Kurz zu Kapital, Arbeit, Staat, Macht
Posted by flatter under politik[32] Comments
16. Jan 2020 18:34
Schon oft wurde hier festgestellt, dass Sozialdemokratie gescheitert ist, weil sie beim Versuch, Kapital und Arbeit zu ‘versöhnen’, am Ende immer zum Kapital steht. Das ist aber gar nicht so, weil sie irgendwie böse oder moralisch korrupt wäre, nicht einmal ihre Bosse. Es liegt in der Struktur der Sache. Nun ist es leider so, dass Sozialdemokraten die Sozialdemokratie am wenigsten verstehen. Ihr Grundirrtum macht sie zu einer politischen Witzfigur.
Zwischen Arbeit und Kapital steht nach Ansicht der Sozen der Staat. Ein weiterer furchtbarer Irrtum. Wenn man sich gerade aktuell umschaut, wird das sehr deutlich. Die Nationalismen von den USA über die Türkei, Ungarn bis hin zu Deutschland weisen darauf hin, was der moderne Staat eigentlich ist, nämlich vornehmlich ein nationales Vehikel zur Vertretung von Interessen, die wiederum zuerst die des Kapitals sind. Leuchtende Beispiele dafür: die Politik “America First” mit Frackinggas, Schwerindustrie, Strafzöllen und ‘Sanktionen’, aber auch die ‘Deutsche Autos zuerst’-Politik der Bundesregierungen.
Schland First
Dass ein Feigenblatt namens “Klimapaket” noch kritisiert wird, weil es “der Wirtschaft” schade, versteht sich von selbst. Deutschland über alles; unsere schönen Exporte verteuern sich! Die Kumpanei bei Manipulationen in der Autoindustrie, ständige Flugbegleiter der Bundesregierung aus der Industrie – es gibt erstens keine Unabhängigkeit des Staats vom Kapital und zweitens schon gar keine Gegnerschaft.
Die aber wäre Voraussetzung für die Kontrolle des Staates über Wirtschaft, für das Einhegen® derselben, für wirksame Regulierungen. Das kapiert die Sozialdemokratie aber nicht, dass es hier die Strukturen sind, die Machtverhältnisse, die Bedingungen für das Mögliche und Unmögliche, die jedwede Kontrolle verhindern. Sie glauben lieber an den Weihnachtsmann, es fehle nur der politische Wille®, man müsse diesen nur herstellen. Unsinn. Selbst wenn ihn alle Beteiligten hätten, würde das noch immer an den Strukturen scheitern.
Immer dieselbe Wand
Die Kontrolle der Wirtschaft durch den Staat kann nur funktionieren, wenn dieser jene an sich reißt. Ein autoritärer Staat, wie ihn Steinzeitkommunisten fordern, kann das, und selbst der holt sich die Pest ggf. durch den Außenhandel ins Haus. Ein politisches Vehikel, das Kapitalismus ausdrücklich fördert und aus ästhetischen Gründen umbenennt (soziale Marktwirtschaft®, my ass!) wird aber durch das Kapital kontrolliert, nicht umgekehrt. Das zeigt nicht zufällig alle Erfahrung.
Deshalb ist Sozialdemokratie gescheitert, und zwar zum drölften Mal. Ihr könnt das endlich zur Kenntnis nehmen und euch überlegen, was daraus folgt; welcher Strukturen es bedarf, um politisch wenigstens die furchtbarsten Entwicklungen verhindern zu können – oder ihr könnt das tote Pferd “man müsste nur wollen” weiter reiten, getreu dem Motto: Ich bin ein Teil von jener Kraft, die stets das Gute will und stets das Böse schafft.
Januar 16th, 2020 at 18:49
Passend dazu das heutige ‘Zitat des Tages’ der jW:
“Wir halten es da lieber mit verantwortlicher Sozialpartnerschaft, die dem Kapitalismus Leitplanken einzieht.”
(Reiner Hoffmann (SPD), Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes, auf die Frage des Handelsblattes, was er vom »demokratischen Sozialismus« und Vergesellschaftung hält.)
