Im August vergangenen Jahres hat Fefe einige Bemerkungen zum Tor-Projekt gemacht und kam zu dem Schluss:
“Das Problem an sich, dass wir unseren Regierungen nicht mehr trauen können, und einer totalen Schnüffelei ausgesetzt sind, das ist kein Problem, das man technisch lösen kann.”
Ich finde das deshalb erwähnenswert, weil sich der Schluss aus einer vordergründig unpolitischen Sicht ergibt und damit das genaue Gegenteil dessen darstellt, was ich bei einem Blick in die Nachbarschaft durchleide – das sozialdemokratische Credo: “Wir brauchen nur eine gesetzliche Regelung“.
Man muss kein Technikexperte oder Hacker sein, um das Problem im Groben zu verstehen: Das Tor-Projekt soll Anonymität im Netz ermöglichen, indem die Spuren der Nutzer verwischt werden. Der Aufwand, diese Spuren dennoch sichtbar zu machen, wäre nicht nur immens, er setzte die totale Überwachung sämtlicher Netzverbindungen voraus, ein Zustand, wie man ihn sich nur in der übelsten Diktatur vorstellen könnte, und selbst die hätte vermutlich nicht die Mittel, das weltweit zu besorgen.
Wenn wir an die Macht kommen
Tja, und genau da liegt der Irrtum. Ob man die vernetzten NATO-Geheimdienste “diktatorisch” nennen muss, ist eine akademische Frage, an deren Beantwortung mir nichts liegt. Die politische Dimension der technischen Macht, die sich dort ballt, ist hingegen schlicht furchtbar. Dabei gehört jeder der namhaften Geheimdienste zu einer parlamentarischen Demokratie (ich erlaube mir hier, die “konstitutionellen Monarchien” dazu zu zählen, weil sich deren Struktur nicht davon unterscheidet). Diese ‘Demokratien’ haben allesamt nach Verfassung und Gesetzeslage die Pflicht und das Recht, ihre Dienste zu kontrollieren und sie auf die Einhaltung der Bürgerrechte zu verpflichten. Sie tun es aber nicht.
Sie tun es nicht, obwohl milliardenfacher Datenmissbrauch, Unterstützung und Durchführung von Folter, Mord und Verschleppung bekannt sind. Sie tun es nicht und machen uns glauben, sie könnten es nicht, weil ihnen Informationen vorenthalten würden oder weil sie halt geheim seien. Sie kommen ihrer gesetzlichen und verfassungsmäßigen Pflicht nicht nach, und das hat keine Konsequenzen für die Verantwortlichen. Die politischen Funktionäre, die dazu tätig werden müssten, bleiben untätig oder schützen diese Dienste.
Darf nicht, kann nicht
Welchen anderen Schluss lässt das zu als dass “wir unseren Regierungen nicht mehr trauen können”? Übrigens kommen die nicht zufällig zustande, das geht hier seinen Weg über die Filter von Parteien, Medien und – ja – auch der Dienste, die Karrieren zulassen oder nicht. Wenn das nun also so ist, wie naiv muss man eigentlich sein, um massive Änderungen am System auf gesetzlichem Wege für möglich zu halten? Wie dumm ist das von den Sozialdemokraten aller Geisteszustände stets gemurmelte “Man müsste nur”, wenn man weiß, dass nicht einmal die grundlegenden verfassungsmäßigen Rechte durchgesetzt werden in dieser besten aller Demokratien?
Die einfachen Gesetze der Logik spielen beim politischen Expertentum offenbar keine Rolle. Die simple Unterscheidung zwischen Möglichkeit, Wahrscheinlichkeit und Unmöglichkeit, die Lehre aus sich historisch dauernd wiederholenden Vorgängen, das Erkennen systemischer Widersprüche – da ist nichts, das sie aufhält in ihrem treuen Glauben an die Volksvertretung und die Macht der Wähler. Etwas, das noch nie funktioniert hat, das immer wieder dasselbe Resultat hervorbringt, wird zu einem mysteriösen Unfall verklärt, weil es nicht ins Weltbild passt. Das kann kein Bug sein, das ist doch der Kern unseres Programms!
Vielleicht sollten wir uns doch besser von Hackern regieren lassen.
November 16th, 2014 at 19:33
Ich bin sicher, dass die zuständigen politischen Personen/Institutionen gar nicht mehr in der Lage sind, eine vernünftige Kontrolle auszuüben, ohne sich der Gefahr auszusetzen, dass sie mit realen oder perfekt fingierten “Beweisen” für alle Zeit komplett sozial desavouiert werden. M. E. hat jeder Mensch einen Punkt im Leben, den er nicht “breitgetreten” sehen will – wie harmlos das objektiv gesehen auch sein mag, subjektiv ist eine “Enthüllung” dennoch ein No-go.
