorden?
@Peinhart: Wenn an den Laternen rund um die Bushaltestelle die Falschen hingen, wäre das noch ein Bild der Hoffnung, aber sie vergehen unbeachtet.
September 11th, 2015 at 00:34
Ich finde mich grade stringent materialistisch…. ;)
Edit – @flatter(50) – Die Entscheidung steht wenn dann zwischen Arschloch und Nicht-Arschloch. Der Rest ist schon ‘empfundenes’ Resultat.
September 11th, 2015 at 00:36
Ich steige für heute aus und höre noch ein bisschen T-Bone Burnett… ;)
September 11th, 2015 at 00:39
Sleep well ;-)
September 11th, 2015 at 00:45
Von mir auch: Gut’s Nächtle.
September 11th, 2015 at 00:49
Wenn ich das auf die Füße stelle, komme ich zu der Einsicht, dass das ganze Strampeln, das hier allen auferlegt wird, ein Clusterfuck in 17 Dimensionen ist. Das Subjekt, Säule der bürgerlichen Existenz und seiner Arbeitsethik, wird zu einer Lüge, die niemand mehr leben kann. Hast du ‘Glück’ in deiner Familie, kannst du dich mit dem ersten Schritt hinaus umtreten lassen und hast dann entweder genug Kraft getankt, das zu überleben oder gehst vor die Hunde. Hast du ‘Pech’, bist du vielleicht schon familiär so abgehärtet, dass du auch draußen überlebst. Aber es gibt nicht einmal mehr den schmalen Grat, auf dem du wandeln kannst, ohne von vornherein auf der dunklen Seite zu sein.
So, und dann kommen dir die Vögel, die vom guten Willen und der Menschlichkeit zwitschern, mit ihren kruden Vorstellungen von Charakter, Vernunft und was du damit so erreichen könntest. Was erwarten die am Ende außer nackter Gewalt?
p.s.: Ich geh dann auch mal schaukeln.
September 11th, 2015 at 01:02
“Was erwarten die am Ende außer nackter Gewalt?”
Weiß ich nicht, ich komme ja hoffentlich niemandem nur so…
… zeige allerdings auch jedem, bei dem ich es ‘riskieren’ kann, daß mit mir nur so umgegangen wird:
Mit Respekt und Toleranz oder gar nicht.
Bin dann schon mal ‘bettfein’…. Augen zu.
Schlaf schön, Du auch @flatter.
September 11th, 2015 at 01:21
@ flatter #27:
Ob junge Menschen noch viel schneller desillusioniert werden als wir zu unserer Zeit, wage ich zu bezweifeln. Viele, die ich kenne, scheinen mir geradezu in Illusionen, welcher Art auch immer, zu baden.
Der “Charakter” nimmt wohl – so wie mir das scheint – erst ab ca. 30 eine bestimmte oder bestimmbare Form an. So ist er in den Jahren zuvor geformt worden, durch bestimmte kritische Entscheidungen im Leben, die das Individuum eben so und nicht anders seinerzeit getroffen hat. Wie verschieden die Entwicklungen sogar bei Aufwachsen unter gleichen Bedingungen (Elternhaus, Schule, Uni) geraten können, kann man u.U. an seinen eigenen Geschwistern sehen, oder den Geschwistern anderer Leute, sogar bei eineiigen Zwillingen soll sowas der Fall sein.
Seinerzeit hat mir die Lektüre Erich Fromms (dem Du ja abhold bist) “The Anatomy of Human Destructiveness” und “Haben oder Sein” (er hat auch noch andere gute Bücher geschrieben) einige Erleuchtung gebracht, was es mit der Welt auf sich hat. Und auch die klassische persische Dichtung, seien es Omar Khayyam, Hafez oder Moulavi.
