Bildquelle: Wikimedia Commons / Colin Smith
Nein, es ist trotz der aktuell naheliegenden Themen nicht die Rede von überrechtlichem Notstand; aber mit dem kann man ganz gut einsteigen. Eine gute Gesetzgebung – oder auch Regelung sozialer Beziehungen jenseits des Bürgerlichen Staats – geht sparsam um mit den Festlegungen. Will man also dem Gegenteil noch irgend akzeptabler Zustände beim Metastasieren zuschauen, nehme man sich das deutsche Steuerrecht vor. Je weniger, je einfacher, desto besser, denn man kann nicht alles im Vorhinein bestimmen.
Katastrophen gleich welcher Art etwa kann man organisatorisch vorbereiten, aber was wo wie im akuten Fall geregelt werden muss, kann man nicht wissen, weil man Art und Umfang des Notstands nicht vorab definieren kann. Es braucht daher Ressourcen, über die im Notfall verfügt werden kann, Instanzen, die organisieren und die Kommunikation mit den direkt oder indirekt Betroffenen. Das ist auch ganz allgemein empfehlenswert, aber schon bei den Ressourcen deutet sich an, dass die Eigentumsordnung dem entgegensteht.
Nur das Beste
Gesetze also müssen sich aufs Wesentliche beschränken und nicht für jede frische Idee oder die Interessen Einzelner zugänglich sein. Sie bieten den Rahmen einer Rechtsgesellschaft, der allgemein akzeptiert werden muss und dürfen nicht zum Instrument herrschender Gruppen oder Personen werden. Die Gefahr, dass gerade das geschieht, liegt in der Möglichkeit von Sondergesetzen und dem Herumschrauben am Gesetzeswerk aufgrund von Stimmungen und kurzfristigen Einflüssen.
Wie so oft, erweisen sich hier die Bürgerliche Gesellschaft, ihr Staat und der politische Umgang damit als eine Fehlerkette, die nicht zufällig in der sozialdemokratischen Variante ihre Reinform findet. Das ergibt sich wie so oft nicht aus dem Hass gegen eine politische Strömung, sondern aus der Analyse der Strukturen. Dass die Sozialdemokratie gerade untergeht, hat sie durchaus mit ihrem Staat gemein. Der wird zwar gern benutzt, aber kaum mehr respektiert.
Sozialdemokratie ist der naiven (oder bereits senilen) Ansicht, man könne den Staat und seine Gesetze dazu benutzen, den Massen, den Arbeitern, Arbeitnehmern, Angestellten, okay, den höheren Angestellten ein auskömmliches und angenehmes Leben zu sichern. Man könne durch Gesetze jeweils auf den akuten Zustand des Kapitalismus so reagieren, dass dieser den Menschen diene.
Dem deutschen Volke
Was dabei herumkommt, ist ein Filz von Gesetzen (insbesondere Wirtschafts- und Steuerrecht), der ein reges Eigenleben führt und im Endeffekt strikt dem Lobbyismus folgt. Würde sie je allerdings ihr seit über einem Jahrhundert gebrochenes Versprechen wahrmachen, wie könnte sie das? Sie könnte es nur, indem sie rigide Sondergesetze erließe, die enteignen, brutal umstrukturieren und mit der gesetzlichen Eigentumsordnung jede Rechtssicherheit zerstören.
Das will sie freilich nicht, das kann sie nicht, aber wenn es darauf ankommt, so hat sie immer wieder unter Beweis gestellt, wird sie gegen jeden Anstand alles (mit)machen, um die Eigentumsordnung zu erhalten. Ja, bis jemand kommt, der die Eier hat, zuerst Sondergesetze zu erlassen, um dann die Rechtsordnung komplett in die Tonne zu treten – um einmal mehr Volk und Nation zu retten.
August 27th, 2020 at 03:51
Netzfund:
…..
Germany’s Proposed Dog Walking Law Stirs Consternation Among Pet Owners
Link
‘It may soon be against the law NOT to walk yer dog.’
……
Was soll eigentlich passieren, wenn jemand seinen Hund lieber sein Haus vollscheißen lässt? Da muss der doch mit dem Gestank leben, wen geht das was an? OK, Tierschutz, aber anscheinend hat Deutschland die 2.000 km Gesetzestexte noch nicht voll.
Mer möcht sich ja vor den Irren in die Klappse flüchten, aber dort rennen noch die total Bekloppten im weißen Kittel rum.
August 27th, 2020 at 13:20
Der drohende Untergang ist wohl auch die Hauptursache für die blitzartige “Sozialdemokratisierung” der ehemaligen “Linken”.
Wer weiß denn schon, wie lange es noch Fleischtöpfe gibt, an denen man sich bedienen kann?
Schnell vorm Ende noch Pensionsansprüche sichern.
