“Wir wissen heute, dass das Böseste, oder das “radikal Böse” mit solch menschlich begreifbaren, sündigen Motiven wie Selbstsucht gar nichts mehr zu tun hat. Es hat viel mehr mit dem Folgephänomen zu tun: Der Überflüssigmachung des Menschen als Menschen. Das gesamte System der Konzentrationslager war darauf ausgerichtet, die Gefangen davon zu überzeugen, dass sie überflüssig waren bevor sie umgebracht wurden.
In den Konzentrationslagern mussten die Menschen lernen, dass Strafe keinen Sinnzusammenhang mit einem Vergehen haben muss, dass Ausbeutung niemandem Profit bringen muss, und dass Arbeit kein Ergebnis zu zeitigen braucht. Das Lager ist ein Ort, wo jede Handlung und jede Regung prinzipiell sinnlos wird. Wo mit anderen Worten Sinnlosigkeit direkt erzeugt wird.”
Die Figur Hannah Arendt nach Margarethe von Trotta.
Dieses ‘Böse’ kommt nicht ungefähr, es hat eine Genese, einen Aufbau. Es gibt grausame Experimente mit Ratten und Hunden, in denen ihnen jede Orientierung genommen wird; das Ganze im Dienste einer sogenannten “Psychologie”. In einem werden die Käfige, in denen Ratten leben, teilweise unter Strom gesetzt, so dass die Tiere in Bereiche fliehen können, in denen sie keine Stromschläge erhalten. Nach und nach wird ihnen dies unmöglich gemacht, es ist kein Muster mehr zu erkennen. Die Ratten resignieren irgendwann und bleiben apathisch liegen. Hunde werden in Verbindung mit bestimmten Signalen ‘bestraft’ bzw. gefüttert. Diese Signale werden allmählich einander angenähert, bis die Unterscheidung nicht mehr gelingt. Auch diese Hunde werden irre.
Restmenschrampe, Wegwerfware
Man könnte jetzt das Thema um die Experimente selbst erweitern, zumal die Mengeles ihrem destruktiven Sadismus freien Lauf ließen. Niemand braucht solche ‘Experimente’, deren Ausgang nur zu vorhersehbar ist. Worum geht es aber? Es ist das Absurde, das allein der Macht ihre volle Entfaltung verleiht. Jemanden zu strafen für bestimmte Handlungen, sei das Regime auch noch so streng und gnadenlos, lässt dem Delinquenten eine Wahl. Es lässt ihm eine Ordnung, an die er sich halten kann – sogar meist eine sehr einfache. Es lässt ihm einen Einfluss und schränkt den der Macht ein.
Erst der Verlust von Sinn, Zweck und Ordnung, das Zusammenbrechen aller möglichen Welten, macht die Macht komplett. Der Restmensch, den das übrig lässt, ist Müll. Es gibt keine Würde mehr, weil es keinen Bezug gibt, in dem sie eine Rolle spielt, keine Sprache, in der noch genügend Ordnung wäre, um den Begriff mit Bedeutung zu füllen. Die Restmenschen unter der totalen Macht sind Anhängsel derselben, Exemplare der Beherrschten ohne eigenen Wert, einer wie der andere.
Diese Gleichheit im Sinnlosen schafft sich dabei nicht selbst, sie entsteht nicht aus dem Nichts. Sie nährt sich vielmehr aus den Erfahrungen sinnloser Unterwerfung, hoffnungsloser Niederlagen und verblasster Ohnmacht, die im Trüben nach Genugtuung lechzt. Erfahrungen, die viele Menschen machen, vielleicht die meisten, und die viele nicht verarbeiten können.
Kleine Rächer
Solche Erfahrungen treiben zur Wiederholung in umgekehrten Rollen. Der Gedemütigte identifiziert sich unbewusst mit seinem Peiniger und rächt sich an Unschuldigen. Zur Hand geht ihm dabei die Ordnung, wo sie am wenigsten eine ist: Das Gesetz, die Verordnung, die ihrem angeblichen Ziel Hohn spricht. Das ‘Gemeingut’, das allen schadet, das Mittel, das keinen Zweck mehr findet, der es heiligen könnte.
