Gauck, der wahre Horst – Update
Posted by flatter under geostrategie[42] Comments
03. Sep 2014 21:06
Als Köhler zurückgetreten ist, hatten wir ihm vorgeworfen, aus dem Präsidentenamt heraus, also als Verfassungsorgan, eine militaristische Politik zu vertreten, die mit ‘Verteidigung’ nichts mehr zu tun hat. Das war richtig so, aber was wir in Form des pickelhaubigen Pastors Gauck inzwischen erdulden müssen, wirft uns um Jahrhunderte zurück. Der einzige Unterschied ist der, dass nicht im Namen von Volk, Führer und Vaterland und insofern ehrlich die Trommel gerührt wird, sondern dass er das auch noch “Demokratie”, “Frieden” und “Verantwortung” nennt.
In seiner kürzlich in Polen gehaltenen Rede lassen sich seine Mittel sehr anschaulich benennen, seine für sensible Ohren unerträgliche Rhetorik. Er stützt sich in seinem Salbadern und Schwadronieren auf religiösen Kitsch, die Legende eines Freiheitskampfes, den der Antikommunist vermeintlich schon führt, weil er einer ist, Geschichtsklitterung, die Attitüde eines Historikers, der er nicht ist sowie die Personalisierung und Moralisierung geostrategischer Kriege.
Gauck hebt an mit einem Lied von – zitiert – Leid (wiederholt), Grausamkeit, verdunkelten Seelen, Opfern, Wunden und Versöhnung, mithin dem Handwerkszeug des evangelikalen Predigers. Eine Analyse oder Kritik des Nationalsozialismus ist das nicht, aber ein “Kniefall”, mit dem “die Vergangenheit” erledigt zu sein hat, denn es gibt ja “nur noch wenige Menschen, die persönliche Schuld für die Verbrechen des NS-Staates tragen“. Persönliche Schuld ist sein Thema, denn es sind die Personen und der – ebenfalls mehrfach von ihm genannte “(starke) Wille“, die das Schicksal der Welt entscheiden, nicht etwa Interessen, Machtkämpfe oder – Köhler wusste das noch – Absatzmärkte, Rohstoffe und Handelswege.
Grusel, Grauen, Gruft und Gram
So ist es denn auch ein “Wunder”, das zu Erklärung der “Versöhnung” herhalten muss, rationale Erklärungen einer historischen und ökonomisch-militärischen Entwicklung passen weder in so ein Weltbild noch ins Kalkül, denn am Ende wäre Putin sonst doch nicht schuld. Gauck verweigert sich jeder wirklich historischen, geschweige denn wissenschaftlichen Betrachtung, weicht hier auf ein “Wunder” aus und baut da Ereignisse aus der Vergangenheit ohne Sinn in sein diffuses Stimmungsbild ein. Wo er die jüngere Geschichte – “nach 1989“, “nach dem Fall der Mauer” – interpretiert, strickt er wie immer an seiner Legende und ist sich für die übelsten Verdrehungen nicht zu schade. Die “NATO” habe die “Beziehungen zu Russland” so “entwickelt”, das Russland “integriert” worden sei.
Ein Blick auf die Karte reicht, solche “Integration” zu verstehen. Dass bei den 4+2-Gesprächen Gorbatschow das Gegenteil versprochen worden war, ist vermutlich die Integration in die westliche Demokratie: Die Sowjets durften sich danach einmal fühlen wie die Wähler drüben. Russland habe diese “Partnerschaft … aufgekündigt”. Das ist nicht nur ein dämlicher Witz, es ist auch noch falsch, denn eine “Partnerschaft”, die auf Betrug baut, kann man gar nicht kündigen, das ist nämlich keine.
Wenn Gauck Fakten bemüht, lügt er. “Wir” (die NATO) hielten “am Recht fest”, seien gegen das Brechen internationalen Rechts und die Unterstützung von Abspaltungen in fremden Ländern. Die NATO bricht seit Jahrzehnten ohne jede Pause internationales Recht, spaltete im Verein mit der EU schon Jugoslawien, es wurde u.a. der Spaltung des des Sudan zugestimmt, der Irak de facto gespalten, die ganze Region ins Chaos gestürzt. Ist das also “unser Recht”? Sichern wir so staatliche Integrität? Ehrlicher wird es, wenn er wieder schwurbelt, so von einer
“Sicherheitspolitik, die Prinzipienfestigkeit mit Kompromissfähigkeit, Entschiedenheit mit Elastizität verbindet“. Einfacher: Wir führen Krieg, wo wir wollen, aber nicht unbedingt, wenn wir nicht gewinnen können.
