Ich mag heute einmal über die Dörfer gehen und mit ein paar Andeutungen aus meiner Biographie beginnen. Ein für mich sehr wichtiger Satz ist: “Ich bin kein Opfer”. Das hat, wie man unschwer ahnt, mit Gewalterfahrung zu tun. Gewalt in jeder Form war in meiner Kindheit und Jugend eine Art Kommunikationsmittel, und zwar sowohl von Eltern gegen ihre Kinder als auch unter denen. Ich war ein schmales Hemd, aber keineswegs wehrlos.
Dennoch hatte ich einen extrem schweren Stand und habe regelmäßig ordentlich auf die Fresse gekriegt. Das ging so weit, dass jemand signalisierte, man könne damit mein Selbstbewusstsein zerstören. Das war ein wichtiger Moment, denn ich beschloss trotzig, gerade das nicht zuzulassen. Obwohl ich sprichwörtlich an meine Grenze gekommen bin, habe ich mir diese Haltung bewahrt. Ihr könnt mich verletzen, vielleicht töten, aber nicht zerstören. Ich habe Narben und Macken, aber ich brauche keinen Zivi.
Mess with me?
Inzwischen bin ich relativ alt, was zu den ersten Eingeständnissen körperlicher Art führt. Es geht nicht mehr alles, was bei mir Jammern auf extrem hohen Niveau ist, aber eine Erfahrung, die man auch erst mal verdauen muss. Ich habe ein bisschen was auf den Weg gebracht in meinem Leben, das sehe ich, wenn ich die nächste und inzwischen übernächste Generation anschaue. Materielle Reichtümer gingen mir schon immer am Arsch vorbei; was für mich gezählt hat, sind die Menschen, für die ich da bin.
Ich habe Solidarität auch immer so verstanden und bin der Ansicht, dass dies der Kern dessen ist, was ‘links’ bedeutet: Sich gegenseitig unterstützen; keiner steht über dem anderen und keiner gehört niemandem. Keine Herren, keine Sklaven, keine Hierarchien, keine Diskriminierung. Das ist nicht nur das Ziel einer politischen Agenda, das kann auch gleichermaßen der Weg sein.
Wenn ich also noch immer und immer wieder lese, ich sei als alter weißer Mann® ein geborener Unterdrücker, der Diskussionsgegner “missbraucht”, wenn er ihnen widerspricht, werde ich zornig. Wer mir, mit meiner Erfahrung und meinem Werdegang so etwas andichtet, ist mein entschiedener Gegner. Ich bekämpfe solchen Rassismus mit Nachdruck, nicht zuletzt auch deshalb, weil ich weiß, dass Gewaltopfer eines ganz sicher nicht brauchen: Verwöhnte Mittelschichtsblagen, die deren Erfahrungen verklären, sie im Opfermodus halten und für ihre identitäre Scheiße benutzen.
März 18th, 2019 at 21:31
Tz, jetzt thematisierst du hier deine Gefühle bei der Sache, dabei geht es doch um die Frauen!
(mir geht diese Pauschalisierung in diesen Diskursen auch tierisch auf die Nerven – du kannst zu 95% unserer Meinung sein, aber wenn du als Mann irgendwas anders siehst, dann bist du sofort trotzdem pöse)
März 18th, 2019 at 21:33
Von Gefühlen ist da keine Rede, nur von Erfahrungen und einer daraus resultierenden Haltung.
März 19th, 2019 at 06:15
D’accord
März 19th, 2019 at 09:20
Dein Text hat mich zu Nachdenken über meinen Vater gebracht…
Keinesfalls wegen irgendwelcher Parallelen, sondern wegen der unterschiedlichen Gewalterfahrung und ebenso unterschiedlichen Auffassung von Solidarität, die sich dadurch abgebildet hat. Deshalb heute mal etwas aus dem persönlichen Grabenkampf:
Mein Vater hielt sich zeitlebens für einen guten Kommunisten und nur um diese politische Selbstwahrnehmung geht es mir hier.
Er setzte sich immer für Schwächere und Ärmere, aber vornehmlich diesen beiden Kategorien zugehörige ältere Menschen ein. Dabei war er in entsprechenden Organisationen und zudem einer nicht mehr existenten Partei angehörig, die sich ebenso den Schutz solcher Menschen auf die Fahnen geschrieben hatte. Wenn man seine Weggefährten, sonstigen Angehörigen oder auch die Leute im Ort fragte, war er also ein hoch angesehener und mit den besten sozialen Kompetenzen geschlagener Mensch.
Die waren aber auch nicht dabei, wenn er sich in persönlichen Gesprächen sehr zweideutig über “die Ausländer”, vor allem die dunkleren unter diesen, ausgelassen hat. Das hat sich für mich erst ziemlich spät herauskristallisiert – ich habe diesen Widerspruch aber mit ihm nie lösen können.