“Wir tun nur unsere Pflicht”, “Da könnte ja jeder kommen”, “Sie haben das selbst so entschieden”, “Das hätten sie wissen können” – die Sätze, in denen Entscheidungen legitimiert werden, gegen die kein Argument hilft, weil sie sinnlos sind und die schiere Unausweichlichkeit der Macht zum Ausdruck bringen, sie gehören längst zum Alltag. Der größte Apparat zur Unterdrückung und Gängelung firmiert heute unter dem Begriff “Eigenverantwortung”. Wir kennen sie alle, die grassierenden Vokabeln des Neusprechs, die das eine sagen und das andere meinen, wann immer es der Herrschaft gefällt.
Es ist kein Zufall, dass aus dem Zerfall von Ordnungen die schlimmsten Gewaltherrschaften entstehen. Nicht bloß, weil sich eine Kaste von Privilegierten mit Gewalt an der Macht hält, sondern weil das Zerbröseln der verkrusteten Ordnung immer windschiefere Rechtfertigungen liefert. Wer sich in dieser Ordnung noch etabliert, ist zu allem bereit und fragt nicht mehr nach Sinn oder Zweck. Das ‘Böse’, es wächst ganz zwangsläufig und wäre nur noch durch eine Vernunft zu stoppen, die ihm gar nicht zugänglich ist.
November 22nd, 2014 at 16:46
“Der Restmensch, den das übrig lässt, ist Müll.”
Nein. Das ist a) bestätigend gegenüber den Einrichtungen und Einrichtern und b) nich wirklich wie Psyche funktioniert. Es geht doch gerade darum, dass wir nicht herausfinden, ab wann der Satz dann doch gilt. Is mir klar, dass die Lesart nich gewollt sein kann aber das steht so da, kann man anders formulieren, anderer Modus.
“Der Gedemütigte identifiziert sich unbewusst mit seinem Peiniger und rächt sich an Unschuldigen.”
Ich weiß auch nicht, ob ich viel von der Erklärung der Identifizierung mit dem Angreifer halte. Das mag sicher ein neurotischer Abwehrmechanismus sein aber ob der zur Ausbildung eines entlang jener Umkehr in der Identifizierung handelnden Subjekts taugt, wage ich zu bezweifeln.
November 22nd, 2014 at 17:19
Der Restmensch ist Müll in dem Universum, das seine ‘Würde’ zuvor mühsam als Gegenteil konstruiert. Wenn dieselbe Gesellschaft, die solche Würde konstruiert, sie zerstört, ist dies das Resultat.
Die Identifikation mit dem Agressor “bildet” kein “Subjekt aus”, sie ist ein Handlungsmechanismus. Der ist auch nicht immer am Werk, aber er steht prototypisch für die Begünstigung bestimmeter Handlungsmuster unter bestimmten kulturellen Bedingungen. Geschenkt sei, dass diese kulturellen Bedingungen durch ökonomische und deren Entwicklung geprägt sind.
November 22nd, 2014 at 18:23
Der im letzten Abschnitt dargelegte Zusammenhang hat mit dem eingangs beschriebenen Szenario nur wenig zu tun. Es ist sogar fraglich ob die Vernichtung von Menschen eine derartige Traumatisierung im Vorfeld braucht. Stabile Persönlichkeiten (diese sind zugegebenermaßen selten) überstehen Traumta teilweise ohne Fremdhilfe. Ein Großteil der Normalbevölkerung ließe sich mit einer traumaspezifischen Behandlung (soweit vorhanden) auch wieder heilen. Bleiben die frühen Störungen der Persönlichkeitsentwicklung (mit traumatischem Charakter) übrig, die in der Gesamtbevölkerung eine klare Minderheit darstellen, bei denen allerdings unbewußtes Ausagieren der erlebten Machtproblematik in sehr ausgeprägtem Maße vorkommt. Das kann dann im Nachhinein wunderbar zu Einzeltäterthesen zurechtgeputzt werden. Damit ist die Existenz dieses riesigen Heeres an Schreibtischtätern (“Wir tun nur unsere Pflicht..”) nicht hinreichend erklärt. Das Verbiegen dieser Menschen zu der schlußendlich bestehenden Reflexionsarmut und Empathiefreiheit geschieht in keiner Weise traumatisch. Da ist kein Affekt der nach Auslebung lechtzt. Da ist eine irre Angst, was jenseits der gewohnten Struktur von “Ordnung/Recht/Gesetz” sein könnte. Solche Menschen waren meist noch NIE jenseits ihrer kleinen Welt – können sich noch nicht einmal vorstellen, dass da noch etwas anderes ist. Jenseits der von Elefanten getragenen Erdscheibe herrscht bekanntlich die wüste Leere..das Chaos..die Anarchie (sic!)..die Hölle. Unter derlei (auch nur subjektiv) erlebter existenzieller Bedrohung ist unsere Spezies zu den o.g. Ekelhaftigkeiten auch ohne jeden Lustgewinn fähig. ..und genau deshalb ist eine allumfassende Bildung und die damit einherzugehende (!) Einbettung in ein dichtes Netzwerk möglichst vielschichtiger sozialer Beziehungen unser aller einzige Hoffnung. Großteils wird das wohl ohne staatliche Unterstützung ablaufen und auf den Schultern derjenigen ruhen, die es soweit verstanden haben.