Das Böse und seine Einzeltäter
Er sprengt sein eigenes Konzept schließlich, wo er den Bogen vom bösen Russen zu den bösen Islamisten versucht. Diesen wirft er vor, sie leugneten “die Universalität der Menschenrechte”. Dies ausgerechnet um die “Bekämpfung des Terrorismus” zu rechtfertigen. Guantanamo, Abu Ghreib, Totalüberwachung, die von Manning geleakten Jagdszenen im Irak, Drohnenmorde, Angriffskriege, Destabilisierung – vor diesem Hintergrund leugnen die Terroristen also jene Menschenrechte, die wir universal missachten, kaum das wir sie für gültig erklärt haben. “Universales Recht” heißt dann wohl so etwas wie “gilt für alle anderen”, was in der Praxis auch genau so gehandhabt wird.
Gauck backt sich aus den Weltkriegen, dem Naziterror, militanten Muslimen und dem bösen Putin die Frage “wozu Menschen heute fähig sind”, um das Böse ganz inquisitorisch in den Einzelnen zu suchen und ihnen Moral beizubiegen. Das Mittel dazu heißt ‘Verantwortung’, getragen von der NATO, dem strategischen Guten, das die Menschenrechte nicht leugnet, sondern sie zum Glaubensbekenntnis macht und selektiv verteidigt. Ich weiß noch immer nicht, ob der Mann so zynisch ist oder so dumm, aber er ist auf jeden Fall ein steter Quell bohrenden Kopfschmerzes.
Update: Dank an Spencer für diesen Hinweis – Gaucks Redenschreiber, ein Atlantiker und Embedded Horenalist.
September 3rd, 2014 at 21:36
Der Link unter “Blick auf die Karte” tut nicht. Ansonsten danke für den Text!
September 3rd, 2014 at 22:12
Fulminanter Text!
September 3rd, 2014 at 22:21
Der Hunnenpastor 2.0 “formuliert so Kriegserklärungen”!
Aber, wenn er sich als Gottes-Krieger auserwählt wähnt, muss die Botschaft überbracht werden. :-(
September 3rd, 2014 at 23:07
Die NATO betrachtet sich auch seit Langem als den UN übergeordnetes Bündnis und diese Denke setzt sich inzwischen auch in Deutschland fest. Statt einem UN-Mandat für einen gebündelten internationalen Eingriff in den Irak nun Waffenlieferungen an irgendwen, den wir momentan “Freund” nennen. Das Ganze ist natürlich so alternativlos, wie der Pazifist “auf der Yogamatte/im brennenden Haus/im Angesicht des Bösen über Friedenserziehung salbadert und Diktatoren versteht” (Zitat DLF, SPON, div. Politiker).
September 3rd, 2014 at 23:50
Danke.
In meinem Umfeld finden sich erstaunlicherweise nach wie vor Personen, die den Hassprediger Al-Gauck für einen gar nicht so üblen Grüßaugustdarsteller halten, oder gar für einen echten Bürgerrechtler – ein Text mehr, den man zur Lektüre empfehlen kann.
Einige weitere schöne Aufsätze und/oder Ausführungen zu Gauck kann man übrigens von Stefan Gärtner in seiner (ernsthaften und) regelmäßigen Rubrik in der Titanic finden, da wird des Pfaffen Schwurbelei auch ein aufs andere Mal entlarvend auseinandergenommen.
September 3rd, 2014 at 23:52
Der is so zynisch. Das passiert, wenn man seinen eigenen Verstand unserer Wertegemeinschaft beibiegt und davon unbeeindruckt für sich (moralische) Integrität beansprucht. Das kann keine noch so geglückte Internalisierung leisten.
September 4th, 2014 at 01:09
Muß man Gauck lernen, wird man so geboren ? Feldkaplane gehören zur Truppenbetreuung und nicht ins Schlößchen mit der schönen Aussicht. Es sei denn es handelt sich um ein Sanatorium für geistig Umdisponierte. Da könnte er sich dann mit Opa Hoppenstedt den Radetzky blasen.
