Dafür kann ich so wenig wie die, die es sind. Ich bin tatsächlich ein Kind aus der Unterschicht. Mein Großvater war einfacher Arbeiter und mein Vater hat als Chemiearbeiter angefangen. Während er sich durch Fleiß und Fortbildung zum gut bezahlten Mitarbeiter in Gefilde hochgearbeitet hat, die sonst nur Akademiker erreichen, habe ich durch die Möglichkeiten der sozialliberalen Ära studiert und promoviert. Mittelschicht sind wir aber trotzdem nicht.
In meinem Fall liegt das daran, dass ich die meiner Ausbildung angemessene Karriere verpasst habe. Tatsächlich musste ich übrigens mit Ende 20 einen Job ausschlagen, der mir eine akademische Karriere beschert hätte. Ich war damals Hausfrau und Mutter, und es kam für mich überhaupt nicht infrage, meine Kinder dafür von irgendwem betreuen zu lassen. Eine Entscheidung, über die ich gelegentlich jammere, die ich aber unter den gegebenen Umständen wieder so träfe. Natürlich liegt mir daher etwas daran, diese Umstände zu ändern.
Die Welt verändern
Die Umstände zu ändern, das heißt für alle. Dabei habe ich nicht nur diejenigen im Blick, die für sich selbst die Umstände ändern können, aber vielleicht nicht dazu kommen, also Leute wie mich. Das wäre die typische Mittelschichtsreaktion, die neoliberale Option der “Chancengerechtigkeit”. Nein, ich will nicht, dass es nur Menschen besser geht, die an der Schwelle zur Mittelschicht stehen, weil sie das Glück einer guten Ausbildung haben oder ehrgeizige Eltern, die sie gefördert haben. Ich möchte, dass ein Leben mit Würde und ohne Angst möglich ist, für alle und sogar mit Kindern. Das lenkt den Blick aufs Wesentliche. Vielleicht ist das eine Motivation, die ein gebildetes Unterschichtskind eher entwickelt als andere.
Der Alltag aber, die Konsumwelt, Kommunikation und die politische Agenda, ist hingegen ein reines Schaulaufen der Mittelschicht. Das endet bei der Verweigerung von Systemkritik und beginnt bei der politischen Korrektheit. Man schlägt nicht die Hand, die das Geld reicht, und daher stellt man auch nicht die Frage, woher es kommt und wohin es geht. Nur als “mein Geld” wird es eigentlich wahrgenommen. “Mein Geld”, das ist das psychologische Grundstück, um das der M-Bürger seinen Zaun zieht. Er hat es sich verdient – ganz allein und persönlich – und will daher auch bestimmen, was damit geschieht. Vielmehr: Weil er das nie darf und mit “seinem Geld” schreckliche Dinge getan werden (Griechen aushalten, Steuern verschwenden), muss er ständig mosern.
Er weiß, dass er da nichts machen kann, selbst seine Finanzexperten haben ihre liebe Not, das zu erklären. Sie wissen, dass sie in Gottes Hand sind, denn alles andere ist Sozialismus-Kommunismus. Also wenden sie sich den Dingen zu, die sie für praktikabler halten. Umweltschutz durch CO2-Aktien etwa, Atomausstieg durch Laufzeitverlängerung, Frauenrechte durch Genderama. Die aufstrebende Partei der Zeit sind konsequenterweise die Grünen. Sie profitieren unter anderem davon, dass die Unterschicht nicht wählt und die Systemkritiker auch nicht. Sie bilden die perfekte Mischung aus Mittelschicht und Konformismus. Sie glauben daran, dass Verbote und Regeln die Welt verbessern und konzentrieren sich auf solche, bei denen sie keinen wirksamen Widerstand erfahren.
Alles so schön bunt hier
Das macht sie zum natürlichen Verbündeten der CDU, die aus christlicher Tradition schon immer konservativ und moralin daherkommt. Der Hauptunterschied: Als katholisch geprägte Partei weiß die CDU Verbote zu relativieren, indem ihre Klientel sündigt, beichtet und wieder sündigt. Die protestantischen Grünen und ihr Umfeld hingegen belassen es nicht beim Verbot, sondern kontrollieren sich und andere – permanent. Alles muss immer richtig sein: Das Verhalten, die Sprache, der Konsum. Alles geregelt, kontrolliert und zertifiziert. Ob das Leben, das dann noch übrig bleibt, unerträglich ist oder die Hütte brennt, ist zweitrangig. Hauptsache korrekt.
