Quelle: worldmapper
Kapitalismus macht jeden zum Parasiten, der auf Kosten der Arbeitszeit anderer lebt. Den Satz kann man getrost zweimal und langsam lesen. Ich nehme einen etwas längeren Anlauf, um das zu erläutern:
Es wird gern von politisch eher Rechtsdrehenden ‘argumentiert’, man dürfe als ‘Linker’ alles Mögliche nicht haben oder nutzen, weil das inkonsequent sei. Da muss man gar nicht bei der Rolex anfangen, dazu reicht ein Smartphone völlig aus, und wenn sie sich in Rage reden, darf man Ende als Linker auch nicht mehr mit Geld bezahlen, sonst sei man ja selbst Kapitalist hahaha.
Zeitdiebe
Das ist ungefähr so schlau wie zu sagen, wer elektronische Medien nutzt, sei für Verbrechen, weil man damit ja welche begehen kann. Am besten Terrormassaker und Kindesmissbrauch. Das ist ‘politisch’ ja gern der Aufhänger. Man muss hier also zunächst festhalten, dass es unmöglich ist, keine Produkte zu nutzen, die mit Ausbeutung, Lohndumping und Profitmaximierung hergestellt wurden. Es ist nicht praktikabel, und das weiß auch jeder, der das Gegenteil von anderen verlangt.
Nicht-Marxianer müssen jetzt wieder etwas angestrengter mitdenken: Alle Produkte werden unter Einsatz von Arbeitszeit hergestellt. Der Unterschied zwischen Reichen und Armen ist stets der, dass die Reicheren sich die Arbeitszeit der Ärmeren aneignen. Ich kann mir für eine Stunde Auftragstexten drei Stunden einer Erzieherin leisten, die sich wiederum mit ihrer Arbeitsstunde die Monatsleistung eines armen Kongolesen kaufen kann.
Ihre Hehler
Tatsächlich wird uns Abhängigen das Meiste unserer Zeit-Kaufkraft wieder abgezogen, weil es als Mehrwert in den Preis einfließt. So mag die Arbeit, die der Kongolese für das Smartphone geleistet hat, eigentlich mit weniger als einem Cent entgolten worden sein, im Produktpreis steckt aber wieder ein Vielfaches. Das ist bei sehr vielen Produkten so, aber nicht bei allen.
Ganz selbstverständlich können wir Produkte auch weit unter unserem Aufwand kaufen. Jeans (Baumwolle, genäht, gefärbt etc.), Südfrüchte (geerntet, verpackt, transportiert etc.) und dergleichen kosten uns vergleichsweise wenig. Das heißt, dass wir definitiv auf Kosten der Arbeit anderer leben. Bizarr wird das alles, wenn man Lohnunterschiede hier (wo gleiche Konsumbedingungen gelten) betrachtet und notiert, dass Bullshitjobs teils fürstlich entlohnt werden, während wirklich notwendige (Pflege, Kinderbetreuung etc.) kaum zum Leben reichen.
Der Markt®
Kapitalismus ist ein System gestaffelten Parasitentums, dem keiner entgeht außer die ganz unten, auf deren Kosten der ganze Rest lebt. Die entgehen wiederum nicht der brutalen Sklaverei, die ebenfalls systembedingt ist. Ich möchte an dieser Stelle nicht schon wieder darauf eingehen, dass es da auch nichts umzuverteilen gibt, was relevante Veränderungen ermöglichen würde.
Dieses System funktioniert so, schon immer und alternativlos, und es gibt zwei Möglichkeiten, damit umzugehen: Entweder man findet es richtig und sieht zu, dass man nicht zu weit nach unten durchgereicht wird oder man stellt fest, dass dieses System überwunden werden muss. Dazwischen gibt es nichts, denn umverteilt wird allenfalls die Besetzung derer, die am Ende der Nahrungskette stehen. Kapitalismus braucht Profit und Profit braucht Elend.