März 19th, 2019 at 09:39
ich habe diesen Widerspruch aber mit ihm nie lösen können.
muss kein widerspruch sein. jedenfalls nicht, solange sowas wie “länder” oder “nationen” existieren. und “stämme” wirds in der einen oder anderen form immer geben.
März 19th, 2019 at 12:14
Im November 1981 bekam ich zum Geburtstag das Buch “Global 2000 – Der Bericht an den Präsidenten”, das seinerzeit Mitarbeiter von Zweitausendeins in Eigenregie übersetzt haben.
Das Buch wurde für 30 Jahre mein Wegweiser.
Erst als ich 2012 mit 52 Jahren so langsam das Gefühl bekam, dass ausser mir das keiner ernst nimmt, habe ich das erste Mal ein Flugzeug bestiegen.
Ich habe seit 1997 ein Mobiltelefon, zuerst aus beruflichen Gründen und nur technischer Totalausfall führt zum Neukauf. Mein aktuelles Telefon, das vierte insgesamt, habe ich seit 2013.
Mein Kleidung trage ich bis sie “durch” ist.
Das einzige am Internet das ich vermissen würde, wären ein paar Blogs und die Mühsal wieder persönlich zur Bank zu müssen.
Deswegen kann ich über 10 bis 16 jährige Klimaretter, die sich ansonsten jeden Tag von den Eltern bis fast ins Klassenzimmer fahren lassen, nur lachen.
Das wäre doch ein einfacher Schritt für jeden Teenager, dem die Umwelt tatsächlich am Herzen liegt, zu sagen:
“Danke, aber ich gehe zu Fuß oder fahre mit dem ÖPNV”
Drei Schulen in unmittelbarer Nähe beweisen jeden Tag das Gegenteil.
Das Gelächter schließt auch jene ein, die sich statt mit Partizipation mit der Jagd auf Facebook Kommentare “alter weißer Männer” zufrieden geben.
März 19th, 2019 at 13:33
@BerndH60: Vielleicht haben diese wenigen Teenager das auch gemacht/gesagt? Was du hier machst ist die Aussage “Die Jugend von heute ist scheiße” nur mit mehr Palaver. Und somit echt schwach. :)
März 19th, 2019 at 14:11
Steht da nirgends.
Da steht:
“Ich muss nicht auf die Erlösung warten, ich kann selbst was tun.”
Das Klima hat jeder Mensch jeden Tag in der Hand mit der einfachen Frage: “Muss ich das kaufen?”
Einfach mal den Energieverbrauch von 2008 mit dem von 2011 vergleichen und schon sieht man, nichts rettet die Umwelt schneller als eine Wirtschaftskrise. Und Konsumverweigerung führt am schnellsten dahin.
Der Traum der Politik ist doch der Energieverbrauch von 1990.
Geht ganz einfach zu erreichen.
Aber der Mensch suhlt sich nun mal am liebsten in der Gülle der weiter gereichten Verantwortung.
“Da müsste die Politik aber mal was tun.”
Wie ernst der Verbraucher/Konsument seine Verantwortung nimmt hat eindrucksvoll der 3 Liter VW Lupo gezeigt.
März 19th, 2019 at 16:01
OT: Video: As Brazil’s Jair Bolsonaro Prepares to Meet Donald Trump, His Family’s Close Ties to Notorious Paramilitary Gangs Draw Scrutiny and Outrage
Die Tagesschau derweil: Trump empfängt den Tropen-Trump
Trumps Nationaler Sicherheitsberater John Bolton rief zum Widerstand gegen die – so Bolton wörtlich – “Troika der Tyrannei” auf, womit Venezuela, Kuba und Nicaragua gemeint sind. Brasiliens Präsident Bolsonaro unterstützt diese Politik.
Haha, was für ein Lacher. Fernsehen von Idioten für Idioten.
März 19th, 2019 at 16:48
BerndH60: Verzichtsethik ist eine Sackgasse. Individuelles Verhalten ändert nichts an den Strukturen der umweltzerstörenden Ursachen.
März 19th, 2019 at 18:41
@ DkT #5:
Da ist was dran.
Aber auf der “internationalistischen Schiene”, in puncto Solidarität, hatte ich Hoffnung ihn zu kriegen.
Hat leider nicht geklappt.
März 19th, 2019 at 18:45
@altauto:
Bei entsprechender Teilnehmerzahl ist das auf jeden Fall möglich.
Erst würde von “tiefster Rezession” seit Menschengedenken gefaselt und dann haucht das Ganze völlig unspektakulär, wie weiland die Sowjetunion, sein Leben aus. Und sollte die größte Volkswirtschaft in Europa das machen, folgt der Rest in Monatsfrist.
Außerdem bin ich nicht bereit die Menschen von ihrer Verantwortung für ihr individuelles Handeln zu befreien.