Derweil trifft die Oberschicht die wirklich relevanten Verabredungen und bestimmt den Kurs; die Unterschicht hat mit all dem nichts zu tun und lässt sich höchstens zwingen. Sprachregelungen? Mülltrennung? Biosiegel? Geschlechterrollen? Inklusion? Energiewende? Das interessiert oben wie unten niemanden. Die Präsenz dieser Themen im politischen Geschäft begrüßen die einen als willkommenen systemkonformen Karneval, die anderen gehen eh nicht wählen und pfeifen drauf. Nur in der geschäftigen Trance vermeintlicher Leistungsträger, bei den Drohnen der Mittelschicht, glauben sie, ihr ‘Engagement’ hätte etwas mit der Welt zu tun, in der alle leben. Eine Minderheit, der man es überlassen hat die Fassaden anzumalen, lebt ihren Traum, indem sie ihr Leben träumt. Alles schön bunt, und alle machen mit. Dafür sorgen sie schon.
Mai 11th, 2015 at 16:33
Wow!
Mai 11th, 2015 at 17:22
@ “Die aufstrebende Partei der Zeit …sind die Grünen. … Sie glauben daran, dass Verbote und Regeln die Welt verbessern …”
Wenn sie sich doch nur auf Verbote, Regeln und Deutschland beschränken würden. Die seit Kosovo tarnfarbene Kriegstreiberpartei rechts von der CDU zündelt, Beispiel Ukraine-Konflikt, inzwischen weltweit.
Nur in Libyen hat es dank Westerwelle nicht geklappt.
Wurde hier schon mal erwähnt?:
http://taz.de/Essay-Konservative-Gruene/!158807/
Mai 11th, 2015 at 18:02
Bei Mittelschicht muss ich immer daran denken, dass die Schoiße in der Mitte am höchsten steht: Nach unten treten, nach oben buckeln.
OT, ein neuer, alter Beitrag von Norbert Häring: Das INET von George Soros – Instrument zur Weltverbesserung oder trojanisches Pferd der Finanzoligarchie?
Mai 11th, 2015 at 18:42
“Ich möchte, dass ein Leben mit Würde und ohne Angst möglich ist, für alle und sogar mit Kindern. Das lenkt den Blick aufs Wesentliche.”
Ja, was denn sonst!
Und was für ein großartiger Text.
Mai 11th, 2015 at 20:26
Nochmal horsteln: ‘…indem sie ihr Leben träumt.’ Wirklich sehr schöner Text!
Mai 11th, 2015 at 22:56
Wie kommen wir denn da hin, dass die Menschen, wenn sie vom Kapitalismus geschubst werden nicht sofort nach ihrem großen Bruder Politik schreien? Der kann sowieso nicht beispringen, weil er den Kapitalismus gerade dazu anstiftet weiter zu schubsen.
Wie schafft man den Übergang von “Wir streiken für 5 % mehr” zu “Wir streiken gegen Lohnarbeit”?
Wie schafft man es, dass die Leute wirklich etwas über die Verhältnisse, in denen sie leben wissen wollen?
Ich kenne nur meinen Werdegang und mich hat es halt interessiert, wieso alles ständig in wenn-dann-Beziehungen gekleidet wird, bei denen die Frage nach einer Ursache gar nicht aufkommt. Wenn wir den Arbeitern mehr Geld geben, dann passiert in der Wirtschaft …
Wenn wir höhere Steuern auf große Einkommen erheben, dann …
Das “dann” erscheint noch im besten Fall nur als Weltuntergang, kommt mir jedenfalls häufig so vor.
Alles heile Sozialdemokratie. Was los ist, wenn es sowas braucht, davon reden wir mal nicht.
Was wären wir glücklich, wenn wir alle Arbeit hätten!