November 22nd, 2014 at 18:30
Siehe meinen obigen Kommentar; Zweifellos ist es heikel, einen psychischen Ablauf zum Erklärusmuster zu wählen. Das kann aber vor allem nur dann sinnvoll sein, wenn man es offener betrachtet, also nicht aus der Enge einer (orthodoxen) Schulweisheit.
Dem entsprechend ist die aus Traumata bekannte Konstellation zu öffnen für die Erklärung von Rollenmustern. Es besteht kein Zwang sich zu rächen, sondern eine attraktive Möglichkeit, sich in einer bekannten Konstellation ein bisschen mächtig zu fühlen. Jeder Schikaneur weiß, dass er auch auf der anderen Seite sitzen könnte. Die meisten Mobber kennen auch die Opferseite. Das ist kein klassiches Trauma, sondern ‘soziales Lernen’ in einer kaputten Gesellschaft. Diese Vorgänge sind dann theoretisch dem Bewusstsein auch sehr viel näher als die klassisch-traumatische Identifikation.
November 22nd, 2014 at 19:11
Okay, da stand mein Verständnis der zweiten Hälfte des Textes noch ‘ne ganze Weile unter dem Eindruck von Ahrendt’s Zitat und der beschriebenen Experimente. Krass, ich meld mich später nochma.
November 22nd, 2014 at 19:14
Bewusstseinsnähe ist ein schwieriges Feld. Da sind wir (glaub ich) ALLE schlechter als wir es “bewusst” erleben. (Deshalb ist der Sache ja auch ausschließlich mittels Verstand nicht beizukommen sondern führte auf diesem Wege ja direkt in´s Elend.)Jenseits aller Bewusstheit braucht ja aber jede Handlung ihre Grundmotivation. Und was motiviert am meisten zu “sozialem” Lernen? – Ja, OK Angst allein wird es in diesem komplexen Konglomerat nicht sein, (und liegt doch wie ein Fundament unter allem anderen). Kinder freuen sich wenn sie das Kacka-machen kontrollieren können, wenn sie ihren eigenen Einfluß auf den Lauf der Dinge erleben. Diese Lust ist echt und ist vollkommen in Ordnung. Aber dass dies das Grundmuster jeglicher sadistischer Handlungen ist, lässt auch ahnen, wieviel Defizite solche Menschen anzuhäufen gezwungen waren/sind um wenigstens diese ja doch eher kleine Freude zu diesem Preis (man kennt die Opferseite, weiß (?) wie schnell man dort hinkommen kann….Angst) einzukaufen. Hat hier denn jemand `ne schöne Idee für eine konstruktive Einflußnahme auf das Dilemma ausser einem günstigeren Umgang mit Ängsten/Unsicherheiten durch Bildung und Co. Mit der Feststellung “Gesellschaft kaputt” komm ich nicht so recht weiter.
November 22nd, 2014 at 20:04
Ich weiss leider nicht mehr, wo ich das aufgeschnappt habe, aber es hat sich wohl irgendwie dennoch festgesetzt (vielleicht, weil ich mit diesen Kategorien immer meine Schwierigkeiten hatte, vor allem wenn sie zu so etwas Absolutem wie ‘dem Bösen’ schlechthin werden) – ‘Gut’ würde in einer Gesellschaft generell das genannt, was ihrer Reproduktion dienlich, ‘Böse’ das, was ihr hinderlich sei. In einer zerfallenden Ordnung (bzw ‘Gesellschaft kaputt’) erleben wir, dass das, was ihr einmal förderlich bis unverzichtbar war, sozusagen umkippt und zum Hemmnis wird (was so ähnlich auch schon wieder dieser Marx gesagt hat). Die ‘konstruktive Einflußnahme’ könnte dann nur noch in Bestrebungen liegen, diese Ordnung grundlegend zu ändern. Markt, Staat – und speziell auch das Recht, das sich im Spannungsfeld dieser Pole befindet.
