Ich hatte schon ausgeholt, um meiner Lieblingspostille “Telepolis” eine reinzuhauen wegen der überschriftlichen Frage, ob Kapitänin Rackete jetzt die “neue Greta Thunberg” sei. Wir befinden uns in der Zeit der wild wuchernden Narrative, und ich wundere mich, wieso mein Buch eigentlich kein Bestseller ist.
Relotius ist überall, und fragt mal da draußen, wer das eigentlich ist. In der Regel erntet man mit der Frage nur Mundgeruch. Es schadet nicht, wenn leeres Geschwätz, erfundene Stories und kühne Lügen auffliegen. Es wird nach wie vor eine Welt wie aus dem Groschenroman präsentiert, und zwar eben nicht in der Goldenen Gala Revue, sondern vom kritischen® seriösen® Journalismus®.
Geschichte wird gemacht
Am besten junge attraktive Frauen, gern auch mal ebensolche Männer, alternativ Kinder, hilflos, große Augen, Nahaufnahme. Das ist hip, das zieht an, das ist Wahrheit viernullachtzehn. Jeder weiß, wer Greta Thunberg ist. Jeder weiß, die macht was mit Klima, Zukunft und Umwelt und jeder weiß, dass wenn man die Grünen wählt … ach, lassen wir das. Alte weiße Männer haben jedenfalls keine Konjunktur.
Kurz auf den anderen Kanal, wo die Einen Irre sind und die Anderen die Guten. Nachdem die NATO-freundliche Presse seit Jahren Russland vorwirft, in anderen Ländern herum zu hacken (Cyber Cyber), was böse sei, wurde neulich sehr offensiv berichtet, dass die USA dasselbe machen, was gut sei. Neben der Geschichtsvergessenheit, an die wir uns schon gewöhnt hatten, erleben wir jetzt also den informationellen Salto mortale rückwärts. Foul is fair, aber sicher!
Aufschrei
Auch zum Dritten noch kurz gehüpft: Amri wird nicht aufgeklärt, die NSU für 120 Jahre in Schutz genommen, in Bundeswehr, Polizei und den ‘Diensten’ tummeln sich die Nazis und ein Politiker wird von einem hingerichtet. Wie sie jetzt überall die Autobahnen sperren, Groß- Ring-, Raster- und Schleppnetzfahndungen durchziehen, wie sie Sympathisanten verhaften und aus ihren Jobs kärchern und die linke Presse Folter und Todesstrafe fordert! Das ist Deutschland hier.
Wie gesagt, das steht alles schon im Buch, nur dass sie scheinbar jetzt erst richtig aufdrehen. Wo bleibt der Aufschrei, der Exodus kompetenter Journalisten aus den Redaktionen, die Gründung ganz neuer Medien? Tzia. Und was macht Telepolis? Widersetzt sich einmal mehr dem Trend. Leseempfehlung für alle, die sich noch mit Inhalten befassen.
Juli 2nd, 2019 at 13:09
Kognitive Sicherheit für alle!
Juli 2nd, 2019 at 13:16
Zur Leseempfehlung noch eine Ergänzung: warum ausgerechnet die ‘Solidaritätsbekundungen’ von Seehofer, Maas und natürlich auch mal wieder Steinmeier ein neuer Achttausender der Heuchelei ist, frisch aufgefaltet aus der deutschen Pampa.
Juli 2nd, 2019 at 15:53
flatter: “Wo bleibt der Aufschrei, der Exodus kompetenter Journalisten …”
Na ja, zu Plasbergs gestriger Sendung, in die er anstelle eines Familienangehörigen oder guten Bekannten des ermordeten Lübke einen Landesvorsitenden der AfD einlud, gab es im Vorfeld bereit Boykottaufrufe und danach gute Kritiken:
Sendung und Gäste: https://www1.wdr.de/daserste/hartaberfair/index.html
Kritik: https://www.spiegel.de/kultur/tv/hart-aber-fair-mit-uwe-junge-afd-ueber-rechten-terror-es-war-ein-trauerspiel-a-1275258.html
https://twitter.com/DanielLuecking/status/1145970648356966400
https://twitter.com/hashtag/%C3%BCberrechtereden?src=hash
Juli 2nd, 2019 at 18:42
In Sachen Rackete, Vorsicht! Grds. iss die Sache nich so einfach wie Heiko M. (& Co.) sich das vorstellt. Aber ob man aus Entfernung den richtigen Kurs für ein Schiff feststellen kann, wie Petra Reski sich das zu traut? Ich weiß es nich. So lange man das Problem nich ursächlich angeht bleibt bestehen: “Da kommen Menschen aus dem Norden, ziehen Menschen aus dem Süden aus’m Meer und laden die in Italien ab!” Das ist fatal. Ich war 2011 ein paar Tage in Neapel, da geht’s ganz schön schwarz zu (so to speak). Italien wird schon viel zu lange – zusammen mit anderen Mittelmmeranrainer – allein gelassen und der Norden und die EU machen sich ‘nen schlanken Fuß. *kotz*
Juli 3rd, 2019 at 12:03
@Vogel:
Aktionen wie von Frau Rackete sind an Bigotterie nicht mehr zu überbieten.
