Eine der bizarrsten Geschichten der DDR und ihres greisen Elferrats, sprich: Politbüro, ist die vom Nutzen und Wehe des Rock’n Roll. Da taten sie sich nichts, die Nazibürger mit ihrer Abneigung gegen “Negermusik”, ihre bundesrepublikanischen Nachfolger, die den Rock’n Roll in ihrem muffigen Kleinbürgerdasein so verdammten wie ihre Eltern den Jazz, und die Spießer des DDR-Establishments, die nur eine Funktion in der westlich-dekadenten Popkultur sahen: von den Problemen des kapitalistischen Alltags abzulenken.
Bevor der Rock’n Roll aufgekauft und zu einer Veranstaltung für zynische Manager und ihre tatsächlich hirnentkernte Konsumentenjugend wurde, verschaffte sich in Musik und dem Kult darum ein anderes Bedürfnis Ausdruck. Jugend, die sich finden wollte, die nicht einfach gehorchen wollte; das Gefühl, einer definierten Gruppe anzugehören, erlebtes Kollektiv und auch quasireligiöse Gemeinschaft.
To be, to do tobedobedoo
Ein anderes Feld: Bis heute hält sich unangefochten ein Kult, der zwar wie alles andere durchkapitalisiert ist, aber nach wie vor von denselben Atavismen getragen wird wie oben Genanntes: Fußball. Es gibt da nicht nur die Weltmeister aus der Championsleague. Bis hinein in die Kreisklasse gibt es noch Fans, die am Wochenende ihre Vereine unterstützen, zusammen hocken, singen und sich im Kreis der Ihren geborgen fühlen. Wenn sie nicht gerade dem Kreis der anderen aufs Maul hauen, was die andere Variante ist.
Diese Bedürfnisse sind nicht totzukriegen, und einer der dümmsten Versuche, eine ‘sozialistische’ Vorzeigegesellschaft zu errichten, war der Zwang, der gegen eine Musikkultur ausgeübt wurde, die keineswegs niveauärmer war als das offiziell gepflegte Lipsi- und Schlagerwesen. Interessanterweise wurde der Fußball auch dort kaum angetastet; es war vielmehr so, dass es gewisse Überschneidungen gab zwischen der Angehörigkeit zu staatlichen Einrichtungen und der Anhängerschaft bestimmter Vereine.
Sehr bemerkenswert übrigens auch die Rolle der Hooligans und Ultras im Kampf gegen Ägyptens Mubarak.
Diese und andere Phänomene, die an primitive Gesellschaften erinnern, werden von Nazis reichlich bedient, worin auch eine ihrer Stärken liegt. Rummtata, Corpsgeist, Feindbild schweißen zusammen und fühlen sich gut an, wenn man doof genug ist, die Kehrseite zu ignorieren und überhaupt nicht zufällig eine Abneigung hat gegen dergleichen oder Bedenken gegen irgendetwas. Das Bedürfnis ist da, man kann das nicht durch Zwang ändern, selbst wenn man das wollte.
Das Recht der Eingeweide
Daher ist es auch wichtig, in der ewigen Frage, ob nun das Sein das Bewusstsein verstimmt oder umgekehrt, nicht zu vergessen, dass es da noch Instanzen jenseits von beidem gibt. Es wäre hier unklug, die Bedürfnisse einfach dem ‘Sein’ zuzuschlagen, um Recht zu behalten. Es gilt, den Menschen mit seiner Umwelt in einen Einklang zu bringen, und in diesem Sinne sind seine Bedürfnisse, die er aus grauer Vorzeit mit sich herumschleppt, sowohl Mensch als auch Umwelt.
Es hat Versuche gegeben, dergleichen zu entwerfen, hier ist z.B. Herbert Marcuse zu nennen und sein Begriff des ‘Eros’. Allgemein sind solche Bestrebungen in der Ästhetik zu finden und in der Kunst, aber man sollte sich verdeutlichen, dass es sich hier nicht um eine abgehobene Kultur des Schönen handelt, sondern eher um den Anspruch der Eingeweide. Ein Anspruch, der sehr berechtigt ist und den zu ignorieren nur dazu führt, dass ihn andere wahrnehmen und für sich nutzen.
Gerade linke Modelle, Versuche echter Solidarität, haben hier das Zeug zur Alternative. Wo es gelingt, sich zusammen zu raufen und der ewigen Konkurrenz eine Struktur zuverlässigen Miteinanders entgegen zu setzen, ist endlich einmal die solidarische Einstellung der Linken vorn. Tatsächlich würde dies auch ungemein gestärkt durch Arbeitsbedingungen jenseits von Konkurrenz und Ausbeutung. Dies ist ein Teil der Geschichte, die man erzählen kann. Dazu müssen einige allerdings auch ihre aggressive Abneigung gegen vermeintlich primitives Rudelverhalten ablegen. Das braucht nämlich seinen Raum und nimmt ihn sich im Zweifel ohnehin.