Und wie die Synchronizität mal wieder so spielt las ich gerade heute morgen einen Text, der mir hier durchaus zu passen scheint.
November 22nd, 2014 at 20:11
@Lycalopex (6): Ist richtig, aber inmitten einer kaputten Gesellschaft lässt sich schlecht etwas Besseres etablieren. Was ich sehe, ist dass Vorgänge, die angstbesetzt sind oder schmerzbesetzt, rituell wiederholt werden. Was nicht verstanden ist oder irgendwie kategorisiert, muss weiter inszeniert werden. Je weniger eine gesellschaftliche Konstellation aber verstanden wird, desto eher drängt sie zur Wiederholung dessen, was man da noch versteht: Emotionen. Die Werbung kotzt uns täglich mit falscher Euphorie voll, Tevau liefert uns die gestanzten Rollenbilder dazu (siehe Castingshows etc.), bis man das eine nicht mehr vom anderen unterscheiden kann und die hysterischen Konsumzombies nichts Lebendiges mehr an sich haben. Auf der anderen Seite eben das Ausleben irrationaler Machterfahrungen. So ähnlich war es wohl auch damals, nur dass die Euphorie eine produziert völkische war.
Was da heraus hilft? Vernunft hilft einigen(!) zu überwintern. ‘Danach’ hilft nur radikal Anderes. Zum Beispiel ein Zusammenleben, das die institutionalisierte Ohnmacht nicht mehr zulässt.
November 22nd, 2014 at 20:29
@Peinhart: Wie Faust aufs Auge. Man wird zwangsläufig zu so etwas wie einem Strukturalisten oder Diskursanalytiker als Zuschauer der eigenen Zeit, wo auf der anderen Seite die Zwangsstörung als Muster individueller Freiheit® zelebriert wird. Auch hier sticht wieder meine Lieblingsvokabel “Eigenverantwortung” hervor, der Auswurf eines verblödeten Sozialdemokratismus, der nach wie vor das Politische als Resultat eines Willens betrachtet. Ich kann meine Verachtung dafür kaum mehr zügeln.
November 23rd, 2014 at 02:07
“Under the spreading chestnut tree
I sold you and you sold me – -”
November 23rd, 2014 at 09:25
@flatter – Zu ergänzen wäre vielleicht noch, dass die staatlich organisierte Verrechtlichung aller Beziehungen zwischen den fast vollends ‘privatisierten’ (beraubten, s.u.) Menschen natürlich auch ihre ‘Vergeldlichung’ bedeutet, ihre Überführung also in Schuldverhältnisse. Vielleicht ist das der eigentliche Kern der ‘Eigenverantwortung’ – seiner so erst produzierten Schuld (bzw seinen Schulden) nachzukommen.
Die sogenannte ‘Sozialgesetzgebung’ macht das übrigens besonders deutlich – die ‘lebendigen’ sozialen Beziehungen zB zwischen Familienmitgliedern oder gemeinsam Lebenden (‘Bedarfsgemeinschaft’) eben jener Lebendigkeit zu berauben und in Schuld zu verwandeln. Das Geschenk der Oma wird seinem Geldwert entsprechend vom HIV-Satz abgezogen, die Oma so ihrer Zuwendungsmöglichkeit beraubt und das Geschenk in eine Schuld gegenüber dem Staat verwandelt. Eben ‘berauben’ – der Staat ‘privatisiert’ das Soziale und überführt es in Schuld.
Es führt auch eine Spur von Schuld zu Macht und Grausamkeit. Und zum ‘freien Willen’, aber da wird es dann wohl wirklich kompliziert… Und vielleicht ist auch der Ansatz von Graeber nicht so ganz verkehrt, wenn auch vermutlich mit vielen Rückprojektionen behaftet.
