Clickbaiting, der letzte Versuch
Posted by flatter under journalismus , netz[51] Comments
12. Nov 2014 16:59
Der folgende Artikel wird euer Leben völlig verändern. Es gibt kein Zurück zum ‘Vorher’, also überlegt euch gut, ob ihr das wissen wollt! Was da auf euch zukommt, hat man noch vor wenigen Tagen für völlig unmöglich gehalten – nicht bloß aus ideologischen Gründen, sondern weil es schon physikalisch unmöglich zu sein schien. Eine solche Sensation ereignet sich nur einmal in vielen tausend Jahren, aber wir müssen dem ins Auge sehen. Es mag sein, dass sich Legenden als wahr erweisen. Menschen, die übers Wasser gehen, Feuer speiende Drachen oder Zauberkräfte sind ein müder Abklatsch gegen diese Nachricht. Lesen Sie jetzt bei Clickbaiter’s, wie Sie auch bald über sagenhafte magische Fähigkeiten verfügen!
Es gab in den letzten Wochen einige Diskussionen um Medienkompetenz, in deren Rahmen ich u.a. des Begriffs “Clickbaiting” gewahr wurde, den ich noch nicht kannte. Früher benannte man dergleichen mit dem ebenfalls schönen Deutschen Wort “Awareness” in diversen Kombinationen wie -hure oder -schleuder. Die Variante des Clickbaiting ist allerdings nicht nur weit verbreitet, sondern auch besonders nervig. Es reicht mir schon völlig aus, wenn ein Teaser, die kurze Einleitung zu einem Artikel, mir nicht mitteilt, worum es geht. Dann bin ich weg und komme nicht wieder.
+++EILT+++SENSATIONELL+++ACHTUNG+++LOSLOS AUFMACHEN!!!+++
Auch jene Teaser haben es mir schwer angetan, die mir absichtlich eine einfache Information vorenthalten. Man soll dann einen ganzen Artikel aufrufen, um etwas zu erfahren, das auch in drei Wörtern oder zwei Zahlen geht. “So sensationell gewann der FC Bla gegen den VfL Blub” etwa. Anstatt das Ergebnis mitzuteilen, wird der Quatsch aufgeblasen, man soll dann noch eine weitere Seite aufrufen und wird mit noch mehr Werbung beglückt. Das kann jeder, es funktioniert immer gleich und ist nichts als publizistischer Spam.
Natürlich gibt es ganze Domains, die nichts anderes machen, aber ich kenne auch kaum einen Medienverlag, der auf diese Beleidigung der Intelligenz seiner Kunden verzichtet. Es ist die nächste Attacke des Boulevards auf den Restjournalismus. Mich ätzen dabei schon Ankündigungen an, die mit Fragepronomen daherkommen: “Wie Sie …“, “Was er …“, “Warum wir…“. Anderes Beispiel; “So” oder “Darum”, Beispiele von heute: “Knigge 2.0 So leicht blamieren Sie sich am Handy“; “So kommt die Milch ohne Kleckern aus der Tüte“; “Darum haben Amerikaner mehr Kinder als Deutsche” (alle von stern.de).
Darum ist der Russe so brutal
Derart wird behauptet, es würden relevante Fragen beantwortet, tatsächlich aber hat sie niemand gestellt, die Antwort bleibt aus und der Sermon ist obendrein banal. Vor allem aber ist dieser Ankündigungsstil der Ersatz für eine Information, für die zu interessieren ich mich entscheiden könnte. Wenn ich eine Vorstellung davon habe, was mich erwartet, kann ich mir das anschauen oder nicht.
Das genau aber ist nicht gewollt, ebenso wenig wie Zustimmung oder Ablehnung im Rahmen einer kritischen Lektüre. Es wird vielmehr eine Belehrung angekündigt über eine scheinbar relevante Frage, und dann kommt heiße Luft. Wenn die Entmündigung schon im Auftakt stattfindet, hat das aber Folgen: Auf die Dauer wird der vorletzte Depp lernen, dass es sich nicht lohnt, so einen Stuss zu lesen. Zahlen wird dafür auch niemand mehr. Vermutlich ist dann wieder Google schuld.
November 12th, 2014 at 17:55
Das wage ich anzuzweifeln. Die Leute mögen aufgepimpte Oberflächlichkeiten.