Keine weiteren Fragen bitte.
Januar 16th, 2020 at 20:04
Und hier auch noch etwas zum Staat im allgemeinen und absonderen:
Bei Licht betrachtet, ist der »Tiefe Staat« nichts als eine konspirative Struktur des Staates, der sich für den Fall, dass seine Herrschaft tatsächlich oder der Möglichkeit nach an ihr Ende kommt, halt auch seine Killer hält. Nämlich für den Fall, dass es mit der Anerkennung durch die Beherrschten, die die Demokratie ausmacht, einmal nicht mehr klappen sollte.
Januar 16th, 2020 at 22:37
Ich habe in den 80ern mal bei Poulantzas einen guten Satz gelesen. Sinngemäß etwa so: »Der Staat ist das Feld des organisierten Klassenkampfes des Kapitals.« Das, finde ich, ist kein schlechter Gedanke. Im Moment beherrscht das Kapital das ganze Feld. Komplett. Es kommt halt darauf an, sich dieses Feld Stück für Stück zu erobern. Das heißt, des Staates Organe und Institutionen einschließlich des jeweils zugehörigen Regelwerks so zu gestalten, daß sie ”den Menschen“ und nicht dem Kapital dienen.
Januar 16th, 2020 at 22:54
Hm… und wenn der gute Satz jetzt stimmt…?
Januar 17th, 2020 at 07:56
Hardy: Der Marsch durch die Institutionen ist schon einmal gescheitert. Die Akteure -damals naiverweise Hoffnungsträger genannt- wurden integriert, belohnt und angepasst. Diese persönlichkeitsgestörten Egos haben mit besonderem Eifer dann die Welt zu einem schlechteren Ort gemacht.
Januar 17th, 2020 at 09:07
Leute als “persönlichkeitsgestörte Egos” zu bezeichnen, finde ich inakzeptabel. Das System, in dem wir leben, ist halt so, dass es Staaten, Gesetze und Interessengemeinschaften in Form von Parteien gibt. Schlicht: Es gibt kein Gesetz, dass es einem verbieten würde Politiker zu werden. Und Geld muss auch jeder irgendwie verdienen.
Was mir eigentlich mehr Sorgen macht, ist das, was die hier zum Schluss treffend auf den Punkt bringen: Plötzlich Nazi (yt, 3 Min.)
Januar 17th, 2020 at 09:56
6. Du hast nichts verstanden. Persönlichkeitsstörung hat viele Facetten. Viele Politiker sind tief in sich gespaltene Persönlichkeiten, von Frieden reden und Zivilisten bombardieren. Hannah Ahrend diagnostizierte den Deutschen mal eine kollektive Neurose.
“Und Geld muss auch jeder irgendwie verdienen.” Das entschuldigt natürlich ihre Schweinereien.
Januar 17th, 2020 at 10:13
Du warst natürlich immer im Widerstand und hast im Wald gelebt. Verstehe.
Hannah Arendt war übrigens keine Psychiaterin. Das mit dem Geld entschuldigt nichts, erklärt aber alles.
Btw.: Die Grünen von heute sind nicht die Grünen von “damals”. Nur der Name blieb. Damit ist das Thema für mich erledigt.
Januar 17th, 2020 at 11:26
Deiner ernüchternden Bestandsaufnahme ist nichts hinzuzufügen. Äussert erhellend fand ich den Perspektivwechsel, den Kapitalismus nicht als einen Modus von Produktion und Konsum, sondern als einen Modus von Macht auffasst [1]. Als unmittelbare Konsequenz folgt daraus aber, dass die politische Verfassung einer Nation (demokratischautokratisch) als auch die wirtschaftliche Verfassung eines Landes (zentralplanerisch konkurrenzwirtschaftlich) in den Hintergrund treten.
