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Im Sinne meiner Oberflächenbeschreibungen aka “Narrativ” muss ich mich heute noch einmal mit den Beschreibungen des Kapitalismus befassen, wie sie von dessen Befürwortern gern abgeliefert werden. Das fängt hierzulande bekanntermaßen schon mit propagandistischen Umbenennungen an. Kapitalismus heißt längst nicht mehr so, sondern grundsätzlich “Marktwirtschaft”, der noch das Prädikat “sozial” vorgestellt wird. Wenn eigentlich von Profit die Rede ist, heißt es je nach Thema “Arbeitsplätze”, “Gewinne” oder “Wachstum”. Kapital heißt “Investoren” und so fort.

Diese Umschreibungen sind quasi die Oberfläche der Oberfläche, hier kann man noch halbwegs erkennen, was sie eigentlich verdecken, zumal wenn man Schlüsselbegriffe wie “Wachstum” durchschaut, das als Selbstzweck nicht begründbar ist und damit recht unmittelbar auf die Mythologie weist, die dahinter steht. Wenn man dann noch Hayek gelesen hat, weiß man auch, wie die Messe in dieser Kirche zelebriert wird.

Wer hat’s erfunden?

Erfolgreicher sind freilich Inhalte, die ein wenig tiefer liegen und im Alltagsverstand als selbstverständlich gelten, obwohl oft das Gegenteil der Fall ist. So reklamiert der Kapitalismus für sich Errungenschaften, die ihm nicht zustehen. Allem voran ist das Prinzip der Arbeitsteilung zu nennen, das sehr viel älter ist und das sich überall dort entwickelt, wo es eben benötigt wird – auch ohne dass Profit das Ziel ist. Einfaches Beispiel hierfür ist die Brotproduktion. Bauern säen und ernten, Müller mahlen das Korn und Bäcker backen Brot. Dazu braucht es kein Geld, das vermehrt wird.

Dasselbe gilt für die technische Entwicklung. Als habe es diese nicht schon vor dem Kapitalismus gegeben! Es gibt sie sogar mitten in ihm ohne Profit, bekannt etwa durch Open-Source-Produkte oder “(Creative) Commons”. Zudem braucht es immer noch Köpfe, die entsprechende Ideen hervorbringen. Dass der Kapitalismus diese Kreativität ausbeutet, macht ihn nicht selbst zur Essenz der Erfindungen. Im Gegenteil unterdrückt er alle Entwicklungen, die dem Profit im Wege wären oder Menschen unabhängiger von Lohnverhältnissen macht.

Nach wie vor ist die aggressivste Behauptung der Propaganda, dass ausgerechnet Kapitalismus die Voraussetzung für ‘Freiheit’ sei. Sie nutzt dabei die vielschichtige Bedeutung des Begriffs, wobei sie mit Absicht das Eine meint und das Andere sagt. Zu verstehen ist unter solcher “Freiheit” die der Eigentümer, ihr Eigentum zu mehren, sprich: Profit. Garniert wird das Ganze regelmäßig mit Schauergeschichten von der vermeintlich einzigen Alternative: Kommunismus, Sozialismus, autoritärer Staat, Diktatur.

Wo Kritik versagt

Dem wird erstens unterstellt, er führe quasi zwangsläufig in die Pleite und zweitens, dass er eben autoritär sei. Dabei leugnet diese Propaganda unter der Hand die Existenz aller faschistischen Diktaturen und Parteien der Geschichte. Die Frage, ob Faschismus mit einer gewissen Logik aus dem Kapitalismus hervorgeht, kommt hier erst gar nicht auf. Dass die autoritären ‘Kommunisten’ derweil keine waren und statt Kommunismus einen halbgar gelenkten Kapitalismus samt Geldwirtschaft und Lohnarbeit pflegten, kommt ebenso wenig zur Sprache wie dass das ‘kommunistische’ China irgendwie gar nicht so pleite ist.

Die Unfreiheit der Abhängigen, die von ihrer Schufterei nicht leben können oder gar nicht erst die Chance dazu bekommen, wird gleich ganz verschwiegen bzw. einfach zur ‘Freiheit’ umgedeutet. Schließlich haben sie dasselbe Recht reich zu sein wie die Reichen auch. Damit ist Freiheit und Gleichheit Genüge getan. Mehr wäre nämlich Gleichmacherei, ergo Diktatur.

Propaganda stört sich nicht an solchen schreienden Widersprüchen; sie schreit einfach lauter, und wo ihr das lange genug gelingt, sickert der ganze Blödsinn ins Narrativ und wird für bare Münze genommen. Was die Kritik am Kapitalismus anbetrifft, die hier sogar am offensichtlichen Blödsinn scheitert, wird das wohl mit den Kritikern und ihren Strategien zusammenhängen. Wo es keine nennenswerten Gruppen und Strukturen gibt, die solche Kritik leisten, kommt man mit diesem Quatsch eben durch und streitet nur mehr darüber, ob Putin schuld ist oder ein anderer alter weißer Mann.