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Mit einem Mix aus Amüsement und Resignation stelle ich fest, dass einige, die mir noch kürzlich ganz anders kamen, inzwischen ebenfalls das ‘Wählen’ eingestellt haben. Diese Europawahl ist derweil so selbstredend, das kann man kaum mehr überbieten. Ich fasse das einmal zusammen:

Da wird ein Parlament gewählt, dessen Macht ohnehin darin besteht, Vorschläge abzunicken, die von einem Konglomerat aus nationalen Regierungen besteht sowie aus deren internationalen Freunden und Förderern. Das ist schon so lapidar, dass es eh traditionell die Hälfte der Wahlberechtigten nicht interessiert. Es stehen Parteien zur Wahl, die alle dasselbe wollen. Es wird eine Politik gemacht, die keinerlei Kenntnis von der Lebenswirklichkeit der Menschen befürchten lässt.

Fresst das

Das Ganze hat den Charme eines Kaufladens in der Schikane vom Arbeitslosenamt – wissen’s schon, wo Menschen wie im Kindergarten das Rollenspiel “Einkaufen” absolvieren, weil sie sonst dem Hunger ausgesetzt werden. Eine bizarre demütigende Simulation also, hier der Wahl politischer Vertreter, ein surreales Szenario mit der sehr realen Message; Wir machen mit euch, was wir wollen, und ihr spurt. Eine Testpiste quasi für Zumutungen, die noch widerstandslos hingenommen werden, schlimmer noch: an der die Erniedrigten aktiv teilnehmen.

Wir sind in Deutschland, dem Paradies der Massen, denen eben nur Austerität light zugemutet wird – niedrige Löhne, die längst die Lohnabhängigen nur noch mit Bruchteilen an der Produktivität beteiligen. Immerhin aber noch keine totale Hoffnungslosigkeit, noch keine verlorenen Generationen wie in Südeuropa, wo mehr als die Hälfte der unter 30-Jährigen keinen Job haben und kein Einkommen, wo es keine Gegenwart und keine Zukunft der Erwerbsarbeit mehr gibt. Hier, wo das Lenorgehirn weiß: Wir sind fleißig, deshalb dürfen wir essen, trotz Globalisierung® und Wettbewerb®. Anders als bei den Zigmillionen Südeuropäern, deren Faulheit sie plötzlich alle arm macht.

Hier also traut man sich und simuliert das große Kandidatenrennen, Juncker gegen Schulz. Dass die Wählerinnen und Wähler® nicht den Kommissionspräsidenten wählen, das muss der Leser ja nicht wissen. Der weiß eh nicht, was die Kommission ist, was der europäische Rat, der Rat der EU oder der Europarat. Wozu auch? Deren Vereinbarungen und Treffen sind ohnehin weitgehend irrelevant, so lange nicht die zuständigen Lobbyisten, die NATO und die Banken zustimmen. Aber immerhin: Juncker oder Schulz, SPD oder CDU, rinks oder lechts, ein bisschen was dürfen wir wählen.

Foul is Fair

Gesagt, getan, und Junckers Konservative haben die Mehrheit errungen. Na gut, die entscheidenden Mehrheiten in den einzelnen Ländern liegen häufig im Einstelligen Bereich, in der Slowakei etwa haben drei Prozent der Wahlberechtigten die stärkste Partei gewählt. 97% interessieren sich nicht oder wollen etwas anderes. Die sind dann eben selbst schulz schuld. Hiermit erklären wir die Herrschaft für legitim.

Kommen wir nunmehr zu etwa völlig anderem: Dann gehen die Herrschaften also hin und zeigen auf breiter Front sämtlichen Wählerinnen und Wählern® den Stinkefinger, dem man noch ansieht, aus welchem braunen Loch der gerade kommt. Die Konservativen, deren Wähler sich für Juncker entschieden haben wollen, sind jetzt gegen Juncker. Die Spezialdemokrateninnen und ihre Grünen Pfosten hingegen, deren Wählerinnen und Wähler® gegen Juncker waren, sind jetzt für Juncker und effektiv gegen Schulz, der inzwischen selbst für Juncker ist.
Das muss man nicht weiter kommentieren.