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Ich zitierte es schon einmal: “Würde”, das ist laut Schiller “Ruhe im Leiden”. Sei nicht jämmerlich, stehe aufrecht, selbst wenn dir ein paar Extremitäten fehlen und dir das Blut aus dem Ohren spritzt. Das ist das deutsche, das abendländische, das bürgerliche Subjekt – das sich selbst unterwerfende Dingsbums Mensch.

Weniger würdig, aber absolut zeitgemäß, erwünscht und gepflegt, sind diverse Varianten davon: der Kampfhahn, der Pfau, der Alphagünther, aber auch der buckelnde Radfahrer. Konkurriere, unterwirf – dich und andere -, verwende alle deine Antriebe und Fähigkeiten darauf, deinen Platz zu finden, zu behaupten und zu wahren. In der kapitalistischen Gesellschaft ein Spiel, das nie endet und, während es “fairer Wettbewerb” sagt, den Kampf bis aufs Blut meint.

Auf die Knie

Diese ‘Kultur’ des Unterwerfens, der Beherrschung und vor allem Selbstbeherrschung ist älter als der Kapitalismus, kommt aber in diesem auf unschönste Weise zur Entfaltung. Dass sie in diesem Umfeld gar nicht danach fragt, ob es vielleicht auch anders ginge, liegt auf der Hand. Dabei könnte es durchaus schöner sein.

In einer Gesellschaft, die nicht den permanenten Kampf anpreist und das gegenseitige Niedermachen zum Ideal erhebt, wäre der Umgang mit sich selbst und der ganzen Geschichte ein anderer. Das hätte unter anderem Auswirkungen auf Begriffe, die man außerhalb ihres Zwangs auch schon heute völlig anders interpretieren könnte. Ich nehme mir mal den des “Sozialismus’” zum Beispiel:

Wie sinnig ist es, eine Partei in ein kapitalistisches Parlament zu entsenden und dort ‘Sozialismus’ anzustreben? Was soll das sein? Der drölfhundertste Versuch, eine Arbeiterschaft, die inzwischen gar nicht mehr existiert, zu Gewinnern an ihrer eigenen Ausbeutung zu machen? Wie wäre es stattdessen, Sozialismus als wissenschaftlichen Versuch zu wagen, die Gesellschaft zu kreieren, in der man leben möchte? Sozialismus als organisierter Versuch einer Gemeinschaft?

Untermenschen

Das ist praktisch in einer kapitalistischen Gesellschaft auch vergebens, aber dafür haben wir ja die Theorie. Das ‘Subjekt’ eines solchen Versuches wäre dann aber nicht mehr das Konkurrenzäffchen, sondern ein Mensch, der mit sich, seiner kulturellen wie biologischen Geschichte und seiner Umwelt in Einklang zu leben versuchte.

Auf der Ebene des Einzelnen bedeutet dies, sich seiner Antriebe, nicht zuletzt der quasi tierischen, gewahr zu werden und sie weder zu unterdrücken noch im Sinne der Herrschaft loszulassen, sondern sie zu befrieden. Eine Gesellschaft, in der Aggressionen gegen andere gelenkt werden und die so ‘sublimiert’, dass es immer Minderwertige für die allgemeine Psychohygiene braucht, bleibt barbarisch. Sie predigt “Recht” und “Disziplin” und meint Unterdrückung.