Rote Fahnen sieht man besser
Posted by flatter under kapital , politik[19] Comments
27. Nov 2020 17:00
Ein wunderbares Lehrstück vor allem für unsere Sozialdemokraten, aus dem Jahr 1970. Damals wurde in meinem Stadtteil ein Werk dichtgemacht. Der Film stellt einige Betroffene vor. Schon 1970 hatten viele offenbar völlig verdrängt, was Kapitalismus ist. Geradezu rührend die überraschte Feststellung, dass das Kapital ein Werk schließt, wenn es nicht mehr ausreichend Profit abwirft.
Nicht minder tragisch die selbstverständliche Hinnahme der Opfer, vor allem in Hinblick auf ihre Gesundheit, die die Arbeiter gebracht hatten. Das firmierte bei ihnen offenbar nicht unter "Ausbeutung", sondern zaghaft erst der Skandal, dass ihnen im Gegenzug nicht das Recht zugestanden wurde, bis zur Rente an ihrem Platz arbeiten zu dürfen.
Welche Krise?
In dieser kleinen Krise, die ein erster Vorläufer dessen sein sollte, was folgte, wurde kurzfristig die Farbe Rot wieder attraktiv - "rot" wie in Kommunismus. Auch das Engagement der DKP wird erwähnt, wo die Krefelder Sozialdemokraten den Anlass wohl nicht wichtig genug fanden. Jetzt sei es, so die Belegschaft des Betriebs, "höchste Zeit, dass den Profitinteressen die Zügel angelegt werden". Genau. Einhegen® - seit 50 Jahren ein Erfolgsmodell.
Ein wenig hat sich seitdem verschoben im Verhältnis Kapital zu Arbeit(ern). Positiv ist festzustellen, dass die Gewerkschaften sich mit Forderungen nach besseren Arbeitsbedingungen in puncto Sicherheit und Gesundheit Gehör verschaffen konnten. Auf der anderen Seite sitzen nämlich seit jeher Leute, die rechnen können. Es amortisiert sich doppelt: weniger Krankheitsausfall und ein wichtiges sichtbares Symptom der Ausbeutung weniger.
Symbol und Ladung
Andererseits ist nicht bloß der Worst Case eingetreten im Hinblick auf die Ausnutzung der "besten Jahre" der Beschäftigten. Inzwischen gibt es das Blümchenwort "Erwerbsbiographie", das keinen Zweifel lässt an der Pflicht, lebenslang zu dienen, aber nicht einmal mehr die Illusion zulässt, man habe eine Beschäftigung für Jahrzehnte. Widerstand gegen Ausbeutung, Lohndumping, Hire and Fire, Verlust der Sozialleistungen? Der ist mit den Kommunisten verschwunden. Gewerkschaften betätigen sich derweil selbst als Vertreter von Kapitalinteressen.
Die Symbolkraft der roten Fahnen ist ebenso passé. Selbst die SPD, zuletzt die wichtigste ideologische Instanz für Ausbeutung, maßt sich an, ihre nützlichen Mitglieder mit roten Fahnen auszustatten. Der Bedeutungsverlust politischer Symbole beruht auf solcher Korruption, die sich auch in sog. "Farbenrevolutionen" abgenutzt hat und bei Anne-Frank-Vergleichen auf den kalten Boden aufklatscht. Es braucht Geschichtsbewusstsein, um daraus zu lernen.
November 27th, 2020 at 17:20
Zus SPD las ich just diesen sehr schönen, sachlich-nüchternen Artikel:
Die Attraktivität der Sozialdemokratie hat eben immer auch ein Stück weit von dem Versprechen gelebt, sie könne dem Bürgertum die Revolution ersparen und für die Lohnarbeiter trotzdem einiges erreichen …
Es war aber auch logisch ganz folgerichtig: Wer sich vornimmt, die politische Macht im Namen der Armen und Entrechteten zu erobern, muss auf die ökonomische Grundlage dieser Macht und ihre weltweiten Verwertungsbedingungen Rücksicht nehmen. Das schließt zahlreiche Rücksichtslosigkeiten gegen genau jene Adressaten der sozialen Machtausübung ein, die man im Ausgangspunkt zu beglücken gedachte.
