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Es hört nicht auf, dass sich Journalisten über ihre Leser beschweren, von ihnen am Ende verlangen, die besseren Journalisten zu sein und jedem “Verschwörungstheorien” anzudichten, der anderer Meinung ist. Dabei halluzinieren sie sich selbst expressis verbis Verschwörungen von Internetbösewichten zusammen, die sich absprechen, um in den Foren die Debatte zu bestimmen. Das ist in dieser Ausprägung krank, aber es hilft nicht, sich an solchen Reaktionen abzuarbeiten, denn es gibt eine Lösung, die konstruktiver ist als der berechtigte Vorwurf, dass die versammelte Journaille einen an der Waffel hat.

Zunächst einmal einige Zitate, die nicht ganz abgesichert sind, weil es sich offenbar um solche aus Printartikeln handelt, die ich mir nicht so fix besorgen kann. Korrekturen jederzeit erwünscht!

Der Leser und seine Defizite

Hans Leyendecker beschreibt den Verschwörungstheoretiker:
Es lag immer schon in der Natur von Verschwörungstheorien, dass sie nie zu widerlegen waren. Keine Beweise? Na bitte, das beweist doch nur, dass die Verschwörer verschlagen sind, weil sie ja sonst Spuren hinterlassen hätten. [...] Der 11. September, der Kennedy-Mord – alles ganz anders als es verbreitet wird. Verschwörungstheoretiker fangen immer mit der eigenen Schlussfolgerung an und ordnen dann dazu passend die Welt.

Letzteres ist sehr zutreffend, und Leyendecker erlaubt sich, das gegen die Leser in Stellung zu bringen, was ja nur zu berechtigt wäre, wenn nicht eine der Sternstunden der Leserschelte sich neulich bei SpOn so gestaltet hätte: Nachdem der Spiegel sich mit haltlosen Angriffen gegen Putin blamiert hatte (die Absturzursache des Flugzeugs ist bis heute ungeklärt), wurde ein Leser vom Redakteur gefragt, ob er denn „konkrete Belege“ hätte, dass die Situation anders gewesen sei als vom Spiegel behauptet. Da setzt sich die Journaille ins Recht, das so lange gilt, bis der Leser das Gegenteil bewiesen hat. Hier wird gleich ganz auf Belege verzichtet, da ist sogar der Verschwörungstheoretiker mit seinen Mühen post festum noch seriöser.

Noch ein Zitat von Leyendecker:
Guter Journalismus muss, zumindest wenn es um Recherche geht, völlig ergebnisoffen sein. Aber sind Leser ergebnisoffen? Will jeder Leser die Annäherung an die Wahrheit? (…) Es gibt Defizite bei den Medien und es gibt Defizite bei den Lesern“.

Verschwörung? Konzertierte Aktion!

Wenn der Journalismus aber nicht ergebnisoffen ist, ist er Müll. Dann macht ihn nichts besser, auch nicht die blödeste Leserreaktion. Aus solchem Unfug spricht der beleidigte Gatekeeper: “Journalisten belehren Leser, nicht umgekehrt!” ist die Devise. Dass es einen Dialog geben könnte, darauf kommt der Mann gar nicht. Was juckt es mich, wenn mich ein Irrer beschimpft in einem Forum, in dem mich auch Menschen mit Verstand korrigieren? Will ich etwas lernen? Dann suche ich mir die Beiträge heraus, die dazu geeignet sind und fokussiere nicht auf die anderen. Stattdessen werden aber mit schalen Ausreden gleich alle gemobbt oder ausgesperrt, die anderer Meinung sind.

Nonnenmacher von der FAZ wird zitiert, es sei “eine konzertierte Aktion am Werk, erkennbar an fast wortgleichen Mails“, wenn der Putinversteher bei ihm vor der Tür steht. Welch eine Bankrotterklärung! Das Phänomen, wenn es denn nicht erfunden ist, nennt sich “Spam”. Das wirft man weg und fertig. Ich habe hier auch regelmäßig Kommentare, die kommen mir verdächtig vor. Finde ich sie dann wortgleich woanders, landen sie im Schredder. Andere sind so allgemein gehalten, dass sie sich offenbar nicht auf den Artikel beziehen. So etwas fliegt raus. Und weil sie also nicht die Kompetenz haben, Spam von ernstzunehmenden Kommentaren zu unterscheiden, wittern sie eine “konzertierte Aktion”.

Sowas kommt von sowas. Was auch immer den Journalismus so ruiniert hat, was dazu beiträgt; ob nun Hinterzimmertreffen, Think Tanks, miese Bezahlung, Lobbyismus, Kostendruck, Eitelkeit, Vetternwirtschaft oder das Wetter, kann mir hier wurscht sein. Das Allerletzte ist aber, das in eine Leserbeschimpfung münden zu lassen anstatt seinen eigenen verdammten Job so zu machen, dass man sich nicht dafür schämen muss. Das Bild da oben sagt doch alles: “Diskussion geschlossen – lesen Sie die Beiträge!”. Was soll das anderes heißen als “Schnauze, du bist hier nur Leser!“?

[Update:] Hier beim Max noch mehr zum Thema, hier bei Gärtner, hier beim Tuxprojekt und hier bei der Metawahrheit.