Mai 12th, 2015 at 05:35
was oblomow sagt.
Mai 12th, 2015 at 06:40
Nachtrag: Ich bin ja Mittelschicht und deswegen prädestiniert dafür, meine Schichtgenossen einzuordnen, Motive zu ergründen und vielleicht auch einiges zu erklären, meinetwegen zu relativieren.
Wir haben auch Zwänge. Gar nicht mal so wenige. Eingewebt in eine Familie, in einen Job, der (noch) eine vergleichsweise sorgenfreie Existenz garantiert (rein finanziell gesehen), in einen Freundeskreis, der diesen Weg mitgeht und der diesen Weg deshalb nicht in Frage stellt. Und nicht zuletzt eingewebt in die ständigen suggestiven Botschaften, die einem sagen, dass es richtig ist was man tut. Es ist sehr schwer, sich nicht einfach hinzugeben und aufs Sofa zu legen, sondern sich immer wieder in Frage zu stellen und wenn es nur mit ironischer Distanz ist.
Ein wichtiger Punkt ist auch, dass wir mehr zu verlieren haben und deswegen dazu neigen, Polster zu bauen, das Nest zu sichern, dahinstreben, dass alles so bleibt wie es ist, wenn wir endlich nach vielen Jahren Arbeit so eine Art Comfort Zone erreicht haben. Denn das Kind bekommt jetzt bessere Klamotten, wir kaufen bessere Wurst, das Auto wird ein wenig größer, ja selbst das Bier (der Whisky, der Wein) wird edler. Das Leben wird leckerer und der Mensch ist im Allgemeinen nicht dafür geschaffen, das Erreichte aufs Spiel zu setzen. Denn das hamwa uns verdient blabla. Nochmal: Es ist sehr schwer, sich nicht einfach hinzugeben und aufs Sofa zu legen. Nach 10 Stunden Arbeit (die auch bei uns nie weniger wird), umso mehr.
Mit uns Mittelschicht ist keine Revolution zu machen. Wir sind satt, im Allgemeinen zufrieden und beschränken und in der Tat – wie du so treffend ausgeführt hast – zunehmend auf Gängeleien und Kontrollwahn. Weil alles andere, zum Beispiel das Infragestellen grundsätzlicher Konstellationen, unsere Position gefährden würde – in der Konsequenz die leckere Mortadella vom Feinkostladen, die wir uns eventuell nicht mehr leisten können, wenn sich die Dinge ändern.
Die gelangweilte obere Mittelschicht in meiner Nachbarschaft veranstaltet hier Protestkinderfeste, wenn die Verwaltung die maroden historischen Gehwegplatten sanieren will. Oder die unbefahrbaren Kopfsteinpflaster, über die der alte Fritz noch geritten ist, endlich durch Flüsterasphalt ersetzen möchte. Es gab einen Proteststurm im Internet als der örtliche hippe Eisladen umme Ecke die Preise erhöht hat. Aktuell protestieren sie dagegen, dass ein S-Bahnhof einen sinnvollen zweiten Eingang bekommt, weil dadurch einer der fünftausend Spielplätze im Bezirk verkleinert werden muss. Ja. Schau genau hin. Das ist unser Kosmos. Um mehr geht es nicht mehr bei uns. Und die Grünen sind unsere Partei. Arsch. Eimer. Und so.
Dass mit euch Unterschicht auch keine Revolution zu machen ist, weil die Masse mit Lidl-Kirschlikör, lecker Bratmaxe, Aldi-Nackensteak und der Kiste Trolli Gummischlangen vor der Glotze sitzt und sich ihresgleichen bei Berlin Tag und Nacht reinpfeift, damit es morgen wieder ausgeruht auf 10-Stunden-Schicht zum Minijob an die Kasse gehen kann, ist ein anderes, aber nicht unähnliches Thema.
Deine Leute bringen’s nicht, meine auch nicht. Und der Südeuropäer kommt inzwischen wieder her, um uns den Müll wegzumachen. Und konkurriert mit dem noch ärmeren Osteuropäer. Schon mal überlegt, eine ukrainische Putzfrau dein Scheißhaus putzen zu lassen? Die sind so billig, dass auch du sie dir leisten kannst. Die Frau von meinem Handwerker, der mir billig das Bad gemacht hat, kann dir da bestimmt ein gutes Angebot machen. So wie mir.