August 14th, 2014 at 14:46
Sehr schöner artikel, flatter, ganz besonders die bemerkungen zu “recht/anspruch der eingeweide” ( die kurze bemerkung zum fußball sowieso) – chapeau.
“Dazu müssen einige allerdings auch ihre aggressive Abneigung gegen vermeintlich primitives Rudelverhalten ablegen.” – word, mir scheint, dass das teilweise in völliger ahnungslosigkeit/unkenntnis erfolgt und dann schwerstintellektuell/-elitär, also überlegen ohne überlegt zu haben, `unbegriffen´ gar, daherkommt.
August 14th, 2014 at 18:27
Herzlichen Dank für den Text, der der allalltäglichen linken Depression etwas entgegenhält, wo sonst oft ein kulturpessimistischer Nihilismus regiert, gerade auch bei sogenannten Linken …
August 14th, 2014 at 20:59
Btw: Wenn Rock’n Roll salonfähig wird (youtube). Traumawarnung!
August 14th, 2014 at 22:25
Sack Zement, Cindy u. Bert – straight from hell.Ich werde heute Nacht Alpträume haben.
August 14th, 2014 at 22:27
Schönes Deutsches Liedgut…;-)
August 15th, 2014 at 00:42
Merci flatter, das ist mir hinreichend genug, wenigstens einstweilen, mal sehn. :)
Ein Grundbedürfnis, imo eines der elementarsten, gleich nach Selbst- und Arterhalt sollte auch mitgedacht werden: Neugier.
Die, wie ich finde, wesentlich dazu beigetragen hat uns zu dem zu machen, was wir sind.
Und diese Neugier ist für mich auch ein hoffnungsvoller Punkt in Hinsicht auf eine weitere Entwicklung.
Als eines der Hauptargumente gegen eine konkurrenzlose Gesellschaft wird ja gerne angeführt, daß in einer solchen keine (oder zumindest keine ausreichende) Innovation stattfinden könne, und somit gerade die großen (globalen) Probleme der Menschheit unlösbar seien.
Wenn ich mir anschaue zu welchen Leistungen (man muß das Wort ja nicht immer negativ auffassen) Menschen mit Forscherdrang fähig sind, sei es Grundlagenforschung oder auch ‘im Kleinen’, z.B. in den immer mehr verbreiteten Hackerspaces, komme selbst ich, als ‘Pessimist’ und Zyniker, schon mal ins “träumen”. Gerade auch Zusammenarbeit wird da schon gelebt.
Was für Potentiale sich entfalten könnten, wenn Neugier Freiräume gewährt würden und monetäre Verwertbarkeit nicht ein unumgängliches Ziel ist. Allein selig machend ist das selbstredend nicht, aber wohl ein nicht zu unterschätzender Punkt unter vielen.
August 15th, 2014 at 07:19
Das Recht der Eingeweide anzuerkennen ist für die meisten Linken die ich kenne so etwas wie der Sprung über den eigenen Schatten. Hätte ich Dir gar nicht zugetraut. Dieses Bauchgefühl auf etwas wirklich Gutes zu richten war auch immer meine diffuse Vorstellung davon wie sich etwas ändern könnte. Etwas Gutes und es muss auch etwas Großes sein, etwas Großes deshalb weil die Eingeweide das einfach brauchen.
August 15th, 2014 at 08:33
Gerade dieses Abheben auf die ‘Eingeweide’, dieser Unterton des Schmuddeligen, stört mich an dem Text. Das menschliche Bedürfnis nach Gesellschaftlichkeit, die über rein technische Fragen der Reproduktion hinausreicht, das Gefühl, in einer Gruppe geborgen zu sein, ‘Bande’ zu anderen herzustellen, Gefühle überhaupt – das sind keine ‘Atavismen’, sondern die überhaupt, durch rechte wie linke Bürgerlichkeit, sträflich vernachlässigte Seite des ganzen Menschen.
Sie entweder in den Bereich der Ästhetik, in eine ‘Kultur des Schönen’ hinaus zu überhöhen oder eben in die Schmuddelecke hinabzuziehen, auf jeden Fall aber zu marginalisieren ist genau die Überhöhung des Vernunftprogramms, die Ausdehnung der Vernunft über ‘vernünftige’ Grenzen hinaus, die ich schon in diesem Kommentar versucht habe anzusprechen. Die Aufforderung, diese Bedürfnisse zwar nicht zu ignorieren, aber dann auch nur wieder ‘utilitaristisch’ ausźunutzen, passt da leider nur zu gut in’s Bild.