Angeblich sind zu ihrer “Rettung” bereits über 1.000.000 Euro gesammelt worden.
Ich frage mich bei dem Spendenaufkommen, warum man für die Kohle ausgerechnet als Deutscher Seelenverkäufer anmietet und die Flüchtlinge dreisterweise in Italien, Spanien oder Griechenland abkippt.
Habt endlich den Mut ein hochseetüchtiges Schiff anzumieten und bringt die Leute nach Wilhelmshaven.
Von der Bekanntgabe bis zur Durchführung wäre die mediale Begleitung garantiert und diese Regierung gezwungen die Hosen runter zu lassen.
Aber das ist genau wie FfF und der E-Hype. Hauptsache in Deutschland alles grün, Strom kaufen wir dann eben in Polen oder Frankreich und wer macht schon Urlaub im Kongo oder Chile?
Juli 3rd, 2019 at 12:14
Hier kannst du einiges dazu nachlesen.
Juli 4th, 2019 at 09:59
Junge, Junge Bernd das war wohl nix.
Juli 4th, 2019 at 10:17
In der Tat lesenswert, aber eine Reski als Kronzeugin der “aufgeklärten Vernunft” ist dann doch peinlich.
Das Argument “warum nicht Tunesien” ist ein altbekannter rhetorischer Kniff von “Flüchtlingskritikern”. Tunesien und andere nordafrikanische Staaten (der failed state Lybien hat noch nicht einmal die Genfer Flüchtlingskonvention ratifiziert) haben kein verbrieftes Asylrecht.
Vielmehr muss man die Rechtmäßigkeit eines Faschisten wie Salvini in Frage stellen, wenn dieser in Persona mal eben meint, dass er Menschen daran hindern kann Asyl zu beantragen (Rechtsbruch).
Juli 4th, 2019 at 16:29
Es gibt Gründe, warum Salvini so ‘wirkmächtig’ werden konnte – sie heissen an erster Stelle ‘Dublin’ und sicher nicht an letzter ‘Deutschland’. Das hat allein letztes jahr in über 17.000 Fällen Italien aufgefordert, Flüchtlinge zurückzunehmen. Während dieses immer noch der Anlandestaat No1 ist. Diese ‘Rechtspopulisten’ sind ureigenste Qualitätszüchtungen einer höchst unsolidarischen Politik. Wir schaffen das.
Juli 9th, 2019 at 16:39
Ich hatte mich ja neulich schon einmal vorsichtig zustimmend zur MMT und zu den sich daraus ergebenden Möglichkeiten geäußert, die in erster Linie in erweiterten (staatlichen) Spielräumen bestünde. Nun gibt es ebenfalls bei tp diesen Zweiteiler, der das etwas näher ausführt. Dabei wird aber auch deutlich, dass dieser ‘geldpolitische Tabubruch’ eigentlich nur das bereits gewandelte und von der ‘Wertkritik’ beschriebene neue Akkumulationsregime sozusagen offiziell institutionalisieren würde. Das immer schon schiefe Bild des ‘zirkulierenden Geldes’ würde bzw müsste endgültig als Einbahnstrasse Richtung Kapital begriffen werden.
So zeigt denn auch dieser Artikel, dass das den Faktor Arbeit nicht unbedingt besserstellen würde, sondern im Gegenteil seine Abhängigkeit noch zunehmen würde. Wenn also die ‘erweiterten Spielräume’ nicht in Richtung ‘Transformation’ genutzt würden, wäre damit wenig gewonnen. Etwas bessere Infrastruktur vielleicht und die dadurch generierte, wenigstens nicht ganz sinnlose Beschäftigung – das aber auch nur, sofern es sich nicht wieder nur um Strassen und nochmals Strassen handelt.
Eine ‘Lösung’ ist es definitiv nicht.