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Symbolbild

Der Kollege Stefan Rose erinnert heute nicht nur an den von mir schon oft zitierten Satz aus dem Ahlener Programm der CDU, sondern auch an das Erfurter Programm der Sozialdemokraten. Das waren noch Zeiten, als der Kapitalismus kurzfristig wenigstens nette Lippenbekenntnisse zuließ, für die man heute in jeder Talkshow niedergebrüllt würde.

Schon im Gothaer Programm (1875) war der Klassengegensatz zwischen Kapital und Proletariat deutlich hervorgehoben worden und dem Inhalt nach unversöhnlich. Marxens Kritik daran mag aus heutiger Sicht geradezu kleinkariert aussehen, nicht zuletzt auch, weil diese Missverständnisse und geschichtswissenschaftlichen Schwächen gegenüber den Kehrtwenden, welche die Sozialdemokratie danach vollbracht hat, irrelevant erscheinen.

Klasse!

Da folgende Erfurter Programm hat das noch einmal und noch deutlicher bestätigt. Im Görlitzer Programm wird die die Positionierung durch die Ablehnung der “imperialistische[n] Machterweiterung” ergänzt. Aus dem Erfurter Programm wird ausdrücklich der Satz wiederholt: “Sie kämpft nicht für neue Klassenprivilegien und Vorrechte, sondern für die Abschaffung der Klassenherrschaft und der Klassen selbst [...]” Kurz und vereinfacht: Die Sozialdemokratie vertritt in ihren Zielen eine revolutionäre Haltung.

Gleichzeitig führt sie aber unter “Sozialpolitik” und Folgendem reformistische Forderungen an, deren Umsetzung eben den Kapitalismus erfordern, der an der anderen Front abgeschafft werden soll. Hier wird jene Lohnarbeit gestaltet, gegen die sich das ursprüngliche Programm ausdrücklich wendet. Der Weg der Veränderung soll über einen demokratischen Staat führen, in dem die Arbeiterpartei die Macht übernehmen soll. Das alles wird einige Jahre später im Heidelberger Programm noch einmal konkretisiert.

Vom Gegensatz zum Hundeplatz

Die äußerst oberflächliche Analyse der komplexen politischen Strukturen zwischen Ökonomie/Kapital, Staat und politischen Interessen birgt bereits hier die Gefahr, auf das falsche Pferd zu setzen. Der autoritäre Staat war durch das Abdanken des Kaisers und die Existenz eines Parlaments keineswegs außer Kraft gesetzt, und eine sozialdemokratische Regierung würde keineswegs die ‘Macht im Staat’ innehaben. Ironischerweise wurde dieser Fehler aufs Brutalste deutlich, als es Sozialdemokraten waren, die Arbeiteraufstände zusammenschießen ließen.

Dieser unfassbare Verrat offenbarte derweil nicht nur die Schwächen im Programm, sondern gleich auch den generellen Wert solcher Wortsammlungen im Moment der Entscheidung. Den nächsten Schritt in Richtung auf eine reaktionär kapitalistische Partei ging die SPD nach der demokratischen ‘Machtergreifung’ einer anderen Arbeiterpartei. Aus diesem Desaster eines kollabierenden Kapitalismus schloss sie, dass es an der Zeit sei, das Kapital nicht länger als Gegner zu betrachten.