blueh

Der Zusammenbruch des Staatssozialismus hat der BRD eine “Einheit” geschenkt, einen “Kanzler der Einheit” und eine Annexion, die so wenig wie möglich von dem übrig ließ, was die DDR gewesen war. In Ost und West wurde Jubel zur Bürgerpflicht; der politische Dilettant Lafontaine, ein begnadeter Redner eigentlich, ging unter gegen einen Gegner, der binnen fünf Jahren “blühende Landschaften” versprach. Lafontaine blieb bei der Wahrheit und prognostizierte einen Jahrzehnte währenden Prozess, in dem die Ex-DDR alles andere erleben würde als den Lebensstandard des Westens.

Wir müssen noch einen Schritt zurück gehen, um den Prozess besser zu verstehen: In den 80er Jahren wurde in der BRD das Privatfernsehen eingeführt. Dies und die engen Kontakte Kohls zu Medienhäusern wie Kirch und Springer veränderten u.a. unmittelbar die politische Kommunikation. Die Forderung aus dem Lambsdorff-Papier, ausschließlich positiv zu kommunizieren, war die Basis für das künftig aktive Management des – ökonomisch geprägten – Narrativs. Der sogenannte “Einigungsprozess” war eine grandiose experimentelle Bestätigung der neuen Rolle “professioneller Kommunikation”, sprich PR. Die Regierung Kohl hatte einfach den alten Schlager “Aufschwung” neu gespielt als “Aufschwung Ost” und damit den visionären Miesepeter der Sozialdemokraten aus dem Ring geprügelt.

Alles Aufschwung

Unter Kohl war alles Aufschwung, ein Begriff, der bald in das dauerhafte “Wachstum” überging, das sogar als Rezession schlimmstenfalls “Delle” oder “Minuswachstum” heißt. “Es gibt keinen Misserfolg, das System ist perfekt”, ist seitdem die Botschaft. Der traditionelle Antikommunismus hatte gerade ausgedient, als er sich gegen die möglicherweise schwelenden Reste des Sozialismus noch einmal nach innen richten konnte. Parole: Die DDR war eine grausame Diktatur, alle, die ihr zugearbeitet hatten, deren rote Schergen.

Ganz Gallien? Nein. Die Politiker der CDU und der FDP, deren neue Dependancen im Osten aus Blockparteien hervorgegangen waren, gehörten natürlich zu den Guten, egal, was sie zuvor getrieben hatten. Schließlich hießen sie ja nicht “sozialistisch”, also waren sie es auch nicht. Ihre Funktionäre wendeten sich so geschmeidig wie nach dem Krieg die Nazis, die ja ebenfalls zahlreich in CDU und FDP untergekommen waren. Mitglieder der PDS und aufrechte Sozialisten wurden hingegen pauschal zu Bütteln der Diktatur erklärt und verfolgt, sofern man ihnen irgend eine Nähe zur Stasi auch nur andichten konnte. Anderen wie der FDJ-Funktionärin Merkel ging es da besser.

Rote Socken in blühender Landschaft

Ausgerechnet die SPD, der man alles vorwerfen kann, aber nicht, dass sie es mit der Stasi oder den DDR-Eliten gehabt hätte, wurde mit einer Kampagne überzogen, als sei sie selbst Honeckers Erbe – weil sie ja theoretisch mit der PDS hätte paktieren können. Egal, wie sehr die Sozen aber selbst gegen die linke Konkurrenz hetzten, sie wurden diesen unverdienten Ruch nicht los. Das ganze Arsenal uralter Propaganda wurde wieder aufgelegt, auch das der “Vaterlandslosen”, weil Lafontaine ja vorgeschlagen hatte, den Einigungsprozess nicht übers Knie zu brechen.

Die Dominanz rechter Medien und des Boulevards, der mit Kritik und schlechter Stimmung kein Geld verdienen kann, förderten eine deutschtümelnde Euphorie, hinter der sich der neoliberale Umbau perfekt verbergen konnte. Schließlich war jetzt keine Sparmaßnahme und kein Sozialabbau mehr kritisierbar, denn es ging um die “Vollendung der Einheit”! Gegen diesen Sog war Widerspruch zwecklos, und Kohl durfte weitere acht Jahre regieren, ehe ihn jemand mit seinen eigenen Mitteln schlug.

Alle Artikel zum Thema auf einer Seite gibt es hier.