Seit Oktober gibt es in diesem Blog die Kategorie “Kollateralschaden”. Sie begann mit dem einen Satz: “Es ist einfach nicht mehr finanzierbar, sich für eine Lüge zu schämen”. Das ist ein eher unbedeutendes Beispiel für all das, was man hinnimmt, wenn man sich marktkonform verhält – wozu der Kapitalismus seine Probanden schlicht zwingt. Solche Erscheinungen sind zwar im Grunde banal im Angesicht von Kriegen und Hunger, aber sie sind eben Erscheinung desselben Phänomens. Es gibt einen Zusammenhang zwischen der Lüge in der Bewerbung und der, die zum Marschbefehl führt.
Eher lose Fäden lege ich also hier aus. Wer es aber wissen will, kann erkennen, woher sie kommen und wohin sie führen. Heute fallen mir einige Ereignisse auf, die helfen, bestimmte Zusammenhänge zu beleuchten. Das beginnt mit dem, was heute zwischen “Zensur” und “Lügenpresse” mit den falschen Vorwürfen in die richtige Richtung weist. Beginnen wir mit der Presse, die es gar nicht nötig hat zu lügen, wenn sie gleich die Wahrheit machen kann:
Erpresse
Die politische Nötigung, welche die Bildzeitung für ihre Aufgabe hält und sie veranlasst, gleich dem gesamten Bundestag eine vorformulierte Meinung aufzuzwingen, ist atemberaubend. Dieter Janecek hat auf Twitter veröffentlicht, wie ihm angedroht wird, am Nasenring um den Kiosk geführt zu werden, wenn er sich der Europolitik des Springer-Verlags nicht anschließt oder auch nur dazu schweigt. Konkret sollen sich die Abgeordneten vor dem Hetzblatt rechtfertigen, wenn sie weiteren Krediten für Griechenland zustimmen. Merke: “Erpressung” kommt von “Presse”.
Ein einziger Schaden, dessen Nutzen sich mir immer weniger erschließt, ist inzwischen Facebook, das seine Nutzer immer krasser entmündigt, enteignet und sich herausnimmt, völlig willkürlich Inhalte zu bestimmen. Jetzt hat es “Die Partei” erwischt, deren Account wegen eines Witzes gesperrt wurde. Das beste an der Aktion ist, dass kein Mensch nachvollziehen kann, was Facebook daran auszusetzen hatte. Die Marktmacht in Kombination mit Eingriffen in die Freiheit der Rede ist schädlicher als staatliche Zensur. Kein Grund nachzudenken, Facebook ist nämlich cool und gratis!
Der beste Koch
Die Meldung des Tages für mich ist aber das Problem der Versorgung mit Lebensmitteln auf dem Land. Nein, nicht in der Sahelzone – in Deutschland! Noch sind das keine katastrophalen Zustände, aber dahinter steckt mehr als ein logistisches Problem.
Man muss sich deutlich machen, dass ein wichtiger Grund für den Erhalt des politischen Systems in niedrigen Lebensmittelpreisen besteht – sofern man sich nicht gesund ernähren will oder muss. Die Industrie und der Handel haben längst ein System erschaffen, das durch Dumpinglöhne, Konzentration und Druck auf die Lieferanten dafür sorgt, dass Armut nicht zu Hunger führt. Dieses System greift aber nicht überall, und Gnade uns das Nudelmonster, wenn sich daran etwas ändert! Der irrsinnige Reichtum und die unglaubliche Effizienz haben nicht einmal dazu geführt, dass man sich auf die Versorgung mit Lebensmitteln verlassen kann. Wir sollten Schuldige suchen und sie dafür bestrafen!
März 23rd, 2015 at 14:01
Unter Kollateralschaden würde ich auch das Desaster von Vanuatu einordnen. Gut, dass Deutschland der Familie im Bild mit 240.000 Euro unter die Arme greift. Ach nee, falsch – Das ist ja die Hilfe für die ganze Inselgruppe, wo doch nur 166.000 Menschen betroffen sind.
März 23rd, 2015 at 18:05
“Kein [N]achdenken, Facebook ist nämlich cool und gratis!” und bequem! Frach bitte niemand nach dem Unterschied zwischen gratis und umsonst – Fatzebuck iss nämlich umsonst! ;-)
Und: Was können die Märkte dafür, wenn die Loit kein Auto haben? Autos für alle – und die leeren Straßen aus der Werbung!
März 23rd, 2015 at 19:47
OT: Das hier (Youtube, < 5 min., via Burks) ist ein wunderbares Beispiel dafür, dass eindimensionales Denken zwar immer Recht behält, aber selten die Wirklichkeit beschreibt. Ich stelle mir eine Diskusion vorab vor, in der argumentiert worden wäre, welche Folgen die Besiedelung mit Wölfen haben würde.
März 23rd, 2015 at 21:40
Wahrheiten sind wie Ladenhüter. Niemand kauft sie ab. Lügen hingegen, laufen wie geschmiert.
März 23rd, 2015 at 22:06
@flatter (3)
Sehr schönes Beispiel … aber auch dafür – als Alternative -, dass erst’mal fragen, dann diskutieren und dann auch noch (demokratisch) entscheiden idR(!) suboptimal iss.