November 23rd, 2014 at 09:54
Psychologie ist heikel da uns kaum bekannt ist wie die Psyche eines gesunden Menschen aussieht die dominierenden Wissenschaftlichen Studien sind Studien geschaffen innerhalb der Gesellschaft also tendenziell vergleichbar mit Untersuchungen des natürlichen Verhaltens von Löwen im Zoo.
In unserem Fall ist es noch interessanter da die Tiere des Zoos sich selbst untersuchen. Wir können nicht ausschließen das nahezu alle untersuchten wie auch die untersuchenden Subjekte nicht bereits mit Traumas behaftet sind.
Die systematischen Fehler sind unüberschaubar.
Aber unter den Gegebenen Rahmenbedingen entsprechen die Verhaltensmuster die flatter beschreibt meinen Beobachtungen, nur ob das “natürliches” Verhalten ist oder bereits als Resultat von Deformation Civilization betrachtet werden kann ist für mich unklar.
November 23rd, 2014 at 10:31
@Peinhart(7): Klingt nach Pirsigs ‘Lila’.
@flatter(8): “Was da heraus hilft? Vernunft hilft einigen(!) zu überwintern. ‘Danach’ hilft nur radikal Anderes. Zum Beispiel ein Zusammenleben, das die institutionalisierte Ohnmacht nicht mehr zulässt.”
Wie müßte man sich ein solches ‘radikal Anderes’ denken?, frage ich mich, sowohl was das Überführen vom jetzigen Ist-Zustand als auch des So-soll-es-sein (als möglicherweise unerreichbares Ideal?) betrifft. Hänge da fest bei Kategorien wie ‘Struktur’ und ‘Bewußtsein’ die ich nur mühselig unter etwas wie ‘kulturelle Werte’ zusammendenken kann. Vielleicht ist diese Fragestellung aber schon das Problem.
November 23rd, 2014 at 11:16
Je näher man sich zum Erdkern begibt, desto heisser wird es. Auch ohne das Wort vom “Autoritären Charakter” zu führen, gestalten sich Gespräche, die ein wenig Selbstreflektion erforderten, äußerst schwierig, weil der solchermaßen Analysierte den Feind sofort im Analysierenden ausmacht. Es ist perfide genug und zugleich erschreckend großartig zu sehen, dass sich alle gleichen Strukturen unterordnen und dies als entfaltete Individualität verstehen und verteidigen.
Ich weiß nicht, ob man den Lauf der Dinge im größeren Maßstab eine andere Richtung geben kann. Das sehe ich leider (auch) sehr pessimistisch.
Mir ist aber klar, dass man niemandem den Lutscher wegnehmen kann, ohne ihm/ihr eine Alternative oder wenigstens ein temporäres Surrogat anzubieten. War da nicht was bei Adorno mit Kunst und Theodizee? Vielleicht gilt aber einfach nach Freud: “Die Absicht, dass der Mensch „glücklich“ sei, ist im Plan der „Schöpfung“ nicht enthalten.“
@Peinhart: Der Text in #7 ist prima. Eine Freundin von mir meinte einmal Politik sei aller Orten nur noch die Verwaltung des Mangels, also die Resterampe der verbliebenen Möglichkeiten.
@Stony: Kultur ist, wenn die meisten ihren Fernseher auf einem Ikearegal stehen haben und auf dem Sofa die gleichen Klamotten tragen wie gerade 1,5 Milliarden andere.
November 23rd, 2014 at 12:20
“Je näher man sich zum Erdkern begibt, desto heisser wird es.” Na klar! Kannst du das beweisen? Plumper kann man wohl nicht das Geschäft dieser Wärmepumpen-Mafia besorgen!!1!
November 23rd, 2014 at 16:41
Entscheidungen treffen, Termine einhalten, einem strukturierten Tagesablauf folgen – für viele Menschen ist dies oft nicht möglich. Bei Feynsinn finden Betroffene seit dem Jahr XXXX nicht nur professionelle Unterstützung, sondern auch Verständnis und menschliche Wärme. Die Abbilder der Klienten ab 18 Jahren sind vielfältig: Sie leiden. Zu den Zielen Feynsinns gehört es, Menschen zu stabilisieren, sie auf ihrem Weg zurück in ein selbstständig geführtes Leben zu begleiten und sie zu festigen.