September 4th, 2014 at 01:52
“Ich weiß noch immer nicht, ob der Mann so zynisch ist oder so dumm, aber er ist auf jeden Fall ein steter Quell bohrenden Kopfschmerzes.”
Ich bleibe eben so ratlos zurück.
Dritte Variante: Er ist verblendet.
Vierte Variante: Er ist eine Sprechpuppe für eine transatlantische Interessengruppierung.
Fünfte Variante: Alles zusammen!
Welch ein Bundespräsident!
Ich wünsche mir Wulff zurück!?
September 4th, 2014 at 06:52
“Nein, die vielfältigen politischen Probleme, die Osteuropa heute bietet, sind nur durch Verhandlungen zu lösen. Sie aber rufen als Christ andere Christen auf, wieder gegen andere Christen zu den Waffen zu greifen. Das finde ich unchristlich.”
http://www.geolitico.de/2014/09/02/gauck-ruft-zu-den-waffen/
KenFM hat auch noch was:
“Die Politik des Westens, angeführt von den USA, kennt nur ein Ziel: Die eigenen Märkte vergrößern und den Gegner vernichten. Deutschland hat sich unter Angela Merkel zum Duckmäuser und Opportunisten entwickelt. Führer in DC befiehl, wir in Berlin folgen. Die Folgen sind 2014, hundert Jahre nach dem Beginn des 1. Weltkriegs, nicht zu leugnen.
Nach Syrien, Libyen und dem Irak ist jetzt Russland an der Reihe. Putin wird zum Wiedergänger Hitlers erklärt, dem man mit allen Konsequenzen begegnen müsse. Gemeint ist Krieg – mit einer Atommacht.
Und unsere Presse? Ist längst zum Komplizen der Wirtschaftselite verkommen. Wer als Journalist noch immer nicht verstanden hat, was er uns als alternativlos verkauft, dem ist nicht zu helfen.
Die USA bereiten Europa auf einen Krieg gegen Russland vor und nehmen dabei billigend in Kauf, dass der Einsatz von Nuklearwaffen nicht ausgeschlossen werden kann.
Die Mörder sind unter uns. Sie regieren uns.
Wann stehen wir gegen diesen Wahnsinn auf? Viel Zeit bleibt uns nicht.”
youtube Link entfernt; ich kan mir keine halbe Stunde Jebsen anhören, sorry. säzzer
September 4th, 2014 at 07:33
An anderer Stelle hattest Du (sinngemäß) formuliert: “1989 hätten die Soldaten nach Hause gehen können!” Sinse abber nich – warum bloß? *grübel* Unn jezz auch noch der Gauck! Für so’ne Schoiße braucht’s halt ‘n Prediger!1!! *kotz*
September 4th, 2014 at 07:45
Dann muss man doch nicht gleich den Link löschen …
September 4th, 2014 at 07:46
An das Original konnte ich mich noch nicht wagen; schon diese Besprechung mit ihren – erwartbaren – Zitaten läßt mich einen Würgreiz fühlen.
Hin und wieder denke ich, daß es ein ungerechtes Schicksal sei, drei so lächerlich-fürchterliche Figuren wie Wolfgang Thierse, Angela Merkel und Pastor Gauck als öffentlich sichbare Exemplare des eigenen ostdeutschen Stammes dulden zu müssen. Aber vielleicht ist es, umgekehrt, auch ein Trost, ein trauriger zwar, aber ein Trost: auch unter den Ostdeutschen gewinnen die mit Stil, Haltung und Urteilsvermögen keinen Blumentopf in einem öffentlichen Amt der Bundesrepublik.
Was aber auch wieder nicht sehr tröstlich ist.
September 4th, 2014 at 08:12
@Duderich, #8 – “Welch ein Bundespräsident! Ich wünsche mir Wulff zurück!?”
Ja, irgendwie hast du recht. Dem Wulffen sein Spießerhäuschen beweist, dass er auch innerlich irgendwie kleinbürgerlich geblieben ist. – Nach dem Motto: “Was mer hat, des hat mer.”
Das muss nicht immer schlecht sein; im Falle von Konfliktdiplomatie kann das sehr zur Entspannung beitragen.
Der Gauck will in den Himmel kommen. Ganz anderes Kaliber. Führertyp.
