Das deutsche Narrativ (2): Wir Antikommunisten
Posted by flatter under narrativ[14] Comments
25. Jan 2015 19:04
Die Bundesrepublik Deutschland als Staat von Gnaden der drei Mächte legte sofort los mit der Sicherung der neuen ‘Demokratie’, indem Parteien verboten und Anhänger einer bestimmten politischen Ausrichtung verfolgt wurden. Zunächst wurde mit der “Sozialistischen Reichspartei” ein Versuch alter Nazis verboten, die NSDAP unter anderem Namen weiter zu betreiben. Da hatten einige nicht kapiert, dass es neue Autoritäten gab und die alten tatsächlich in ihrer originären Ausrichtung unerwünscht waren. Das führte allerdings nicht dazu, dass Nazis lange behelligt wurden. Im Gegenteil konnten sie schon bald wieder Beamte werden, auch wenn sie Kriegsverbrechen begangen hatten.
Man schoss sich dann auf eine andere Gruppe ein, die sich nicht ohne Widerstand der Nachkriegsordnung beugen wollte: Die Antifaschisten. 1951 wurde ein “Strafrechtsänderungsgesetz” erlassen, das drakonische Strafen für eine politische Betätigung verhängte, die den neuen Herren nicht behagte. Unmittelbar danach wurde das Verbotsverfahren gegen die KPD eingeleitet, das Jahre später zu deren Verbot führte. Gleichzeitig wurde die Verfolgung der Antifaschisten, u.a. auch der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, von denselben Juristen vorangetrieben, die sie schon vorher gehetzt hatten. (Unbedingte Leseempfehlung dazu hier.)
Weiter so
Die Konstellation war schon damals nicht rein antikommunistisch, auch wenn sich die Machthaber stets darauf beriefen, einen stalinistischen Umsturz verhindern zu wollen. Von Anfang an waren es antimilitaristische Kräfte, die verfolgt wurden und jene, die sich gegen den wieder aufblühenden Kapitalismus engagierten. In derselben Zeit, als in den USA McCarthy “unamerikanische Umtriebe” mit totalitären Mitteln verfolgte, sorgte ein gut geölter Apparat aus Kalten Kriegern der Alliierten und alten Faschisten für eine politische Linie, die bestimmte Ansätze im Keim erstickte. Parallel zur massiven Unterdrückung missliebiger politischer Aktivitäten wurde der Aufbau der Inneren und Äußeren Sicherheit durch die Gründung der Bundeswehr und neuer Geheimdienste unter Führung ehemaliger Naziverbrecher vollendet.
Von Anfang an kooperierten die alten Faschisten mit den Amerikanern gegen den Feind im Osten. Zu keiner Zeit danach hat es einen Bruch in der personellen Besetzung gegeben, und auch die gesellschaftlichen Konflikte der “68er” haben an diesen Strukturen nichts verändert. In den 60er Jahren entledigte man sich im BND still einiger Kriegsverbrecher, bis heute aber wird die Frühgeschichte der ‘Dienste’ verschleiert; im Zweifelsfall verschwinden Akten. Eingebettet in Stay-Behind-Strukturen und ausgelagerte illegale Dienste überdauerte das Konglomerat aus Faschisten und NATO-Kräften offenbar bis heute.
Autoritäre Demokratie
Diese Dienste machten freilich nicht unmittelbar Politik, auch wenn man annehmen muss, dass sie durch gezieltes Lancieren von Informationen oder im Einzelfall direkte Erpressung Entscheidungen beeinflussen konnten. Zunächst muss festgehalten werden, dass hinter den Kulissen die Verteidigung der Ordnung durch autoritäre Strukturen höchste Priorität hatte. Es wurde keineswegs ein Bruch mit dem Nationalsozialismus favorisiert, sondern eindeutig die vorhandenen Naziseilschaften genutzt, um die Systemkonkurrenz aus dem Osten zu bekämpfen.
