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In den USA loten die großen Technikkonzerne ihre juristischen Möglichkeiten aus, den Knebel zu lösen, der ihnen von den Geheimpolizeien verpasst wurde. Dabei erweisen sich die Überwacher als professionelle Herren der Lage, die gerade einmal weitgehend geheime Verhandlungen darüber zulassen, ob man überhaupt sagen darf, dass etwas geheimgehalten werden muss. Das Geheimnis ist nämlich geheim, die Methoden der Geheimhaltung, der Grund für die Geheimhaltung und diejenigen, die zur Geheimhaltung verpflichtet werden. Erst recht natürlich die Informationen, die geheim abgeschöpft werden, die Methoden dazu, die Personen und Körperschaften, die abgeschöpft werden, wer sie abschöpft und wozu.

Wenn man dort also weiß, dass Informationen gesammelt werden, selbst wenn das einmal öffentlich war, dann darf man darüber nicht reden, sobald sie für geheim erklärt werden. No shit, Sherlock: Wenn die ‘Dienste’ der Regierung es für geheim erklären, wie ich heiße, darf ich meinen Namen nicht mehr nennen. Das ist keine Übertreibung oder Illustration; so funktioniert das. Google, Amazon und Co. schließen sich derzeit einer Klage an um zu erreichen, dass sie wenigstens sagen dürfen, dass sie etwas nicht sagen dürfen. Respekt, Imperator, du hast es echt drauf!

Datenschutz im Überwachungsstaat

In Deutschland ist die Szenerie bescheidender, und auch das Niveau dieses Theaters erinnert mächtig an die letzten Tage der DDR, den Charme vergilbter Gardinen, soldatischer Zucht und Hirntaubheit, die Herrschaft des Aktenordners. Es gibt, wie wir erfahren, eine Frau Dr. Erika Mustermann, Datenschutzbeauftragte des BND. Keine Sorge, die Frau hat so wenig Ahnung von ihrem Job wie ihre Personalabteilung sich das nur wünschen kann, das Dumme ist nur: Es hat niemand daran gedacht, diese Perle schalldicht in die Muschel zu sperren, und so plauderte sie fröhlich vor dem NSA-Ausschuss über all das, was da oben kein Thema ist.

Zwar hat das Bundeskanzleramt jemanden hingeschickt, der versuchte, wenigstens ein paar Erkenntnisse übder die Arbeitsweise von Clever und Smart im Ausland zu unterdrücken – damit der Terrormann keinen “Vorteil” daraus zieht, aber was wir da erfahren, hätte das FBI daheim im leichten Trab verhindert: Alles auf den Boden, keiner regt sich! So erfahren wir etwa, dass erfasste Metadaten “bis in die vierte und fünfte Ebene der Kontakte” analysiert werden. Hallo, nicht einschlafen, das ist jetzt nämlich spannend!

Fünfte Ebene der Metadaten heißt folgendes: Du telefonierst mit wem, schreibst wem eine Mail, kommunizierst mit ihm in ‘Sozialen Medien’. Du ‘kennst’ ihn also. Jetzt geht’s los: Das ist die erste Ebene. Der kennt jetzt wen, der wen kennt, der wen kennt, der wen kennt. Das sind die fünf Ebenen. Die werden ausgewertet. Mithin beinahe die ganze Welt. Es gibt ein Modell, nach dem die sechste Ebene alle mit jedem verbindet. Gehen wir also davon aus, dass alles irgendwie verwendet wird bei Bedarf, so wird das Bild rund.

Was wäre, wenn …

Was heißt das nun aber? Nehmen wir mal Geschwister, Kollegen, Geschäftsbeziehungen. Die sind in vielen Fällen schon so lose, dass sie auf der zweiten Ebene bereits wild umher streuen. Was weiß ich, mit wem mein Kollege Müllerschmidt saufen geht? Wohin soll das auch führen, ist sein Kegelbruder jetzt ein Terrorist, bloß weil ich einer bin? Nun kann man sagen, da werden dichtere Netzwerke gesucht; Kontakte, die ein Muster ergeben. Ist das plausibel? Wohl kaum auf der fünften Ebene, und schon kaum mehr auf der zweiten. Wozu ist das dann gut, was kann man damit tun?

Ich hätte da eine Idee: Passiv nützen diese Informationen herzlich wenig. Wer einen kennt, der einen kennt, hat mit dessen Bekanntschaft in der Regel null zu tun. Was aber, wenn ich diese Verbindungen aktiv nütze, wenn ich Informationen nicht abrufe, sondern einspeise? Wenn ich also, um eine Zielperson zu beeinflussen (z.B. ihren Ruf zu zerstören oder sie zu erpressen), die zweite Ebene impfe? Ich gehe also hin und schaue mir an, wen die Bekannten der Zielperson kennen und trete an diese unabhängigen Quellen heran, um ihnen etwas zu flüstern. Vielleicht hier und da auch noch weiter in der Peripherie. Dann geraten Dinge in Bewegung, ohne dass das Ziel überhaupt merkt, woher die Einschläge kommen. Hei, das wird ein Spaß!

Das ist sicher wieder nur eine Verschwörungstheorie. Man nützt doch keine Geheimdienste, um Menschen oder gar Geschäfte zu beeinflussen – das sind doch die Guten, die unsere Demokratie schützen!
Solche Gedankenspiele jedenfalls werden möglich, wenn das Geheime des Geheimen öffentlich diskutiert wird. Ein Desaster. Das Gute ist allerdings: Die Tagesschau wird das wörtlich zitieren können und melden: Der “BND wertet Metadaten bis in die fünfte Ebene aus, um Terrornetzwerke aufzudecken“. Wer wird das schon für bedenklich halten?
Guten Abend, das Wetter!