Wie kann man von mir erwarten, dass ich die deutschen Fabriken wieder in Gang bringe, wenn man mir nicht erlaubt, Nazis und deutsche Kartelle einzusetzen?
Wie kann man von mir erwarten, dass ich die deutschen Fabriken wieder in Gang bringe, wenn man mir nicht erlaubt, Nazis und deutsche Kartelle einzusetzen?
November 8th, 2018 at 22:37
Flatter, ich erlaube mir mal für die, die es interessiert, zu diesem geradezu „klassischen argument“ folgende hinweise:
Das zitat stammt aus diesem buch:
Office of Military Government for Germany, United States (O.M.G.U.S). Ermittlungen gegen die I.G. Farbenindustrie AG. September 1945. Übersetzt und bearbeitet von der Dokumentationsstelle zur NS-Sozialpolitik Hamburg. Greno, Nördlingen 1986
Wer einen überblick über die I.G. Farben sucht, wird bei chemiestudenten fündig, die sich mit dem thema auseinandergesetzt haben:
Bundesfachtagung der Chemiefachschaften/Arbeitskreis I.G. Farben (Hrsg.): …von Anilin bis Zwangsarbeit. Der Weg eines Monopols durch die Geschichte. Zur Entstehung und Entwicklung der deutschen Chemischen Industrie. 2. Auflage (2007) – dazu der : link – das zitat dort auf S. 109
Wie sich ein historiker mit dem thema ‘beschäftigt’ und die wissenschaft vulgo zunft ‘beschädigt’ hat (na gut, der einzige ist er da sicherlich nicht) – in Bielefeld war man über Gottfried Plumpe ‘not amused’, zumal man ihn anders kennengelernt hatte -, um bei Bayer karriere zu machen (1987-2007):
Gottfried Plumpe: Die I.G. Farbenindustrie AG – Wirtschaft, Technik und Politik 1904–1945. Duncker & Humblot, Berlin 1990
Otto Köhler hat verschiedentlich über (es gibt derer zwei) Plumpe-Wissenschaft geschrieben.
November 9th, 2018 at 07:59
Auch wenn ich mir die Finger damit verbrenne, will ich die Politik, die hinter dem obigen Zitat steht, verteidigen. Ich sehe es nicht als Fehler, wenn mensch mit früheren Feinden kooperiert. Ich sehe als Alternative dazu nur eine Politik des Tabula rasa.
Es gibt historische Beispiele für das eine wie das andere: Stalin machte mit seinen Feinden Tabula rasa. Mao Zedong stellte seine Gegner nur kalt, die KPCh gab ihnen aber bei nächster Gelegenheit eine zweite (und dritte) Chance. Die „Entnazifierung“ 1945 war ein Versuch der Tabula rasa. Amis wie Russen ließen schnell davon ab, weil es viel Aufwand für wenig Ertrag kostete. Kräfte in der BRD versuchten nach 1989 in der DDR Tabula rasa zu machen. Das wurde und wird von Linken immer kritisiert. Die USA machten nach dem Sturz von Saddam Hussein im Irak Tabula rasa. Die Folgen sind immer noch verheerend.
Überhaupt: Im Staatsdienst geht es nicht um Weltanschauungen, sondern um Loyalität. Auch Maaßen verlor seinen Job nicht wg falscher Gesinnung, sondern wg mangelnder Loyalität.
November 9th, 2018 at 08:12
@Wal: Ich bin – wie die anderen hier sicherlich auch – absolut gegen die Todesstrafe und würde wahrscheinlich auch die meisten Leute aus den Gefängnissen entlassen.
Aber – so frage ich mich – warum dürfen diese Leute von ihresgleichen immer wieder in Führungspositionen gehievt werden, wo wir doch wissen, dass jeder und jede nur austauschbare/r Funktionsträger/in ist?
Auch die Kritik der Ossis an den ehemaligen Bonzen, die nach ’90 wieder in der Partei etwas zu melden hatten, ist doch völlig berechtigt. Schmeißt die Leute raus. Sie können sich ja Arbeit suchen und den Schrebergarten bestellen.
p.s.: Ich muss dabei immer an die Supermarktangestellte denken, der gekündigt wurde, weil sie einen Pfandbon unterschlug.
Gleichheit, Recht? Dass ich nicht lache.
November 9th, 2018 at 09:04
@Rainer
Ich kritisiere, dass üble Gesinnung und üble Taten auf eine Stufe gestellt werden. Nazis raus? Aber wohin mit denen?
Alles, was nach Gesinnungsprüfung riecht, stinkt.
November 9th, 2018 at 09:11
Du hast mich nicht verstanden. Leider habe ich aber keine Zeit, da ich gleich weg muss.