Wieviel höher ist der Druck, wenn man der realen Gefahr ins Auge sehen muss, entweder zumindest der Freunden, vielleicht sogar der Familie adieu zu sagen, weil man die Kontrolle tatsächlich ausübt, oder sich zu fügen und die Dienste weiter machen zu lassen?
Die “Dienste” wissen, wer z. B. IM Erika wirklich war und was sie getan hat – oder können es notfalls “beweisen”… Wer in der Lage ist, Personen mit einer perfekten Legende anderen Geheimdiensten ins Nest zu setzen, was kann der noch?
Ab einer gewissen Durchdringung sind die Dienste unkontrollierbar, es sei denn, es fände sich eine größere Gruppe Politiker vom Format Snowden oder Manning. Aber wer glaubt daran, dass es die noch gibt?
November 16th, 2014 at 19:41
Diese Politiker, wie Du so schön schreibst, wären schneller weg vom Fenster als Du gucken kannst.
November 16th, 2014 at 21:48
Ich habe mal gehört oder gelesen, daß das Tor Projekt von der amerikanischen Regierung unterstützt wird:
https://www.torproject.org/about/sponsors.html.en
November 16th, 2014 at 21:54
Ich habe gehört, alle BRD-Einwohner sind beim VFS…
November 16th, 2014 at 22:22
@Eike:
“Ich habe gehört, alle BRD-Einwohner sind beim VFS…”
Kannst Du das auch mit Quellen belegen ?
November 16th, 2014 at 22:40
Siehe H wie Humor oder I wie Ironie – oder ist das selber welche?
edith: Zu Tor (und den US) gibt’s nen Vortrag vom 30C3.
November 16th, 2014 at 22:50
@flatter [6]:
“Siehe H wie Humor oder I wie Ironie – oder ist das selber welche?”
Leider ist der Link und die auf der angegebenen Webseite hinterlegten Sponsoren des Projektes weder Ironie noch Humor sondern einfach einfach ein Fakt.
November 16th, 2014 at 22:51
Siehe oben/edith.
November 17th, 2014 at 03:16
@flatter (6):
Ich bin der Meinung, daß man auch das Undenkbare nicht nur denken kann, sondern denken muss.
Tut mir leid !
“…. und selbst die hätte vermutlich nicht die Mittel, das weltweit zu besorgen.”
Na schauen wir doch mal……, wenn das man nicht schon soweit ist…
Ich kann das nicht beweisen, aber ich kann mich des Gefühls nicht erwehren
“We’re living in interesting times” (aus der Überschrift des Videos entnommen)
Dem stimme ich absolut zu; es fehlt meines Erachtens nur noch das Adjektiv dangerous !
November 17th, 2014 at 08:04
@Testostheron: Irgendwie habe ich das Gefühl, dass die eigentliche Argumentation an dir vorüberzieht. Deshalb entschuldige, wenn ich mich dabei irren sollte, aber es ist einfach so, dass staatliche Institutionen das Tor-Projekt fördern, weil sie die Software selbst benutzen.
Was daran undenkbar sein soll, erschließt sich mir nicht.
November 17th, 2014 at 09:11
Ich denke, dass sich das ‘Problem’ weder technisch noch rechtlich noch irgendwie wird lösen lassen. Zu groß die Begehrlichkeiten, zu groß der Schatz, der laufend, Tag für Tag, neu angehäuft wird. Es haben ja auch längst nicht nur Staaten Interesse, auch für ‘Daten’ lässt sich oft genug ‘Profit’ einsetzen. Und die ‘Dienste’ haben letztlich ja auch nur die Aufgabe, einen Zustand zu stabilisieren, in dem Geschäfte möglich und ergiebig sind. Auch für diesen Bereich kann die ‘Lösung’ mE nur noch darin bestehen, eine gesellschaftliche Verfassung herzustellen, in der diese Daten zu den heutigen Zwecken schlicht nicht mehr zu gebrauchen sind, weil es an den entsprechenden Mächten und Interessen fehlt, wo man im Prinzip diese Daten für jeden offen zugänglich halten könnte, weil ein Missbrauch witzlos wäre. Welchen Gebrauch könnte man dann aber von ihnen machen…
November 17th, 2014 at 11:18
@Testostheron: Ich habe den Vortrag verlinkt, weil Appelbaum selbst mitteilt, dass die US-Regierung Tor fördert und warum er kein Problem damit hat. Da ist nix undenkbar.
Dass die besagten Mittel vorhanden sind und genutzt werden, steht in meinem Artikel, und das ist ja auch Fefes Aussage. Insofern weiß ich gerade nicht, wo du gegen mich argumentierst.