November 23rd, 2014 at 18:05
” … weil das Zerbröseln der verkrusteten Ordnung immer windschiefere Rechtfertigungen liefert. Wer sich in dieser Ordnung noch etabliert, ist zu allem bereit und fragt nicht mehr nach Sinn oder Zweck.”
Präzise.
In diese Richtung tasteten wohl auch Horkheimer/Adorno, als sie von der ‘verwilderten Selbstbehauptung’ sprachen.
Auch bei dieser gibt es Grade, und vom Intriganten, der einen Konkurrenten erledigt und sich dabei auf ein fiktives Naturgesetz berufen kann, bis zum Bandenführer/Folterknecht, der tut, was er kann, nur noch, um sich zu beweisen, daß er es kann, sind alle Schattierungen dabei.
November 24th, 2014 at 10:32
Die Propaganda aka Q-journaille heute: “Was „Härte“ gegenüber einem Diktator sein könnte, ist eine Frage, die deutsche Politiker und Intellektuelle offenbar überfordert. Sie können sich eine deutsche Außenpolitik, die unbeugsam bedrohliche Konflikte austrägt, nicht mehr vorstellen. Ein Albtraum.”
Muss man wenigstens dann nicht mehr lesen, die Hetze. Unbeugsam! Mit aller Härte! Unbarmherzig! Gnadenlos!
November 24th, 2014 at 12:36
Was hätte man wohl im Jahr 1979 gesagt, wenn (ich)jemand folgende Behauptung aufgestellt hätte:
http://weblogs.evangelisch.de/weblogs/altpapier/2014/11/24/alte-nazis-und-neue-skandale
Das freiheitlich demokratische Westdeutsche Kartenhaus zerbröselt immer mehr.
Was noch: Merkel lässt Platzeck wegen Ungehorsam ablösen und damit gelich noch den “einigermaßen normalen” Ost-Politiker und einstigen Förderer Lothar de Maizière:
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/russland-petersburger-dialog-wird-reformiert-platzeck-ausgebootet-a-1004443.html
Die Medien faseln von einem Diktator Putin.
November 24th, 2014 at 12:41
Omfg, wie dämlich ist das denn?
November 24th, 2014 at 13:22
@ flatter #20.
Ich hatte das auch gerad gesehen via hirnfick 2.0 und das foto vergrößert. Die sehen, was sie sehen wollen und übersehen alles andere (das entscheidende “detail”): schau mal auf die flagge am oberen bildrand, ist zwar auch schon schwierig, die für eine russische zu halten, aber so wirds gewesen sein bzw. so werden sies entschuldigen, wenn sie das für nötig halten – das ist nicht nur dämlich, das ist kaum noch zu ertragen – unglaubliche propagandaschleudern, denen eben nichts mehr zu dämlich ist, weil sie den größten teil ihrer (verbleibenden) leser für klottenhohl halten. Dass man sie aber auch immer wieder erwischt, ärgert sie maßlos, da hilft nur “netzneutralität” (muahaha) und zensur.
Übrigens, die nummer mit dem 100. DFB länderspielsieg ist auch nicht schlecht, da lacht sich der fußballfreund in mir schlapp.
November 24th, 2014 at 13:29
Allein das Gespräch hier gibt mir Hoffnung !
“Den kleinen Rächer” halt ich für ein gutes Beispiel für das “Stockholm Syndrom”. Die Entführung findet nur anders statt, der Zwang vor dem System nicht weglaufen zu können ersetzt den Entführer, man folge dem weg des Geldes um selbigen zu finden.
November 25th, 2014 at 12:12
@Flatter, Du schreibst, dass Menschen ” [...]unter der totalen Macht (…) Anhängsel derselben [sind], Exemplare der Beherrschten ohne eigenen Wert, einer wie der andere”, und weiter: “[...] weil sich eine Kaste von Privilegierten mit Gewalt an der Macht hält[...]“ werden „Entscheidungen legitimiert […] gegen die kein Argument hilft, weil sie sinnlos sind und die schiere Unausweichlichkeit der Macht zum Ausdruck bringen“.
Hier sehe ich das große Problem poststrukturalistischer Theorie, bei Foucault – ich erwähne ihn, weil du dich (ausschließlich?) auf ihn beziehst – (hier: “Überwachen und Strafen”) sind alle Verhältnisse schon immer „Machtverhältnisse“ die sich dann in „Singularitäten“ entfalten, dh alles und jeder ist Macht. Es gibt keinen „Knotenpunkt“ der Macht und somit gibt es keinen (Ort des) Wiederstand(s) gegen diese Macht (ich lasse mich gerne eines Besseren belehren, aber das sieht mir doch sehr nach Sackgasse aus).