Dennoch bin ich keinem Eso-Geschwafel verfallen, sondern Materialist geblieben. Die Depri lauert hinter jeder Tür, aber der Anblick einer Rose, der Geschmack einer leckeren Brombeere, das Lächeln eines Kindes, die Begegnung mit einem liebevollen Menschen oder der Geruch des Windes vom Meer reißen einen da wieder raus…
September 11th, 2015 at 01:49
Zum kurzen touché in #1: Du hast manchmal eine art texte und kommentare (#27 und besonders der letzte satz dort) zu schreiben, die ‘nahe’ gehen… (den rest habe ich wieder gelöscht, nur noch das folgende:)
Ab und an frage ich meine töchter mal – sie sehen das dem sentimentalen hund, den sie kennen, dem vater, der sie, wie die mutter, begleitet hat, die ihnen erzählt und die versucht haben halbwegs passabel vorzuleben (erziehen ist so ein scheiß wort), nach – ob sie glücklich sind : Ach, papa.
“Seltsam ist es um die bestellt, die verloren gehen. Sind sie heillos? Sie haben sich nicht gewehrt. Oder doch? Schweigen ist die Waffe der Ohnmächtigen. Wer weiß denn um die Gespräche eines Verlorenen.
Andere sagen: Sein Da Sein war ohne Folgen. War er nicht da? Genügt das, Hoffnung haben? Genügt das, immer und bis zuletzt sagen: Ich bin nicht versöhnt?” – Peter Rosei, Von Hier nach Dort
September 11th, 2015 at 03:53
“(erziehen ist so ein scheiß wort)”
yep. es ist die gewaltätigkeit, die in diesem begriff zum tragen kommt…
es sind diese kleinigkeiten in kommentaren, die mich nicht völlig verzweifeln lassen, danke für.
September 11th, 2015 at 09:06
Nostalgie:
Der Feind, den wir am meisten hassen,
Das ist der Unverstand der Massen!
Wenn ich mir vergegenwärtige, wie etwa meine Eltern für die Arbeiterbildung geglüht haben und trotz kaum verfügbarer Freizeit Bücher der Weltliteratur gelesen haben, und wenn ich dagegen diese zu Konsumidioten mutierten Massen ansehe, die sich jeder für sich mit ihrem Smartphone in einen winzigen Kokon von Privatheit einzuigeln versuchen während sie gleichzeitig völlig entfremdet in einem Strom von Ereignissen mitgerissen werden, von denen sie weder das woher noch das wohin kennen, dann muss ich mir eingestehen, dass der Kampf um die Köpfe von Bertelsmann&Co schon gewonnen wurde: Weg von Bildung hin zu Ausbildung! Weg von Inhalten hin zu Kompetenzen!
Bald werden Worte durch Bilder und Gedanken durch Konsumwünsche und Lieben durch Liken ersetzt sein, und die Wort-und Gedankenlosen werden nicht einmal wissen, was ihnen fehlt.
September 11th, 2015 at 10:23
@oblomow #58
Sein Da Sein war ohne Folgen. War er nicht da? Genügt das, Hoffnung haben?
Es genügt vollkommen sich mal wieder auf die simple und grundsätzliche Wirklichkeit zu besinnen, dass wir alle einmal Sternenstaub waren und und mit Sicherheit auch wieder werden, für den winzigen Augenblick dazwischen gilt IMO das hier!
Beste Grüße
September 11th, 2015 at 10:37
@all
Ihr gebt’s Euch ja wieder richtig! Zwei Dinge die mir wichtig sind im Nezz 1) Feynsinn, 2) die Kommentare dort – dann kommt all’ dess annere.
@flatter
Ja, so isses; Lösung? *schulterzuck* Ich erleb’s vier mal. Meine / unsere Kizz sind vllt. graduell besser drauf, das war’s. ‘Du’ kannst soviel a) erzählen und b) vorleben wie ‘Du’ willst; es ist nur einer von vielen Einflüssen von dem man nich sicher weißt ob im gemeinten Sinn a) verstanden und b) wahrgenommen wird; die Kontrollfrage stellen ‘wir’ ja nicht. Den Rest besorgen Gesellschaft, Bildung(sweg), Herdentrieb usw. usf.