September 4th, 2014 at 08:13
Meinereiner ist mittlerweile schon fast überascht mit welcher, teilweise schon erniedrigender, Propaganda sich Michel einlullen lässt. Spiegelt doch gerade das nichaufregen den Zustand unserer Gesellschaft wieder. Mir fehlt imo nur noch der aufruf doch 3 monate Lebensmittel zu bunkern weil der Russe wieder vor der Tür steht.
Weiss einer wie´s im rest Europas meinungsmässig aussieht?
Oder denkt sich da auch die Masse nicht das sie “gerollt” wird…
September 4th, 2014 at 08:21
Prima Text, danke.
Wann und warum rührt man die Werbetrommel? Um den Glauben an ein Produkt zu stärken.
Ergo: Je lauter die Trommeln, desto entfernter sind wir vom beschworenem Zustand entfernt.
Die Gauck’sche Freiheit nit zo verjesse.
September 4th, 2014 at 10:00
Der Gauckler hat also erneut zugeschlagen – auf einer Veranstaltung zum Gedenken an den Überfall Nazi- Deutschlands auf Polen.
Da stellt sich der oberste Rechtsnachfolger eben jenes Schurkenstaates hin und schwingt sich auf, die sehr verspätete und ziemlich vorsichtige Reaktion der imperialistischen Russischen Föderation auf jahrzehntelange militärpolitische Bedrängung, wirtschaftliche Ausbeutung und Einkreisung durch NATO- Staaten, allen voran USA und BRD, als “Aggression” zu denunzieren und der RF selbst die virtuelle “Partnerschaft” abzusprechen.
Für diese Meisterleistung des Zwiedenkens gebührt ihm die
O’Brien – Medallie in der Kategorie “Vergangenheitskontrolle”.
September 4th, 2014 at 11:20
Aus der Reihe “Powersätze für die Sportpalast-Fete”: “Wir werden Politik, Wirtschaft und Verteidigungsbereitschaft den neuen Umständen anpassen.”
Es gehört schon eine gehörige Portion Chuzpe dazu, eine solche Rede an jenem Ort und Datum zu halten. Pinkelt der “Präsident der klaren Worte” (Deutschlandfunk) nachts auch an die Steine des Holocaust-Denkmals?
Naja, sie werden schon ihre Gründe haben, seiner Kolonne einen Rettungswagen hinzuzufügen: Bundespräsident Gauck gut gelaunt in der Region Trier
p.s.: Und “Nachfahre eines Staates” ist er auch. Wie geht denn das?
September 4th, 2014 at 12:38
OT: Das wollte ich auch schon immer mal sagen.
September 4th, 2014 at 12:49
@ #17
In Trier hat der Hunnenpastor 2.0 auch Dich und mich angesprochen/etwas abgesondert.
Wir sind die,
« … welche, die Ursache und Wirkung verwechseln.»
Also zumindest alle bisher hier Kommentierenden, gebt Euch endlich mal Mühe seiner Ursachenforschung zu folgen. Unsere vereinigte „Nationale Front” der Kriegstreiber unter Führung der militanten Betschwester KGE (“Ich bin froh, dass wir einen Bundespräsidenten haben, …”) wird uns sonst Bescheid schießen.
September 4th, 2014 at 15:45
Danke. Unerträglich das Geschwurbel des präsidialen Selbstdarstellers.
Als Präsident funktioniert Herr G. in etwa wie ein schwarzes Loch: Wenn er Begriffe wie “Recht” und “Verantwortung” einschlürft, kann man blind darauf vertrauen, dass diese Vokabeln zu Gegensinn und Gegenkontext antimaterialisiert werden.
September 4th, 2014 at 15:51
@Phil: rtfm
September 4th, 2014 at 20:42
…bis zum Präsidenten
Und dem habe ich nichts hinzuzufügen.
September 4th, 2014 at 21:58
OT: Zum bgh-Urteil im Fall des Oury Jalloh habe ich ein passendes (Fehlersuch-) Bild gefunden: Bierwerbung aus den frühen 60ern
September 4th, 2014 at 22:23
Auch OT: Oettinger verhandelt TTIP, ich nehme an ohne Dolmetscher. Nur die Besten …
September 5th, 2014 at 01:00
[...] [...]
September 5th, 2014 at 07:29
@flatter #24 – Vielleicht ergibt sich daraus ja später mal ein Sonderkündigungsrecht…
Auch OT: Der Überfluss an Unnötigem und Schädlichem, eine sehr gute Übersicht über den Wahn der ‘Arbeitsgesellschaft’.