März 23rd, 2015 at 22:39
Jedenfalls wenn der Verstand schon nicht durchkommt und Vernunft nicht stattfindet. Also eigentlich immer ;-)
März 23rd, 2015 at 23:34
Fatzebooch sollte man erstmal sowieso meiden, ob marktkonformer Konsument oder IT-Fritze, und nicht rumjammern. Man ist nämlich nicht Kunde, sondern (durch die – freiwillig – zur Verfügung gestellten Daten) Produkt dieses Datenkraken (siehe Herman/Chomsky, Manufacturing of Consent). Warum sich “Die Partei” dadurch auf den Fuß gepeddet fühlt, läßt mich wundern. Das hätten die doch wohl vorher wissen können. Also eigentlich völlig uncool! Ich verstehe sowieso nicht, weshalb auch Linke meinen, sich auf dieser Übelplattform tummeln und z.B. diese bescheuerten “Like-Buttons” auf ihren Seiten plazieren zu müssen (dankenswerterweise hier nicht – beim CCC z.B. auch nicht!).
Es gibt wohl das Phänomen des Mitmachenmüssens, um nicht in der gefühlten Ungehörtheit – und damit in der wahrgenommenen Bedeutungslosigkeit – unterzugehen…
März 24th, 2015 at 02:13
letzter satz bernd; wenn du nicht bei FB bist, existierst du nicht. schon garnicht in der öffentlichen wahrnehmung. so einfach ist das. und mittlerweile als faktum anzusehen.
März 24th, 2015 at 05:27
[...] Misswirtschaft eben? Falsch, denn das betrifft unser hochgelobtes kapitalistische Deutschland. via Programmbeschwerde gegen Jauch-Kampagnensendung mit Varoufakis Riesenempörung in unserer [...]
März 24th, 2015 at 07:39
@DKT
Ich fatzebucke also bin ich? Jawoll! (Das muss man ja ‘mal sagen dürfen)
März 24th, 2015 at 08:39
Wo keine Geschäfte sind, braucht man auch keine Ärzte: Spon, Patienten-Versorgung: Trotz Reformen weiter Ärztemangel auf dem Land
Sagen wir es so: In der Schweiz würde man regionale Programme auflegen und kleine Unternehmen ein paar Jahre z.B. von der Gewerbesteuer befreien.
In Spanien gibt es so etwas (selten) auch. Wer Kinder hat (auch wg. der Schule, die man so erhalten kann), selbstständig ist und in Dörfer zieht, die auszusterben drohen, der muss in manchen Gegenden gar keine Steuern zahlen.
März 24th, 2015 at 09:21
aus dem fazit des FR-artikels:
“Dessen ungeachtet halten die Studienautoren das Postulat „jedem Dorf ein Dorfladen“ für betriebswirtschaftlich nicht tragfähig.”
aha. was verstehen die wohl unter “betriebswirtschaftlich nicht tragfähig”?!?
März 24th, 2015 at 11:16
Guxma, die Journaille ist beliebt! Hätten die (ich verschwörisiere ‘betreuten’) Kuttenzombies einen Verlag angezündet, wäre der Effekt wohl nicht gar nicht so schlecht gewesen.
März 24th, 2015 at 11:40
Ich wohne in einem solchen gerontophilen Landkreis. Eine weitere Folge der ausdünnenden Versorgung ist, dass kein Rentner mehr freiwillig sein Fahrzeug stehen lässt geschweige denn den Führerschein freiwillig abgibt. Wer irgend noch die Kraft hat, ein Gaspedal durchzutreten, fährt. Für Kupplung oder Bremse reicht es dann aber leider nicht mehr in allen Fällen. Damit sind weitere Kollateralschäden programmiert…
März 24th, 2015 at 12:21
Es ist noch keine Stunde her, dass der Airbus von Germanwings abgestürzt ist. Klar, dass die jetzt berichten, wie sich die Aktienkurse von eads und Lufthansa ändern. #NotMyPlanet #LeFigaro
Und lt. Tagesschau soll es “wahrscheinlich viele deutsche Opfer” geben.
März 24th, 2015 at 12:39
»…lt. Tagesschau soll es “wahrscheinlich viele deutsche Opfer” geben…«
@15. R@iner: Das Teil war immerhin von Barcelona nach Düsseldorf unterwegs. Das werden kaum alles ausländische Fachkräfte gewesen sein. Aber interessant zu sehen, wie die Medien gerade alle wortreich melden (GermnanWings-Symbolbilder von Pixelio bis AP), dass sie z.Z. noch nix wissen.
März 24th, 2015 at 13:12
Aha, nicht der Journalist ist schuld, sondern die Investoren.
März 24th, 2015 at 13:33
Diesmal ist Putin zu weit gegangen.
März 24th, 2015 at 14:05
Mach einfach dein Ding.
März 24th, 2015 at 15:48
Immerhin erwächst aus dem Unglück auch etwas Gutes. Lt. WDR5 Reporterin zögen Deutschland und Frankreich jetzt (O-Ton) “…an einem Schrank!” Was da wohl drin sein mag?