Ein ‘Sprung über den eigenen Schatten’ ist das gerade nicht, sorry, sondern mE viel zu kurz gehupft. Auch wenn ich mich damit endgültig dem Verdacht aussetze, ‘esoterisch’ geworden zu sein. ;)
August 15th, 2014 at 08:46
@Peinhart: “Eso”
Ich bekomme den Eindruck, dass Du inzwischen die errichtete Kultur insgesamt als das Ergebnis brachialer Selbstdisziplinierung ansiehst.
August 15th, 2014 at 09:03
Also ich habe “die Eingeweide” eben nicht in der Schmuddelecke verortet, was die beiden letzten Sätze des Artikels für mich ziemlich deutlich zum Ausdruck bringen. Ich habe also etwas anderes gelesen als Peinhart, was ja vorkommen soll.
Was das Ausnutzen archaischer Gefühle angeht sehe ich das sicher ähnlich gefährlich, weil es so einfach ist sie in die falsche Richtung zu lenken und so schwer sie im Zaum zu halten.
August 15th, 2014 at 09:21
@flatter
Sehr gut … leider vergrößert der Text meine Not: “Diese Bedürfnisse sind nicht totzukriegen, …” Wenn doch die Amöbe in uns nich totzukriegen ist, wie kommen wir dann von so ‘was wie ‘Geld’ weg?? Geld iss scho a bsondrer Saft, woißt? Oder von Macht? (noch so’n Rauschmittel)
Mein Rede seit …: Durchschnittlich einssiebzig hoch gestapelte Zellhaufen.
August 15th, 2014 at 09:32
@Peinhart (8)
Und wenn’s doch so wäre? Die Amöbe (Eingeweide) als letzte Instanz?
Meine Überzeugung – und Erfahrung: Da iss vermutlich leider viel zu viel dran. Man kann da über Generationen modifizieren, das glaub’ ich auch, aber was ist das dann für einen Welt/Gesellschaft? Und (s. letzter Post): Gelingt am Ende eine allmähliche Transition mit all’ Ihren Gefahren?
Ich denk’ mir schon ‘mal – in ganz schwarzen Momenten: Eine Welt ohne Gesellschaft, Flora und Fauna (die Fourage kommt dann von Soylent p.l.c., dann aber vollsynthetisch), vllt. geht das auch, wenn man da reingeboren wird und es nix anners gibt? Dann gibt’s auch nix mit Un… weder mit Geziefer noch mit Kraut und so. Warum machen wir uns ins Höschen? Weil wir nich ablassen können?
August 15th, 2014 at 10:19
@ peinhart
Kopf und bauch – der bauch “fordert” sein recht, der bürgerliche kopf, ob rechts oder links, versucht es dem bauch, auch dem eigenen, vorzuenthalten bzw. vorzuhalten, dieses recht überhaupt zu beanspruchen, es sei denn in sublimierter also verkopfter form.
Ich habe flatters text so verstanden, dass man sich überhaupt einmal klar machen sollte, das solche bedürfnisse existieren und ein “recht” haben “befriedigt” zu werden, gegen jeden “tugendterror” oder in deinen worten auf diese “sträflich vernachlässigte Seite des ganzen Menschen” aufmerksam zu machen. Einen “gegensatz sehe” ich da nicht.
Ich sehe da auch keine aufforderung, diese bedürfnisbefriedigung utilitaristisch auszunutzen. “Jetzt wird’s voll esoterisch”, schreibst du, nein, das ist das, was du dazu geschrieben hast gerade nicht. Ich kann deine gedanken dazu nachvollziehen, um nicht zu sagen “finde meine gedanken da wieder.”
Weil ich es nicht lassen kann und weil es ein so “schönes stück” literatur ist, trifft es Büchner vielleicht?:
Danton: Was weiß ich! Wir wissen wenig voneinander. Wir sind Dickhäuter, wir strecken die Hände nacheinander aus, aber es ist vergebliche Mühe, wir reiben nur das grobe Leder aneinander ab – wir sind sehr einsam.
……
Ich hab es satt; wozu sollen wir Menschen miteinander kämpfen? Wir sollten uns nebeneinander setzen und Ruhe haben. Es wurde ein Fehler gemacht, wie wir geschaffen wurden; es fehlt uns etwas, ich habe keinen Namen dafür – aber wir werden es einander nicht aus den Eingeweiden herauswühlen, was sollen wir uns drum die Leiber aufbrechen?
August 15th, 2014 at 11:01
@Stony(6): Guter Einwurf, diesen Gedanken hatte ich fast aus den Augen verloren. Das Töten der Neugier im sog. “Bildungssystem”, dieses widerwärtige Zurichten auf Einordnung und Nützlichkeit, wäre in der Tat verzichtbar. Bei dem Kapitel muss man aber vorsichtig sein, um nicht wieder in die Laissez-faire Ecke zu rutschen.