Nimm uns den Biomarkt weg, den Feinkostladen, den Urlaub im rustikalen Landhaus des Weinguts in der Provence und mach unsere Lebensversicherung wertlos. Dann knallt es. Nimm der Unterschicht das billige Fleisch, den billigen Alkohol, den Pauschal-Mallotzeurlaub und die Glotze weg, dann knallt es auch. Vorher nicht.
Starker Text. Danke.
Mai 12th, 2015 at 08:39
“Ich möchte, dass ein Leben mit Würde und ohne Angst möglich ist, für alle und sogar mit Kindern. Das lenkt den Blick aufs Wesentliche. Vielleicht ist das eine Motivation, die ein gebildetes Unterschichtskind eher entwickelt als andere.”
Vielleicht ist das mitunter eben auch der Hinter- und Hauptgrund, warum die Oberschicht, die Reichen, Vermögenden und Privilegierten in Deutschland, alles dafür tun (Uni-Zugang, Verblödungs-Medien etc.), damit die Unterschicht eben nicht gebildet wird. Denn sie sind noch am Ehesten diejenigen, die eine positive Veränderung für alle wollen (mit Ausnhame von solchen Gestalten wie Gerhard Schröder). Ober- und Mittelschicht jedoch sind in der Regel nur an sich selbst und dem Status Quo interessiert.
Mai 12th, 2015 at 10:20
Stephan(ie?) war Hausfrau und Mutter? Wow, wie geht denn sowas? Oder ist mir nur der Name der GastautorIn (dreimal großes “I”) entgangen?
garfieldiene
Mai 12th, 2015 at 10:53
Starker Text, danke..
Leider leider nutzt die “reigeschmeckte Bildungsschicht” nicht ihr ursprungs-unterschichts”wissen”, um auf die verherrenden Entwicklungen “Bildungssparen” “Kultursparen” “öffentliche DasseinsFÜRsorge sparen” hinzuweisen und das damit immer mehr Menschen zum Bettler gemacht werden! Viele “reigeschmeckte” sind Profiteure der kurzen Zeit der Demokratisierung Dt (68-knapp Anfang der 80)!! Viele “verschweigen” ihre Herkunft anstatt sie als Kompetenz zu nutzen! Denn jetzt gehören sie ja dazu und niemand soll die geflickten Hosen von damals sehen!
Lieber @kiezneurotiker das schlimme an der wehrhaften Mittelschicht ist nicht, dass sie stolz aufs Erreichte ist! Das schlimme ist das massive Treten nach unten bei gleichzeitigem “sich selbst erhöhen, indem man auf der Unterschicht herabmobbt, und indem der Gegner (feige, feige, feige) in denen unten gesehen wird……. Derweil können dann die Oberen Diebstahl betreiben, Länder verwüsten, sich immer mehr unter den Nagel raffen!
Bei 5 Euro schreit die Mittelschicht”oh halten den Dieb” und fordern harte Bestrafungen bei 5 Mio zucken alle mit den Schultern!
Bei der Unterschicht wird Leistungsnachweis gefordert, bei denen da oben nicht!
Die Frage muss heissen: Frau Merkel kriegt ca 300 000 Euro, Herr Grube kriegt ca 3 000 000 (jetzt 175% bonizuschlag). Was LEISTET der DB chef so viel mehr? Beide werden vom Volk bezahlt!!!
Die Mittelschicht ist keine Opferschicht…wie sie sich gern darstellt, sondern eine Täterschicht und sogar schlimmer denn in ihren Reihen sind vom Volk bezahlte “Angestellte” die es in der Hand hätten den Untergang aufzuhalten! Aber die selbsternannten”Entscheidungsträger” und Macher lassen sich embedden und steigen von einem Bett ins andere! Und genießen die Brotkrümel der richtig Mächtigen! Sie sind HerrenKnechte!
