Auf die Frage, was denn kein Narrativ sei, habe ich einmal auf Wissenschaftlichkeit verwiesen. Diese folgt Regeln; es geht um Falsifikation, ggf. um Verifikation, um Revision, kurz: um einen Prozess der Erkenntnis, der sich immer wieder überprüft und erneuert, aufgrund dessen, was man wissen kann. Dies ist eine völlig andere Struktur als die der Erzählungen, sei es nun in Propaganda, Prosa oder Alltag.
Was wir derzeit erleben, ist eine Orgie der Narrative inmitten eines Problems, das nur wissenschaftlich zu verstehen und zu lösen ist. Fatal, dass ausgerechnet Wissenschaftlerdarsteller Geschichten so erzählen, wie sie ihnen gefallen, während die seriöse Wissenschaft noch mehr Fragen als Antworten kennt. Das Ganze läuft live vor einem Weltpublikum, dem schon die Geduld fehlt, auf die langatmige Wissenschaft zu warten.
Du kannst alles erzählen
So verspinnen sich vor allem unter denjenigen, die sich in der akuten Situation extrem unwohl fühlen, sprichwörtlich alle möglichen Narrative. Das geht so weit, dass die Sucht nach Heilsversprechen, Helden und Drama Erzählungen gebiert, die als Drehbuch zu einem Film keine Chance hätten, sind sie doch zu plump konstruiert und durchschaubar. Da draußen kannst du sie derzeit erzählen.
Einen interessanten Twist gab es neulich, als das Hetzblatt beim Bäcker eine Kampagne gegen den aktuell gefragtesten Wissenschaftler startete. Selbst als die genannten Gewährsleute sämtlich spontan die Anwürfe revidierten, blieb der Verlag einfach bei seiner Behauptung und offenbarte dabei, dass es ihn gar nicht interessierte, wie die Kommunikation zwischen Wissenschaftlern funktioniert. Das Publikum durfte sich derweil eine Seite aussuchen.
Einfach mal was erzählen – das ist durchaus der Job von ‘Journalisten’, im Rahmen der Verlagslinie, versteht sich. Das kommt der Realität sehr viel näher als angeblich ‘gründlich recherchierte’ objektive Berichte. Das HbB verfolgt dabei Strategien: Erstens selbstverständlich Profit. Prominente zu beschimpfen, bringt Aufmerksamkeit und verkauft Papier. Obendrein sind viele fanatisierte Gegner darunter, denen man damit Munition liefert. In diesem ‘Diskurs’ ist Wahrheit längst irrelevant.
Geschwätz von heute
Zweitens ist der Verlag selbst einer der wichtigsten politischen Influencer im Land. Daher kann es ihm nicht gefallen, wenn Wissenschaftler, zumal ein Einzelner, derart an Einfluss gewinnen. Die Kampagne ist also sehr durchschaubar, die Inhalte nachweislich falsch, als Erzählung taugt es aber bestens. Die muss sich auch gar nicht lange halten, da die Gesamtsituation und deren Interpretation sich laufend ändern.
Hier wird auch deutlich, dass es nicht immer staatliche Propaganda sein muss, die die Wahrheit wie eine Lawine unter sich begräbt. Selbst der oft unerträgliche Konsens der Medien ist dazu nicht notwendig. Wenn die Situation es zulässt und die Menschen nach Stories nachgerade gieren, werden diese geliefert. Beim Bäcker, bei YouTube und nebenan. So lange der Nebel der Unsicherheit wabert, ist dagegen kein Kraut gewachsen.
Mai 29th, 2020 at 11:32
Ein Romantker fordert die Besetzung von Posten (Minsterämter) nach Kompetenz. Putzig.
Mai 29th, 2020 at 11:56
Mit der Nummer ist der doch schon mehrfach aufgetreten. Ich schätze mal, er hat da einen echten Dauerbrenner an der Angel…
Aber wenn man das hier so liest, scheint das Narrativ der Eigentumsordnung auch nicht mehr so hoch im Kurs zu stehen.
