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Über die Macht Erich Mielkes in der DDR gibt es keinen großen Streit der Gelehrten. Man mag darüber fachsimpeln, ab wann und in welchem Ausmaß Figuren wie Mischa Wolf die Geschäfte in die Hand nahmen, aber den generellen Einfluss der Stasi auf den Staat bestreitet schon deshalb niemand, weil die es selbst nicht tat und ebenso wenig die Nomenklatura. So transparent war die DDR.

Gorbatschow, Putin und George H. W. Bush zum Beispiel waren Geheimdienstler, letzterer sogar Direktor der CIA. Es ist also normal, dass Geheimdienstler unmittelbar politische Macht ausüben, und es ist schon aus dieser Sicht anzunehmen, dass eine entsprechende Vernetzung herrscht. Das ist ebenso normal wie undemokratisch.

Wenn in diesen Zeiten die Herrschaft der Geheimdienste offenbar wird und jede Verschwörungstheorie in den Schatten stellt, hat das entsprechende Folgen. Die Bundesregierung versteckt sich wortwörtlich hinter “geheimdienstlichen Gründen“, um die Erklärung ihrer politischen Einschätzungen und Handlungen zu verweigern. Die Regierung handelt also erklärtermaßen unmittelbar im Sinne der Geheimdienste, nicht umgekehrt.

Wer kontrolliert wen

Ebenso sieht es aus mit der Kontrolle: Niemand kontrolliert die ‘Dienste’. Der zuständige Ausschuss des Parlaments wird regulär vorgeführt, wenn Akten nicht verschwinden, werden sie halt komplett geschwärzt. Das ist nicht weniger als eine Demonstration der Dienste in einem offenen Machtkampf, den sie wohl nach ihrer Einschätzung gewonnen haben.

Wie auch nicht, wo wäre denn ein Gegner? Im Inneren haben sie gerade gezeigt, dass sie faschistische Mörderbanden finanzieren, unterhalten und gegen Strafverfolgung schützen können. Im Äußeren sind sie Teil einer NATO-Struktur, die ebenfalls völlig offen die Herrschaft über die Regierung ausübt, vom Parlament ganz zu schweigen: Informationen über jene Vorgänge, die schon aus geheimdienstlichen Gründen verweigert wurden, werden auf anderen Kanälen unterdrückt, um “die Freundschhaft zu den USA nicht zu gefährden“.

Aus solchen Gründen wird das Recht auf Information unterlaufen. Die Dienste verantworten sich nicht vor dem Parlament, die Regierung nicht vor der Öffentlichkeit. Priorität hat das Interesse eines militärisch-geheimdienstlichen Komplexes, der ausdrücklich Industriespionage für die USA betreibt.

Geheimhaltungsarbeit

Dagegen hilft auch keine Aufklärung, weil das Gegenteil stattfindet. Die mediale Öffentlichkeit, bestehend aus Medienmanagern, (politischen) Funktionären und Experten, hat ein unmittelbares Interesse an Desinformation. Die Informationen auch hierzu sind völlig öffentlich, die Clubs bekannt, in denen sich Industrielle, Banker, Politiker, Journalisten und sonstige Funktionäre treffen. Allen voran mein Lieblingsverein “Atlantik-Brücke“. Die Überschneidungen von deren Mitgliedern mit denen neoliberaler Think Tanks und anderer NATO-Anhängsel sind frappierend.

Der Sargnagel auf diesen Strukturen sind die eingebundenen Journalisten, Teils eitle Adabeis, teils überzeugte Propagandisten. Durch deren Einbindung, die vor allem schon im Frühstadium der Karrieren stattfindet, wird eine kritische Berichterstattung im Keim erstickt und eben durch Propaganda ersetzt. Die Resultate sehen wir nicht nur in der Propaganda für ‘Antiterrorkampf’ und Ukraine-Krieg, sondern vor allem in der Zurückhaltung gegenüber Totalüberwachung und Ermächtigung durch Geheimdienste.

Der feine Unterschied

Ich kann auf Anhieb zwei Dutzend deutsche Journalisten finden, die sich unter Industriellen, Politikern und sonstigen Mächtigen wohlfühlen und zur Geheimhaltung verpflichten lassen. Das sind nur diejenigen, die ohne Aufwand zu finden sind und ihre Kontakte nicht leugnen, darunter einige der einflussreichsten und höchst bezahlten.

Nur weil im ‘Westen’, der seit Jahrzehnten den fördernden Einfluss des Kapitals direktem Zwang vorzieht, keine offene Zensur herrscht, sind die Zustände keinen Deut demokratischer als im ehemaligen Ostblock oder sonstwo. Im Gegenteil fehlt noch die Hoffnung auf die Kraft der Wahrheit, weil diese untergeht im Dauerfeuer einer Propaganda, die gezielt alle die Aspekte der Wirklichkeit angreift, die nicht ins gewünschte Bild passen. Eine viel effektivere Strategie.

Wolfgang Storz hat mich einmal gefragt, ob ich glaubte, Blogger könnten die traditionellen Medien ersetzen; Jakob Augstein hat ähnliche Zweifel geäußert. Ich glaube das immer noch nicht, aber etwas muss sie ablösen, denn sie sind nicht mehr zu retten. Wir brauchen dringend eine Öffentlichkeit, die nicht komplett produziert ist, um den Interessen einer kleinen Minderheit zu dienen.