Deutlich mehr on topic: Offener Brief an die Raute aller Rauten…
September 5th, 2014 at 08:42
Rückblickend war Köhlers größte Tat eben seine unsentimental vorgetragene Aussicht daß Deutschland angeblich Kriege zur Wirtschaftsförderung benötigt. Die Debatte danach wurde vollkommen verkackt. Statt die Sache zu Widerlegen hat man ad hominem Köhler angegriffen. Das führte uns zu Pastor Gauck, der uns diese These als ‘Gottgegeben’ verkauft.
Tja, pech gehabt. Man hat eben die Politiker die man verdient. Und Gauck repräsentiert das bräsige Doitschland besser wie kein anderer.
September 5th, 2014 at 09:12
Es ist ja auch interessant mal zu schauen, wer die Reden des Gaucklers schreibt:
https://www.versoehnungsbund.de/node/570
Zitat:
Einer der Mitverfasser der Studie “Neue Macht – Neue Verantwortung”ist der ehemalige Leiter des Washingtoner Büros der Wochenzeitung “Die Zeit”, Thomas Kleine-Brockhoff. Zu Beginn der Arbeit an der Studie, Ende des Jahres 2012, war er noch Direktor des US-finanzierten German Marshall Fund, der zusammen mit der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) verantwortlich für die Studie zeichnet. Der German Marshall und ist eine US-amerikanische Stiftung zur Förderung der transatlantischen Beziehungen.
Am 19. August 2013, noch während des einjährigen Entstehungsprozesses der Studie, wechselte Thomas Kleine-Brockhoff aus Washington nach Berlin und wurde Chefberater und Redenschreiber von Bundespräsident Joachim Gauck…
September 5th, 2014 at 11:31
Noch ist es ja so, dass das “höchste Amt” in D nur zweimal innegehabt werden kann. Angesichts eines so wortgewaltigen marktkonformen Lautsprechers als Amtsinhaber gibt es sicher schon Pläne für eine diesbezügliche Verfassungsänderung, um den Glücksfall zu verlängern. Der Marktschreier Gauck wird alles hinausplärren, was in Auftrag gegeben wird. Er ist ein Repräsentant deutscher politikferner Mehrheiten, wie noch nie einer genauer gepasst hat.
Was für ein Elend, dass so eine heuchlerische Lügentrompete eine ungleich größere Reichweite hat wie der vorliegende ausgezeichnete Text!
September 5th, 2014 at 19:00
Hat dies auf http://globaldiscussion.net/forum/26-f%3%BCr-deutschsprachige-nutzer/ rebloggt.
September 5th, 2014 at 19:41
Womit ich ausdrücklich ungefragt nicht einverstanden bin.
September 5th, 2014 at 19:53
“Was für ein Elend, dass so eine heuchlerische Lügentrompete eine ungleich größere Reichweite hat wie der vorliegende ausgezeichnete Text!”
Ja, leider. Gestern nannte allerdings einer (Precht) im Fernsehen (Illner-Runde) Anders Fogh Rasmussen eine „Knalltüte“ und kritisierte die verbale Aufrüstung vom Bupr…
September 5th, 2014 at 20:17
Telepolis, Gehören Kriege zur Natur der Menschen?
Nie wurde während es eines Nato-Gipfels so viel über Kriegsvorbereitung geredet, nie waren die Proteste so klein [..]
September 6th, 2014 at 02:10
@Leselotte #32:
Der bekannt brilliante Pepe Escobar nennt in seiner diesmal etwas satirisch gehaltenen und sonst wie üblich sehr informativen AsiaTimes Kolumne “The Roving Eye” unter dem Titel “NATO atacks!” A.F.Rasmussen den “Fogh of War”…
http://www.atimes.com/atimes/World/WOR-02-030914.html
September 6th, 2014 at 08:16
Paar Historiker melden sich über die Süddeutsche zur Gauck-Rede zu Wort.
tinyurl.com/lr4abbm
(Kümmerte mich immer noch nicht um eine andere Darstellung eines Links, “Asche, Asche auf mein Haupt”, :D )
September 6th, 2014 at 19:19
Warum nur kommt mir gerade spontan das http://gutenberg.spiegel.de/buch/gedichte-3396/202 wieder in den Sinn?