Oktober 26th, 2018 at 21:09
Der Club der Milliadäre weltweit wächst und wächst. Das Vermögen der reichsten Menschen ist 2017 auf einen Rekordwert geklettert – so eine Studie der Beratungsgesellschaft PwC und der Schweizer Bank UBS.
[...]
Die Studie sieht einen steigenden Trend zu Milliardären, die es mit einer guten Geschäftsidee aus eigener Kraft in den Club der Superreichen geschafft haben: Von den 332 Aufsteigern im Jahr 2017 waren 199 sogenannte Selfmade-Milliardäre.
Nimm das, alter Nörgelneider! :p
Oktober 26th, 2018 at 21:45
Die haben einfach genug Teller gewaschen.
p.s.: Wie gewaschen muss eigentlich ein Gehirn sein, dass “Selfmade-Milliardäre” vertextet? Haben die das eingesetzte Kapital selbst gemacht? Ich dachte, das wär’ strafbar.
Oktober 26th, 2018 at 23:22
Es ist diese Surrealität, die alles so unglaubwürdig macht. Oder war es andersrum…?
Oktober 27th, 2018 at 08:58
Nur mal so zur Veranschaulichung für Klein-Erna von den “Anonymen BWL-Abstinenzlern”: Drei Millionen Euro hätten in 100-Euro-Scheinen ein Gewicht von 30 kg, 15 Millionen würden bereits 153 kg wiegen. Ohne SUV gibt es bei der Barauszahlung Probleme. Für 100 Millionen (0,1 Milliarden) bedarf es schon eines Tiefladers für das Gewicht von 1020 kg (1,02 t).
Zweifelsfrei zählen Menschen, die über mehrere Millionen Euro verfügen, zu den Reichen(z.B. Thomas Müller, ;-). Aber es gibt noch eine höhere Liga, nämlich die Superreichen. Das Manager Magazin (Sonderheft 10/2017, leider nicht online verfügbar) schreibt, dass sich die Zahl deutscher Milliardäre von 2009 bis heute von 99 auf 187 vergrößert hat.
Quelle: http://narrenschiffsbruecke.blogspot.com/2017/10/die-reichen-und-die-superreichen.html
Oktober 27th, 2018 at 10:37
Dann war es wohl doch ein Fehler, die 500er aus dem Rennen zu nehmen. :p Sehr anschaulich finde ich diese Gewichtsorgien aber auch nicht. Wie wär’s denn mal mit der Umrechnung in Mannjahre zum Mindestlohn? Drei Millionen ergeben da (mit großzügigen 9€/h) schon mal 333.333,33 Stunden, entsprechend gut 160 Mannjahre, also die Möglichkeit, 160 Leuts für ein Jahr – oder eben ein Leut 160 Jahre lang – für sich arbeiten zu lassen. Damit kämen wir doch auch der ‘Substanz’ des Geldes wesentlich näher…
Oktober 27th, 2018 at 10:52
Es gibt nichts zu verteilen, hier wird verkauft!
Oktober 27th, 2018 at 15:08
OT: Je ne suis plus Charlie.
Oktober 27th, 2018 at 22:12
OT:
Auch in Verbindung mit den Werbeanzeigen erreicht die deutsche Presse immer neue Höhepunkte.
Der Kölner Express ist zwar sowieso unterste Stufe, aber bei einem Bericht über eine Gruppenvergewaltigung die Anzeige zu platzieren:
“Casual Dating – One Night Stands ohne Stress – So gehts”
ist auch für deren Verhältnisse eine harte Nummer.
Oktober 27th, 2018 at 22:21
Da sind das Lüneburger Blatt und eon immer noch vorn.
Oktober 28th, 2018 at 02:45
Die 500′er wurden aus dem Rennen genommen, um das Horten von Bargeld in (Bank-)Tresoren zu erschweren.
0%- oder -x.x% -Zins-Polik halt, mit allen Konsequenzen.
SFIK werden die aber nicht vernichtet, sondern bloß nicht mehr neu gedruckt.
Oktober 28th, 2018 at 09:57
Schöner Text!