Kapitalistische Formen wie „Ökonomie“ und „Politik“ verschwinden in machtbeladenen Institutionen („Mikrophysik der Macht“ als „Gesamtwirkung ihrer strategischen Positionen“), somit kann die immer schon dagewesene Macht (Foucault orientiert sich hier als Poststrukturalist – ironischerweise – an Nietzsche/Heidegger) nicht einmal als solche kritisiert werden…
November 25th, 2014 at 12:16
Es ist eine Perspektive, keine Totale. Die Mechanik der Macht ist nicht nur spezifisch (kapitalistisch), sondern gerade in ihren extremen Ausprägungen auch eigendynamisch. Dass Kapitalismus solche Extreme unvermeidlich befördert, kann ich besser beschreiben, wenn ich die Perspektive verlasse, die immer bloß auf den Kap. selbst glotzt.
November 25th, 2014 at 12:49
Ok, du beschreibst die Macht also von einer Mikroebene um auf die kap. Makroebene zu verweisen die diese (spezifische) Macht (gezwungenermaßen) konstituiert?
November 25th, 2014 at 13:10
Oder umgekehrt; ich kann Macht als so etwas wie die Wirkung von Kräften betrachten und mich dumm stellen, indem ich die Frage nach der Genese der Kräfte nicht stelle. Foucaults “fröhlicher Positivismus” beschreibt die Diskurse aus der Sicht von jemandem, der gar nicht versucht sie zu verstehen. Dadurch eröffnen sich völlig andere Einsichten in die Wege und Strukturen der Macht. Es ist nicht einmal gesagt, dass das zu etwas nutze ist. Der Diskurs ist da eher das zeitspezifische “Makro”, und ich hätte gern Foucaults Beschreibung unserer Zeit aus der Perspektive von 2100 gelesen.
Was nun die Extreme anbetrifft, so sind wir eher in einem Mikro. Was da passiert an Sadismus, Buckelei und Abgründen, har der Kap. eben nicht erfunden. Er ist aber ein Schlüssel zu der Erkenntnis, warum ‘aufgeklärte Bürger’ sich doch wieder so verhalten.
November 25th, 2014 at 13:44
Dank Dir für den Kommentar. Bin gerade dabei mich durch Foucault “hindurchzufressen” und zu verstehen (obwohl ich aus einer ganz anderen Ecke komme und einen – im Vgl. zu Foucault – nicht gerade komplementären Machtbegriff habe).
Was mir Probleme bereitet sind die von dir genannten Gräuel des “Mikro”, die nicht so recht mit dem “Makro” in Einklang zu bringen sind (vll wäre es hilfreich dieses Ebenendenken ganz ad acta zu legen?). Wenn ich bei Marx nachlese sieht das etwas anders aus…
November 25th, 2014 at 14:08
Mein Foucault-Mustread ist “Die Ordnung der Dinge” (besser eigentlich: “Die Ordnungen und die Dinge”). Die ‘episteme’, die er da beschreibt, verbleiben so wundervoll in all ihren Widersprüchen, und die Frage, was eigentlich unmöglich sei zu denken, stellt Kant quasi vom Kopf auf die Füße.
Marx ist völlig im Historismus der Moderne gefangen; für ihn gibt es so etwas wie einen Ursprung und ein Ziel der Geschichte. Ich finde dieses Denken extrem wichtig und will es im Gegensatz zu Poststrukturalisten auch nicht überwinden, aber es ist ebenso wichtig, sich nicht darin zu verstricken, sondern es durch andere Perspektiven zu erweitern. Was Foucault an historischen Formationen freigelegt hat, steckt heute noch in den Köpfen, und du kannst Menschen beinahe nach den Jahrhunderten sortieren, in denen ihr Denken steckengeblieben ist.
November 27th, 2014 at 12:31
wir hatten im garten einen riesigen kastanienbaum, der im herbst ein meer von kastanien abwarf, die alle im laufe der zeit verdorrten. so geht es vielen menschen, dachte ich damals: sie sind abgeworfene frucht, die keiner benötigt, sie sind fruchtlos und werden nicht gebraucht.