Es geht dabei auch darum, möglichst viele zu erreichen. Nischenmärkte werden dabei bewusst ignoriert.
November 12th, 2014 at 17:58
“GOOGLE” ist eh der größte Feind!
November 12th, 2014 at 20:36
früher lieferte das reader’s digest – vor der erfindung des intenets, und es kam aus den USA.
November 13th, 2014 at 06:43
Ey – dieser Artikel hat gar nicht hat mein Leben verändert.
Ich bin immer noch alt, fett und hässlich.
Ich will mein Geld zurück!
November 13th, 2014 at 09:56
OT: Georg-Seeßlen-Blog: Aristoteles und der Mittelstand
Nette Analyse.
November 13th, 2014 at 10:04
@4 Wir hätten da etwas für Sie. Eine gezielte Diät mit dem Mittel Fressnichnochmaldo von Dr. Hiob. Zusätzlich wird Prof. Dr. Mengele Ihnen gerne mit einer Magenverkleinerung zur Seite stehen. Sie erreichen uns 24/7 unter 0190-7234561. Gerne berät Sie dort Dr. Adams auch für die nötigen chirurgischen Eingriffe zu Ihrem Schönheitsideal.
November 13th, 2014 at 10:25
Die Marketingfuzzis wissen schon genau, wie man die Teaser zu formulieren und platzieren hat, damit sich das rechnet; dank
http://crackedlabs.org/studie-kommerzielle-ueberwachung/info
November 13th, 2014 at 11:35
sorry, no advertising, no disapointement after 30 sec:
http://www.esa.int/spaceinimages/Images/2014/11/Welcome_to_a_comet
vollste kanne OT. ich begeister mich schwerst an sowas.
November 13th, 2014 at 11:45
@ 8
Fein, aber wir werden es nicht schaffen von unserem Planeten weg zukommen bevor alles den Bach runter geht.
November 13th, 2014 at 11:52
wozu auch? ums woanders wieder zu versauen? /sarcasm
November 13th, 2014 at 12:03
Stimmt, dann würde alles wieder von vorne losgehen…;-)
November 13th, 2014 at 12:07
OT: Regensburg Digital, AfD-Sprecher Hans-Olaf Henkel im Interview: „…das muss man doch thematisieren dürfen.“
[..] Die CDU hat Ludwig Erhard längst verlassen und ist in Richtung SPD marschiert. Die SPD ist in Richtung Linke marschiert. Und die Linke marschiert zur Zeit Richtung Stalin. Und die Grünen, die waren ja mal eine Partei der Freiheit und für Umwelt, sind heute eine ganz stramme Linkspartei – das Wirtschaftsprogramm der Grünen ist linker als das der SPD. [..]
Aber was ich sagen will: Wenn Ludwig Erhard mal in der Mitte war und alle nach links abgewandert sind, dann steht Erhard plötzlich rechts. Dann finde ich mich plötzlich rechts, obwohl ich meine Meinung nie geändert habe. Ich war immer gegen Mindestlohn oder Rente mit 63 und was da alles jetzt veranstaltet wird zulasten der Zukunft. Das ist links. Und dann bin ich eben rechts. Das liegt aber an der deutschen Gesellschaft und nicht an mir. In den meisten anderen Ländern der Welt stehe ich mit meinem Programm der Mitte. [..]
Hope I die before I get old.
November 13th, 2014 at 12:16
@R@iner: ich schmeiss mich weg! wirklich, bei sowas brech ich speziell heute nur in gelächter aus.
and you *are* old, arent ya? ;)
November 13th, 2014 at 12:26
@DKT: Schön, dass Du noch lachen kannst. Zumindest bin ich vom Zustand einer Altersmilde noch weit entfernt. *ätsch*
November 13th, 2014 at 13:16
OT: Mit Altersmilde meinte ich z.B. so etwas: faz, Schäuble stärkt Juncker im Steuer-Streit den Rücken
Ich würde dann mal aufhören mit dem Steuern zahlen. Scheint eh nicht so wichtig zu sein.