Bleibt die letzte Frage: Warum will die jeweils ältere Generation die jeweils jüngere Generation immer und immer wieder in ihren Pfaden wandeln wissen? ‘Wir’ haben doch auch ‘unser’ Ding gemacht und uns “o tempora, o mores” ausgesetzt gesehen.
September 11th, 2015 at 11:09
Zur letzten Frage: Will ich ja gar nicht. Ich will nur, dass sie schwimmen können.
September 11th, 2015 at 11:13
@Vogel
Den Rest besorgen Gesellschaft, Bildung(sweg), Herdentrieb usw. usf.
Wohl wahr!
Es ist schon recht merkwürdig, wir erfinden und fühlen uns als Individuum, nur um diese Eigenschaft bei nächster Gelegenheit (meist samt Großhirn) an der Garderobe wieder abzugeben!?
Beste Grüße
September 11th, 2015 at 11:14
OT: “Außenamt startet Kampagne gegen Desinformation“. No Comment.
September 11th, 2015 at 11:22
OT:
Also, wenn ich als verfolgter in in meinem Leben stark bedrohter Syrer von unserer Heeresleitung informiert würde, dass es keine Charterflüge und keine teutschen Pässe im gelobten Land für mich gibt, würde ich es mir dreimal überlegen zu fliehen. Denn ohne Pass und Charterflug zu sein, ist bekanntlich viel schlimmer als der Tod.
Beste Grüße
September 11th, 2015 at 11:56
Nicht OT: Dieser Böhmermann und seine Leute holen zur Aufklärung dann gerne mal die grobe Kelle raus: PRISM is a dancer: Rantnotizen | #iphoneswelcome NEO MAGAZIN ROYALE mit Jan Böhmermann – ZDFneo (yt, 9 Min.)
September 11th, 2015 at 13:34
Wer versucht kein Arschloch zu sein, muss sich darüber im Klaren sein dass er fast nur noch leidet und fast nix mehr kriegt. Der Gedanke an dieses Elend, der Versuch dieses Elend zu ertragen, lässt früher oder später dann doch alle zum Arschloch werden. Und wer es dann trotzdem weiter versucht, fragt sich dann immer mehr ob er nicht doch ein Masochist mit schwerem Dachschaden ist. Und dann wird man irgendwann verrückt und brabbelt vor sich hin. Wenn es eine Hölle gibt, dann mus sie das hier sein.
September 11th, 2015 at 16:27
flatter 55 … du klingst inzwischen stellenweise so wie ich vor ein paar Jahren .. willste wissen wie’s weiter geht .. HAHAHAHA
September 11th, 2015 at 16:43
Lieber Flatter, mit dem Nachwuchs möchte ich Entwarnung geben: alles was Du schreibst, meinst, vertrittst, das ganze Narrativ, das werden sie verinnerlichen und es besser, lockerer und kreativer umsetzen als Du es Dir jemals erträumt hast, so dass Du vor Stolz platzt und denkst: Mann-o-Mann, wenn ich das gewusst hätte, hätte ich noch mehr von diesen Menschen gemacht. Das ist nie verlorene Liebesmüh, das reden einem nur die ein, die sich nicht trauen, eine klare Position zu beziehen.
September 11th, 2015 at 17:06
@Upuaut, 68
Ich weiss, dass ich kein Arschloch bin! Und gelitten habe ich auch nicht sonderlich viel.
Vielleicht ein Sonderling, der ich auch im eigenen Selbstverständnis schon immer war, und dessen nähere Umgebung das mal wohlwollend oder auch abschätzend zur Kenntnis genommen hat.
Es ist gut möglich, wie flatter es formuliert hat, die Herkunft eine nicht unwesentliche Rolle dabei spielt, ob man vom ersten Windhauch des wirklichen Lebens bereits umgepustet wird, oder bereits abgehärtet darin eintritt und den Kampf aufnimmt.
