natrain

Es gibt keine Idee, die zu dämlich wäre, um nicht von irgendwem ernsthaft vertreten zu werden. Tatsächlich muss eine “Genderdiskriminierung” herhalten für die Abschaffung von Damen- und Herrentoiletten, denn sie seien ja diskriminierend. Dahinter steckt freilich das Gegenteil: Eigentlich ist alles “diskriminierend”, was historisch gewachsen ist, denn es entspricht nicht der korrekten, aktuellen und durch Genderexperten_innxe geprüften Differenzierung. Die Toilette 3.0. sortiert nämlich nach sexuellem Produkt. Gleichsam der Mülltrennung, so der Diskurs gewordene Witz, soll es dem Gendermaterial möglich sein, unter seinesgleichen der Wiederverwertung zu frönen.

Kinder höherer Lesekompetenz mögen befürchten, es gehe hier nun auch los mit dem Abarbeiten am Popanz, dem Boulevard der Aufmerksamkeit und seiner Ökonomie. Andere werden stöhnen, das sei nun wirklich nur ein Scherz gewesen, und wer das ernst nehme, sei selbst der Depp. Ja hätte ich denn nicht selbst neulich noch betont: “Ich habe noch nie verstanden, warum sich gesetzte Leute ständig am Popanz abarbeiten müssen” und “wer sich an den Deppen reibt, ist [...] selber einer“? Wohl beobachtet!

Es geht mir daher auch weder um das konkrete Beispiel noch um dessen Urheber. Es geht um die Folgen einer Art zu denken und zu handeln, und die Gendertoilette ist das Fanal einer stillen Koalition der Reaktionäre und Fanatiker, die von beiden Flanken den Granatenhagel besorgen, das “Divide et Impera” in neue Dimensionen der Isolation vortreiben. Sie reißen noch das Individuum in winzige Stücke, so dass es am Ende keines Subjekts mehr bedarf, dass sich der Bürgerlichen Herrschaft unterwirft. Es bleibt nur mehr ein Haufen loser Teile, die jeder über den Flur kicken kann, dem gerade danach ist.

Unverzeihliche Sünden

Die örtliche Trennung der Menschen in Geschlechter zum Zwecke des Betretens von Abortkabinen ist völlig sinn- und zwecklos und repräsentiert bloß die Paranoia sogenannter “Konservativer” vor sexuellem Kontakt. Das ist noch das klassische Subjekt, das sich selbst unterwirft, dem vor jeglicher Regung der Hormone so bange ist wie vor den Objekten möglicher Erregung. Allein die Vorstellung, hinter dem Sperrholz entblößten sich die tabuierten Zonen, birgt ungeahnte Gefahr. Das bedarf zusätzlicher Absperrung, Ausgrenzung, Schlösser und Riegel.

Die Frage, wie man mit Homosexuellen verfährt, deren Existenz das ganze Konzept erschüttert, war lange die Domäne der eifrigsten Fanatiker des Konservatismus, deren Lösungsvorschläge sich entsprechend mittelalterlich gestalten. Jetzt kommt Schützenhilfe aus einem Lager, das wie die Kavallerie durch den Kindergeburtstag prescht. Herrlich, wie das spaltet!

Die lustvolle Variante homosexueller Offenheit als Kontrapunkt zum traditionellen Muff wird jetzt zerfräst von einem Gender-Rigorismus, der sonst verkniffene Protestanten auszeichnet. Die müssen ja immer wie die Schießhunde auf sich und andere aufpassen, weil sie in ihrer Wahnvorstellung von Welt eine einmal begangene Sünde nie wieder loswerden. Der Katholik kann wenigstens beichten, wenn er sich verfickt hat und saufen, bis der Erzengel singt, was noch allemal zur Entschuldigung getaugt hat.

Wir kriegen sie alle

Die protestantische Ethik hat uns hingegen nicht nur den Kapitalismus, Gauck und Göring-Eckardt beschert, sondern eben diese Überkorrektheit, die geradezu wütende Sucht nach Regeln, Kategorien und Kontrolle. Die pietistische Kultur ist ein Clusterfuck, der nie genug regeln kann, zu jeder Differenzierung noch eine weitere findet, auf dass sich bloß nichts der Ordnung entziehe! Und da sind wir dann, in einem Labyrinth von Containern, wo sich jeder zu offenbaren hat, was er nicht ist, was sie gar nicht ist, zu wem oder was man auf keinen Fall gehört. Weil sich das aber nicht realisieren lässt, wird halt mit der denkbar falschesten Argumentation etwas gefordert, das ein Symptom aufhebt und die Ursache zementiert.

Ginge es nach den Kämpfern gegen falsche Diskriminierung, fände am Ende des Ganges jede Unterkategorie eine Kabine, in der man sich so korrekt und eben so einsam es geht entleeren darf. Totale Isolation, geboren aus der Kriegserklärung gegen jede Lust, befruchtet durch Herrschaft als Selbstzweck, jetzt ganz neu unterm Banner der Emanzipation. Anstatt sich die Freiheit zu nehmen, das WC der Wahl aufzusuchen, anstatt zu hinterfragen, wieso es eigentlich getrennte Klos gibt, begegnen sie einer blödsinnigen Vorschrift, die keiner hinterfragt, mit der Vorschrift, die Vorschrift aufzuheben, ohne die Betroffenen zu fragen, was sie davon halten.

Die Experten für soziale Prägung gehen über die soziale Prägung der Opfer ihres Besserwissens ebenso permanent hinweg wie über das Problem der Prägug selbst, die ihnen nicht in den Kram passt. Alles eben falsche Gewohnheiten falscher Menschen, auf die nimmt man keine Rücksicht. Ihnen reicht die Attitüde der moralischen Überlegenheit, während ihre windschiefen Argumente so überzeugend sind wie das Messer bei der Schießerei. Selbst wenn sie einmal versehentlich etwas richtig machen wollen, ist es doch nur die Offenbarung einer Ideologie, die sich “emanzipatorisch” nennt und tatsächlich in jedem Sinne zwanghaft ist.