Ganz kurz: Wie demokratisch eine Gesellschaft ist, zeigt sich beim durchschreiten des Werkstors und nicht darin, welcher Idiot für welche Aufgabe gerade von wem in der Politik gewählt wurde, denn das letztere halte ich für völlig uninteressant.
Das einzige was sich seit Anno Hitler geändert hat, ist, dass die Konzerne aus ihren Fehlern der Zentralisierung gelernt haben und nun so aufgestellt sind, dass niemand mehr kapiert, wo und wie die Verflechtungen laufen.
Die Nazis können ruhig hier in ihren Schrebergärten verbleiben, aber müssen sie Richter wie Filbinger sein?
November 9th, 2018 at 09:35
Erst ist dir wurscht, wer für einen Politjob gewählt wird, nachher ist dir aber nicht wurscht, welchen Job ein Filbinger hat. Das verstehe, wer will. Auch alle Nazis zu Gärtnern zu machen, halte ich für keine gute Idee. Da würden sich die Giftpflanzen bald rasend vermehren.
Vielleicht ist ja die (sofortige) Abschaffung des Beamtentums (und nicht nur des VS!) wie (langfristig) die Beseitigung aller lebenslangen Jobs ein Anfang, auf den wir uns einigen könnten. Unten solchen Verhältnissen ist tatsächlich nicht mehr wichtig, wer welchen Job macht, weil sich der Schaden in Grenzen hält, den ein Einzelner anrichten kann.
November 9th, 2018 at 10:07
Also um mal bei dem obigen Zitat zu bleiben, es geht ja nicht darum irgendjemandem aus Gesinnungsgründen ein Berufsverbot zu erteilen, sondern darum, daß nicht diejenigen, welche in der Nazizeit führende gesellschaftliche Stellungen eingenommen hatten diese nach dem Kriege erneut besetzen sollten (vergeblich).
Das ist das Problem mit den Nazis, sie wollen nicht in einem Schrebergarten bleiben, sie wollen Richter werden. Mein Großvater war übrigens Wehrmachtsrichter.
Man kann sog. “Gesinnung”(was für ein Wort)/Geisteshaltung ja nicht einfach ignorieren?
Sofortige Beseitigung und Abschaffung aller: Allmachtsphantasien führen nicht weiter. Leider.
November 9th, 2018 at 11:06
Das steht erstens “Nazis”, was ja Diskussionsstoff genug ist, denn alternativ hätten die neuen Herren garatiert keine Kommunisten in die Chefetage gelassen und auch kaum Sozialisten. Irrelevant?
Zudem steht da aber “Kartelle”. Findest du das auch o.k., @Wal?
November 9th, 2018 at 11:31
Ich habe weder für Nazis noch für Kartelle mein o.k. gegeben.
November 9th, 2018 at 11:50
100 Jahre Republik.
100 Jahre Einschränkung der Versammlungsfreiheit.
November 9th, 2018 at 11:58
@Wal: “… will ich die Politik, die hinter dem obigen Zitat steht, verteidigen.” Da ist m.E. aber nichts zu verteidigen. Das war die Kontinuität des deutschen Kapitalismus, einschließlich Ideologie und Personal. Nur das mit dem Massenmord hatte künftig subtiler zu geschehen.
November 9th, 2018 at 12:08
Die Russen sind mit Altnazis nicht viel anders verfahren. Wer seine Loyalität gegenüber den neuen Herren erklärte, dem standen die Türen offen.
Wer meint, das ließe sich anders und besser machen, den bitte ich um Auskunft.
Übrigens ist die Frage fast deckungsgleich mit der Frage wie im ehemaligen Sowjetimperium mit Altkommunisten umgegangen werden sollte.
November 9th, 2018 at 12:11
Zunächst einmal die Einteilung des Verlierers anno 45.
Die Chefetage wurde, wenn sie sich nicht vorher selbst schon entsorgt hatte, als Symbolträger samt und sonders exekutiert.
Fußvolk ohne Bedeutung richtete man bis zum 7. Juni 1951 hin, an dem Tag wurden im Gefängnis von Landsberg die letzten Urteile vollstreckt.
Alles was dazwischen war, wurde auf Verwertbarkeit getestet und kam auf jeden Fall, sofern in Deutschland lebend, garantiert mit dem Leben davon, meistens sogar ohne jede Strafe.
Selbst die ehemalige DDR hatte ja keine Probleme sogenannte “Unbelastete” nach kurzer Schulung in “Sozialistischer Theorie” zu übernehmen.
Das bedeutet: Es war für einen Menschen in der mittleren Hierarchie, der bspw. 1890 geboren war, möglich im Kaiserreich das Beamtentum erlernt zu haben, wurde dann Republikaner in der Weimarer Zeit, fand seine Übernahme zu den Nazis, um anschließend “Kommunist” zu werden.