Es ist wie ein Déjà vu, dieses “feeling”, zum ersten Mal bewußt empfunden bei der sogen. Wiedervereinigung und nun scheint es einer gruseligen Art von unerwünschter Vollendung entgegenzustreben …
September 6th, 2014 at 21:23
OT: Aus der Kuhjournaille: “Orbán regiert wie ein Autokrat und setzt sich als europäischer Putin in Szene“. Dass Ungarn von Faschisten regiert wird, fasst ein Sozenblatt zusammen, indem sie einen Putin-Vergleich (Godwin II) anstellen. Obendrein wird Putin implizit als Nichteuropäer dargestellt.
September 6th, 2014 at 23:19
@flatter(37): Wenigstens schreibt die FR drunter welche Honks da ihren Müll verbreiten dürfen. Ob allerdings allzu viele Leser mal schaun was es z.B. mit der GPPi auf sich hat, wage ich doch stark zu bezweifeln.
Doof sind die ja nicht, nur widerlich…
‘Herr Ober, noch ‘nen Eimer bitte!’
September 7th, 2014 at 13:10
Na? Wieder Lust auf ‘nen langen Text? Hehe. Heute also wieder mein gewohntes Wort zum Sonntag ;)
Aus Gaucks Rede: “Heute dürfte es in Deutschland nur noch wenige Menschen geben, die persönliche Schuld für die Verbrechen des NS-Staates tragen.”
Ich finde, Gauck hat durchaus recht: (Fast) Keiner der heute Lebenden ist noch _persönlich_Schuld_ am historischen NS-Verbrechen. Wir können nicht mehr rückwärtig eingreifen.
Begreift man die Naziherrschaft als bloß ahistorische Singularität, d.h. als unabhängiges Ereignis konstituierter Interessenlagen, dann liegt die Schuld unauflöslich in der Menschennatur. – Das christliche Narrativ spricht vom Sündenfall, der das Paradies zerstört hat. Wenn aber der Mensch von Natur aus sündig und böse ist, dann ist die Problembetrachtung nach innen gekehrt, apolitisch und Sache der introspektiven Läuterung.
Das ist u.a. die Sichtweise, die Gauck – von berufswegen Heilssprecher – einnimmt und die ihm als christliche Vergebungsinstanz erlaubt, die Menschen von ihrer Schuld freizusprechen, sie zu heilen.
Gauck wirkt wie ein Geschmacksverstärker eines ahistorischen, personalisierten Konfliktverständnisses, und da kann er wirken und predigen und fühlt sich wohl dabei.
In dieser Rolle, die ihm so gut liegt, wird er freilich von interessierten Kräften des Establishments gestärkt und politisch benutzt.
Die Sichtweise, dass das Nazi-Verbrechen v.a. ein Symptom konstitutierter Machtinteressen ist, die bis ins Subjekt wirken und mit denen wir immer noch nicht gebrochen haben, gerät damit völlig in den Hintergrund.
Vielleicht müssen wir, wie Nietzsche es vorschlägt, tatsächlich von der christlichen ‘Denke’ in moralischen Kategorien von Gut und Böse uns emanzipieren und angemessener in Kategorien von Gut und Schlecht denken. Etwa den konstitutiven Rahmenbedingungen unter denen wir leben, die zu schlecht sind, um gut für uns zu sein. Das bedeutet aber auch, die reale Konsequenz aus unserer historischen Verantwortung zu ziehen, d.h. mit den konstitutiven Ursachen zu brechen – die introspektive Selbstläuterung ist dafür nicht ausreichend.
September 7th, 2014 at 20:27
@ Reinplatzer 39: Um deine Frage zu beantworten – ja, ich habe Lust, deine Texte zu lesen. Ist mir meistens auch völlig egal, ob die kurz oder lang ausfallen. Interessant sind sie bisher immer gewesen.
Irgendwo in meinen Lesezeichen schlummert übrigens das Fragment eines Blogs, der mal der deine werden sollte. Falls du den (re)aktivieren solltest, dann wär ich auf jeden Fall als Leserin mit dabei.