November 17th, 2014 at 11:23
OT: Wir werden wohl bald die Masai auf die Liste der internationalen Terroristen schreiben müssen. Sie stören die legalen Angelegenheiten ihres Staates (Tansania).
November 17th, 2014 at 11:33
Diese ‘Demokratien’ haben allesamt nach Verfassung und Gesetzeslage die Pflicht und das Recht, ihre Dienste zu kontrollieren und sie auf die Einhaltung der Bürgerrechte zu verpflichten. Sie tun es aber nicht.
In Anlehnung und Abwandlung zB einst kolonialistischer Raubzüge ist die kap. Rohstoffbeschaffung im digitalen Zeitalter des 21. Jahrunderts – in Form von Daten – selbstveständlich allen Menschen- u. Bürgerrechten als höheres Ziel überzuordnen.
Dieses Opfer sollte uns die Verteidigung unserer ach so freiheitlichen Demokratie doch eigentlich wert sein.
Staatliches Datensammel-Interesse geht, als kap. systemerhaltenes Moment, mit den Wirtschaftlichen überein.
In totalitär angelegten Systemen setzt man die Prioritäten schon halt schon mal anders…..
November 17th, 2014 at 12:50
@flatter #13: Die können keine “Terroristen” sein, weil sie keine Muslime sind, wobei ihre Religion auch interessant ist.
Btw.: Alle Nudeln dieser Welt gehören ab heute mir!
Glenn Greenwald: Why privacy matters (youtube, ~21 Min.)
Brillanter Vortrag, wie ich finde.
November 17th, 2014 at 16:46
OT: Europoly, eine Spielanleitung…
November 17th, 2014 at 16:55
Gerade schon drüber geflogen; alle Achtung, Tagesspiegel!
November 17th, 2014 at 19:05
Europoly … ich muss aufhören. Mir wird schlecht.
Eine Chronik des Unfassbaren: Größter Beutezug der Menschheitsgeschichte.
November 17th, 2014 at 19:31
Und die Leute finden das toll!
November 17th, 2014 at 19:38
Es wird zwangsläufig in Gewalt enden.
November 17th, 2014 at 19:48
Muss nicht mal…Die meisten Leute sind allein durch Ihre Verträge & Schulden befangen. Man muss das Ganze nur arbeiten lassen, sofern man selbst nicht betroffen ist.
November 17th, 2014 at 20:01
Die Wahrscheinlickeit steigt aber mit jeder “Krise” an.
Wenn die Menschen nix mehr zum Fressen haben knallts ganz einfach. Sozusagen Logische Konsequenz, selbsterfüllende Prophezeiung… was auch immer.
November 17th, 2014 at 20:26
Die, die friedliche Revolutionen verhindern, machen blutige Revolutionen unvermeidlich
John.F. Kennedy.
November 17th, 2014 at 20:33
@22 Fressen ist hier billig und bleibt es für`s erste. Schau mal bei unseren direkten Nachbarn vorbei und entdecke eine Preissteigerung von über 50% nur dafür.
Selbst dann wird es nicht knallen, da die Leute genau dasselbe machen würden, wenn sie an deren Stelle wären. Selbst wenn Dir der Dickdarm aus dem Pöter hängt, findest Du Löw, Merkel, Midelhoff, Schröder und Piech einfach super! Im schlimmsten Fall sagen Dir die Namen nix und Du holst Dir einfach Dein Fresspaket morgens ab, wünscht Dir aber trotzdem dabei Bankster XY zu sein…
November 17th, 2014 at 20:41
Stimm ich insofern mit dir überein das daß Fresspaket die Sache hinauszögert, das Aufgebot der Sicherheitskräfte größer wird usw.
Dann kommt mal wieder ein “Heilsbringer”.
November 17th, 2014 at 20:51
@Eike (21)
Genauso ist das: Langsam immer weiter runterdrücken (tun und lassen) bis die Nase Bodenkontakt bekommt, dann ist auch das Sichtfeld weit genug eingeengt …
November 17th, 2014 at 20:57
@26 Das ist schon passiert! Und das Sichtfeld wird so einfach nicht mehr ohne Begrenzung ablaufen. Gleichschaltung der Gehirne = Gleichschaltung der Medien. Ist ein Klugfon ein Medium?