Hurra wir dürfen zahlen- der Selbstbetrug der Mittelschicht! Von Ulrike HERRMANN!
“Ein teurer Irrtum! Die deutsche Mittelschicht schrumpft. Gleichzeitig werden Reiche immer reicher. Aber: Der Protest bleibt aus. Stattdessen betreiben Handwerker, Beamte und Angestellte sogar noch ihren eigenen Abstieg, indem sie klaglos zulassen, dass die sogenannten Eliten immer weniger Steuern zahlen. Wie kann das sein? Die Antwort: Die Mittelschicht sieht sich selbst als Elite – ein teurer Irrtum, der nur den wirklich Reichen nutzt”
http://m.youtube.com/watch?v=XPznz-_OG-s
Ergebnis: anstatt sich gegeneinander hetzen zu lassen, zusammenstehen … die Masse bilden!
Aber das genetisch offensichtlich festgesetzte bessER, größER,weitER als…. kommt den Hetzern zu Gute, so dass das Absetzen von denen “da unten” wichtigER erscheint!
Mai 12th, 2015 at 11:00
@garfield: Niemand nannte sie je Stephan(ie), aber sie war sogar Erzieherin. Es gibt soziale Realitäten, die sind ohne Rücksicht auf das exemplarische Geschlecht besser formuliert.
Mai 12th, 2015 at 11:16
Es sagt doch schon sehr viel über diese Wirtschaft aus, wenn die Mittelschicht sich darüber freut, dass sie ein Haus bauen konnte, vielleicht Mutti und Vati ein Auto haben, zwei Kinder durchs Studium gebracht wurden und nun Bioprodukte und Leckereien beim Fleischer und nicht Discounter kauft.
Wirklich, ihr kauft gesunde Lebensmittel und keine Industrienahrung?
Wirklich, ihr könnt euch ein Auto kaufen, dass ein bisschen komfortabler ist, vllt. mit einem Airbag mehr ausgestattet ist?
Wären das nicht Selbstverständlichkeiten?
Wenn man so ein Leben schon für die Erfüllung hält, ist das doch eher erbärmlich, als dass man sich auf die Schulter klopft, weil man “es” erreicht hat.
Letzteres deutet doch dann eher darauf hin, dass man um der Gefahren weiß, einfach mal beständig in die Scheiße zu treten. Dann setzt aber die Verdrängung ein, weil man einen Scheißhaufen vermieden hat und schon ist man der Größte unter den Deppen der Lohnarbeiter.
Kaum ändert man den Blickwinkel, schon steht man im Regen.
Man muss sich frei machen von Betroffenheit, wenn man etwas lernen will über diese Wirtschaft.
Mai 12th, 2015 at 12:02
Nachtrag
http://m.youtube.com/#/watch?v=X7di8oq6weU
Volker Pispers!
Mai 12th, 2015 at 12:04
Oder einfach blog.fefe.de? ;-)
Mai 12th, 2015 at 12:12
Aber… Zum Thema Gender
Ich habe nie verstanden warum wir Deutschen glaubten wir hätten seit 48 eine Demokratie… Wenn über die Hälfte der Bevölkerung keine Demokratie hat!
Und heute reden genau jene oft am gehâssigsten über Gender und Feminismus, die massiv davon profitiert haben!
Bis in die 80er gab es noch Zwangsehen! “Ihr müsst jetzt heiraten!” Frauen durften ohne männliches Einverständnis nix machen! Vergewaltigung galt als “selber schuld”
Die Liste ist ellenlang, die eine Demokratisierung für die Mehrheit der Bevölkerung als Gewinn aufweisen!
http://m.youtube.com/watch?v=WM2BGTvwWKw
Die Anstalt!
Mai 12th, 2015 at 12:46
Super Artikel der einiges an sehr notwendiger Systemkritik beinhaltet!
Allerdings ist die Problematik m.E. weitaus vielschichtiger als man zunächst vermuten mag:
http://www.youtube.com/watch?v=b8RkAB4SBxk
Bester Gruß
Mai 12th, 2015 at 12:58
Tag auch. Sei trotzdem so gut und lies die bitte die Nutzungsbedingungen.