Dies wiederum deckte sich völlig mit der Oberfläche der Innen-und Außenpolitik, auf der eben das Bild der Bedrohung durch die Kommunisten im Osten und im Untergrund gemalt wurde. Das Adenauer-Regime war ungebrochen antikommunistisch, nationalistisch und autoritär, was unter den Bedingungen eines offiziellen Antifaschismus und einer ‘modernen Demokratie’ spezifische Brüche hervorrief. Diese sind der Kern des deutschen Narrativs, der im nächsten Artikel genauer zu betrachten sein wird.
Alle Artikel zum Thema auf einer Seite gibt es hier.
Januar 26th, 2015 at 17:51
Tja, flatter, da hast Du wohl wieder ein Sprache verschlagendes Eisen ausgepackt; 23 h und bisher kein Kommentar. Mir ging es jedenfalls so. Ich hatte Adenauers Spruch vom schmutzigen Wasser das man ja nicht wegschüttet solange man kein sauberes hat bisher regungslos hingenommen, jetzt liest man, Deiner Leseempfehlung folgend, von den “Justizopfer des kalten Krieges”. Klar, das mit dem Radikalenerlass ging ‘mal wieder auf’s Konto der sPD, und Adenauer war ja ein bekanntes Schlitzohr für Wiederbewaffnung, Westbindung und heimgeholte Kriegsgefangene. Trotzdem, oder gerade deswegen(?), schaudert’s einen wieder einmal feynsinnig durch.
Januar 26th, 2015 at 17:56
Update (das fehlte noch): “… Bundeskanzler Gerhard Schröder sah keinen Handlungsbedarf, als ich ihn im September 1999 an die dringend nötige Rehabilitierung der Justizopfer des kalten Krieges erinnert habe. Im Unterschied zum Justizunrecht der DDR, das bekanntlich den Gesetzgeber des wiedervereinigten Deutschlands zu großzügigen Wiedergutmachungsregelungen veranlaßt hat, sei bei uns alles rechtsstaatlich zugegangen.” Doch noch mal die sPD, großartig dieser Schröder. m(
Januar 26th, 2015 at 18:57
Das Kommentariat marxifiziert noch im letzten Thread ;-). Ich schätze, nach dem nächsten zum Thema wird es mehr Reaktionen geben, das hängt ja auch noch überm Cliff.
Januar 26th, 2015 at 19:44
@ “Diese Dienste machten freilich …”
praktische Politik.
Fazit:
1. Im Moment geht man sicher subtiler gegen “Kommunisten ” vor. Wenn die geringste Gefahr für das System bestehen würde, die praktischen Erfahrungen könnten sofort wiederbelebt werden.
2. Fast kein Westsozialisierter kennt den Jungkommunisten Philipp Müller, während Dutschke wohl allgemein bekannt ist. Ich musste übrigens lange suchen bis im www überhaupt ein Müller-Beitrag erschien. :-(
Januar 26th, 2015 at 19:52
Im Enizelfall gibt es so etwas, aber noch gibt es keine offene Junta im Freien Westen®.
Januar 27th, 2015 at 10:49
Halb OT: So etwas sprengt dann regelmäßig mein Vorstellungsvermögen: Sz, Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Nazi-Gegner
Ein Nazi-Gegner aus Feilitzsch postet rechtsextreme Schmierereien auf Facebook, um zum Protest aufzurufen.
Jetzt wird gegen ihn ermittelt. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft: Durch die Verbreitung bei Facebook hätten die Schmierereien eine größere Resonanz gefunden. [..]
OT: Andererseits das: Brisante Aktenvermerke im Fall Schottdorf
[..] Darin zitiert er die LKA-Vizepräsidentin Petra Sandles. In einem Gespräch anlässlich seiner Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit soll sie gesagt haben: “Wenn Sie mal länger bei der Polizei sind, werden Sie feststellen, dass nicht immer alles ganz sauber läuft.” Es gebe nun mal “Gründe, die kennt ein Sachbearbeiter nicht, und die kann ich Ihnen nicht erklären.” Wenn die Generalstaatsanwaltschaft auf ein Verfahren “den Deckel draufmachen möchte, dann müssen wir das eben akzeptieren”. [..]
Na dann ist ja doch alles in bester Ordnung.