Im Zusammenhang mit den ökologischen Grenzen schreiben Nitzan und Bichler zusammen mit Blair Fix in „Ecological Limits and Hierarchical Power“ https://rwer.wordpress.com/2019/04/08/ecological-limits-and-hierarchical-power/ (meine Übersetzung):
„Aus dieser Perspektive werden Kapitalisten dazu getrieben, ihre Macht um der Macht willen zu vergrößern – eine Suche, die zu einem endlosen differentiellen Wettlauf um die Errichtung immer größerer hierarchischer Organisationen führt, unabhängig davon, ob diese Organisationen die Energie “effektiver” nutzen.“
und kommen zu dem Schluss, dass:
„(1) der Aufbau und die Aufrechterhaltung von Hierarchien viel Energie erfordert;
(2) der Anteil der Energie, der für die Aufrechterhaltung der Hierarchie aufgewendet wird, mit der Zeit tendenziell zunimmt; und
(3) ein großer und wachsender Anteil unseres Energieverbrauchs als Gesellschaft wenig oder gar nichts mit dem Wohlergehen der Bevölkerung zu tun hat.“
[1] Nitzan, Jonathan, und Shimshon Bichler. Capital as power: a study of order and creorder. RIPE series in global political economy. 2009. http://bnarchives.yorku.ca/259/2/20090522_nb_casp_full_indexed.pdf
Januar 17th, 2020 at 12:16
@Hardy: Ich habe den Artikel auch für dich geschrieben.
“Das heißt, des Staates Organe und Institutionen einschließlich des jeweils zugehörigen Regelwerks so zu gestalten, daß sie ”den Menschen“ und nicht dem Kapital dienen.”
Woher soll die Macht dazu kommen, wie soll das durch welche Bedingungen wirksam werden? In diesem Staat ist das unmöglich, weil er eben auf die Bedürfnisse des Kapitals (Eigentum) zugeschnitten ist. “Stück für Stück” geht da gar nichts. Es wäre etwas völlig Anderes.
Januar 17th, 2020 at 12:44
@citoyen: Kurz für den Anfang: Da hat jemand Marx offenbar überhaupt nicht verstanden, wenn er das Kapital als schlichte wirtschaftliche Größe versteht. Dass man es ggf. “nicht messen” kann, weil es nämlich ein gesellschaftliches Verhältnis abbildet, ist ein gleich doppelt absurder Vorwurf.
Ich kann auch den Begriff “symbolische Quantifizierung” (von Macht) nicht nachvollziehen, wobei mir vor allem letztere nicht einleuchtet. Kapital(ismus) ist ein Herrschaftsverhältnis, ein System mit Regeln, Bedingungen und Folgen, wobei eine der Kerndynamiken ganz einfach ist: aus Geld mehr Geld machen müssen. Dabei ist die absolute Größe irrelevant.
p.s. 1: Merken sie dann später selber: “is a social relation …”, die Vorrede ist damit schon mal … verwirrend.
p.s. 2 Ah, da haben wir’s ja: “Unfortunately, both explanations fail. In the end, neither the neoclassicists nor the Marxists are able to answer the question of what determines the magnitude of capital and its rate of accumulation.“.
s.o.: Die “Größe” der Akkumulation ist irrelevant für das Herrschaftsverhältnis. Da war Foucault wesentlich orginieller mit seiner “Mikrophysik der Macht”. Kann ja durchaus sein, dass da trotzdem noch was Brauchbares rauskommt mit dem Ansatz, aber die Kritik trifft den Kapitalbegriff der Marxianer nicht.
Januar 17th, 2020 at 18:49
@altauto #7: In dem Sinne – Diskrepanz zwischen Denken/Reden und Handeln – können wir uns auch alle gegenseitig eine Persöhnlichkeitsstörung attestieren. Und ich würde da auch noch das Beiwort ‘notwendig’ spendieren. Es ist eben nicht persönlichkeits-, sondern systembedingt. Die Persönlichkeit spielt höchstens eine Rolle bei der Frage, wie die Diskrepanz beschaffen ist…
Januar 17th, 2020 at 19:56
Sorry, hab meinen Nickname vergessen, unter dem ich hier schon einmal kommentiert habe.