November 18th, 2014 at 08:56
@Peinhart #16: Ändert nix am Umstand, dass Geld sich nicht von allein vermehrt, weswegen die Privatisierer stets gleichzeitig darauf beharren, zu dem Behufe (Lohn)Arbeitsplätze “schaffen” zu wollen. Arbeit soll nicht in brauchbarem Zeugs resultieren sondern sich immerzu nur lohnen, die Frage ist halt stets, für wen …
November 18th, 2014 at 09:04
@Samson: Genau. faz, Wassergebühr lässt Irland erbeben
November 18th, 2014 at 10:51
@Samson #28 – Klar, ‘Lidl lohnt sich’, die Frage bleibt dieselbe… Ich pflege angesichts solcher Slogans und Forderungen wie ‘Arbeit schaffen’ auch gern mal die Frage zu stellen, welches ‘brauchbare Zeugs’ denn da noch bei rausschauen soll. Ob es bspw zu wenig Shampoo-Sorten gäbe. In der Regel herrscht dann allgemeines Unverständnis. Arbeit mit Bedürfnis zusammen zu denken ist arg aus der Mode gekommen. Arbeit dient, von unten gesehen, auch nur noch dazu dass einer ‘sein eigenes Geld’ verdiene. Da ist es einfach, es von oben als ‘sozial’ zu verkaufen, ganz frei von Hintergedanken.
Eine Ausnahme allerdings wird manchmal noch genannt, wo notwendige Arbeit nicht getan wird, in der Regel pflegerische Aufgaben. Warum allerdings alte Menschen in ihrem Kot liegen müssen während gleichzeitig die Shampoo-Regale überlaufen will dann auch keiner mehr wissen. Soll’s doch die Politik richten…
November 18th, 2014 at 11:29
OT: Aus der Reihe “Kauf’ dir einen Demokraten” heute: Telepolis, Verkauf von “Golden Visa” in Portugal lief wie geschmiert
Lesenswert, auch wegen anderer Details. Z.B.: Computersystem abgestürzt, Justiz lahmgelegt.
Meine Fresse, auf was für einem verdammten Idiotenplaneten haben sie mich hier bloß ausgesetzt. Ich verlange sofort die Herausgabe von Adresse und Telefonnummer der zuständigen intergalaktischen Beschwerdeabteilung.
November 18th, 2014 at 11:49
Ich frage mich ja, wieso wegen solcher Lappalien jemand zurücktritt. Nuja, vielleicht gehen sie ja als nächste in die EU-Kommission.
Und eine Frage hätte ich da noch: Wie “schafft” man “Arbeitsplätze”? Ui, Frevel …
November 18th, 2014 at 12:57
@flatter – Durch Arbeit natürlich, vorzugsweise tote, die nicht entlohnt wurde. Aber der Zusammenhang ist natürlich auch gründlich entsorgt. Diese ‘Investoren’ waren ganz einfach unglaublich fleißig. In einem früheren Leben oder so…
@Rainer – Verdammtes Storchsgesindel!
November 18th, 2014 at 13:18
OT: Abgeordnetenwatch: Lobbyisten: Wir wollen Transparenz und ein Lobbyregister! – GroKo: Wir nicht!
November 18th, 2014 at 14:23
Verwundert Dich das angesichts noch laufender und werdender ÖPP-Projekte? Die Grünen hätten das auch nicht mitgemacht.
November 18th, 2014 at 14:43
Apropos Spuckhauben – in unserer Kreischstadt hatten se neulich welche über ‘ne Ampel gezogen auf denen ‘Anlage außer Betrieb’ zu lesen war. Solche hätte ich, ehrlich gesagt, auch oft gern dabei…
November 18th, 2014 at 14:52
@ Eike #35
Mir gefällt ja die auch im deutschen sprachraum geläufige abkürzung des englischen begriffs besser, weil man sie direkt anders `framen´ kann:
Der begriff PPP – Public Private Partnership kann direkt gekontert und in seinen absoluten kern “übersetzt” werden: Plundering Public Property. (dass es sich bei plunder um plündern handelt, ist bei fragendem blick schnell erklärt – der `blitz´ schlägt ein und wenn man dann noch die herkunft des wortes privat erwähnt… ;-))
November 18th, 2014 at 15:57
@Peinhart #30: Unterstelltst du da nicht einen Begriff von Notwendigkeit, der den Privatisieren vollkommen fremd ist, weil deren Notwendigkeit in der Geldvermehrung bestimmt ist, und halten sich daran nicht Shampoo- wie Pflegeverkäufer gleichermaßen?
Die Einfachheit der Erklärung liegt gerade darin, dass entgegen allem akademischen Geschwätz die ganze Veranstaltung nach wie vor auf Aneignung unbezahlter Mehrarbeit resp. Ausbeutung fremder Arbeitskraft basiert. Und dies vollkommen unabhängig davon, ob die Ausgebeuteten sich als solche wahrnehmen oder sich einbilden, einem Gelderwerb nachzugehen.
November 18th, 2014 at 20:47
@Samson – Stimmt, für dieses ‘notwendig’ habe ich mal eben einen anderen Standpunkt bezogen. ;)