Was @Peinhart mit “Eso” meint, ist hier inzwischen Running-Gag und beruht auf Bergers Aussage, Feynsinn sei ihm zu philosophisch-esoterisch. Wenn ich “Eingeweide” sage, meine ich das eben in dem Sinne, dass das keine Salonästhetik ist, sondern das, was an Natur in uns wirkt. Ich finde das Körperliche in aller Regel nicht eklig.
Dass ich von Atavismus spreche, hat damit zu tun, dass es sich um Züge aus früheren Entwicklungsstufen handelt, die älter sind als der Verstand. Auch das soll keine Abwertung sein, aber den Eingeweiden allein mit Diszplinierung zu begegnen, ist keine Freiheit. So etwas bildet analfixierte Charaktere heraus, im Volksnmund auch “Arschlöcher” genannt. Im Kapitalismus sind die natürlich nützlich, und man nennt sie “Chef”.
August 15th, 2014 at 11:12
Die Nanny grüßt mal wieder: Spon, Prostitutionsgesetz: Koalition will Gang-Bang-Partys verbieten
OT: Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz zeigt Wirkung: Telepolis, Kiffen, vögeln, Schwarzarbeit – für mehr Effizienz und Klimaschutz
m(
August 15th, 2014 at 11:27
Das sind doch die wichtigsten Themen für Parlament und Regierung. Als nächstes nehmen wir uns dann mal gesundheitsschädliche Sexualpraktiken vor.
August 15th, 2014 at 11:32
Nach 16 Jahren Kohl, dann Schröder und Fischer und jetzt noch Mutti und dem Klops wundert mich, dass noch nicht alle impotent geworden sind.
August 15th, 2014 at 11:47
@Rainer #9 – Ich finde in der Tat, dass wir das Programm etwas überzogen haben – und dass sich das Verdrängte ‘rächt’, indem es sich dann an unerwarteter und dann meist auch unangemessener Stelle Bahn bricht. Und natürlich wollte ich auch provozieren, was mir ja anscheinend auch gelungen ist. ;)
Und ich denke, das sich für eine ‘Linke’ in der Tat auch ganz neue Perspektiven ergeben könnten, wenn sie sich des Verdrängten und Brachliegenden auf neue Weise annimmt und andererseits der Vernunft und ihrer ewigen ‘Affektkontrolle’ selbst ein wenig Grenzen setzt. Und auch jenseits der mittlerweile auch schon fast wieder ausgestorbenen verdruckst-sozialpädagogischen Attitüde des ‘Ey duhu, das fand ich jetzt aber irgendwie auch nicht ganz so dufte’… Andererseits ‘liebe’ ich sogar die instrumentelle Vernunft – wo sie angemessen ist.
@flatter und @oblomow und überhaupt – Danke. :) Wenn der Büchner mal so alt hätte werden dürfen wie der Goethe, was hätte da noch kommen können…
August 15th, 2014 at 12:02
@Peinhart: Wir Hirnis werden wohl alle an den Punkt gebracht, an dem wir die rechte Gehirnhemisphäre und ihre Botschaften stärker integrieren müssen.
Anderen, wohlgemerkt nicht dümmeren, fällt das scheinbar leichter.
August 15th, 2014 at 12:41
@flatter(14): “Laissez-faire Ecke” … Peinhart hat das ja recht anschaulich ausgeführt, besonders der Teil über Autorität und Grenzen setzen. Dem würde ich zustimmen.
Man müßte eben Wege finden, über die Gegenpole ‘Zurichtung’ und ‘totale Individualität’ hinaus zu kommen. Wenn die ‘Freiräume’ nur Punkte zwischen diesen Polen sind (“hier haste ‘ne Ecke, da kannste spielen”), ist das halt auch nicht das Wahre. Ich stelle mir das (idealer Weise) so vor, daß es darum geht den “sense of wonder” zu wecken und fördern, aber ohne Zwang; die Möglichkeit geben sich und die Welt ‘auszuprobieren’ – Amike hat das wie ich finde sehr schön aus ihrer Sicht geschildert.
Mein Menschenbild ist so, daß wir sowohl soziale Wesen sind, als auch Einzelne – wobei das für mich kein Widerspruch oder eine Getrenntheit ist. Unser Erfahren der Welt, unser Fühlen und Denken findet erstmal in uns statt, in unserer ‘Innenwelt’; gleichzeitig leben wir aber immer auch in einer ‘Außenwelt’, die uns beeinflußt und in die wir auch etwas hineintragen. Eine Gesellschaft sollte so beschaffen sein, daß sie den Einzelnen eben genug Freiheit beläßt, um Erfahrungen usw. selbst verarbeiten zu können, nicht einfach nur Ideen und Gepflogenheiten zu übernehmen, gar oktroyiert zu bekommen.