Mai 29th, 2020 at 13:08
2. Außerhalb von Fussballstadien können das immer nur Riots oder Autonome gewesen sein.
Mai 29th, 2020 at 14:28
Was Theorie und praktische Alternativen angeht, scheint der fragliche ‘Event’ ja auch durchaus Defizite zu haben. :p
Und hier noch ein Abgesang auf das frei-willige Rechts-Subjekt.
Mai 29th, 2020 at 16:24
@2; Eigentumsordnung nicht mehr so hoch im Kurs?
Dem Angriff ging Beschlagnahme von Diebesgut voraus. Diebe halten aber sehr viel von der Eigentumsordnung, nur dass es für sie kein Eigentum ohne Besitz gibt.
Wer eine Sache besitzt, ist ihr Eigentümer – und wehe!, wenn jemand ihren Besitz wegnehmen will.
Mai 29th, 2020 at 22:11
Es gibt einen Unterschied zwischen der Eiegntumsordnung und den abstrakten Anspruch auf Eigentum, zumal es bei ersterer um Privateigentum geht.
Mai 29th, 2020 at 23:11
Wie es scheint, ist Friede not amused. Was selbstverständlich nicht bedeutet, sie habe dem Pit Bull nicht ein Bällchen werfen lassen. Freie Presse®, my ass!
“Springers Vorstandschef Mathias Döpfner steht jedoch weiterhin fest zu dem Boulevardmann.” ist freilich auch ein Sätzchen. “Boulevardmann”, kann ich das auch werden?
Mai 30th, 2020 at 11:30
Der Artikel ist auch insofern eine Perle, als er von jedem Inhalt abstrahiert und nur auf den ‘Erfolg’ abstellt. Verkaufte Einheiten zählen, scheiss auf irgendeinen ‘Gebrauchswert’…
Mai 30th, 2020 at 17:40
Es gibt so Momente, da glaubt man erstmal nur, man habe eine besonders nette Stilblüte gefunden, zB sowas:
Der stellvertretende NASA-Chef Jim Morhard sagt: “Das ist es, was wir wollen: Die Wirtschaft in den erdnahen Weltraum ausdehnen.”
Nur um gleich danach erkennen zu müssen – nein, die meinen das ernst:
Wobei Jeff Bezos, Amazon Gründer und Besitzer des Raumfahrtunternehmens “Blue Origin”, noch eine noch viel weiter gehende Vision hat: “Wir werden auf der Erde wohnen und leichte Industrie haben. Die Schwerindustrie aber wird ins All verlagert.”
Na, dann kann die ‘Klimakrise’ ja wohl einpacken. Nur noch die Frage, wie wir das Zeug hierher… egal. Im Zweifelsfall einfach fallen lassen.
Wohin fliehen? Verdammt nochmal, wohin…?
Mai 30th, 2020 at 17:45
In den erdfernen Weltraum, wohin sonst?
Mai 30th, 2020 at 18:19
Für progressive politische Bewegungen wird es jetzt von entscheidender Bedeutung sein, die Gelegenheit zu nutzen und Themen wie Solidarität und Zusammenhalt mit sozioökonomischen Aspekten aufzuladen [...]
Jaja, ich komm ja schon…
Mai 30th, 2020 at 18:31
“Dazu gehört der Aufbau einer solidarischen Gesellschaft, die widerstandsfähiger gegen die nächste Krise ist.”
Sülz, schwurbel … aber sach ma, schwedische Sozialdemokratie, ne? Wayne?
Mai 30th, 2020 at 18:57
@9
Es wird auch über riesige Serveranlagen auf dem Mond diskutiert – mit Strom von der Sonnenseite und tief gekühlt auf der dunklen Seite unseres Trabanten.
Der alte Witz.
Wieso gibt es kein Internet auf dem Mond? – Wiel 255 TTL bei tcp/ip nicht ausreicht.
Serverfarmen auf dem Mond klingt nach BER
Mai 30th, 2020 at 19:14
@10:
jah, right…