September 8th, 2014 at 10:00
[OT] @Amike – Danke für das Kompliment :)
Hmm, ich muss schon wieder mit einem längeren Text antworten, sakra! ;)
Das eigene Blog war länger schon beabsichtigt und ist es immer mal wieder. Dass ich bislang davon absah, liegt vor allem an meinen eigenen Ansprüchen, meine Eitelkeit und Selbstherrlichkeit nicht mehr als nötig bedienen zu wollen – denn das eigene Blog könnte das provozieren, so meine bisherige Einschätzung.
Ich habe nämlich nicht nur ‘nette’ Züge an mir, sondern auch welche, mich über andere Menschen hinwegzusetzen und habe damit schon einige schlimme Fehler begangen, die mich einst veranlassten, tief in mein Wesen zu dringen und ihm hierin auf den Grund zu kommen.
Berufsanalytiker waren dafür leider ungeeignet. Sie gaben mir durchaus das Rüstzeug der Analyse, aber ihr reparationistischer Ansatz war mir un-er-träg-lich! – Ich stellte nämlich fest, dass diese meine aggressive Eitelkeit von der Gesellschaft hofiert wird, es also Frauen wie Männer gibt, die sie belohnen – oder selber eine solche an den Tag legen – und mich darin anspornen, gleichwohl wir alle darunter leiden. Die Auseinandersetzung mit meinem Wesen erfordert(e) also auch, mich gleichsam mit dem Wesen der Gesellschaft auseinanderzusetzen. So ticken aber Berufsanalytiker idR. nicht, jedenfalls nicht die mir bekannten.
Eine davon sagte mal zu mir, Zitat: “Jeder habe seine Schattenseiten, solange er damit erfolgreich sei und darunter nicht leide, gäbe es keinen Anlass zur Korrektur.” – Aber was heißt denn ‘Erfolg haben’ in einer Gesellschaft wie der unsrigen? – Darauf antwortete sie ganz kritikfern, ‘ein erfülltes Leben haben’, ‘sich treu sein können’ usw. – Kurzum: Sie verstand nicht einmal die Dimension meiner Frage.
Also machte ich selber mich und meine Welt zum Beobachtungsgegenstand meiner Kritik. Ich meine, mich sehr gewandelt zu haben und meide auch (noch) einige ‘Versuchungen’, wie zB. das eigene Blog. – Deswegen bin ich aber kein Softie geworden, haha! Ich kann sehr forsch sein wo nötig (in dieser Welt manchmal unerlässlich), doch ich ziehe früh die Reißleine, bevor ich unheilbare Wunden bereite, hoffe ich.
Das wird in der bürgerlichen Gesellschaft – i.e. im Wettbewerbszirkus – aber meist nicht belohnt. Auf der Beziehungsebene wird das Kräftemessen ebenso erwartet wie auf der beruflichen Karriereleiter. Aufgeblasenheit, Herrschsucht und Pfauengehabe korrespondieren mit Autoritätshörigkeit, Gehorsam und Missionarsstellung.
Überall scheint das Krieger-Opfer-Spiel zu walten; Männer wie Frauen, einerlei. Ich kann gar nicht mehr anders, als mich aus diesem Spiel weitest möglich herauszunehmen und mich – soweit möglich – aller Versuchungen fernhalten.
Susan Sontag meinte einst in der Doku ‘Denkerin und Diva’: “Ich habe mich komplett selbst erfunden.” – Das finde ich sehr erstrebenswert.
Nebenbei: Ich meinte hier einmal, ich sei überzeugter Hartzer; das ist nur halb wahr. Das entwürdigende Hartz-Dasein ist aber der Platz, den die bürgerliche Gesellschaft solchen wie mir gerade noch zubilligt. – Mit anderen Lebensweisen überall sonst auf dieser Welt ist sie weniger gnädig, ihnen macht sie den Kriegsprozess.
September 13th, 2014 at 17:03
Heute wird bei uns in der Wasserprawda (für westsozialisierte mit fundiertem Ketchup-Wissen: Ostseezeitung) in einem Jubelbeitrag wie aus alten Zeiten auch Gaucks Lieblingswörter/Sprachmüll, Sprachschatz wäre ja wohl genau das Gegenteil, statistisch aufgearbeitet.
Es ist nicht überaschend, dass „soziale Gerechtigkeit” (34 Nennungen) erst ganz weit hinten kommt.
Sein in Brasilien wiederentdecktes Lieblingswort „niedermachen” in Verbindung mit Deutschland (ganz vorne mit 264 Nennungen) fehlt auch noch.