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Auch und gerade im alltäglichen oder politischen Denken können Standards durchaus hilfreich sein. Einerseits darf das Gehirn ja auch mal Pause machen, im Alltag, in persönlichen Beziehungen und unverbindlichem Blabla. Andererseits entstehen gerade dort Einstellungen, die später auch in ernsthaften Zusammenhängen eifrig verteidigt werden.

In den Naturwissenschaften und der Informatik kommt man in Teufels Küche, wenn man beim Ungefähren bleibt und ernsthaft damit arbeiten will. In den Geisteswissenschaften ist es hingegen ein leider häufig vernachlässigtes Problem, dass es an der Präzision mangelt – mit entsprechenden Auswirkungen auf die Qualität der Arbeit.

Was ist?

Es geht im Kern zunächst immer um die Frage, ob etwas ist. Das ‘ob’ ist nicht das große Problem, am Ende bleibt ein Ja oder Nein. Das ‘ist’ kann schon schwieriger sein. Die größten Probleme lauern aber im ‘etwas’, der Entität. Diese kommt zustande, indem sie definiert wird, indem sie identifiziert wird, wie in “idem ens”, “ebendasselbe Ding”. Dieser Prozess folgt Leitfragen:

Was ist das, wer ist das, was gehört (noch) dazu, was nicht (mehr)? Was sind die Kriterien dafür, warum diese Kriterien und keine anderen? Wie exakt muss ich definieren, um welche Qualität von Aussagen zu ermöglichen? Sind alle Elemente der Gruppe gemeint, die meisten, einige oder eine Untergruppe? In der Physik etwa ist das einfacher, schon weil die zugrundeliegende Mathematik durch Größenverhältnisse in beliebiger Präzision abgrenzen kann und die Annahmen meist überprüfbar sind.

Zurück in der Politik, befinden wir uns auf der anderen Seite der Welt. Was ist da z.B. eine ‘Gruppe’? Das kann einfach sein, weil man sie schon äußerlich erkennt, etwa weil sie die Embleme eines Vereins tragen, sich in einer bestimmten Stadionkurve aufhalten und bestimmte Lieder singen. Meist ist es ungleich schwieriger.

Die da

Wer oder was ist “links”, “rechts”, “Neonazi”, “konservativ” oder “grün”? Mit solchen Kategorien kann man nur ernsthaft operieren, wenn man weiß, worauf man hinaus will und was man über die zu definierende Gruppe wissen kann. In der politischen Kommunikation ist gemeinhin das Gegenteil der Fall.

Dieses Vorgehen ist dabei äußerst attraktiv. Es spart nicht nur die Kärrnerarbeit des wissenschaftlichen Vorgehens, sondern ist eine großartige Spielwiese für jede spontane Idee, die frei mit jeder anderen verbunden werden kann. Befeuert wird dieser Spaß von allen Höhen und Untiefen der Psyche, die hier alles projizieren kann, was sie gerade loswerden will. Das Ergebnis ist das hinlänglich bekannte ‘die‘ ‘sind‘ ‘so‘.

Egal.

Die Wahrscheinlichkeit tendiert dabei gegen eins, dass man ‘die’ nicht definieren kann, was sie ‘sein’ soll nicht einmal der Mehrheit der Gruppe nachweisbar ist, und das ‘so’ kann gleich eine Ausgeburt der reinen Phantasie sein, eine Eigenschaft, die in dieser Form gar nicht existiert. Als ‘Nachweis’ reicht es dann auch, ein oder zwei Merkmale an Individuen zu erkennen – oder sie ihnen auch nur zuzuschreiben, um das fertige Urteil zu sprechen.

Was noch fehlt, ist der Anschluss einer diesseitigen Gruppe (auch hier reicht eine virtuelle aus), mit der die Resultate dieser Prozedur geteilt werden. Auf diese Weise entsteht eine ‘Wahrheit’ des ‘Wir’ über das ‘Die’, bei dem weder Subjekt noch Objekt real sein müssen. Und dann fragt man sich – zumal im Netz – woher bloß der ganze Hass kommt.