Dazu bedarf es natürlich nicht wenig, sowohl was Strukturen angeht (Schule, Uni etc.), als auch die Menschen selbst. Ich kann mich aber gut mit dem Gedanken anfreunden, daß es hier eher um den Weg als solchen geht, denn die Erreichung eines festen Zieles.
August 15th, 2014 at 14:12
Empathie!
[Der Eingangssatz in Wikipedia]:
Empathie bezeichnet die Fähigkeit und Bereitschaft, Gedanken, Emotionen, Motive und Persönlichkeitsmerkmale einer anderen Person zu erkennen und zu verstehen. Zur Empathie gehört auch die Reaktion auf die Gefühle Anderer wie zum Beispiel Mitleid, Trauer, Schmerz oder Hilfsimpuls. Grundlage der Empathie ist die Selbstwahrnehmung; je offener wir für unsere eigenen Emotionen sind, desto besser können wir die Gefühle anderer deuten. Empathie spielt somit nicht nur in Bezug auf andere Menschen eine Rolle, sondern ist auch unter dem Aspekt der Selbstempathie bedeutsam.
August 15th, 2014 at 20:07
(War wohl der Killer, der Comment, dabei weiß ich nich ma, was der mir nu sagen soll :-)
August 15th, 2014 at 20:18
Alle(s) erschlagen, ich Schlägertyp ^^
Dabei wollte ich nur nicht lang und breit schreiben, daß “auf die Eingeweide hören” wohl doch was mit Empathie zu tun haben müßte/könnte – denn haben haben wir ja alle Eingeweide, odda so…
August 15th, 2014 at 22:12
Eine Jugendkultur, über welche sich die Silberrücken noch so aufregen könnten, dass sie etwas dagegen unternehmen müssten, gibt es Heute ohnehin nicht mehr.
Selbst über das potenziell gemeingefährliche Kollektiv der Killerspieler haben wir schon viele Jahre nichts mehr gehört.
Die Quartalsbilanzen sind Heute eher vom zu hohen Strompreis bedroht, als von den chavs. Von kleinen Ausrutschern wie Paris 2005 und London 2011 abgesehen.
August 15th, 2014 at 22:39
Ach, der killercomment, der kommt vielleicht jetzt, andererseits ist´s nur zur unterhaltung – noch einmal also zum Citoyen Georg(es) Büchner, der mich seit meiner schulzeit `begleitet´.
Als dichter – ein philosoph; als philosoph – kein `salonästhet´; als mediziner – natürlich kein ekel vor dem körperlichen, auf dessen sexuelle ausprägung er als dichter oft anspielte; als mensch – ein empathiker, spürbar in jeder zeile seines schmalen werks incl. der überlieferten briefe und im mittelpunkt des werkes: die kreatur mensch, (nicht nur) das `selbst´ suchend.
Zwei stellen zur „körperlichkeit” aus, für mich, einem der schönsten theaterstücke ever, da war der mann 22 jahre alt – Dantons Tod:
I,1 Ein Zimmer
Danton. Sieh die hübsche Dame, wie artig sie die Karten dreht! Ja wahrhaftig, sie versteht’s; man sagt, sie halte ihrem Manne immer das coeur und anderen Leuten das carreau hin.
II,2 Eine Promenade
Junger Herr. Ach, Madame, der Ton einer Glocke, das Abendlicht an den Bäumen, das Blinken eines Sterns…
Madame. Der Duft einer Blume! Diese natürlichen Freuden, dieser reine Genuß der Natur! (Zu ihrer Tochter:) Sieh, Eugenie, nur die Tugend hat Augen dafür.
Eugenie (küßt ihrer Mutter die Hand). Ach, Mama, ich sehe nur Sie.
Madame. Gutes Kind!
Junger Herr (zischelt Eugenien ins Ohr). Sehen Sie dort die hübsche Dame mit dem alten Herrn?
Eugenie. Ich kenne sie.
Junger Herr. Man sagt, ihr Friseur habe sie à l’enfant frisiert.
Eugenie (lacht). Böse Zunge!
August 16th, 2014 at 19:57
der killercomment war zur erinnerung schon mal nicht verkehrt, aber garnicht. danke wat ;)
August 16th, 2014 at 21:32
Viel gewichtiger scheint mir doch die Frage, ob Wat. beim Verfassen des Killer-Comments einen Hijab trug oder nicht.
Okay, mal was zum Thema, ein bisschen wenigstens. Wusstest ihr, dass z.B. die San waschechte Anarchisten sind?
Wiege der Menschheit und so.
August 16th, 2014 at 21:41
Ein Text, der mir wirklich viel gibt, Flatter.
Tja, unser Bauchladen ist käuflich, er lässt sich ausrauben. Dagegen hilft nur der Verstand und die Instrumente der Kritik. – Beides zusammen kann ein ganz gesundes Gespann sein.