Ich halte es auch nicht für zwangsläufig, dass das Leben unter Lohnarbeit einen zwingend zum Arschloch werden lässt. Nach meiner Ansicht befördert dieses Leben unter der Lohnarbeit bei den Menschen “Eigenschaften”, die ihren Widerstand gegen die Bedingungen ihrer Lebensumstände ständig untergraben.
Der Verlust ihrer materiellen Existenz erzeugt bei ihnen soviel Druck, dass sie ihre Bereitschaft zu kämpfen sehr schnell aufgeben, wenn sie sich einer solchen Situation stellen müssen.
Die Freundin vom “Publicviewer”, die Betriebsrätin bei UPS ist, und mir sehr anschaulich die Arbeitsbedingungen dort geschildert hat, konnte mir sehr eindrucksvoll vermitteln, wie sich Lohnarbeiter in einer Konfliktsituation oft verhalten.
Da wird das eigene Anliegen im Gespräch mit dem Chef geleugnet und so dargestellt, als hätte die Betriebsrätin sie dazu gedrängt, dieses Gespräch zu führen.
Für mich waren diese Gespräche sehr notwendig, da ich als Frühinvalide keinen Bezug mehr zur heutigen Arbeitswelt habe und mir nach diesen Gesprächen vorkam wie ein Kathedersozialist.
September 11th, 2015 at 18:16
@Lazarus: Lass mich raten: nach Nordwesten :-P
September 11th, 2015 at 18:35
@flatter #27
Wie schon andere hier geschrieben haben, besonders der “Aber genau das…” Abschnitt beinhaltet soviel Wahres. Ich glaube auch ne passende Geschichte aus meinem Leben zu haben. Vor knapp 10 Jahren nach dem ersten Semester war mir klar, dass Studieren nichts für mich ist und es lieber in der Arbeitswelt versuche.
Habe somit keine Immatrikulationsbescheinigung für 2. Semester ausgefüllt, aber weiterhin Bafög bezogen. Das war illegal, aber mir zu dem Zeitpunkt nicht so bewusst gewesen und das Geld habe ich benötigt. Naja, es kam wie es kommen musste, die Behörde hat mich verklagt. Nach meiner Egophase in der Pubertät versuche ich seit ich ca. 20 Jahre alt bin möglichst gerecht zu sein.
Also keine Frage, ich streube mich nicht vor den rechtlichen und gesellschaftlichen Konsequenzen. Mit der Einstellung ohne Anwalt zum Gerichtstermin. Alles ganz ehrlich dargelegt, das ich auch schon die Bafög Schulden samt Zinsen und Strafzahlung ableiste, aber eben erst gerade neuer Job und Wohnung, somit nur in kleinen Raten, usw. Damit wollte ich zeigen, dass ich Verantwortung für mein Handeln übernehmen will. Nun kommen wir zu dem “Arschtritt” Part. Lag womöglich auch daran, dass es eine öffentliche Sitzung war und die Richterin ein Exempel statuieren wollte.
Sie glaubt mir kein Wort, ich sage das alles nur um einer weiteren Strafe zu entgehen, also pure Heuchlerei. Ich würde die Gesellschaft betrügen und wolle die Konsequenzen nicht übernehmen und das ich ohne Anwalt gekommen bin zeigt auch noch meine Arroganz gegenüber dem Justizsystem (das habe ich bis heute nicht verstanden???).
Ich habe versucht zu erklären, dass ich keinen Anwalt dabei habe, weil ich mir meiner Schuld bewusst bin und deshalb kein Grund sehe mich zu verteidigen. Wollte es einfach nur kurz und schmerzlos halten (was ja auch im Sinne des Gerichtes sein sollte).
