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Der Kollege vom Biokiez hat einen inspirierenden Artikel über Europa geschrieben, dem ich meinen Senf hinzufügen will. Ehe ich auf etwas komme, was ich mir ggf. unter “Europa” vorstelle, werde ich von einer Begegnung in Griechenland vor vielen Jahren berichten:

Ich war Anfang 20 und mit ein paar Leuten irgendwo auf dem Peloponnes unterwegs. Wir sind getrampt und wollten von einer Straße zum Strand hinunter, dazwischen aber lag die Mutter aller Barrieren: Ein Privatgrundstück, mit Haus, und zwar offenbar bewohnt. Wir haben also versucht, möglichst ungesehen um das Haus herum zu schleichen und uns zu trollen. Der Besitzer hat uns aber sofort erwischt und getan, was ein Grieche damals tat, wenn jemand unbefugt sein Grundstück betrat, zumal wenn die Eindringlinge ziemlich abgerissen aussehen: Er lud uns zum Essen ein. Der Mann konnte gut deutsch, weil er lange an der Ruhr gearbeitet hatte, was ihm unter anderem sein Häuschen finanziert hatte. Es gab einen wunderbaren Gemüseeintopf, kaltes Bier und Geschichten aus unserer gemeinsamen Heimat.

Gepflogenheiten

Noch eine andere Anekdote, eine, die nicht ganz so schwelgerische Erinnerungen weckt: Einige Jahre zuvor war ich in England gewesen. Ich ging damals einmal auf einen kleinen Supermarkt zu und sah schon aus ca. 100 Metern Entfernung eine Frau, die die Tür zum Laden aufhielt. Ich konnte das nicht einordnen, war aber recht verwundert, dass sie die ganze Zeit dort stand. Als ich den Laden betrat, sie mich grüßte und die Tür schloss, wurde mir klar, dass sie mir, einem langhaarigen Schnösel, die Tür aufgehalten hatte. Sie war übrigens keine Angestellte, sondern eine Kundin. Britische Höflichkeit scheint manchmal keine Grenzen zu kennen. Wir hatten damals einen dabei, der es nicht drauf hatte mit “please” und “thank you”, und jedesmal, wenn er ein Pint bestellte und mal wieder den Satz nicht voll kriegte, halfen wir mit einem dreistimmigen “Please!” aus. Kann ich nur empfehlen, danach waren wir gern gesehene Gäste.

Ich musste sowohl in England als auch in Griechenland Geld umtauschen, was keine Riesenkunst ist und eben seine Vor- und Nachteile für Reisende hat. Der Vorteil lag im Fall Griechenlands im billigen Urlaub. Ich fuhr aber nicht herum, um möglichst billig möglichst hohe Ansprüche zu stellen. Ich wollte Land sehen und mit Leuten reden. Die meisten Europäer, so konnte ich schnell feststellen, waren freundlicher als die meisten Deutschen. Carabinieri waren mindestens so miese Arschlöcher wie unkontrollierte Bullen anderswo. Geschäftemacher sind überall eklig. Wenn man erst mal mit Leuten einen trinkt, verträgt man sich mit den meisten und versteht sich mit vielen, und das bereichert ein Leben ungemein. Das ist meine Welt, das ist mein Europa, und was ich an ihm liebenswert fand, war, dass es nicht so deutsch ist. Nicht akkurat, nicht rechnend, nicht deklassierend, nicht diskriminierend. So habe ich es erlebt.

Der Herrenmensch spricht

Und was haben wir heute? Super, ich muss kein Geld mehr umtauschen. Umtausch ist kein Thema mehr, dafür ansonsten nur noch Geld. Der Ton ist nicht zufällig der vom deutschen Kasernenhof, autoritär und herablassend. Es wird akkurat gezählt, aufgerechnet, bilanziert und präsentiert. Es herrscht der Zwang der stummen Askese. Dieselbe Akkuratesse, die politische Gerichtsvollzieher bei der Auflistung ihrer Forderungen walten lassen, dieselbe Gnadenlosigkeit beim Vollzug, kennen wir noch von damals. Unsere Pflicht, eure Pflicht, da kann man nichts machen, das ist der Befehl, der muss vollstreckt werden. Hätten sie halt rechtzeitig ihre Hausaufgaben® machen müssen. So deutsch ist Europa.

Es ist auch so deutsch, dass es wieder Feinde gibt. Ich meine hier einmal nicht den Spuk des Terroristen, sondern den in Europa. Den Russen und alle, die ihm zur Seite stehen. Mit dem darf man nicht reden, den darf man nicht verstehen, und wer es doch tut, ist kein Europäer, sondern ein Versteher. Ein Verräter. Aber das ist das Europa des Kapitals und seiner Hetzer. Sie haben sicher ihre Mittel, vielen Menschen die Köpfe zu verdrehen und ihre Parolen nachzuäffen. Stellt denen aber mal einen Griechen vor oder einen Russen, stellt was zu essen und zu trinken auf den Tisch, dann hat sich das ganz schnell. Nichts in Europa ist so, wie es seine Herrenmenschen trommeln lassen. Es ist an der Zeit, sich das wieder zu erzählen.