Dann können wir auch wieder wie vor 1975 den Ölwechsel über dem nächsten Gully machen.
März 19th, 2019 at 20:05
@BerndH60: 1. Die meisten verzichten doch schon, wenn auch gezwungenermaßen aus reinem Geldmangel.
2. Wenn ein Massenprodukt “nicht geht”, dann gibt’s halt ein anderes oder es ist ein Luxusartikel.
3. Unterschätze nie den Erfindergeist.
4. Das haben wir hier schon vor Jahren diskutiert und als untauglich befunden.
5. Es ändert sich rein gar nichts an den Produktionsbedingungen dadurch.
März 19th, 2019 at 20:45
@BerndH60 (12):
Tja, ich würde auch gerne Gebrauchsgüter, so wie früher, wieder vererben, reparierbar, etc.. Das würde aber auch unsere Aabeitsgesellschaft und -Ideologie pulverisieren. Und ich würde gerne auf so manche Energieummwandlung und Müllproduktion zwecks Geldeintreibung verzichten.
März 19th, 2019 at 21:22
Ich bin etwas verwundert, dass ausgerechnet hier das Hohelied der individuellen Verantwortung gesungen wird. Natürlich ist es konsequent und auch sinnvoll, sich individuell entsprechend zu verhalten. Es erfordert aber auch ständige Entscheidungen und Anstrengungen, wenn die Bedingungen dafür ungünstig sind. Wenn der ÖPNV besser ist fällt der Verzicht auf das Auto leichter; wenn die Gurke nie in Plastik eingeschweißt ist, kann ich sie in jedem Laden kaufen ohne Plastik mitzukaufen; wenn der Flug nach Edinburgh nicht billiger wäre als die Zugfahrt, dann würde die Entscheidung für die längere Zugfahrt wesentlich leichter fallen. All das lässt sich politisch beeinflussen.
Bezüglich der demonstrierenden Jugendlichen finde ich die Forderung nach möglichst perfektem Verhalten auch fehl am Platz. Natürlich machen die in weiten Teilen genau den Quatsch, der vorgelebt wird. Das diskreditiert aber doch nicht das Engagement für etwas sinnvolles. Und selbst wenn sie heute noch nicht so leben sollten scheint es mir doch sehr wahrscheinlich, dass diejenigen, die da jetzt aus ernsthaftem Interesse demonstrieren die ersten sein werden, die auch das eigene Verhalten überdenken.
März 20th, 2019 at 08:03
@ fak #15:
Zu deinem 2. Absatz:
Es ist sogar eher so, dass die Kinder und Jugendlichen bereits heute ihren Eltern und erst recht Großeltern versuchen vorzuleben, wie für sie ökologische Entscheidungen aussehen.
Es sind die meist die ersten, die versuchen auf Fleisch zu verzichten oder den Konsum einschränken. Sie fahren mit dem Schulbus oder zur Uni mit dem ÖPNV, statt sich kutschieren zu lassen, sie fragen nach, woher denn der Strom bei Omma kommt und warum sie denn nicht zu ´nem reinen Ökostromanbieter wechselt. Sie achten beim Einkauf auf auf die richtigen Zertifizierungen, etc. etc.
Das einzige was Erwachsenen zumeist dazu einfällt:
“Iss mehr Fleisch, das ist genauso gesund und billiger als das Obst.”
“Die Gurke in Folie kostet aber 10ct. weniger.”
“Ich will aber den Audi V8 und nicht so ´ne hässliche Stromkarre.”
“Das Anbieterwechseln bringt doch nix, das ist alles der gleiche Strom/das gleiche Gas.”
“Mit dem Bus auf Arbeit muss ich 2x umsteigen. Aber mit dem Auto kann ich gleich im Anschluss auch noch einkaufen.”
“Mit Hans Müller bilde ich doch keine Fahrgemeinschaft, auf den muss ich immer 10 min. warten.”
WIR, die Erwachsenen, sind es, die Kinder zuallererst korrumpieren. Wie viele Erwachsene leben ihren Kindern denn vor, dass sie den ganzen Tag auf´s Handy glotzen usw.usf.
Dass es da genau so löbliche Ausnahmen gibt, wie BerndH60 darf (auch ihn) nicht drüber hinweg täuschen, dass es zumeist aber genau anders herum ist.
März 20th, 2019 at 09:45
BerndH60:
Ich betreibe kein Atommüllendlager, fische keine afrikanischen Küsten leer, organisiere keine Atommülltransporte, produziere keine SUVs, biete keine Kreuzfahrten an, betreibe keine Massentierhaltung, fege keine kleinen Dörfer im rheinischen Braunkohletagebau von der Landkarte, zerstöre keinen Regenwald, liefere keine Waffen in Krisengebiete.