Womöglich ist das innere Unbehagen der wahre Anlass jeder Kritik und doch im Laufe so vieler Gefechte in den Schatten ihres Eiferns geraten?
August 17th, 2014 at 03:15
yep, @r@iner; ich wussts zumindestens seit den “verückten göttern”…aber total unbewusst. auch für dieses dran erinnern danke. sollte man ruhig mal weitertragen, diese schönen fakt der “alternativen” gesellschaftsmodelle.
August 17th, 2014 at 09:49
@Reinplatzer – Womöglich ist das innere Unbehagen der wahre Anlass jeder Kritik und doch im Laufe so vieler Gefechte in den Schatten ihres Eiferns geraten?
Ich fürchte sehr, dass dem so ist. ‘Linke’ Kritik hat sich auf die Ebene bürgerlich-utilitaristischer Vernunft halb begeben und halb ziehen lassen, auf der Wut und Empörung über “Verhältnisse [...], in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist”, Gefühle überhaupt, keine Rolle spielen dürfen, wenn die Kritik als ‘sachgerecht’ und ‘gültig’ anerkannt werden soll. ‘Hirnis’ eben, wie @Rainer schon ganz richtig anmerkte. Obwohl man eben, das hat auch @flatter immer wieder hier betont, keine Wertkritik braucht um zu erkennen, dass der Kapitalismus scheise ist. Das sieht man ‘eigentlich’ mit bloßem Auge.
Aber dieses ‘eigentlich’, hinter dem sich mE die ‘eigentlichen Bedürfnisse’ befinden, hat im anerkannten öffentlichen Diskurs des sich selbst entfremdeten Menschen eben keinen Platz. ‘Wer schreit hat Unrecht’ – aber vielleicht zeigt das Schreien oft auch nur an, dass es hier um etwas wirklich wichtiges geht. Und manchmal eben auch in dieser Form.
Emotion und praktische Vernunft können und wollen nicht so recht miteinander. Sie sollen sogar nicht, das ist ja ua der Witz bei letzterer. Bedürfnisse hingegen, spätestens wenn sie über das allernötigste hinaus sind*, sind ohne Emotionen gar nicht denkbar. Begehren kommt nicht aus Vernunft, und Vernunft befriedigt kein Begehren**. Sie kann nur dazu dienen, kann auch nur Mittel sein statt (Selbst-) Zweck und höchste Bestimmung.
Vielleicht hat die ganze Mittel-Zweck-Verkehrung hier schon ihren Ursprung, und nicht erst im Kapital. Dann könnte oder müsste das Projekt wohl auf sowas wie eine integrierende oder integrative Vernunft hinauslaufen, die Zweck und Mittel auf allen Ebenen neu bestimmt und das von der Vernunft zu gründlich verdrängte ‘Andere’ wieder in seine Rechte setzt.
*Wobei allerdings die allernötigsten auch die heftigsten Emotionen freisetzen können.
**Weshalb auch der ‘Bauchladen’ so gut auszurauben, auszubeuten ist.
August 17th, 2014 at 12:04
Primitiv? Bravo! Bw-Adventure Camps 2014 – die große Team Challenge bei der Bundeswehr
Die v.d.L. bekommt noch den Spitznamen “Mutter aller Kindersoldaten”.
August 17th, 2014 at 14:38
Hallo!
Ich finde, diese Diskussion trifft einen Nerv. Dieser Blog und sein Kommentariat treten eben nicht auf der Stelle und sind für mich eine positive Definition von “links”.
Der Begriff “Rationalisierung” gehört hier auch erwähnt.
Als Mensch ist es notwendig, besonders die eigenen Beweggründe immer wieder kritisch zu hinterfragen, auch wenn dies oft etwas anstrengend und desillusionierend ausfallen kann…
Das, was wir als unser bewußtes Ich wahrnehmen, ist so ungern wir das vllt zugeben, eben nur ein Teil dessen, was unsere Persönlichkeit ausmacht. Und die anderen Teile bestimmen mit. Habe leider grad keine Zeit dies mehr auszuführen, aber ich glaube ohne diese Selbstreflektion sind selbst die besten Beweggründe zum Scheitern verurteilt, manchmal auch mit (Danton, ich liebe Büchner, seit immer schon).
Kindern die Neugier und Freude am Lernen auszutreiben ist schon eine Meisterleistung. Warum nimmt in der Lehrerausbildung eigentlich Pädagogik so einen kleinen Platz ein? Ignoranz oder Absicht?
Schönen Sonntag noch!
August 17th, 2014 at 15:58
@L´Andratté: Die Lehrerausbildung ist ganz folgerichtig – wozu gute Kräfte ausbilden, wenn die später ihre Zöglinge eh nur abrichten sollen. Ökonomische Verwertbarkeit und Anpassung ist alles, was von den Kinderlein erwartet wird; echte Bildung stört da nur.