August 28th, 2020 at 00:57
2.000km Gesetzestext sind gor nischt. Der Insolvenzfuzz von Wirecard meinte heute, er hätte Daten sichergestellt, die ausgedruckt 12.000km Regalbreite in Anspruch nehmen täten. Sehr amüsanter Bericht übrigens. Das Vorzeigeunternehmen, der Hoffnungsträger… naja, Delivery Hero könnte ein würdiger Nachfolger werden.
Hier noch was für die Brille: Bilduelle.
August 28th, 2020 at 11:12
“Man könne durch Gesetze jeweils auf den akuten Zustand des Kapitalismus so reagieren, dass dieser den Menschen diene.”
Mich würde erstens interessieren, ob das nicht wirklich mal so angedacht war und auch danach gehandelt wurde, und zweitens, ob die verantwortlichen Sozialdemokraten selbst noch daran glauben, wenn sie das immer und immer wieder verbreiten.
Ich denke ja, dass die Verquickung von Staat und Kapital in westlichen Demokratien nahelegt, dass dergleichen nie im Fokus der Politik stand. In einer Diskussion mit einem Studierenden (Ein Unternehmersohn) kam das Argument, dass die kapitalistische Wirtschaftsform doch aber zu viel Wohlstand geführt habe, worauf ich antwortete, dass das nur ein Nebenprodukt gewesen sei, aber niemals dieser Zweck verfolgt wurde. Meiner Meinung nach konnte sich das System das über einen längeren Zeitraum einfach leisten, in Krisensituationen ist aber Schluss damit.
Ob nun Sondergesetze genannt oder Ausnahmeregeln, seit Jahren wird damit der Ausnahmezustand zur Normalität erhoben, ohne besondere Gründe dafür nennen zu müssen, weil´s systemisch kriselte (Allein z.B. über die Entwicklung im Bildungsbereich ließe sich darüber Bücher schreiben). Besser verkaufen als im Interesse des Volkes lässt sich das alles aber, wenn “Gefahren” von außen drohen oder heraufbeschworen werden.
In einer Gesellschaft, die auf Konkurrenz und Gewinnmaximierung basiert und dem Schutz von privatem Eigentum, wie sollen deren Mitglieder (alle) sich auf klare, einfache Regeln (Gesetze) einigen können? Wer
sich´s leisten kann, lässt sich die Gesetze von Experten so auslegen, dass seine eigenen Interessen nicht behindert werden und das ganz legal.
Und mir als ehemalige DDR-Bürgerin wird immer noch eingeredet, dass ich Demokratie ja nie gelernt habe. Welche Demokratie? Echt jetzt.
August 28th, 2020 at 11:30
“ob das nicht wirklich mal so angedacht war und auch danach gehandelt wurde …” Angedacht war es eben sozialdemokratisch schon immer so, weil sie nie kapiert haben, was Kapitalismus ist. Danach gehandelt wurde exakt so lange, wie starke Gewerkschaften und eine aufholende Nachkriegswirtschaft dies zuließen und Profite gesichert waren. Als die zurückgingen, hat die neoliberale Variante damit aufgeräumt. Seitdem versuchen veträumte Sozen, den Pin wieder in die Handgranate zu stecken.
August 28th, 2020 at 11:35
Nice: Hier die Idee einer sozialdemokratischen Reform der Forschungslandschaft. Nur echt mit dem richtigen politischen Willen® und seinem Bruder, dem Konjunktiv.
August 28th, 2020 at 15:58
Also haben sich wirklich alle in den Zeiten, als es noch möglich war, an alle großzügig Geschenke zu machen, korrumpieren lassen? Kein Wunder, dass so gerne nach der guten alten Zeit geschrien wird.
Aber der politische Wille hatte, wenn ich das richtig verstehe, noch nie den entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung. Alles war sozusagen eher ein Zugeständnis des Kapitals, derer, die heute wieder stets und ständig als die Leistungsträger hofiert werden.
Ich weiß nicht, aber dieser Betrug und Selbstbetrug ist doch inzwischen so offensichtlich, dass ich nicht davon ausgehen würde, dass man von Naivität derer sprechen kann, die uns weismachen wollen, dass ihr politisches Handeln in erster Linie dem Gemeinwohl dient.
Ich denke eher, dass es um eine Strategie des Hinhaltens geht. Wer politisch Karriere macht, hat sich von seinem vielleicht einmal vorhanden Idealismus doch längst verabschiedet.
Das alles kann doch nur in Gewalt enden, oder? Nicht heute oder morgen, aber irgendwann … .
August 28th, 2020 at 16:31
Ich bin überzeugt, dass auch das Ende der DDR (als soziales Gegenmodell) dazu beigetragen hat, soziale Errungenschaften wieder abzuräumen.