Mai 12th, 2015 at 15:29
Nach heutiger Definition bin ich wohl Mittelstandskind.
Warum ich mich trotz eigenem akademischen Abschluss und bisher nie ohne Arbeit in den Beschreibungen der “Mittelschichtler” nicht wiederfinden kann, hat wohl mit meiner Sozialisation in der DDR zu tun.
Dort ging es bei der Lebensplanung in erster Linie weder um materiellen Wohlstand noch um Karriere im Sinne von beruflichem Aufstieg – schon gar nicht in sozialen Bereichen – (mit dann Ausssicht auf, na klar, höheren materiellen Wohlstand – sehe nur ich da einen gewissen Kreislauf?).
Alles beginnt mit und endet in diesem Land bei Geld und Status, privatem Besitz.
Wer groß wird in dem Bewusstsein, dass es im Leben nur darum gehe, es [Wohlstand und Status] zu “schaffen” (alles andere ist dann eine Frage von Work-Life-Balance), und an das “Versprechen” des Kapitalismus glaubt, jeder habe die Chance, es schaffen zu können, wenn er sich nur genügend anstrengte, also darum kämpft gegen alles und jeden, was/der ihm dabei im Weg steht, kann doch gar nicht anders, als das “Erreichte” mit Zähnen und Klauen zu verteidigen, wobei die Abgrenzung nach unten ein geeignetes und gar nicht neues Mittel ist. “Man” will ja schließlich was Besseres sein, “die da unten” sind doch nicht so fleißig wie “wir” (sonst würden “sie” ja nicht unten stehen), die haben es (sich) also auch nicht verdient, dass “man” mit ihnen teilt, sondern man muss “sie” davon abhalten, “mir” wegzunehmen, was “ich” mir hart erkämpft habe. Und die Gefahr des Wegnehmens droht ja nicht nur von unten, sondern auch von “oben”, v.a. vom Staat. Nur kann man sich gegen den nicht so einfach zur Wehr setzen wie gegen all die, die auch besitzen wollen.
Wem es zu gut gehe, der werde bequem, heißt es. Also wird der “Wettbewerb” am Laufen gehalten und als notwendige Motivation verkauft, zum Wohle des Wohlstands der Nation sozusagen.
Dass ich nicht so geprägt bin und dieses Menschenbild zum Kotzen finde (obwohl es mir tatsächlich materiell gut geht), mag vielleicht eine Ausnahme sein, aber es könnte doch durchaus darauf hinweisen, dass eine Gesellschaft, in der es (inzwischen fast)ausschließlich um materielle Konkurrenz und Egoismus geht, faschistoide Entwicklungen nicht nur begünstigt, sondern geradezu notwendig bewirkt.
Dass das Denken und Handeln in vorwiegend materiellen/ökonomischen Kategorien als selbstverständliche und nicht zu hinterfragende menschliche Eigenschaft verinnerlicht ist, zeigt m.E. auch die selbst von einigen sog. Linken gezogene Schlussfolgerung, die ehemaligen DDR-Bürger seien vor allem der D-Mark gefolgt.
Mai 12th, 2015 at 15:42
Mal ne Frage: Der Begriff “Unterschicht” (Heute wohl “Prekariat” genannt?)- wurde der vor, sagen wir mal, 30/35 Jahren eigentlich verwendet?
Mai 12th, 2015 at 15:51
Ich kann mich einnern, den in der Schule gehört zu haben, das war also da der Fall, im Unterricht.
In der politischen Diskussion wohl weniger. Das waren die 80er, da begann die Teilhabe am heiligen Wachstum erst auseinander zu driften. Die 50er-70er hatten ja suggeriert, wir lebten in einer völig durchlässigen Gesellschaft, und weder die Lohnentwicklung noch die definierte Wirtschaftslage zwang zu einer Auseinandersetzung mit der sozioökonomischen Wirklichkeit. Die neoliberale Wende kam unter Kohl und Lambsdorff 1982; ich schätze, die Reaitäten, die ab dieser Zeit geschafft wurden, das Entstehen eines neuen abgehängten Proletatariats, ließ den Begriff langsam relevant werden. Unterbrochen oder verdeckt wurde der Prozess obendrein durch den Wiederanschluss.