Januar 27th, 2015 at 11:15
@R@iner
Sprengt dein vorstellungsvermögen, meins nicht, das ist hier doch normal:
Roter Stern Leipzig
Roter Stern Leipzig
Verfahren eingestellt
Januar 27th, 2015 at 11:43
Ist eigentlich das durchgstrichene Hakenkreuz noch verboten? Das ist nämlich ganz wichtig zu verfolgen, wenn es durchgestrichen ist.
Januar 27th, 2015 at 13:24
OT: Telepolis: Alexis Tsipras ist neuer und jüngster Premier Griechenlands
[..] Was war geschehen? Samaras war nicht erschienen. Die alte Regierung hat der neuen einen komplett geleerten Amtssitz überlassen. Sämtliche Schreibtische sind leer. Festplatten wurden aus den Computern entfernt, Aktenbestände durch den Reißwolf gejagt. Noch in der vergangenen Woche musste Samaras neue Aktenvernichter einkaufen lassen, weil die alten ob des Dauerbetriebs ihren Dienst versagt hatten. “Es gab nicht einmal Seife in den Toiletten”, klagte ein Mitarbeiter Tsipras. [..]
Eigentlich hat jeder aufrechte Demokrat in Europa damit gerechnet, dass die Stalinisten (links bedeutet immer Stalin!!1!) bereits diese Woche mit den Deportationen anfingen. Jetzt müssen wir aus rein organisatorischen Gründen wohl etwas länger darauf warten.
Januar 27th, 2015 at 14:46
@R@iner: The “Prime minister from Thueringia” läßt sicher schon Hilfskonvois zusammenstellen, dat wird scho’!
Betreffs leere Schreibtische: Ha!, sollen froh sein überhaupt noch Möbel vorzufinden – der ‘gedopte Wiedervereiniger’ hat seinen anno dunnemal noch mitgenommen.
Ähemm… *duck*
Januar 27th, 2015 at 15:09
Oh Mann, was ist das für ein Irrenhaus! Btw lese ich allerorten, Russland werde “auf Ramschniveau” herabgestuft. Jungfrau angesagt.
Wie reagiert man nu darauf als braver Bürger? Vermulich mit Applaus vom Rand für die in der Manege, die es diesen Volksfeinden jetzt zeigen und dem tapferen Ruf: “Jetzt geben sie MEIN GELD aus”, denn, so steht es geschrieben, der neue Geldgrieche ist ein “Spargegner”. Na klar, sie geben’s aus!!1!
edith: und noch einen:
“Eine antiamerikanische Demonstration und eine demokratische Gegendemonstration“. Gibt es im Journalistikstudium eigentlich ein Fach “Kategorien bilden”? Ich sehe es geradezu vor mir, wie sie die Quadrate mit dem Hammer in die dreieckigen Löcher einfügen.
Januar 27th, 2015 at 15:42
Kategorie, à propos: Wenn demnächst, also umgehend, quasi sofort, Horden von griechischen Millionären/Milliardären in Deutschland Asyl erheischen, wird denen das a) als ‘politisch Verfolgte’ gewährt, werden die b) als ‘Wirtschaftsflüchtige’ direkt wieder abgeschoben, oder sollten sie c) lieber gleich das Wagnis einer Mittelmeerüberquerung gen Monaco erwägen? (Bonusfrage für Kenner: was wird letzteren Falles von Frontex zu erwarten sein?)
Januar 27th, 2015 at 16:58
OT again: Wir brauchen keine Nazistruppen, wir haben ja die Polizei.
Januar 27th, 2015 at 19:13
OT: Spon: Deutsche Chemiewaffen-Hilfe für Syrien: “Die müssen in den Knast”
Deutsche Unternehmen haben dem Assad-Regime nach SPIEGEL-Informationen beim Aufbau seines Chemiewaffenarsenals geholfen. Doch die Bundesregierung hält ihre Namen geheim. Der Linken-Abgeordnete Jan van Aken will dagegen klagen. [..]
Der Januar ist ein schlechter Monat für die Deutschen. Zuerst wurde Auschwitz beendet, dann gewannen die Linken in einem entfernt gelegenen Protektorat eine Wahl und jetzt noch so etwas. Über das Wetter reden wir erst gar nicht.
Mal etwas anderes: TTIPleaks: Zugang zu geheimen Dokumenten
Ups.