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Ich hab mal Bock auf ne neue Kategorie. Sie heißt “damalog”, wie in “damals und gelogen” und besteht aus verfremdeten Erinnerungen, die eine Atmosphäre wiedergeben sollen. That’s Entertainment, vielleicht ein bisschen besser als Fußballspiele aus den 90er Jahren.

Der junge Mann – das war und ist bis heute keine Kunst: jung zu sein, ich war es schließlich damals auch – hatte schon viel gekifft. Also nicht nur am nämlichen Tage, sondern generell, und er konnte unmöglich noch mehr kiffen, um mich zu ertragen. Nicht, weil er es nicht rein technisch gekonnt hätte, sondern weil es erstens keine Veränderung seines Zustands bewirkt und zweitens, selbst wenn, nicht ausgereicht hätte.

Ich war derart in Selbstmitleid versunken, beziehungsweise in einem sowohl unübertrefflich überflüssigen als auch mimosenhaften Leid über, ja was denn schon, wen schon, eine Frau, deren ‘Liebe’ mir fehlte wie dem Hund, der es nicht anders kennt, die Schläge seines Menschen, von dem sich zu befreien er keine Option sah – wie ich selbst, der aber verdammt nochmal reichlich Möglichkeiten dazu gehabt hätte.

Blues

Naveen also öffnete die Tür nach dem zweiten Klingeln, mutmaßlich seiner anerzogenen Höflichkeit geschuldet; dass er, obwohl trotz gewohnheitsmäßig enormem THC-Levels eigentlich bemerkenswert alerten Wesens, nicht nur ahnend, wer da auf der Matte stünde, wenig motiviert war zu öffnen, äußerste sich wie zum Beweise, in den Worten: „Ach, du schon wieder!“

Naveen und ich hatten einiges an gemeinsamer Vergangenheit, nicht nur aktuell, was seine dann doch aktuelle Abneigung gegen den Freund erklärte. Er war Musiker, ich war Griffbrettwichser, was zu einigen legendären Sessions geführt hatte. Legendär vor allem für mich, letztlich aber auch ein klitzekleines bisschen für ihn, hatte doch mein dilettantisch schlampiges Spiel hier und da einen exzellenten Saxophonisten, der dann und wann hinzustieß, dazu inspiriert, jeden meiner Fehlgriffe aufzugreifen, in Sekundenbruchteilen zu kopieren, zu variieren und am Ende seiner Einlage so darzubieten, wie ich es eventuell eigentlich zu spielen gedachte, mangels Talent und Ausbildung aber nicht imstande war.

Freunde

Ansonsten hatten wir halt das, was wir hatten: Weiber, Suff, Drogen, bescheuerte Ideen und noch legendärere wissenschaftliche Dialoge, die sich durch eine quasi literarische Qualität auszeichneten. Die Reihenfolge der Gedanken war dabei nämlich kreativ wie der Blues, den wir zusammen spielten: Während du so vor dich hin dozierst, verlierst du ständig den Faden, wenn du gekifft hast. Erstaunlicherweise haben wir den aber immer wieder aufgenommen, und was der Physiker (er) und der Philosoph (ich) derart zustande brachten, war eines Preises würdig. So eine Art „Dein Hirn hat trotzdem noch funktioniert und du hast sogar was gelernt“-Nobelpreis.

Er war ein genialer Drummer, mit dem ich trotzdem spielen durfte, vermutlich, weil er genauso schlampig war wie ich, nur mit viel mehr Talent und Übung. Wir waren Freunde. Irgendwann ist er irgendwo hin gegangen. Keine Ahnung, was er heute macht. Ich habe seit Jahren keinen Joint mehr geraucht. Die Frau war auch scheiße, ich kann mich kaum mehr an sie erinnern. Seltsam. Damals erschien das alles irre wichtig.