Selbst wenn sich da mal welche ins System ‘verirren’, die wirklich was drauf haben, werden sie entweder ‘auf Linie’ gebracht, oder im Mahlstrom der Strukturen abgeschmirgelt und letztlich in der Pfeife geraucht.
Und dann wären da noch diejenigen der Einrichtungen, in welchen seltsame Menschen ihre Brut abliefern, wo die dann lernen ihre Namen zu tanzen, damit die Steinersche Deppenlehre nicht ausstirbt.
Dogmatisch ist beides, das eine wie das andere.
August 17th, 2014 at 18:25
@L´Andratté und @Stony – Die Disziplinierung der Einbildungskraft, der Phantasie, der Neugier, so auch schon der alte Kant, ‘muss nun mit Schulstrenge (sic!) gelernt werden’. Die ‘Kultivierung’ der Einbildungskraft habe nur darauf abzuzielen, sie ‘zum Vorteile des Verstandes’ zu gebrauchen, sie sei nicht zu stärken oder anzuregen, ‘sie muss vielmehr gezügelt und unter Regeln gebracht werden’. Noch deutlicher in Richtung ökonomischer Verwertung finden wir das dann natürlich auch noch bei den ‘Liberalen’. Es komme, insbesondere was die Massen angeht, in erster Linie darauf an, gerade zu sitzen, sich nicht ablenken zu lassen und Schulstunde um Schulstunde brav und geduldig abzusitzen. Der Inhalt derselben sei dagegen absolut zweitrangig. Das ist die unverhohlene Zurichtung zur Fabrikarbeit, und immer noch die Wurzeln dessen, was wir Pädogogik nennen…
@Wat. – Wichtiger Hinweis, in der Tat. Ich glaube, bei nicht wenigen Linken herrscht auch eine Art Verzweiflung über das dumme Menschengeschlecht, das so partout ‘keine Vernunft annehmen will’, wie oft und mit wie guten Argumenten es man ihnen auch immer erklärt. Was sich leicht bis zur stillen Verachtung und dann – immerhin konsequent ;) – auch Selbstverachtung auswachsen kann. Daher versuche ich es jetzt ja auch mal mit der steilen These, sie könnten vielleicht zuviel Vernunft angenommen haben… :p
August 17th, 2014 at 18:34
OT – In der Ukraine kämpft eine anarchistisch-geprägte Machnowschina auf der Seite der Seperatisten (ohne deren Kommando zu unterstehen) gegen die ukrainischen Neonazis.
Weiss da wer näheres?
August 17th, 2014 at 19:04
Hast du da ne Primärgerüchtequelle zu ?
August 17th, 2014 at 19:37
@Piet http://www.vineyardsaker.de/ukraine/kurz-zu-strelkow/
http://www.vineyardsaker.de/ukraine/uebersicht-ueber-die-situation-an-den-fronten-des-suedostens-fuer-1000-kiew-am-15-august/
August 17th, 2014 at 20:43
@Peinhart(34)
“Daher versuche ich es jetzt ja auch mal mit der steilen These, sie könnten vielleicht zuviel Vernunft angenommen haben…”
So ‘über’steil finde ich die These gar nicht.
Schließlich bin ich mit Deiner Argumentation soweit gekommen, daß Vernunft immer nur so etwas wie ‘sozialdemokratisch’ sein kann. Du erinnerst Dich, oder muß ich Link rausbuddeln ;)
‘Sozialdemokratisch’ insofern, als sie sich weitestgehend nur in der gerade existierenden ‘Realität’ abspielen kann, also in den vorgefundenen gerade existierenden Grenzen, dessen was ist – ‘vernünftigerweise’ nicht darüber hinausgeht.
Es hat mE was mit nicht vorhandener oder ‘unterdrückter’ Empathie zu tun, dann statt Diener zu sein, Diener haben zu wollen.
Denn da greift wieder die ‘sozialdemokratische’ Vernunft, daß es ja jemanden geben muß, der den Doofen den Weg weist, odda so.
Mir ist halt jeder linksautoritätere Ansatz noch in der ‘sozialdemokratischen’ Suppe gekocht, auch wenn diese sich selbst als Kommunisten sehen – sind sie mitnichten.^^
Edit: Ich bin sogar nicht weit davon entfernt, das nicht mehr als “Links” bezeichnen zu können resp. zu wollen.
Vernünftig erscheint dann auch, immer nur an der Verteilung kurbeln zu wollen, ohne das Machen überhaupt in den Blick zu nehmen.
Es kommt tatsachlich erst das Fressen und dann die Moral – nicht einfach platt im Sinne von Satt sein; wie das Sattmachende herstellen.
