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Nein, du darfst nicht überall mitreden, Thorben-Marie. Dass deine Eltern meinen, du dürftest zu allem eine Meinung haben, ist ein trauriger Umstand. Es gibt aber Dinge, die besprechen Erwachsene unter sich – und “erwachsen” sind sie auch erst dann, wenn sie sich über ein Thema umfassend orientiert haben. Was das wiederum heißt, ist noch ein ganz anderes Thema.

Doch, es gibt Dinge, die sollten ausschließlich unter Experten diskutiert werden. Es ist nicht zielführend, zu Grundproblemen der Physik jemanden zu fragen, der die allgemeine Relativitätstheorie, Quantentheorie oder Unschärferelation nicht kennt. Mit solchem Unwissen hat man den Vorteil, Ufologe werden zu können, aber aus Diskussionen über Dunkle Materie hat man sich dann rauszuhalten.

Mitreden dürfen

Eine zielführende Diskussion ist auf die Kompetenz der Teilnehmer angewiesen. Bei einem Thema wie Fußball etwa fällt schnell auf, ob jemand die Abseitsregel verstanden hat, während in so läppischen Bereichen wie Virologie oder Epidemiologie schon der Mofa-Führerschein ausreicht und zwei Youtube-Videos. Dieses Phänomen hat Geschichte und Methode.

Das Ritual ‘Diskussion’ wird schon im Elternhaus zum bizarren Kult, wo Kinder ständig mit Entscheidungsbefugnissen überfordert werden. Kinder bis zum Grundschulalter sollten im Grunde gar nichts entscheiden dürfen oder müssen (was aus Sicht der damit gestressten Lütten auf dasselbe hinausläuft), danach kann man sie schrittweise in Erwägungen einbeziehen, die sie auch verstehen.

Stattdessen gehen schon im Kindergarten epische Erklärungen los, wenn die Kleinen mal wieder keinen Bock haben zu tun, was gerade angesagt ist. Das bringt gar nichts, es ist sogar Heuchelei, denn am Ende passiert ohnehin das, was zuvor bereits entschieden wurde. Diesen Prozess einfach und kurz zu halten, das nennt sich “Orientierung”. Die Kids werden es euch danken.

Jeder nur ein Kreuz

Auf weiterführenden Schulen, lange bevor irgendein Schüler kapiert hat, was Überprüfbarkeit, Wiederholbarkeit oder Gültigkeit bedeutet, werden sie bereits in das Ritual des Austauschs sinnloser Wortschwalle eingeführt. Sie lernen, was ein Pro und ein Contra ist, dass man das irgendwie formulieren muss und sich gegenseitig ausreden lässt (immerhin!), um am Ende etwas gesagt zu haben, von dem man selber kein Stück überzeugt ist. Wenn man Pech hat, kommt später noch Rhetorik dazu und von der bleibt wirklich etwas hängen.

Zu erkennen, was ist und was nicht ist, spielt in dieser Show keine Rolle. Man muss halt mitreden für das tolle Gefühl, gehört worden zu sein. Dann noch “ja” oder “nein” ankreuzen, fertig ist die Demokratie®. Diese Methode hat den doppelten Vorteil: Politische Prozesse werden mit endgültiger Wirkung von Kompetenz befreit und das Ganze harmoniert bestens mit einem System, in dem vorn gelabert und hinten entschieden wird.

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