November 13th, 2014 at 15:20
R@iner: Merci für den Henkel-Link. Interessante Erfahrung die ich grad gemacht habe: Lachen und Kotzen gleichzeitig – man glaubt es kaum – geht! Dank überragender Körperbeherrschung meinerseits, muß sich aber niemand Gedanken über den aktuellen Zustand meiner Wohnung machen. Der Typ gehört imo langsam in ‘ne ‘Geschlossene’. Wobei einige der Kommentare zum Text noch dämlicher sind als der Heroe dem sie huldigen.
November 13th, 2014 at 15:53
@ Stony 16
Auch diese Kommentatoren sind Jubelposterhuren.
November 13th, 2014 at 16:30
@5 -> Aristoteles
In allen Staaten gibt es drei Teile, die sehr Reichen, die sehr Armen und die Mittleren. Wenn nun das Maß und die Mitte anerkanntermaßen das Beste sind, so ist auch in Bezug auf den Besitz der mittlere von allen der beste. Denn in solchen Verhältnissen gehorcht man am leichtesten der Vernunft.
Eine einfache klare Feststellung. Geradezu berührend – verglichen mit all dem verquasten Geschwalle, das sonst oft zu lesen ist.
November 13th, 2014 at 16:44
Schade, dass mein Altgriechisch nichts taugt, aber ich wüsste gern, was “Staaten” in diesem Kontext heißt. Ganz sicher nicht das, was es heute heißt. Wir sind in der Antike, noch vor dem Römischen Reich. Verfasste Staaten Fehlanzeige; die meisten Völker kannten keinen Staat.
Die unkritische Übertragung solcher Sätze und ihrer Übersetzung in die Gegenwart ist völlig sinnfrei.
November 13th, 2014 at 16:56
Definition des Staates bei A..
November 13th, 2014 at 19:25
Ein ziemlicher Tunnelblick, wenn er nicht einmal eine “panhellenische Perspektive” hatte. Mir ist auch nicht klar, worauf sich Aristoteteles genau bezieht; ich ahne, dass er unterschiedliche Erfahrungen mit griechischen Gesellschaften (Athen, Sparta, Kleinstaaten) verwurstet sowie Ableitungen aus diesen Erfahrungen und Konstruktionen aus älteren Schriften (Platon). Es ist eher eine Art innerer Dialog über das Ideal einer Gesellschaft aus seiner(zeitiger) Sicht. Dass man sich dem heute nicht mehr anschließen kann, wird aus dem Wiki-Artikel ganz gut deutlich.
November 13th, 2014 at 19:29
OT: Was ich zu Edathy schrub, sehen ofenbar zu viele völlig anders. Was feixen sie jetzt, dass der Nazi und Spitzel ein Kinderfikcer sei. Aber auch der Mann ist erst einmal unschuldig. Ich finde diesen Mangel an Zivilisation widerwärtig.
November 13th, 2014 at 19:44
Das ist nicht der Mangel an Zivilisation, sondern die Potenzierung von Zeitgeist und Zivilisation. Vor ein paar Monaten noch habe ich noch geglaubt, es wäre Degeneration, aber Nein: Es wird nur das gefördert, was in den Menschen steckt. Und was gefördert wird, kommt zutage.
November 13th, 2014 at 19:47
@21: Berechtigter Einwand. Die Analyse ist kurz, aber eben auch zu vereinfachend geraten. Der Teil mit der sich erhaltenden Mitte gefällt mir trotzdem. Deshalb schob ich auch den Henkel nach.
November 13th, 2014 at 20:00
Wer sich an den Trotteln von der AFD orientiert, darf aber auch beim Tillich nicht meckern….
November 13th, 2014 at 20:02
@Eike: Für viele sind das eben keine Trottel und da wäre es gut, wenn man Argumente hätte.
Für dich hat die Erde kurz hinter Hamburg einen Knick, hinter dem sechs Monate lang Dunkelheit herrschen. :-)
November 13th, 2014 at 20:03
Ich finde Eike ohne authentischer.
November 13th, 2014 at 20:19
OT: Aus der Abteilung “Flieht, ihr Narren!”: Warren Buffett kauft Duracell.
November 13th, 2014 at 20:28
27. Verstehe ich nicht @ 26. Du unterschätzt meinen Background. ;) Macht nix, auch das ist nicht viel wert. Aber es gibt Grund zum Jubeln für euch alle: Bei der AFD gibt es jetzt einen Goldshop. Grabt schon mal Eure alten DM aus und legt einfach alles in den Warenkorb.