Als der dann 1955 in Pension ging, hatte er 4 Treueeide auf 4 völlig unterschiedliche Systeme abgelegt. Gelebte Loyalität.
Das ist für mich der tiefe Staat, nicht irgendwelche klandestinen Kreise, die sich irgendwo zu irgendwas verschwören.
Diese Leute, die keine Probleme haben heute das Gegenteil von gestern nicht nur zu sagen oder zu leben, sondern obendrein zu beeiden.
Interessanterweise ist das auch die größte Schwachstelle von Herrschaft. Herrschaft gebiert Behörden, aber Behörden entwickeln in kürzester Zeit ein „Eigenleben“, das dann jede Form von Herrschaft überlebt.
Gelänge es Behörden den Menschen zu verpflichten und nicht der Herrschaft, wäre das ein erster Schritt in die richtige Richtung.
November 9th, 2018 at 12:17
@Wal: Du ignorierst nicht nur den Inhalt meiner Kommentare, sondern auch die Gechichte. Es geht um Kapital, Strukturen, Kontinuität. Und selbst was das Personal angeht, war es kein Problem, alles Rötliche außen vor zu halten. Es war eine historische Situation, in der Weichen gestellt wurden. Sowjetkommunisten hatten weder internationale Kartelle gebildet noch industriellen Massenmord organisiert. Zudem ist die Sowjetunion nicht besiegt und besetzt worden. Deine Vergleiche kommen mit keinem Rollstuhl mehr vorwärts.
November 9th, 2018 at 12:20
Am Rande: Kontinuität.
November 9th, 2018 at 12:23
Zu Zweiterem: Doch.
November 9th, 2018 at 12:29
Und selbst was das Personal angeht, war es kein Problem, alles Rötliche außen vor zu halten.
Auch das natürlich Kontinuität. Aber auch Gegenseitigkeit: Rötliches strebt ja auch nicht unbedingt eine leitende Funktion in einem Industriekartell an. Es gab daher zum fraglichen Zeitpunkt aus beiden Gründen wohl auch kaum Rötliches mit den gewünschten Erfahrungen.
November 9th, 2018 at 13:01
Dokumentation des großen Friedens mit den Tätern und der personellen NS-Kontinuität:
http://www.dieter-schenk.info/Neues%20Material/2015/Juli/Teil2/Vortrag_SGV_Krakau_12.05.2013.pdf
“Der Gendarmerie-Beamte Adolf Arndt war im September 1939 im Rahmen einer sogenannten Zigeuneraktion an der Ermordung einer Sinti-Sippe beteiligt. Er schoss auch auf Frauen und Kinder. 1959 wurde er durch das Schwurgericht Gießen freigesprochen. „Es lässt sich die Möglichkeit nicht ausschließen, dass er die Exekution für rechtmäßig hielt. Er war jahrzehntelang Pflichterfüllung gewöhnt und dass die Polizei zur Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung dient.“
November 9th, 2018 at 14:04
@tux: Industrieller Massenmord ist etwas anderes (immer noch deutsches Patent), erstens. Zweitens zerfiel die UdSSR in den 90er Jahren, da dürften von den Tätern kaum mehr welche übrig gewesen sein. Noch so ein Vergleich.
November 9th, 2018 at 14:12
Keine Frage offen, alles abgefertigt.
November 9th, 2018 at 15:04
Apropos “deutsche Patente”: Steinmeier forderte dabei auch ein entschiedenes Eintreten gegen einen „neuen, aggressiven Nationalismus“ in Deutschland. (…) Ein aufgeklärter und demokratischer Patriotismus hingegen sei ein „beständiger Ansporn“ dafür, die Zukunft besser zu machen.
Patriotische Bundespräsidenten gegen die Nationalisierung des Abendlandes!
November 9th, 2018 at 22:03
Was soll die alte Unke auch sonst sagen….Man erinnert sich ja jetzt noch gerne an das ätzende Kriegstreiberset von MC FWS.
November 10th, 2018 at 11:55
Der Schoß…
November 11th, 2018 at 13:29
wtf? “Rat der Cyber-Weisen“? “Armee der Guten“? “Cyber Security Cluster“?
Seriously! Bingo!
Kannste dir wirklich nicht ausdenken.
November 11th, 2018 at 15:20
Während Fabio Di Masi im Tagespiegel von ‘elektronischem Bargeld’ fantasiert und eine mindestens ebenso trübe und undurchsichtige Brühe ‘guten Willens’ anrührt.
The Collapse of Complex Societies…
November 12th, 2018 at 11:55
Heitmeyer-Interview: „Der Begriff ‚Rechtspopulismus‘ ist viel zu verharmlosend“
Was ich überhaupt nicht verstehe/einsehe, ist die Postulierung eines “selbstbewussten Autoritären”.