Wer - wie die sozialdemokratische Arbeiterbewegung - den Staat als Hüter des Sozialen will, muss konsequent auch für dessen Erfolg in der Konkurrenz auf dem Weltmarkt sein. Für diesen Erfolg wiederum muss "das Soziale" den Konkurrenzanforderungen gemäß zugerichtet werden.
und abschliessend:
Das Abtreten der sozialdemokratischen Volkspartei geht allerdings nicht über die Bühne, ohne dass Teile von ihr die alte Lebenslüge wiederbeleben und im Rahmen der Linkspartei erneut die Vereinbarkeit eines auskömmlichen Arbeiterdaseins mit den Anforderungen kapitalistischen Wachstums und erfolgreichen Abschneidens in der Weltmarktkonkurrenz beweisen wollen.
Was könnte man da mal als Motto ausgeben? Vielleicht 'Fahnen zu Knebeln'...?
November 27th, 2020 at 18:05
Das sind doch Fake News. Seit wann hat die SPD denn bitte nützliche Mitglieder?
November 27th, 2020 at 22:49
"Unsere Betriebe sind die besten Sozialsysteme."
(Der neue BDA-Chef Rainer Dulger im Interview mit der FAZ) #thegreatreset
November 27th, 2020 at 23:12
Und etwas weiter unten darf man dann lesen, dass die Berliner Polizei mit einem Großaufgebot einen Obdachlosen geräumt hat. Was der Aussage des Herrn Dulger tatsächlich nochmal etwas Effet verleiht.
Überhaupt ist die Zunahme von Nachrichten, die man sich beim besten Willen nicht hätte ausdenken können, schon erstaunlich. Und gewissermaßen ein Wert an sich.
November 27th, 2020 at 23:48
Keine Sorge, das Wesentliche ist gerettet: Die Börse kriegt Fantasiezahlen.
November 28th, 2020 at 00:04
Der langjährige Wirtschaftsjournalist und Autor bringt einen breiten Fernsehhintergrund mit.
Schöner Tagesabschluss.
November 28th, 2020 at 21:43
Wie man grundsätzlich richtige Aussagen durch stilistische Grausamkeit sondergleichen bis zur vollständigen Unkenntlichkeit verstümmeln kann: ein Paradebeispiel. Triggerwarnung!
November 28th, 2020 at 22:09
Erst mal den Minister falsch schreiben. Naja, ich gehöre zu den Menschen, die Websites beim ersten Genderstern schließen - und aus deiner Zusammenfassung folgere ich, da nichts verpasst zu haben.
November 29th, 2020 at 19:59
OT. Während also Hanni und Nanni aus Würzelhausen ihr Geld an die Querdenker® überweisen und sich dann in der Gruppe auf Telegram fragen, wer von der Corona-Plandemie profitiert, kommt jetzt das: Neue Verschwörungstheorie über Joe Biden: „Great Reset“ verbindet Mikrochips, Menschenroboter und Sesamstraße
Langsam verstehe ich immer besser, warum man Kinder möglichst lange von der Welt der Erwachsenen fernzuhalten versucht.
November 29th, 2020 at 21:41
Der Artikel ist ein fast ebenso unverdaulicher Brei wie das, wogegen er sich wohl richtet, so genau erfährt man das ja auch nicht. Hier meine Verschwörungstheorie: finstere Zirkel denken sich Verschwörungstheorien aus, um Kritik an bestimmten Begriffen, Vorhaben oder Personen von vornherein zu diskreditieren und nach Belieben in's Lächerliche ziehen zu können. Quite clever when you think about it.
November 29th, 2020 at 22:07
Sich auf die VTen zu fokussieren, ist nicht nur wohlfeil, weil es wen diskreditiert. Es ist selbstverständlich ein automatisches 'Storytelling', das sich gut verkauft, weil man es aus allen Richtungen mit Amusement oder Empörung behängen kann. Es ist auch ein Symptom der Zeit des (nur) sprichwörtlich Unbegreiflichen. Eine quasi mittelaterliche oder vorzeitliche Reaktion, die eintritt, wenn man Rationaliät außen vor lässt.
Was wären Alternativen? Okay, eine gründliche Analyse der Gesellschaft, in der sich das große Ganze abspielt. Das wird spätestens da hinfällig, wenn es um Kapitalismus geht - die Kritik wird ausgerechnet selbst Gegenstand vermeintlicher Mythologie (VT), weil sich die diffusen Reaktionen auf die Situation mit naiver K.-Kritik vermischen.