November 13th, 2014 at 20:36
@Eike: ☮ ☻♫
November 13th, 2014 at 20:57
Och Rainer, biete mir mal eine Competition an..die alt+codes weiß ich echt nicht mehr… ç kenne ich gerade noch mal so…. Klar geht das auch mit Sonderzeichentabelle, aber bis Weihnachten will nicht mal ich noch warten.
November 13th, 2014 at 21:05
@Eike: Ich sach doch schon: Peace und Rock’n Roll.
November 13th, 2014 at 21:07
Der Rock ging wohl unter, weil der Gitarrist vor den Noten stand. ;)
November 13th, 2014 at 21:49
@ 1 – 33
Ich stehe voll hinter euch.
Lasst mich mal durch.
Jetzt stehe ich vor euch.
Dreht euch mal um!
Himmel, wäre ich doch bloß hinten geblieben.
Zu spät…
November 14th, 2014 at 08:28
@flatter: was “Staaten” in diesem Kontext heißt.
Unabhängig vom Staatsbegriff (egal ob feudaler Sklavenstaat, Urhorde, US-Staat oder Wikinger-Clan) ist die Positionierung und das Selbstverständnis der Menschen in einer Schichtzugehörigkeit, ähnlich wie Aristoteles sie beschreibt, von jeher ein Merkmal menschlichen Zusammenlebens. Und eine Gesellschaft hält er für umso stabiler – da vernünftiger, je mehr ihrer Mitglieder de facto (und nicht “traumhaft”) in einer zufriedenstellenden mittleren Position leben, also am gesellschaftlichen Zusammenleben so teilhaben, dass sie in einem vernünftigen Maße Eigentum, gesellschaftliche Mitspracherechte, Sicherheit und Zukunft haben. Nicht mehr und nicht weniger sagt Aristoteles.
Diese Erkenntnisse mögen uns Heutigen nicht sensationell erscheinen, sind es aber, wenn man sie in ihrem zeitlichen Rahmen sieht und reklamieren einen weit fortgeschritteneren sozialen Standard als das, was heute als status quo etwa der USA offenbar akzeptiert wird.
November 14th, 2014 at 09:43
“von jeher ein Merkmal menschlichen Zusammenlebens.”
Mit Verlaub, diese Argumentation ist willkürlich. Da erkennt man Ähnlichkeiten, sucht sich wen, der das vermeintlich auch so sieht (und sei er auch vor 2500 Jahren auf den Trichter gekommen) und fertig ist das unveränderliche Weltbild. Damit wird alles geschleift, was sehr wohl von den konkreten Umständen abhängt, und wir enden bei so etwas wie “Schicksal”. Mit dergleichen wartet jeder Reaktionär auf, weil sich alles und jedes auf diese Weise ‘begründen’ lässt; man muss ja nur entsprechende Assoziationen finden und irgendwelche berühmte Gewährsleute. Das sagt gar nichts, außer dass da jemand nicht den Aufwand betreibt, genauer hinzuschauen und weitere Fragen zu stellen.
November 14th, 2014 at 09:54
Speichel Inline heute, knallhart recherchiert:
“Psychotricks – Was Victoria’s-Secret-Verkäuferinnen denken, wenn ein Mann in den Laden kommt” Pulitzer, ick hör’ dir japsen.
November 14th, 2014 at 11:42
@ flatter #28 & all
“Warren Buffett kauft Duracell.”
Na, dann seht Euch schon mal nach einem Ersatzlieferanten für Eure Herzschrittmacherbatterie um, sonst könnte Euch “Buh-Fett”* nach Gutdünken den Saft abdrehen. :-(
* So könnte man doch auch einen führenden TTIP-Sozi nennen?
November 14th, 2014 at 12:11
OT: Nette Anfrage: “Google: in welchem land ist die WAT polizei” hihi.
November 14th, 2014 at 13:30
OT: der Spiegelfechter übt sich in Kontorsionisten-Niveaulimbo, während Püntes linke “Verschwörungstheoretiker” sieht, die hinter dem Kapital eine Macht vermuten, wo doch alles quasi auf Selbstausbeutung beruht. Wo man wenigstens in diesem popanz eines Feindbildes als Marxianer einen Platz hätte, muss ich wohl nicht fragen.
