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Das Problem des NATO-Doppelbeschlusses und die damit verbundene Tatsache, dass sich der noch immer nicht gebrochene Kriegsunwille – zumal unter den Bedingungen des nuklearen Overkills – gegen den amtierenden Kanzler Schmidt richtete, ist die Randerscheinung einer epochalen Verschiebung im Narrativ. Noch ein letztes Mal bringt sich zwar der Antikommunismus in Stellung und dominiert die politischen Entscheidungen gegen den Willen der Mehrheit (denn Kohl ist wahrlich nicht pazifistischer als Schmidt). Wichtiger aber ist das neue Thema, das die nächsten Jahrzehnte beherrschen wird: “Arbeitsplätze” als Titel für den Umbau von Staat und Wirtschaft zur Rettung der Profite.

Unter dem falschen Etikett einer “Geistig-moralischen Wende” wurde mit dem Lambsdorff-Papier tatsächlich etwas völlig anderes zur Leitlinie: die neoliberale Wende. Mit diesem, später durch das “Schröder-Blair-Papier” aktualisiert, orientierte sich das künftige Narrativ an einem Manifest. Im übrigen hatten natürlich die Berater Reagans und Thatcher den Zug bereits aufs Gleis gesetzt. Sozialstaat war out, das Wirtschaftswunder beendet und mit “Massenarbeitslosigkeit” und “globalem Wettbewerb” Gründe für die Aufkündigung des Gesellschaftsvertrags im großen Stil geliefert. Dass bald darauf der Eiserne Vorhang fallen würde, war aus der Sicht der Architekten des Neoliberalismus ein Geschenk des Himmels.

Die “Wende”

Während Kohl seine “Freundschaften” zu allen Staatsmännern der Welt feierte, Reagans Hand über den Gräbern von SS-Leuten hielt, andererseits den ‘Sozialisten’ Mitterrand ins Herz schloss und die “Europäische Einigung” zur Chefsache machte, brachte Präsident von Weizsäcker den Umgang mit der Nazi-Vergangenheit zum Abschluss. Mit der Formel, das Kriegsende sei eine “Befreiung” gewesen und dem Fokus auf die Juden als Opfer des Holocaust fand er den Weg, das Unvermeidliche einzuräumen, das Missliebige weiter zu leugnen und die neuen Herren weiter zu konsolidieren. Deserteure und Kommunisten wurden weiterhin nicht als Opfer des Terrors wahrgenommen, auch andere Gruppen nicht (z.B. Sinti, Roma, Homosexuelle). Kommunisten bekamen keine Pension, im Gegensatz etwa zur Witwe von Roland Freisler.

Dass die meisten Nazis schlicht zu Demokraten erklärt worden waren und die Republik gemeinsam mit den “Befreiern” steuerten, blieb unerwähnt. Als Befreier galten selbstredend die Westalliierten, nicht etwa diejenigen, die Auschwitz wirklich befreit hatten. Natürlich wurde auch das von den Rechten noch als Zumutung empfunden, denn die Anerkennung der Grenzen und der Verzicht auf Revanchismus war aus deren Sicht nicht einzusehen. Dieser bis dahin einflussreichen Minderheit musste von oben deutlich gemacht werden, dass der Krieg wohl vierzig Jahre zuvor verloren worden war.

Das vor allem wirtschaftliche Zusammenrücken der EU mit dem Fluchtpunkt “Euro”, der Neoliberalismus und die Treue zu den USA ergaben ein Paket, das den seit Mitte der 70er Jahre sinkenden Profitraten Abhilfe schaffen sollte. Die Republik rutschte erheblich nach rechts. Da man nicht jeden Gewerkschafter zum Kommunisten stempeln konnte oder jeden, der sich über sinkende Reallöhne und Einschränkungen der ‘Arbeitnehmerrechte’ beschwerte, fiel allmählich die alte sozialdemokratische Domäne aus dem Narrativ: die Beteiligung am Wohlstand, sprich der Produktivität. Wer mehr wollte, war ein Kommunist, da war man sich einig gewesen, wie aber tabuisiert man das bislang Akzeptierte?

Das Ende des Antikommunismus

Das Tabu wurde neu ausgerichtet, zunächst durch die schiere Arroganz der Macht, optimal verkörpert von Margaret Thatcher. Das TINA-Prinzip war geboren, “There Is No Alternative“. Der Wettbewerb, die Globalisierung, die hohe Arbeitslosigkeit zwangen die Politik vermeintlich dazu, Sozialabbau und Lohndumping, “Privatisierung” und “Deregulierung” zu fördern. Die bisherige innerkapitalistische Alternative wurde als “Schuldenmachen” verunglimpft, die schon bald sichtbaren Ungleichgewichte sanktioniert, indem sie zum Resultat von “Leistung” verklärt wurden, und sozialer Ausgleich hieß fortan “Gleichmacherei”.

Während der Staatssozialismus im Osten sich zerlegte, wurde im Westen der Antikommunismus zugunsten einer radikalen pro kapitalistischen Agitation ad acta gelegt. Man konnte es sich sogar leisten, den Oberkommunisten und Chefrussen Gorbatschow zu bejubeln, der zuvor noch vom Bundeskanzler mit Goebbels verglichen worden war. Zementiert wurde diese neue Ordnung 1990 mit der “Wiedervereinigung”.

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