Mai 12th, 2015 at 19:26
@Frau Lehmann
“dass eine Gesellschaft, in der es (inzwischen fast)ausschließlich um materielle Konkurrenz und Egoismus geht, faschistoide Entwicklungen nicht nur begünstigt, sondern geradezu notwendig bewirkt.”
Mag sein, dass letztendlich auch “faschistoide Entwicklungen” auftreten, noch davor steht m.E. allerdings die gesellschaftliche Notwendigkeit, dass die vollkommen zu recht kritisierten Entwicklungen als alternativlos angesehen werden. Ich denke der dahinter stehende Prozess läuft für die meisten Menschen unterbewusst ab, d.h. sie werden geprägt, und die die diese Denkweise verinnerlicht haben prägen sie wiederum andere.
“Wir leben und sterben rational und produktiv. Wir wissen, dass Zerstörung der Preis des Fortschritts ist wie der Tod der Preis des Lebens, dass Versagung und Mühe die Vorbedingungen für Genuss und Freude sind, dass die Geschäfte weiter gehen müssen und die Alternativen utopisch sind. Diese Ideologie gehört zum bestehenden Gesellschaftsapparat; sie ist für sein beständiges Funktionieren erforderlich und ein Teil seiner Rationalität.”
Von Herbert Marcuse aus “Der eindimensionale Mensch”
Bester Gruß
Mai 12th, 2015 at 22:14
Wind kommt auf, Gewitter ist da, draussen, da wo wir keinen Einfluss haben, besser so. Es scheint fast als ob der nicht stattgefundene Frühling in ewigen Spätherbst übergehen will.
War doch zur Party von Enkels Jugendweihe, habs nicht bereut, etliche mir liebe Menschen warn da.
Freitag das schwachsinnige Ritual, Abschiednahme. Da war kein Anruf der Geschwister von außerhalb, wie gehts euch (meinem Bruder, der Mutter gepflegt hat, und mir), nur finanziell-technischer Schwachsinn, ja wir erfüllen eure Wünsche, ja ich schreib, weil nicht red, von Mittelschicht, die die anderen Geschwister nun mal verkörpern.
Anm. 1: Schwester ist seit Anfang der 90iger als Bankkauffrau tätig, `Langer, was passiert hier?“Was ich dir sagte, der Laden is bankrott…`
Zwischenbemerkung, das Gewitter nimmt Fahrt auf…
Freitag wird grausam, zur Beerdigung selbst werden nur wenige dasein, 3, 4 Personen und Frau Trulla…
Mai 12th, 2015 at 23:32
@flatter #21: Danke
@Heldentasse
“… noch davor steht m.E. allerdings die gesellschaftliche Notwendigkeit, dass die vollkommen zu recht kritisierten Entwicklungen als alternativlos angesehen werden.”
Sind wir denn nicht schon soweit? Zumindest wird die Alternativlosigkeit allen “Fortschritts” doch stets und ständig gepredigt: Deutschland braucht TTIP, weil sonst der globale Wettbewerb verloren wird; es braucht Reformen, sprich Sozialabbau, weil sonst keine Wettbewerbsfähigkeit; wir müssen den Gürtel enger schnallen und bis 72 arbeiten, weil sonst der Wohlstand verloren geht; wir brauchen die Datensammelwut, damit wir gegen den Terror gewappnet sind; wir müssen uns wieder an den Anblick von Kriegsversehrten gewöhnen, weil Deutschland Verantwortung übernehmen muss usw. usf. Und der “kleine Mann”? Rennt mit, weil tatsächlich keine Alternative außer einer Brücke oder sich demütigen zu lassen.
Letztens, als ich mich aus dem “Team” Öffentlichkeitsarbeit meiner Schule verabschieden wollte, weil ich dafür einfach nicht extrovertiert genug bin, fragte mich meine Schulleiterin: “Aber Sie halten Öffentlichkeitsarbeit” – doch auch nur eine Umschreibung für Werbung – “doch auch für wichtig?” Ja, wichtig, weil staatliche Schulen eben auch nur Unternehmen sind, die, wenn sie nicht mehr genügend Schüler anlocken können (Ich arbeite im 2. Bildungsweg), eben auch selber Schuld sind, wenn sie scheitern. Alles alternativlos. Und kaum einer fragt mehr, ob es auch richtig ist. Und wers merkt – tja, den kanns eigentlich nur kaputt machen.