Es wird einsam.
November 14th, 2014 at 14:29
Deine Wortakrobatik nötigt aber auch zur Recherche!
November 14th, 2014 at 15:40
@flatter: Kontorsionisten-Niveaulimbo
Beim sf sind sie irgendwie endgültig mit dem Kopf in der Katzenklappe steckengeblieben. Es ist für mich kaum noch fassbar, wie scheinbar erwachsene Menschen sich mit so einem Quatsch beschäftigen können.
Und alle Kommentatoren schreiben etwas. Und sie streiten sich über das Geschriebene. Und nach zwei Tagen und 250 Kommentare später werden alle frustriert darüber sein, das wieder einmal niemand etwas gelernt hat…
Es wird einsam.
War es das nicht schon immer?
November 14th, 2014 at 16:05
@flatter: Am Schluss werden sie alle verlieren, denn man weiß ja, Männer mit gutem Orientierungssinn haben mehr Frauen (SpOn-Sharia)
November 14th, 2014 at 16:06
@Reinplatzer: Die Frage ist, ob man(n) immer den Baumstamm spielen will.
November 14th, 2014 at 16:23
OT: Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinne Friedrich Nietzsche 1873, aus dem Nachlaß
1 In irgend einem abgelegenen Winkel des in zahllosen Sonnensystemen flimmernd ausgegossenen Weltalls gab es einmal ein Gestirn, auf dem kluge Tiere das Erkennen erfanden. Es war die hochmütigste und verlogenste Minute der “Weltgeschichte”: aber doch nur eine Minute. Nach wenigen Atemzügen der Natur erstarrte das Gestirn, und die klugen Tiere mußten sterben. – So könnte jemand eine Fabel erfinden und würde doch nicht genügend illustriert haben, wie kläglich, wie schattenhaft und flüchtig, wie zwecklos und beliebig sich der menschliche Intellekt innerhalb der Natur ausnimmt. Es gab Ewigkeiten, in denen er nicht war; wenn es wieder mit ihm vorbei ist, wird sich nichts begeben haben. Denn es gibt für jenen Intellekt keine weitere Mission, die über das Menschenleben hinausführte. Sondern menschlich ist er, und nur sein Besitzer und Erzeuger nimmt ihn so pathetisch, als ob die Angeln der Welt sich in ihm drehten. Könnten wir uns aber mit der Mücke verständigen, so würden wir vernehmen, daß auch sie mit diesem Pathos durch die Luft schwimmt und in sich das fliegende Zentrum dieser Welt fühlt. Es ist nichts so verwerflich und gering in der Natur, was nicht, durch einen kleinen Anhauch jener Kraft des Erkennens, sofort wie ein Schlauch aufgeschwellt würde; und wie jeder Lastträger seinen Bewunderer haben will, so meint gar der Stolzeste Mensch, der Philosoph, von allen Seiten die Augen des Weltalls teleskopisch auf sein Handeln und Denken gerichtet zu sehen. [..]
Es gibt Zeitalter, in denen der vernünftige Mensch und der intuitive Mensch nebeneinander stehn, der eine in Angst vor der Intuition, der andere mit Hohn über die Abstraktion; der letztere ebenso unvernünftig, als der erstere unkünstlerisch ist. Beide begehren über das Leben zu herrschen: dieser, indem er durch Vorsorge, Klugheit, Regelmäßigkeit den hauptsächlichsten Nöten zu begegnen weiß, jener, indem er als ein ,”überfroher Held” jene Nöte nicht sieht und nur das zum Schein und zur Schönheit verstellte Leben als real nimmt. Wo einmal der intuitive Mensch, etwa wie im älteren Griechenland, seine Waffen gewaltiger und siegreicher führt als sein Widerspiel, kann sich günstigenfalls eine Kultur gestalten und die Herrschaft der Kunst über das Leben sich gründen: jene Verstellung, jenes Verleugnen der Bedürftigkeit, jener Glanz der metaphorischen Anschauungen und überhaupt jene Unmittelbarkeit der Täuschung begleitet alle Äußerungen eines solchen Lebens. [..]