Nitzan und Bichler richten sich mit ihrer Kritik in meinen Augen vor allem gegen die Zweige von Marx inspirierter – ich nenne es mal – “Ökonomik” (Werke von Leuten wie Anwar Shaikh oder die Temporal Single System Interpretation u.ä.), die sich einen Wolf rechnen, um den tendenziellen Fall der Profitrate nachzuweisen. Auch mir erscheint dieser Nachweis so gut wie unmöglich zu sein, aber es gibt dessen ungeachtet eine ganze Menge solcher Rechenwerke zu diesem Zweck.
Januar 17th, 2020 at 21:22
Eine der großen Schwachstellen im ‘Kapital’ ist der Versuch einer mathematischen Formel für den tendenziellen Fall der Profitrate(n). Das Problem liegt m.E. schon darin, dass das Universum nicht definierbar ist, in dem eine konkrete Profitrate gilt. Der Kern des Gedankens aber, dass nämlich der Absatz bestimmter Produkte in bestimmten Arealen (am Ende auch global) immer weniger relativen Profit abwirft, ist absolut plausibel, zumal wenn fast beliebig viel fast beliebig schnell produziert werden kann. An so etwas wie geplante Obsoleszenz hat Marx m.W. dabei noch gar nicht gedacht, was heute ein Symptom des Phänomens ist.
Januar 18th, 2020 at 09:17
Peinhard #12: Persönlichkeitsstörungen gibt es jede Menge. Nicht immer haben sie soziopathische Symptome im Gepäck.
https://www.gesundheit.gv.at/krankheiten/psyche/persoenlichkeitsstoerung/ueberblick
Einfach mal die Kriterien der darin aufgeführten “narzisstischen Persönlichkeitsstörung” in den Focus stellen und mit sich selber abgleichen.
Januar 18th, 2020 at 09:30
R@iner #8: Schön, dass Du mir Deine ungefragte Antwort vor den Latz kotzt und dann autoritär die Diskussion für beendet erklärst. Von den Grünen hab ich doch gar nichts geschrieben.
Ulla Jelpke, Jürgen Elsässer, Ursula Lötzer (PdL), Claudia Gohde, von 1991 bis 1997 im PDS-Bundesvorstand, Knut Mellenthin, Journalist, Horst Löchel, Professor an der Bankakademie e. V./Frankfurt School of Finance & Management, Lutz Plümer, Professor für Geoinformation an der Uni Bonn, Franz Wittenbrink, Regisseur, Ulla Schmidt (SPD) ehemalige Bundesgesundheitsministerin waren alle früher im KBW und keine GRÜNEN.
Du Schlaumeier.
Januar 18th, 2020 at 14:04
@flatter @altautonomer
Stimmt, der Marsch durch die Institutionen geschah in die verkehrte Richtung. Ich bezweifle, daß es nur an den Marschierenden gelegen habe. Das muß schon ”systemisch“ erklärt werden. Wenn ich wüßte, wie man es machen muß, damit ’s auch ein Erfolg wird, ich schrie es laut hinaus.
Was ist denn ”Staat“? Diejenige Institution, die legitimerweise überregional verbindliche Regeln setzt. So etwas muß ja in Zeiten des Internets nicht so aussehen, wie es jetzt aussieht. Wahrscheinlich muß man gewisse Institutionen komplett abschaffen – etwa die Justiz – und durch etwas ganz anderes, durch völlig anders geartete Verfahrensweisen ersetzen. Aber wie? Ich weiß es nicht. Aber eines ist sicher: vollkommen friedlich wird es nicht machbar sein.
Januar 18th, 2020 at 14:20
d’accord.
Januar 18th, 2020 at 14:28
Nachtrag
Wenn es tatsächlich nicht Stück für Stück gehen sollte, dann heißt das, daß es erst nach einem blutigen, revolutionären Bürgerkrieg oder nach dem dritten oder vierten Weltkrieg möglich wäre. Jedenfalls nach einer grausamen menschlichen Katastrophe. Woll’n wir hoffen, daß es doch anders möglich sei.