August 28th, 2020 at 17:17
@altautonomer
Ja sicher. Und auch dazu, dass sich das siegreiche Wirtschaftsmodell über Alternativen keine Gedanken mehr machen muss.
Auch darum die Endlosschleife der alten Narrative. Es gibt eben nichts Besseres und es darf auch nichts anderes geben.
August 28th, 2020 at 17:31
Ich habe vor Jahrzehnten einmal einen Roman gelesen mit dem Titel “Wer stiehlt schon Unterschenkel”, in dem eine Welt beschrieben wurde, in der das kapitalistische System weltweit gesiegt hatte und es nur noch eine kleine Enklave gab, die sich dagegen zur Wehr setzte.
Damals hätte ich nie für möglich gehalten, dass das einmal Wirklichkeit wird.
Immerhin, ich lebe in spannenden Zeiten, auch wenn ich es als bitter empfinde, dass ich gleich zweimal erleben muss, wie ein Gesellschaftssystem an den eigenen Widersprüchen zerbricht, ohne dass die sogenannte Elite das zur Kenntnis nehmen will.
August 28th, 2020 at 18:13
@8 altautonomer
Sicher war das so, denn das Schaufenster des “Goldenen Westens” hatte mit dem Ende des sozialistischen Staatensystems ausgedient.
So nebenbei hatte man mit den Menschen der ehemaligen DDR gleichzeitig die Konsumenten und Billiglöhner als Druckmittel im eigenen Land. Damit liessen sich einesteils die ostdeutschen Betriebe als Konkurrenz plattmachen, um die eigenen Waren zu verscherbeln und die sozialen Standards der alten BRD abbauen.
Die Wende hat die sich auch in der BRD abzeichnende Wirtschaftskrise der 80er Jahre deutlich entschärft und nach hinten verschoben.
In Grossbritannien hatte da krisenbegründet unter M. Thatcher der Prozess des Neoliberalismus bereits eingesetzt, der D erst ca. 10-15 Jahre später erreicht hat.
August 28th, 2020 at 19:30
OT: Vor Bezos sein klein Häuschen haben sie eine Guillotine aufgestellt:
https://twitter.com/dcexaminer/status/1299022885231538176
Zumindest ein Adressat aus der richtigen Gruppe.
August 28th, 2020 at 19:47
@6
Habs gelesen, den Teil der Kritik am Ist-Zustand fand ich ziemlich brauchbar, damit man weiß, was von “gekaufter” Wissenschaft zu halten ist. Aber das idealistische Geseich, da ist wohl Hopfen und Malz verloren. Aber was will man machen, wenn jemandes Hirn mit VWL verseucht ist, das ist nicht reformierbar.
August 28th, 2020 at 22:04
Alles war sozusagen eher ein Zugeständnis des Kapitals, derer, die heute wieder stets und ständig als die Leistungsträger hofiert werden.
Das sind ja sozusagen zwei Akteure, einmal das Kapital, das automatisch widersprüchlich prozessierende Subjekt, und zum zweiten die Kapitalisten, die von fremder Leistung Getragenen. Letztere hätten keine Zugeständnisse machen können, wenn ersteres es nicht erlaubt hätte. Getrieben werden mussten sie trotzdem. Heute treibt auch deshalb keiner mehr so richtig, weil sie alle zumindest deutlich ahnen, dass da eben ‘objektiv’ längst keine mehr vorliegt…
August 28th, 2020 at 23:33
Danke, @Peinhart,für die Richtigstellung.
August 29th, 2020 at 08:18
Auszug aus einem Ebermann-Referat:
“In gewisser Weise hat der Wind gedreht: Mit all den „Lockerungen“(von großer symbolischer Bedeutung war die Wiedereröffnung der Baumärkte, damit wenigstens kein Mann mehr Angst vor Muße haben musste), den Reisemöglichkeiten und geöffneten Kneipen und Restaurants, dem Versprechen des Fußballs mit Publikum etc. einher geht eine Propaganda der Akzeptanz des Opfers für den Wohlstand. Eine Ideologie, die Risiken, Kollateralschäden und Späne beim Hobeln akzeptiert – also Tote, weggeschlossene Alte und Betroffene aller Risikogruppen. Noch etwas verdruckst, aber unübersehbar bahnen sich Eugenik und Sozialdarwinismus ihren Weg ins Legitime. Hier liegt die Schnittstelle von Liberalismus und Faschistoidem, die Linke, als Verfechter des Lebens und des guten Lebens, reflektieren müssen.
Der Referent ………hält es für einen Irrweg, für Produkte und Dienstleistungen zu fechten, die er für Schrott, überflüssig, schädlich hält – im Namen von Bruttosozialprodukt und Arbeitsplätzen. Er ist Gegner des herrschenden Modells der entsagungsreichen Plackerei und ihrer scheinbaren Entschädigung durch konsumtive Möglichkeiten. Das bedeutet Kritik der Bedürfnisse als Kritik der kapitalistischen Produktionsweise.”
https://konkret-magazin.de/aktuell/503-normalitaet-eine-trostlose-hoffnung
August 29th, 2020 at 10:09
Und ewig träumt die SPD.