Sie hat das alles als Schauspiel abgetan und das niemand so ehrlich sei und die Strafe einfach hinnimmt, also das könnte nicht mit rechten Dingen zugehen. Das somit zum Versuch meines “Miteinanders”. Sie drückte mir knapp 6000 Euro Strafe und somit Schulden zum Beginn meines eigenständigen Lebens auf (natürlich parallel zum Abzahlen des Bafög). Lange Rede, kurzer Sinn, in der Berufung wurde das auf 1000 Euro gesenkt, aber auch nur weil mir mein Anwalt (hab mich danach nicht mehr ohne getraut) 1:1 diktiert hat was ich sagen soll. Also quasi erst mit der “Show”, also ein gewisses Verhalten vorzuspielen, was die Justiz eben gerne bei Tätern sieht (Reue, Demut, usw.), gibt es auch eine entsprechend milde Reaktion.
Das war einer der intensivsten und prägendsten Erlebnisse unter dem Banner “Desillusionierung”.
September 11th, 2015 at 18:57
Wer meint nur noch als Arschloch (besser ist wohl der Begriff “Sozialkrüppel”) durchs Leben zu kommen, kann sich auch gleich einen Strick besorgen und aufhängen. Denn erstens mutierte man dann zu dem Charakter der mutmaßlich im hohen Masse mitverantwortlich ist an der ganzen Misere, und zweitens wahrscheinlich noch nicht einmal mit Erfolg, weil nur Sozialkrüppel zu sein reicht für materiellen Erfolg garantiert nicht aus.
Nach erfolgter Mutation steht man dann da, ohne Freunde, ohne Würde, ohne Menschlichkeit usw.
Beste Grüße
September 11th, 2015 at 20:18
@flatter (63)
“nur schwimmen können” wird das auch so verstanden/wahrgenommen? Daran kann (muss?) man zweifeln. Ich jedenfalls such’ den Fehler in erster Linie bei mir: a) Ich kann mich nicht verständlich machen und b) es wäre dicht an (nicht nach dem Wortsinn nach, aber doch so verdammt ähnlich) “geht bitte meinen Pfad weiter”!
September 11th, 2015 at 20:57
Ist ziemlich abstrakt, das, aber ich glaube, ich habe da keine Pfade vorgegeben. Das sehe ich auch durchaus an den ‘Karrieren’.
September 11th, 2015 at 21:07
Ich glaub, ich habe eine leise Ahnung, was @Vogel meinen könnte – mir klingt immer noch das mit der Depri wegen des zu hohen Anspruchs an sich selbst nach, dem man nie gerecht wird.
Das ist sicher einmal der Anspruch an sich selbst, aber vermutlich außerdem auch einiges von… ‘Papa’ nicht enttäuschen wollen, Vertrauen zu rechtfertigen etc… und den Spagat nicht hinbekommen.
September 11th, 2015 at 21:16
Schon, aber wie auch immer die Ansprüche verinnerlicht werden, gibt es eben das Phänomen, dass sie nur die betroffene Person selbst empfindet. Es ist bei Depressionen häufig so (nicht immer, es ist ja ein Syndrom und ein weites Feld), dass die Betroffenen sich quasi sebst Matt setzen, indem sie sich unerfüllbare(n) Aufgaben stellen.
September 11th, 2015 at 21:24
Und da ist die Frage: Wo kommen die her… und warum sind sie da ;)
September 11th, 2015 at 21:38
Yo, die Frage kann man sich stellen, und bei Erwachsenen sind das zuerst die ‘normalen’, dass man sich das Leben verdienen muss, etwas darstellen, Formulare ausfüllen, konkurrieren …
Warum die da sind, ist müßig, denn es hilft kaum weiter, das zu wissen. Sie könnnen einen erschlagen – und das ist ja nur eine Problemebene, die sich einer Persönlichkeit stellt. Noch ein zwei weitere Probleme, und das Ganze potenziert sich. Dann noch ein belastendes Ereignis, ein Trigger, ein somatisches Problem, und du hängst ganz schnell drin.