Bliebe zumindest eine eingehende Kritik an der Verwaltung der Situation. Findet die statt? Eine differenzierte Reaktion auf die 'Maßnahmen' und das Management der Pandemie? Ich finde die nach zehn Monaten Pandemie noch immer nicht. Blende ich das aus oder sind unsere Medienmacher wirklich so unfähig?
November 29th, 2020 at 23:01
Ich habe wirklich den Eindruck, dass Medien sich mehr und mehr abgewöhnen, überhaupt noch kritische Fragen zu stellen oder Dinge ernsthaft zu hinterfragen - weil der ganze Lack inzwischen wesentlich dünner geworden ist.
Das betrifft weit mehr als nur die 'Maßnahmen' und das Management der Pandemie, aber auch dahinter tauchen ja sofort grundsätzlichere Fragen auf, sobald man mal etwas nachbohrt. Denn einerseits weiss man schon irgendwie, dass das Mist ist mit zB der Privatisierung des Gesundheitswesens, andererseits aber auch, dass man damit nicht einfach aufhören kann, von rückgängig machen mal ganz zu schweigen. Der Grund dafür, ehrlich recherchiert und ausgesprochen, könnte aber Teile der Bevölkerung endgültig verunsichern.
Irgendwie scheinen die Zeiten vorbei zu sein, wo man mit wohlfeilen 'Mißständen' alá Monitor und Panorama eine insgesamt doch noch ziemlich heile Welt darstellen konnte. Inzwischen sind da lauter Eiterbeulen, deren unappetitlicher Inhalt einem unversehens um die Ohren fliegen könnte.
November 30th, 2020 at 13:23
OT: Es ist ja nicht so, dass ich Covidioten-Experten nicht zur Kenntnis nehme. Hier ist so ein Beispiel, aufgebläht mit Zahlen und Argumenten, die schon durch die Kategorienbildung vorab zunichte gemacht werden. Es ist ein argumentatives Desaster, das durch Umfang und Inhalt überfordert. Den Effekt nutzen diese Gurus dafür, ihre Gemeinde zu befriedgen. Wer nicht dazugehört, der ist schon bei der Leier "an oder mit" draußen, was eine Kennung für die Zugehörigkeit oder scheißausgewogene Ahnungslosigkeit ist. Nichts verstanden. Nicht Epidemiologie, nich Statistik und nicht die eigene Komplexitätsreduktion. Und während die Einen lernen müssen, labern die Anderen immer und immer wieder denselben Schwachsinn.
November 30th, 2020 at 15:48
Man bekommt schon unter die Nase gerieben, wer hier die Guten sind und wer nicht.
November 30th, 2020 at 21:07
@13: Ich bleibe bei meiner Meinung: Die verdampfende Mittelschicht reißt eben alles mit in die Scheiße. Könnten die nicht einfach *puff* machen und von der Bildfläche ohne großes Aufsehen zu verursachen verschwinden?
Dezember 1st, 2020 at 00:23
Die Trennung ist das Alpha und Omega des Spektakels.
Dezember 1st, 2020 at 12:43
OT. A49-Gegner zur Polizeigewalt: "Beamte pinkeln auf eingeklemmte Menschen"
Merkel, Baerbock, Drosten: Reichsbürger ruft zu Mord von mehr als 200 Prominenten auf
Dezember 1st, 2020 at 13:01
Zu 1): Hätten die die nicht erst töten können? Ist ja schlimmer als die Bundeswehr.
zu 2): Ist das die Liste, die auch dieser Troll hat? Ist man out, wenn man keine hat?
Dezember 1st, 2020 at 13:58
"Zwar sind Unternehmenspleiten ein natürlicher Prozess, doch wenn zu viele Firmen gleichzeitig ihre Zahlungen einstellen, werden sie zu einer Gefahr für Banken und Sparkassen, die Herzkammer unseres Wirtschaftssystems. Denn müssen die Kreditinstitute viele der geliehenen Gelder abschreiben, geraten sie selbst in Schieflage - und können keine weiteren Darlehen mehr vergeben oder müssen vor dem Zusammenbruch gerettet werden""
Lothar Gries, heute bei TM-boerse.