Freilich leidet er heftiger, wenn er leidet: ja er leidet auch öfter, weil er aus der Erfahrung nicht zu lernen versteht und immer wieder in dieselbe Grube fällt, in die er einmal gefallen. Im Leide ist er dann ebenso unvernünftig wie im Glück, er schreit laut und hat keinen Trost. Wie anders steht unter dem gleichen Mißgeschick der stoische, an der Erfahrung belehrte, durch Begriffe sich beherrschende Mensch da! Er, der sonst nur Aufrichtigkeit, Wahrheit, Freiheit von Täuschungen und Schutz vor berückenden Überfällen sucht, legt jetzt, im Unglück, das Meisterstück der Verstellung ab, wie jener im Glück; er trägt kein zuckendes und bewegliches Menschengesicht, sondern gleichsam eine Maske mit würdigem Gleichmaße der Züge, er schreit nicht und verändert nicht einmal seine Stimme, wenn eine rechte Wetterwolke sich über ihn ausgießt, so hüllt er sich in seinen Mantel und geht langsamen Schrittes unter ihr davon.
November 14th, 2014 at 18:11
OT: Uh, oh, the Spiegelfechter strikes back. Jetzt liege ich nur noch lachend am Boden.
November 14th, 2014 at 18:45
Unfuckingfassbar. Ich meine: Es gab ja nu mehr als ausreichend Posts, über deren Kommentierung man sich hätte ereifern können. Ausgerechnet jetzt und nach so wenigen Kommentaren derart dünnhäutig zu reagieren, verrät eine gewisse Betroffenheit. Ja, hat der Leser das Maul zu halten. Nächster Halt: Redaktion SpOn. Umsteigemöglichkeiten zu FAZ, WAZ und Hatz.
November 14th, 2014 at 18:51
Es ist schlicht sinnlos, von jemandem zu fordern, dass er so etwas wie einen eigenen Gedanken entwickelte.
November 14th, 2014 at 20:21
Was mich jetzt hier etwas irritiert, dass es ausgerechnet jetzt hier wahrgenommen wird. Zu Occupyzeiten fand ich SF da wesentlich schlimmer. Schon die verlinkten Videos, mit deutlich in der Kamera sichtbaren Tattoos der schwarzen Sonne, fand ich bemerkenswert. Nicht, dass es da keine guten Redner gibt und nicht alles davon auch falsch ist, aber die These der Feind meines Feindes ist mein Freund, sollte man seit Schulzeiten, zumindest wenn man kein Musterschüler war, selber widerlegen können.
November 15th, 2014 at 10:14
Zu SF/NDS – Natürlich wird etwas Wahres nicht plötzlich dadurch falsch, dass es auch von Idioten vertreten wird. Wenngleich man sich in einem solchen Falle auch die vermeintliche Wahrheit und vor allem deren Kontext noch einmal besonders gründlich anschauen sollte, auf Schnittmengen, aber insbesondere auch deren Grenzen. Das wäre einen Artikel wert gewesen, und dann auch durchaus wieder mit Interview.
Vor allem aber braucht es keine Idioten, um etwas Wahres zu vertreten. Und das auch noch von einem, der radikaleren Kritikern des Kapitals gern immer mal wieder vorgeworfen hat, mit ihren Hinweisen auf dessen Entwicklungslogik unterstützten sie, wenn auch indirekt, nur die Sache der Neoliberalen. Ausgesprochen fatale Entwicklung, das.
November 15th, 2014 at 13:18
@Peinhart: Das Problem ist immer wieder Kontext, Kontext, Kontext. Natürlich kann ich nicht jemanden ausschließen, weil er ein Gemüse isst, das ich nicht mag. Aber wenn jemand deutlich macht, dass bestimmte Inhalte bei ihm in einem Zusammenhang stehen, den ich ablehnen muss, dann kann ich nicht das eine ohne das andere haben. Das genau ist abstrakte Kritik. Wenn dann noch obendrein eine stille Sippenhaft gilt für Linke, die es einem ungemütlich machen, kommt mir das Kotzen. Da bin ich übrigens über Robertos Projektion der “Verschwörungstheoretiker” mehr erzürnt als über den alten Sozen und seinen Zögling, auch wenn ich damit nicht gemeint bin.