September 11th, 2015 at 22:22
@flatter(80)
Unbestritten.
Weißt Du, ich zb. habe ‘ne ordentliche Weile damals als Teeny/ Twenty gebraucht, um bei dem, was ich wollte heraus zu bekommen, ob ich das will, weil ich es will oder ob ich es will, weil andere meinen, daß ich das sollen möchte…
Ich bin so nen Scheidungskind, niemand sollte merken, daß der Vater fehlt (meinte wohl meine Mutter) und mich gegen meine recht ‘hegemonische’ Mutter zu stellen, auf die Idee mußte ich erst mal kommen.
Ich hatte ja auch keinen Bock dann alleine da zu stehen, was wußte denn ich, wo ich dann lande…
Als ich mich zum ersten Studium ‘angemeldet’ habe, war das für meine Mutter was zwischen klar und selbstverständlich und als ich sie nur in Kenntnis setzte, daß ich dieses geschmissen habe, ist sie vor Scham auf der Straße anderen Menschen ggü. fast im Erdboden versunken.
Waren das Diskussionen, warum ich denn mit ihr nicht darüber geredet habe, mich nicht beraten habe, bla.
Und – ich hätte das trotzdem nicht weiter studieren wollen. Alle anderen Entscheidungen davor mußte ich ja auch selbst treffen, sie war eh nie ‘da’ – und meinte: Haste Dir eingebrockt, löffel auch selbst.
Also der Zug mit beraten hatte da nicht mehr erst abfahren müssen, der war nie da und schon weg.
Richtig Schwäche kann ich mir vielleicht die letzten 5 oder 10 Jahre so eingestehen und das auch als solche anderen ggü äußern und das hauptsächlich deshalb, weil mir die Kraft fehlt, immer Superfrau sein zu können, ich brauch die Kraft für mich und für andere und nicht solchen Käse.
… und bisher war auch der größte Shit und sei es meine wirklich schmerzliche Wendeerfahrung immer im Nachhinein für irgend was richtig gut, echt jetzt.
Btw. Ich mag mich ;)
September 11th, 2015 at 22:39
Klingt gut. Ich hätte gern mal Urlaub von mir :-)
September 11th, 2015 at 23:40
Dann nimm ihn Dir. Gestatte Dir Urlaub von Dir zu machen…
Wer das kann, ist nicht schwach, der ist echt stark ;)
September 11th, 2015 at 23:53
Das würde jetzt zu weit führen hier :-)
September 11th, 2015 at 23:59
Freitag-Tag (gerade noch) – Musiktag: Al Jarreau 1976 -Take Five oder Working Week – Venceremos oder Robben Ford – Talk to Your Daughter (Montreux Jazz Festival 2007)
September 12th, 2015 at 00:10
@flatter (84) – Sollte, wenn möglich auch mein Schlußwort dazu sein… jedenfalls was die tiefer liegende Ebene ist, die ich da angesteuert hatte.
Meine Sensoren hatten mir einfach mal wieder gesagt: Wat. plauder mal aus der ‘Stube’. Lies es und dann mach, was Du für richtig hältst. ‘Solltest’ (nicht nur) Du eh immer tun ;)
.
September 12th, 2015 at 00:15
@Wat.: Nur mal so nebenbei: Ich habe mich immer bemüht, möglichst wenig von mir preiszugeben. Da draußen wimmelt es von Leuten, die zu dämlich sind, auch nur annäherungsweise zu verstehen, von was wir eigentlich reden. Aber sie hassen uns, sammeln Infos über jede persönliche Äußerung und verbreiten sie in verdrehten Zusammenhängen. Be cool.
September 12th, 2015 at 00:18
Ja, aber der Versuch, mich mit meinem Leben ‘zu erpressen’ ist schon mehr als einmal gescheitert.