Januar 18th, 2020 at 14:42
Aufgrund der Plausibilität des tendenziellen Profitratenfalls ist es durchaus nachvollziehbar, dass über die letzten eineinhalb Jahrhunderte hinweg die marxistische Ökonomik versuchte und bis heute versucht, den empirischen Nachweis zu führen. Wie bei akademischen über Zeitschriften und Bücher ausgetragenen Debatten üblich, werfen sich die jeweiligen Forscher gegenseitig ein mangelndes Marx-Verständnis vor und legen dann ihren Rechenweg bzw. die Interpretationen ihrer Rechnungen dar.
Die Schwierigkeiten beim Nachweis fangen schon mit den verfügbaren Daten an: Nimmt man die Steuer- oder die Handelsbilanz für die Abschätzung des Gewinns? Darf man “bürgerliche Daten” überhaupt nutzen? Von Datenerhebungsproblemen abgesehen tut sich das sog. Transformationsproblem auf, zu dem es dann wieder unzählige Lösungsversuche gibt. Der Text von Nitzan und Bichler gibt meiner Meinung nach einen guten Überblick darüber.
Januar 18th, 2020 at 15:18
Danke dafür.
Januar 18th, 2020 at 17:55
Sorry, nochmal ein ‘Zitat des Tages’:
“In der Welt harter Interessenpolitik erreichen manchmal die Interessenlosen mehr. Wir haben stärkeres als Waffen und Geld: Legitimität! Wir waren nicht am Libyen-Krieg beteiligt u. nie Kolonialstaat. Gut, dass Deutschland Libyen nicht den Autokraten überlässt.”
(Der frühere SPD-Chef Sigmar Gabriel am späten Donnerstag nachmittag via Twitter)
Das ist selbst für einen Sozen ungewöhnlich dumm und dreist.
Januar 19th, 2020 at 14:41
Keine Ursache.
Auf die Idee zum “Capital as Power”-Ansatz kamen die beiden israelischen Autoren übrigens aufgrund der ökonomischen Entwicklungen in Israel in den 1980ern.
Januar 19th, 2020 at 18:50
Über die krisigen Grenzen von Denken und Handeln in den Fetisch-Kategorien von Kapital, Arbeit, Staat und Politik:
“Dies hilft verstehen, warum Menschen so allergisch, entweder ignorierend oder aggressiv abwehrend, auf anstrengende, komplexe Analysen reagieren, die als ohnmächtig machend erlebt werden und zudem einen Ausweg in die falsche Unmittelbarkeit von Konkretismus und Handlungsfetischismus versperren. Sie halten weder reflektierende Distanz noch die fehlende unmittelbare Handlungsstrategie aus.
Je weiter die Krise voranschreitet, scheinen reflexionslos werdende Menschen in einem autoritären und aggressiven Antiintellektualismus, mit der Welt, wie sie ist, zu verschmelzen. Individuen, die zu Subjekten zugerichtet werden, drohen eins zu werden mit ihrer Verwertung bzw. mit ihrer Ausgrenzung im Zustand ihrer Entwertung.
Reflexion als die Fähigkeit, neben sich zu treten, um sich selbst und die Verhältnisse gleichsam ‚von außen’ anzusehen, scheint schwieriger zu werden. Die Erkenntnis, als vermeintlich selbstbewusstes Subjekt, nur Anhängsel oder Material eines Verwertungsprozesses und der mit ihm einhergehenden Abspaltungsmomente zu sein, ist schmerzlich, weil ent-täuschend, d.h. desillusionierend. Zudem bietet sich keine Alternative an, die unmittelbar realisierbar wäre. Theoretische Reflexion, die in der Immanenz kapitalistischer Vergesellschaftung verharrt, kommt an eine Grenze, weil sie nicht mehr auf eine neue Stufe im Rahmen eines Entwicklungsprozesses hoffen kann. Sie gewann ja ihre Dynamik in der Kritik eines erreichten Zustandes als Durchgangsstadium zu einer besseren Zukunft, einer nächsten Stufe der Entwicklungsleiter im Rahmen einer immerwährenden Bewegung des Fortschritts. Solcher Fortschritt war aber gebunden an die Metaphysik des Geldes, das sich in einem vermeintlich unendlichen Prozess der Selbstverwertung des Kapitals unendlich vermehrt.”