Mai 13th, 2015 at 08:01
@Frau Lehmann
Danke für die Resonanz!
“Sind wir denn nicht schon soweit? Zumindest wird die Alternativlosigkeit allen “Fortschritts” doch stets und ständig gepredigt:”
IMO kann bzw. muss das Wort “schon” entfallen, weil unsere Art zu Leben und die Gesellschaft zu organisieren wirklich eine hintergründige systemimmanente Alternativlosigkeit beinhaltet, ja immer schon beinhaltet hat! Ganz trivial kann man das daran erkennen, dass wenn z.B. eine Mehrheit geschlossen und plötzlich nicht mehr arbeiten würde, alles was wir als Normalität betrachten nach kurzer Zeit zusammenbräche. Analoges gilt auch wenn die Konsumenten streiken würden, und nur noch das absolut notwendigste kauften. etc.
Darüber hinaus, und das wir m.E. in Zukunft noch viel entscheidender sein, zerstört diese “Alternativlosigkeit” auf Dauer nicht nur die Menschlichkeit sonder auch die natürlichen Lebensgrundlagen, die Fachleute sprechen von einer sozial ökologischen Krise:
“Für das Erdsystem haben Naturwissenschaftler bislang neun globale biophysische Grenzen identifiziert,
innerhalb derer sich die menschliche Zivilisation entwickelt hat und außerhalb derer Prozesse im Erdsystem destabilisiert werden. Drei „planetarischen Grenzen“ sind bereits erreicht: beim Stickstoffzyklus,
beim unwiederbringlichen Verlust der Artenvielfalt und bei der Erderwärmung. Beim schützenden Ozon
in der Stratosphäre, der Übersäuerung der Meere und beim globalen Frischwasserverbrauch sowie
beim Wandel der Landnutzung sind die planetarischen Grenzen nahe;”
http://www.kolleg-postwachstum.de/sozwgmedia/dokumente/WorkingPaper/wp2_2013.pdf
Bester Gruß
Mai 13th, 2015 at 10:38
OT: Endlich haben sie es ans Licht der Öffentlichkeit gezerrt:
“Schnurrrekord Der lauteste Kater der Welt“!!1!
Wo wäre unsere Demokraktie ohne den Spiegel?!
Ah, verstehe: Sie haben jetzt einen Webzwonullexperten, der hat ihnen Katzencontent empfohlen.
Mai 13th, 2015 at 10:59
@flatter
“Wo wäre unsere Demokratie ohne den Spiegel?!”
Das ist eine gar nicht mal so unbedingt rhetorische Frage, denn das Blatt hat sich in der Vergangenheit unbestritten sehr verdient gemacht, in dem es viele Affären und Missstände aufdecke, was sich auf die damals noch junge BRD positiv auswirkte.
Das dies nun leider “Schnee von Gestern” ist, ist traurige Realität, nur gibt es im Mainstream überhaupt noch Medien die man wie damals den Spiegel als “Sturmgeschütz der Demokratie” bezeichnen kann? IMO kein einziges!
Bester Gruß
P.S.: Hoffentlich werde nicht auch hier entfernt, aber taue mich mal zu sagen, dass GrooveX im Spiegelfechter und im Kontext “Mittelschicht – Prekariat” einen Kommentar für Frau Lehmann cross gepostet hat.
Mai 13th, 2015 at 11:05
Ich werde mir eine adäquate Strafe ausdenken für diese Unverschämtheit. Ohne Link, tz!
Mai 13th, 2015 at 20:24
Lebensweisheit:
“Auf dem Weg nach oben grüße freundlich, auf dem Rückweg triffste alle wieder!”
Hilft und funktioniert :P
Mai 13th, 2015 at 20:46
@Heldentasse und flatter:
Vielen Dank!