Das ist sehr einfach und klar zusammengefasst und verzichtet auf großes Geschwurbel.
Oktober 28th, 2018 at 12:30
Guter Überblick zum Übergang von der Sozialdemokratie zum Faschismus in Brasilien. Wenn das Befrieden des Kapitals scheitert.
Oktober 28th, 2018 at 12:53
“Wenn das Befrieden des Kapitals scheitert.”, wird es befreit; alles weitere, incl. “löschen” von bits und bytes vulgo menschen, regelt der ‘superprozessor’ – hallelujah, lobet den markt.
Oktober 28th, 2018 at 16:15
Zum Thema Umverteilung fiel mir Peter Frase mal wieder ein. Der meint, kurz gefasst, dass man Umverteilung und dadurch (wenigstens etwas) bessere Verhältnisse zwar erreichen könne und auch erreichen sollte – dass das Ergebnis in einer Welt der doppelt freien Lohnabhängigen einerseits und Privateigentum an Produktionsmitteln andererseits aber niemals stabil (‘viable’) sein könne. Man dürfe und könne daher bei diesen ‘Errungenschaften’ nicht stehenbleiben, da man sich ansonsten unweigerlich einen Backlash einfängt:
For the more Polanyi-ish [...], it’s possible for us all to get along in a world where workers have comfortable lives and the bosses still make money.[...]
The alternative Marxist argument is that capitalism is defined by the power struggle between workers and capital, and the Polanyian version of socialism attempts to elide that contradiction in favor of a vision of harmonious coexistence.
Where this vision fails is not in the short term but in the long run. It leaves the Left ill-equipped to address the inevitable crises that a successful reformist program generates, and I would argue that the belief in the possibility of permanent class compromise contributed to the defeat of the Left and the victory of neoliberalism.
So the problem isn’t that we can’t win reformist victories for workers. History has shown that we can. The problem is what comes after victory, and we need a theory of socialism and social democracy that prepares our movements for that phase. Quelle dafür
Also kann der sozialdemokratische Reformismus immer nur eine Vor- bzw Zwischenstufe sein – ‘building the crisis’ – die eigentliche Aufgabe aber dann erst dort beginnt.
Kritisch anzumerken wäre, dass Polanyi da vielleicht etwas zu undifferenziert gesehen wird, was aber hier nicht wirklich was zur Sache tut. Fraglicher schon, ob die Kräfteverhältnisse heute noch einmal so gedreht werden können wie in der 60ern und 70ern. Fraglich aber auch, ob und wie man anders als durch solche ‘reformistischen’ Kämpfe genug ‘Power’ sammeln kann…
PS – Passt durchaus auch für Brasilien.
Oktober 29th, 2018 at 09:38
Yes, Sir Peinhart, die immer wiederkehrende Frage: Reicht Reformation oder musses immer(?) ein Umsturz sein? Kommt nach der Reformation der Rollback und nach dem Umsturz der Reset und nach dem Reset der Re-Reset usw.? Natur des Menschen (durchschnittlich einssiebzig …)??
Oktober 30th, 2018 at 11:12
Ohne Rückgriff auf historische Entwicklungen kann aber wohl kaum der Kaufkraftunterschied zwischen Industrieländerwährungen und ehemaligen Kolonialgebieten erklärt werden oder? Oder folgt der Kolonialismus aus der Verwertung des Werts?
Oktober 31st, 2018 at 13:31
Sieh an, auf einmal will die SPD doch wieder ‘irgendwie links’ sein. Oppermann(!) und Scholz(!!) forderten lt tagesmärchen sogar schon 12€ Mindestlohn, haben sich aber offenbar auch schon wieder bügeln lassen: mit 9,19 ist das nicht einmal ein ‘Kompromiss’ sondern das regulär eh erwartete. Aber auch Steinbrück und Gabriel wollen auf einmal wieder ‘konfrontativ zuspitzen’ – und irgendein Honk schlägt mal wieder das Bürschchen Kühnert dafür vor. Der Bettvorleger setzt zum Sprung an…