Januar 20th, 2020 at 14:15
Ist das mit der “Metaphysik des Geldes” ironisch gemeint? Was soll mir diese Formulierung ansonsten sagen?
Seit mir die Aussage Kurzens von 1995 unterkam, der Kapitalismus sei bereits herztot, was hieße, dass er seit einem Vierteljahrhundert nur noch “künstlich” am Leben gehalten würde, bin ich mir nicht mehr so sicher, ob diese postulierte “Künstlichkeit” nicht den eigentlichen Kern ausmachen könnte…
Januar 20th, 2020 at 14:20
@peinhart: Manchmal frage ich mich, warum es mir mit den Texten von Flatter nie so geht wie mit dem hier verlinkten Kleingedruckten: Ich schaue drauf, lese an, schmecke nach und es schmeckt und schmeckt einfach nicht. Also höre ich wieder auf, habe aber das Gefühl nicht wirklich brav gewesen zu sein, etwas hartnäckiger hätte mich kasteien und es hätte durchkauen müssen bis zum Schluss. Ganz anders bei Flatter: Da habe ich schon auch hin- und wieder dad Gefühl, dass hier jemand sehr, sehr virtuos auf einer Klaviatur spielen kann, die mir verschlossen bleiben würde, wenn da nicht dieses an das Herz-rührende Element wäre, das mich jedes Mal fesselt, zum Nicken animiert und ich keinen Krümel übrig lassen möchte. Also auch so etwas wie eine Predigt, aber eine, die mich mitnimmt, der ich mich willenlos hingeben kann. Nur so mal am Rande hingesagt.
Januar 20th, 2020 at 15:30
People no longer believe working hard will lead to a better life, survey shows
Despite strong economic performance, a majority of respondents in every developed market do not believe they will be better off in five years’ time.
In Deutschland glauben sie es immer noch. Sonst wäre die spd bei exakt 0 Prozent.
Januar 21st, 2020 at 17:16
Hier weist jemand dankenswerterweise mal darauf hin, dass Korruption im Kapitalismus keine Ausnahme oder Abweichung darstellt, sondern vielmehr ein konstituierendes Grundelement ist.
Januar 21st, 2020 at 20:59
@Peinhart
Ich habe das gesamte Buch bereits gelesen. Titel: “Die Wiederentdeckung des Menschen”.
Darin wird begründet, warum das in unserer Gesellschaft angeblich (von Ökonomen) “wissenschaftlich” nachgewiesene und bereits stark verinnerlichte Bild vom egoistischen, “rational” handelnden, in ständiger Konkurrenz mit seinem Mitmenschen stehenden Menschen als Garant für gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Erfolg nicht der Natur des Menschen entspricht. Ich finds auf jeden Fall lesenswert.
Januar 22nd, 2020 at 08:06
Ich verstehe die Ökonomismus-Debatte nicht; sie scheint mir ein Produkt fehlgeleiteter West-”Linker” zu sein, die ihren Kuchen zugleich essen und behalten wollen (einen kapitalistischen Marxismus oder marxistischen Kapitalismus). Der Kapitalismus erklärt sich nicht aus den in ihm herrschenden Produktionsverhältnissen, sondern aus den ihn bestimmenden Klasseninteressen! Das ist m.E. evident. Die ökonomische “Macht” dient v.a. der Beherrschung und Kontrolle des (Massen-)Bewußtseins, etwa in Gestalt des Bildungs- und Mediensystems. Warum ist das für jeden Satiriker offensichtlich – und für Theoretiker nicht?
Januar 22nd, 2020 at 16:48
Ist es nicht doch aber dergestalt, dass die vermaledeiten Produktionsverhältnisse die Klassen erschaffen und begründen und damit auch erst ihre ruchlosen Interessen…?
Januar 22nd, 2020 at 20:05
@AlienHST: Und deine Argumente waren genau welche? Ost…West?