“Scholz will im Falle eines Wahlsieges(!) die Steuern für Besserverdienende(!) erhöhen.”
Der Richtige ans Ruder®, und schon wird eingehegt©, dass die Schwarte kracht.
August 29th, 2020 at 11:10
Bei einer Regierung unter meiner Führung gibt es Freibier für alle.
August 29th, 2020 at 11:40
Ich will aber Einhörner!!!
August 29th, 2020 at 11:41
@17 BerndH60
Der Herr Scholz hat das doch völlig korrekt gesagt.
Erstens will er das nur und er spricht ja auch immer nur von Verdienenden. Die Beziehenden leistungsloser Einkommen wird er damit doch hoffentlich nicht gemeint haben…
…und ebenfalls hoffentlich haben ihm seine Berater auch gesagt, dass die Wahlen erst nächstes Jahr sind, so wie der bereits jetzt die Wahlkampfpropagandamaschine glühen lässt;-)
August 29th, 2020 at 11:48
@R@iner: Jadoch, hör’ auf zu quengeln!
August 29th, 2020 at 11:53
Du bist der Beste!
August 29th, 2020 at 16:23
Zu 21
Pröööh und Määäh.
August 29th, 2020 at 17:35
Was denn für ein Volk? Was für eine Nation? Dieses Sammelsurium hier etwa?
August 29th, 2020 at 21:18
Das feynsinnige Volk der flatter? Nation ist immer Sammelsurium.
August 29th, 2020 at 21:40
Ich dachte immer, das sei reinrassig, porentief und rechtwinklig. Mal wieder was gelernt gekriegt.
August 29th, 2020 at 22:36
@ renée
Nach kursierender Meinung ist Nation eben nicht Sammelsurium, es sei denn, man regiert es herbei. Zum Beispiel weil man anderes gar nicht kann, blickt man in etwas Vergangenheit zurück. Nation ist also eine “große, meist geschlossen siedelnde Gemeinschaft von Menschen mit gleicher Abstammung, Geschichte, Sprache, Kultur, die ein politisches Staatswesen bilden.” Bei so vielen Völkern wird man um Sondergesetze also kaum herum kommen.
August 30th, 2020 at 01:18
Wo ich herstamme haben die Bewohner des Landstrichs mehr gemeinsam mit dem Gesocks hinter der Grenze als mit dem Gesindel aus Rest-BRD (incl. Dialekt). Daher hatte “Nation” für mich schon immer eher was “Virtuelles”. Kindheitserfahrung, mitten überm Waldweg ein Schlagbaum und auf beiden Seiten kleine Trampelpfade drum herum, diesseits und jenseits der gleiche Bewuchs an Bäumen und Kleingemüse. Früher gab es viele ältere Leute dort, welche ihre national verordnete “Muttersprache” nicht beherrschten, aber “unseren” Dialekt. Es gab übrigens ’55 kein Referendum, nur eine Befragung, aber zu einer anderen Fragestellung.
Nee, das Nationalgeschiss funzt bei mir nicht. Und Staat ist das Stellwerk für das Wirtschaftssystem. Bei der Ping-Pong-Historie (8 Wechsel in 200 Jahren) ist in meiner alten Heimat das “völkische” eher sehr lokal begrenzt. OK, paar Idioten gibt es auch, die haben halt sonst nix zum “stolz sein”.
August 30th, 2020 at 07:59
Wie die gestrige Demonstration in Berlin bewiesen hat, sind “Covidioten” nicht ganz verblödet.
Immerhin wissen sie ganz genau eins:
Einfach ein paar Faschos und Reichskriegsflaggen in die Demo packen, schon lässt dich die Polizei in Ruhe machen.
Kürzlich tönte es noch aus dem RRG-Senat, man habe ‘einige richtig gute Leute’ in Führungspositionen bei Polizei und Staatsanwaltschaft gebracht.
Da hat entweder irgendwas nicht richtig geklappt oder das polizeiliche Fußvolk hat der Führung gezeigt, wer tatsächlich das Sagen hat.
Die Wasserwerfer hatte man sicherheitshalber bei den Gegendemonstranten stationiert.
August 30th, 2020 at 23:45
@Frau Lehmann(7):
Also haben sich wirklich alle in den Zeiten, als es noch möglich war, an alle großzügig Geschenke zu machen, korrumpieren lassen?
Vielleicht wussten sie auch nicht, wie es anders gehen könnte.
Denen im Ostblock fiel ja auch nur Lohnarbeit und Warenwirtschaft ein.