Aaaaaaaaber, nu kommst Du Digger……ich bin seit 30 Jahren Vegetarier. Effekt Null, denn die Intensivhaltung hat die Produktionsbedingungen immer mehr optimiert und profitorientiert und zwar dermaßen, dass die Medizinwissenschaft weltweit ein umspannendes Antibiotikaproblem auf die Menschheit zukommen sieht.
Und Kartoffeln gibt es bei mir nur aus Bodenhaltung. Macht ein gutes Gewissen und nen schlanken Fuss. (Sarkasmus aus.)
März 20th, 2019 at 10:35
OT: Zu gut: President Bolsonaro: “Brazil and the United States stand side-by-side in their efforts to ensure liberties in respect to traditional family lifestyles, respect to God, our creator, against the gender ideology, or the politically correct attitudes, and against fake news.” (tweet)
Markus Söder und Horst Seehofer gefällt das.
Glenn Greenwald fasst das mal kurz zusammen: Two men who have six wives between them – because they kept substituting their wives with younger replacements – and who had children with each of them – pay homage to the imperative that we pay “respect to traditional family lifestyles.” Very inspiring (tweet)
März 20th, 2019 at 11:25
@ThomasX:
d’accord.
Wenn ich mit 5 korrumpiert werde habe ich keine Möglichkeit mich zu wehren. Mit 14,16,18 erwarte ich aber schon die richtigen Fragen.
Das scheint doch auch teilweise zu klappen.
Laut Medien hat doch Greta ihre Eltern überzeugt Vegetarier zu werden.
Und dann Davos? Glaubt die im Ernst mit 16 noch, das Jeff Bazos oder Angela Merkel sich von einer Rede beeindrucken lassen ?
Und tatsächlich die Brandstifter zur Feuerwehr mutieren?
Wenn ich für das Klima was tun will, stelle ich mich nicht Facebook wirksam und Selfie geeignet auf den Marktplatz sondern blockiere die Zufahrt zur Schule.
Um vor der Freigabe des Weges jeden einzelnen SUV Kutscher mit der Frage:”Was soll das?” zu nerven.
Kann natürlich sein, dass ich völlig aus der Zeit gefallen bin, aber das sind keine Proteste, das sind Petitionen an “die Obrigkeit, ob sie eventuell geneigt sei, wenn es denn nicht zu unkommod ist und nicht zu sehr pressiert, vielleicht etwas zu unternehmen”.
März 20th, 2019 at 17:46
OT: Dass mich die in Dreistigkeit gegossene Blödheit der Gewähltenvertreter® immer noch überraschen kann, ist auch eine Leistung: Twitter. Ich konnte mir zuerst nicht vorstellen, dass die das wiorklich so meinen. Doch, sie meinen. Sag’ mir bitte wer, dass das ein Fake-Account ist!
März 20th, 2019 at 18:08
OT: Ab Minute 2:18 ist das folgende ganz nett: Wilfried Schmickler (yt)
Edit: @flatter: Ja! Den kennt doch jeder!!1! :D
Man kann nicht Jahrzehnte darüber lachen, dass nur die
dümmsten Klappspatenfähigsten Geister nach Brüsselentsorgtentsandt werden und sich dann noch über das Ergebnis wundern.März 20th, 2019 at 18:51
Sorry, aber heute ist irgendwie ein lustiger Tag.
[..] Außerdem sind längst nicht immer natürliche Stoffe das Ausgangsprodukt für Homöopathie. Es gibt auch homöopathische “Medizin” aus Plastik, Röntgenstrahlen oder Berliner Mauer.
Wie bitte? Wogegen wird denn Berliner Mauer eingesetzt?
Zum Beispiel gegen das Gefühl der Ausgrenzung, Einsamkeit oder Ungerechtigkeit. Da gibt es aber sehr unterschiedliche Strömungen. Klassische Homöopathen würden das nicht verabreichen, andere schwören darauf. [..] (Früher war sie Homöopathin – heute kämpft Natalie Grams gegen den Mythos der Globuli)
Oh, geil: Macron setzt Elitesoldaten gegen Gelbwesten ein
März 24th, 2019 at 11:34
@flatter
“… Solidarität auch immer so verstanden und bin der Ansicht, dass dies der Kern dessen ist, was ‘links’ bedeutet: Sich gegenseitig unterstützen; …” Kommt das Solidaritäts-Dings jezz endlich auch als Buch?!!
(Nein, isch lass’ nedd locker gell!)
März 24th, 2019 at 11:36
@ThomasX
“WIR, die Erwachsenen, sind es, die Kinder zuallererst korrumpieren. Wie viele Erwachsene leben ihren Kindern denn vor, dass sie den ganzen Tag auf´s Handy glotzen usw.usf.” Treffer! Die Saat, die unsere Generation gesät hat, geht auf!