Wären Menschen immer vernünftig gewesen, wäre wir noch Affen, womit ich letztere nicht schlecht machen will – trotzdem erlaube ich mir zu behaupten, daß wir wenigstens ab und an in unserer Geschichte ne ordentliche Mischung hingekriegt haben müssen zwischen Bauch und Kopf, zwischen Empathie und Vernunft.
Bevor wir da aber mal ne (wieder?) Balance zwischen beiden hinkriegen, müssen wir wohl unserer Empathie mehr ‘Raum’ geben, uns selbst spüren, um dann den Verstand dafür einzusetzen, daß es den Bauch immer geben darf…
August 18th, 2014 at 12:26
@wat “…trotzdem erlaube ich mir zu behaupten, daß wir wenigstens ab und an in unserer Geschichte ne ordentliche Mischung hingekriegt haben müssen zwischen Bauch und Kopf…”
Schließlich gibt´s die Menschheit schon seit min. 100.000 Jahren, mit Jeder-Gegen-Jeden hätt das sicher nicht geklappt!
Und ich bin sogar davon überzeugt, daß auch jetzt grade sehr viele Menschen das hinkriegen. Das sind dann genau die, die nicht nach Macht & Geld streben. Ich z.B., mit Verlaub (:
***”Was? 41 Jahre und noch immer keinen Führerschein? So ein Loser!”***
Ohne in Poesiealbumstil zu verfallen, ich denke das Leben vom Tode her, und das bedeutet nicht, irgendwie immer düster drauf zu sein, oder in arbiträre Religiösität zu verfallen, sondern (für mich, zumindest, hin und wieder) sich bewußt zu machen, wie kostbar und schön und zerbrechlich alles Lebendige ist.
Vor dem Hintergrund ist es so unfaßbar dämliche (es gibt ja auch gute) Lebenszeitverschwendung, was in dieser Gesellschaft von den Menschen gefordert wird bzw. die Menschen von sich selber fordern.
Natürlich mache auch ich bei viel ödem Schwachsinn mit um meine Familie und mich zu ernähren. Natürlich bringt mir meine Einstellung viele Nachteile ein. Aber ich hab das Gefühl einigermaßen richtig zu leben und nicht sooo korrumpierbar zu sein. Und ich habe eben festgestellt, vielen Menschen, überall auf der Welt, geht es ähnlich.
Sorry, ich hab hier schon soviel über Volkswirtschaft gelesen, jetzt könnt ihr euch auch mal mein Geschwurbel reintun, natürlich ist auch das nur die halbe Wahrheit, ich weiß, Widerspruch erwünscht! (;
August 18th, 2014 at 17:14
@39, Landratte
Diesen “öden Schwachsinn” habe ich nie als solchen betrachtet.
Höchstens als Verkrümmung wider besseres Wissen, was mir aber das Leben in dieser Gesellschaft abverlangt hat, das Überleben eben in dieser.
Und ich mache den Menschen keine Vorwürfe, dass sie das, was ich noch als Verkrümmung meiner Wirbelsäule empfunden habe, als Normalität ihres Seins begreifen, es für sich verinnerlicht haben.
Flatter hat mich drauf gebracht: “Dialektik der Aufklärung”.
Ich habe noch die von marxistischen Vokabular unbereinigte Fassung und darin wieder gelesen.
Daraus zitiere ich jetzt: “Zwei Welten”
“Hierzulande (gemeint ist Amerika) gibt es keinen Unterschied zwischen dem wirklichen Schicksal und dem Menschen selbst. Keiner ist etwas anderes als sein Vermögen, sein Einkommen, seine Stellung, seine Chancen. Die wirtschaftliche Charaktermaske und das, was darunter ist, decken sich im Bewusstsein der Menschen, den Betroffenen bis aufs kleinste Fältchen.
Jeder verdient so viel wie er wert ist. Was er ist, erfährt er durch die Wechselfälle seiner wirtschaftlichen Existenz.Er kennt sich nicht als ein anderes.
Hatte die materialistische Kritik der Gesellschaft dem Idealismus einst entgegengehalten, dass nicht das Bewusstsein das Sein, sondern das Sein das Bewusstsein bestimmt, dass die Wahrheit über die Gesellschaft nicht in ihren idealistischen Vorstellungen von sich selbst , sondern in ihrer Wirtschaft zu finden sei,, so hat das zeitgemässe Selbstbewusstsein solchen Idealismus mittlerweile abgeworfen.
Sie beurteilen ihr eigenes Selbst nach seinem Marktwert und lernen, was sie sind, aus dem, wie es ihnen in der kapitalistischen Wirtschaft ergeht. Ihr Schicksal, und wäre es das traurigste, ist ihnen nicht äusserlich, sie erkennen es an.”