Gut’s Nächtle – Sleep well @ll
September 12th, 2015 at 00:20
@Wat.: Okay. ¡Qué sueñes con los angelitos!
September 12th, 2015 at 00:27
Wenn ich sie treffe, werde ich sie von Dir grüßen.
September 12th, 2015 at 00:28
:-))) Me haces mucha gracia.
September 12th, 2015 at 12:39
ot In Frankfurt soll ein u-boot aufgetaucht sein. Klara Fall fragt: “Taucht” der inhalt auch auf? Hat der bnd ‘nen dicken fisch an der angel?
September 12th, 2015 at 14:13
OT: Corbyn ist neuer Labour-Chef. Wird allenthalben auf Seite 5 berichtet.
September 13th, 2015 at 18:04
Berührt das Thema schon:
http://tinyurl.com/oe8aqcj
September 13th, 2015 at 19:28
@Leselotte
Alles hängt mit allem mannigfaltig zusammen, die Kriegsfolgen wirken (wissenschaftlich belegt) über Genrationen weiter, was das Verbrechen der Menschen zum eigenen Vorteil Kriege und Vernichtung anstreben potenziert.
Neben diesen eher subtilen menschlichen Zusammenhängen gibt es aber auch noch ganz gemeine materielle Wirkungen von Krieg und Vernichtung, die das ganze noch viel schlimmer machen. (Z.B. siehe hier oder das hier)
Beste Grüße
September 13th, 2015 at 22:03
Ah, endich erfahren wir etwas über Corbyn. Isn der? Ah, ein linker Spinner. Gefährlich für die nazionale Sicherheit und die Familien. Yup.
edith: Wird er jetzt wohl von einem Verwirrten versehentlich überfahren, finden sie raus, dass er Kinderpornos hortet, tritt er aus gesundheitichen Gründen zurück oder wird er die Chance bekommen, einen Obama zu pullen?
September 14th, 2015 at 00:24
Ich bin der letzte Mohikaner, der letzte authentische Charakter.
Bloch beginnt sein lesenswertes Buch, lesenswert, weil auch dem philosophischen Laien verstzändlich, er beginnt mit den Worten: “Ich bin, aber ich habe mich nicht, darum werden wir erst.”
Ich habe diesen Satz in meiner Dissertation im Vorwort umformuliert (1988): “Ich bin, und ich habe mich jetzt, darum werde ich nichts.”
Ich denke, das wird das Schicksal aller künftigen Authentiker sein, falls es diese noch geben wird.
September 14th, 2015 at 05:47
Sorry @Klaus Baum – Ein Authentiker ist schon, er muß nicht(s) mehr werden.
September 14th, 2015 at 10:00
@ 85: R@iner
Da habe ich auch noch etwas für Dich – und selbstverständlich auch für die anderen Blogger…
https://www.youtube.com/watch?v=N9m0QjsxlJE
September 14th, 2015 at 11:15
Die Gitarre ist raus aus dem Header, ergo ist das hier kein Musikforum mehr. Bienchen und Blümchen sind angesagt ;-P
September 15th, 2015 at 02:29
[...] Fundsache aus dem Beitrag Mensch ohne Eigenschaften im [...]
September 15th, 2015 at 14:52
@ 100 flatter
o. k. – habe verstanden. Du hast wohl mit Deinem dezenten Hinweis auf die zweite Strophe des folgenden Liedes hinweisen wollen
https://www.youtube.com/watch?v=BKzoXXXar9I
So, und ab jetzt nur noch themenbezogene Kommentare von mir – versprochen ;-D
September 15th, 2015 at 16:24
100 flatter … Ändere auch gleich den Spruch in
—> Keine Bienen, keinen Honig ..! <—
cheers :-)))))
September 15th, 2015 at 16:41
Und was ist mit Met?
September 15th, 2015 at 18:57
AchMet ..Oooops ..Ach,Met..Eum..Weiß nicht,lass Honig aus dem können’se dann machen was’se wollen.